Alle Artikel in Kategorie: Beobachtung von Strafprozessen

BVB-Attentat: Erster Verhandlungstag | Verlesung der Anklage und Scharmützel der Verteidigung

Der erste Verhandlungstag am 21. Dezember 2017 beginnt um 12:00 Uhr in Anwesenheit von 30 Pressevertretern und 20 Zuschauern.

Der Angeklagte Sergej W. (28) stammt aus Russland, lebt derzeit aber in Deutschland und wird im Prozess von zwei Rechtsanwälten vertreten, eine Dolmetscherin übersetzt für ihn.

Die Staatsanwaltschaft ist durch einen Oberstaatsanwalt und zwei Staatsanwältinnen vertreten, ebenfalls anwesend sind drei Verteidiger der zwei Nebenkläger, zum einen Borussia Dortmund, zum anderen der Motorradpolizist, der bei diesem Attentat durch ein Knalltrauma verletzt worden ist.

BVB-Attentat: Erster Verhandlungstag

Befangenheitsantrag der Verteidigung

Bevor die Verhandlung eröffnet werden kann, wird bereits ein Befangenheitsantrag von Carl Heydenreich, einem der Rechtsanwälte des Angeklagten, gestellt. Er moniert, dass es einen extremen Druck auf die Beteiligten des Prozesses gäbe, da der Prozess in Dortmund stattfindet und alle Einwohner von Dortmund BVB-Fans wären. Außerdem hätten die Medien eine Hetzjagd auf seinen Mandanten durchgeführt. Es habe erhebliche Indiskretionen von den Verfahrensbeteiligten gegeben. Weiterhin hält er den Oberstaatsanwalt für befangen, da dieser bereits in einem Interview eine lebenslängliche Strafe gefordert hat. Weiterhin kritisiert er, dass die Verteidigung keine komplette Akteneinsicht gehabt hätte und auch nur einseitige Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt worden seien. Außerdem argumentiert er, dass die Sprengvorrichtungen nicht zum Töten gedacht gewesen sein sollte. Sein Antrag an das Gericht lautet Ablösung des Oberstaatsanwalts.

Um über den Befangenheitsantrag zu entscheiden, nimmt sich das Gericht eine Besprechungspause. Danach erfolgt die Stellungnahme des Oberstaatsanwalts, in der er im Wesentlichen angibt, dass alle Akten übergeben worden sind und die Zuständigkeit der Weitergabe nicht bei ihm, sondern beim Landgericht läge. Außerdem sei bekannt, dass ein Antrag auf Vollständigkeit der Aktenübergabe in der Strafprozessordnung nicht normiert ist. Entlastendes für den Angeklagten konnte er als Oberstaatsanwalt nicht ermitteln, da nichts vorläge. Abseits dessen sei dies auch Aufgabe des Angeklagten und seiner Verteidigung. Und seine Forderung einer lebenslänglichen Haftstrafe  sei nur eine Wiedergabe des Gesetzestextes.

Die Verteidigung darauf erwidert unter anderem, das die Prüfung von Alternativhypothesen versäumt worden, worauf der Oberstaatsanwalt antwortet, dass man gleich nach dem Attentat von einem Anschlag des IS ausgegangen sei.

Dann verkündet das Gericht seine Entscheidung, dass der Befangenheitsantrag der Verteidigung abgelehnt wird, insbesondere deshalb, weil die beiden Schöffen bestätigt haben, nur die örtliche Presse gelesen, aber keine überregionalen Medien oder Quellen im Internet rezipiert zu haben. Das Gericht wird damit das Verfahren ordnungsgemäß durchführen.

Anklageverlesung

Nun liest der Oberstaatsanwalt die Anklage vor und führt darin aus, dass der Anschlag des mutmaßlichen Täters Sergei W.  am 11. April 2017 um 19:16 Uhr als heimtückisch einzustufen und aus Habgier durchgeführt worden sei. Er habe dazu drei Sprengsätze auf einer Länge von zwölf Metern auf dem Fahrtweg des BVB-Busses vom Hotel zur Straße angebracht. Darin befanden sich 65 Metallbolzen, die eine Größe von 74 x 6 Millimeter und ein Gewicht von 16 Gramm aufwiesen. Die Sprengsätze wurden elektrisch gezündet. Der Bus sollte vorne und hinten getroffen werden sowie in der Mitte. Die Bolzen flogen bei der Explosion bis zu 250 Meter weit. Durch die Explosion wurde der Spieler Marc Bartra von einem Bolzen schwer an der Hand verletzt, außerdem drang dieser Bolzen anschließend in seine Kopfstütze ein.

Der Oberstaatsanwalt nennt als Motiv des Angeklagten, dass dieser sich bereichern wollte, da er vorher auf einen fallenden Aktienkurs des BVB nach dem Anschlag gewettet habe. Er habe circa 26.306,43 Euro eingesetztes Kapital besessen, was bei abfallendem Kurs um nur einen Euro auf eine Summe von 506.000 Euro  gestiegen wäre.

Nach dem Verlesen der Anklage erklärt unter anderem der Nebenklägervertreter von Spieler Marc Bartra, dass dieser mindestens ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro verlangt. Hiernach ist der heutige Prozess beendet.


Bildquelle: Michael Grabscheit/pixelio.de

Prozess gegen BVB-Attentäter

Am 11. April 2017 explodierten am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (BVB) drei Sprengsätze, die einen Spieler sowie einen Polizisten zum Teil schwer verletzten. Deponiert hatte die Bomben vermutlich der Deutsch-Russe Sergej W. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Dortmund daher Anklage wegen Mordversuchs in 28 Fällen, Herbeiführen eines Sprengstoffanschlages sowie gefährlicher Körperverletzung erhoben, der durch das Landgericht Dortmund stattgegeben wurde. Am 21. Dezember beginnt nun die Hauptverhandlung, die ich unter folgenden Aspekten verfolgen werde: Wie hätte der Anschlag verhindert werden können (welche Sicherheitsmaßnahmen wurden im Vorfeld ergriffen)? Welchem Tätertyp entspricht der mutmaßliche Attentäter und wie sah seine Handlungsplanung und -umsetzung aus?

Am 11. April 2017 explodierten am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (BVB) drei Sprengsätze, die einen Spieler sowie einen Polizisten zum Teil schwer verletzten. Deponiert hatte die Bomben vermutlich der Deutsch-Russe Sergej W. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Dortmund daher Anklage wegen Mordversuchs in 28 Fällen, Herbeiführen eines Sprengstoffanschlages sowie gefährlicher Körperverletzung erhoben, der durch das Landgericht Dortmund stattgegeben wurde. Am 21. Dezember beginnt nun die Hauptverhandlung, die ich unter folgenden Aspekten verfolgen werde: Wie hätte der Anschlag verhindert werden können (welche Sicherheitsmaßnahmen wurden im Vorfeld ergriffen)? Welchem Tätertyp entspricht der mutmaßliche Attentäter und wie sah seine Handlungsplanung und -umsetzung aus?

Rückblick

Über dieses Verbrechen ist ausführlich berichtet worden, daher sollen im Folgenden nur die für meine Fragestellung wichtigsten Fakten benannt werden, die der Berichterstattung bis heute zu entnehmen sind.

Die Sprengkörper hatte der mutmaßliche Täter in einer Hecke versteckt, neben der der Mannschaftsbus stand. Sergej W., ausgebildeter Elektrotechniker, hat sich zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich am Fenster des gegenüberliegenden Hotels aufgehalten und die Bomben per Fernsteuerung gezündet.

Wie Zeit Online auf Basis von Erkenntnissen des Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ berichtet, soll Sergej W. in der Vorbereitung Notizen angefertigt haben, in denen er Überlegungen zu Funkfrequenzen für die Fernzündung von Sprengsätzen und zur Frage, wie sich der spätere Tatort auskundschaften lasse, angestellt habe. Außerdem soll er an der Börse auf einen Kursrutsch der BVB-Aktie nach dem Anschlag spekuliert haben, wobei er im Falle des Gelingens etwa vier Millionen Euro hätte bekommen können.

Dass sein mutmaßlicher Plan nicht aufging, war verursacht durch einen Fehler: Der Täter hatte die mittlere Bombe zu weit oben angebracht, sodass der größte Teil der Metallbolzen über den Bus hinwegflogen. Nur die wenigsten gerieten in den Businnenraum, richteten dort aber dennoch erheblichen Sach- und Personenschaden an

Abseits des banalen Tatbeweggrundes, sich am geplanten Tod von 28 Menschen finanziell bereichern zu wollen, spricht auch die Kaltschnäuzigkeit für die hohe kriminelle Energie von Sergej W.: Laut einem Bericht von Focus Online aß der mutmaßliche Attentäter in Ruhe Abendbrot und tischte den ihn später festnehmenden Behörden außerdem selbstsicher Lügen bezüglich seines Aufenthalts in Dortmund auf.

Doch gegen ihn sprechen laut Staatsanwaltschaft Dortmund nicht nur seine nachweislich getätigten Börsengeschäfte oder die gefundenen Notizen. In seinem Besitz wurden außerdem Spuren von Wasserstoffperoxid gefunden, das zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden kann. Die Bomben des BVB-Attentates enthielten ebenfalls Wasserstoffperoxid.

Prozessbeginn

Es wird daher nun spannend zu erfahren sein, wie und wie lange der mutmaßliche Täter sein Vorhaben vorbereitet hat, wer eventuell außerdem involviert war, woher er sein Wissen bezog oder, wie er sich Kenntnisse zu den Abläufen bei Borussia Dortmund verschaffen konnte.

Ebenso spannend ist jedoch die Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen ein derart in der Öffentlichkeit stehender Verein wie Borussia Dortmund im Vorfeld installiert hat? Immerhin: Seit Jahren schon sind die Gefahren (terroristischer) Anschläge evident und mit dem Team des BVB zerstörte man nicht nur einen extrem hohen finanziellen Wert, sondern richtete vor allem auch einen ungleich höheren ideellen Schaden an. Die unweigerlichen (auch politischen) Folgen wären nicht zu ermessen.

Hat man sich beim BVB auf die Anwesenheit der Polizei verlassen oder hat der eigene Sicherheitsdienst versagt? Falls Letzteres: Wo liegen die Fehlerquellen?

Die Entwicklung des Verfahrens wird hier im Blog genau verfolgt und analysiert.

Quelle: azulgrana.futbolowo.pl/ (gefunden: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Borussia_Dortmund_logo.svg#file)

Söldner-Prozess: 4. Verhandlungstag | Die Urteilsverkündungen

Heute sollte der letzte Zeuge gehört werden, der Dolmetscher, der bei den Vertragsverhandlungen zwischen Asgaard und dem somalischen Politiker Galadid Abdinur Ahmad Darman übersetzte. Da dieser jedoch nicht auffindbar ist, konnte keine Ladung erfolgen. Obwohl die Staatsanwältin darauf beharrte, den Dolmetscher als Zeugen zu hören, um nachweisen zu können, dass den Beschuldigten der Vertragsinhalt und der Vertragswille eindeutig klar gewesen sein muss, wird ihr Beweisantrag vom Gericht abgelehnt, weil darin kein Beweis genannt werde, der durch dieses Verfahren hätte beigebracht werden können. Das Gericht ist nicht der Überzeugung, dass der Zeuge die Einlassung der Beschuldigten verändern könnte.

Söldner-Prozess: 4. Verhandlungstag | Die Urteilsverkündungen

Da der Vermittler nicht persönlich gehört werden kann, sind alle Parteien damit einverstanden, dass seine Aussage, die er am 6. Oktober 2011 bei der Polizei getätigt hat, vorgelesen wird. Darin verweist er darauf, dass er nur ein Vermittler zwischen der Firma Asgaard und dem Somalier gewesen sei, ihm allerdings auch eine Provisionszahlung versprochen worden sei.

Hiernach wird die Beweisaufnahme geschlossen. Der Vollständigkeit halber liest die Richterin nun noch die Eintragungen aus dem Bundeszentralregister beider Beschuldigter vor. Wohingegen bei Dirk G. keine Eintragung vorliegt, ist bei Thomas K. neben dem Vorwurf der Veruntreuung (Geldentnahme aus der Kasse des Reservistenverbandes) ein weiteres Vergehen vor kundig. Hierbei handelt sich es sich um Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 20 Fällen. Das Urteil lautete damals 90 Tagessätze zu 30 Euro. Diese Strafe wurde von Thomas K. komplett abgegolten, wobei die letzte Einzahlung am 7. Oktober 2017 erfolgte.

Versäumnisse von Firmeninhaber und Gesetzgeber?

Bei Thomas K. zeigt sich deutlich ein kriminelles Muster: Zwei Fälle von Veruntreuung sowie ein Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Das wirft die dringliche Frage auf, auf welcher Grundlage und angelehnt an welche Maßstäbe die Gesellschafter der Firma Asgaard Thomas K. als Geschäftsführer ihres Unternehmens ausgewählt haben?

Und müsste der Gesetzgeber nicht auch strenge Zulassungsvoraussetzungen für die Position eines Geschäftsführers einer Sicherheitsfirma aufstellen bzw. bestehende Zulassungsvoraussetzungen verschärfen?

Die Plädoyers

Die Staatsanwältin beginnt mit der unbestreitbaren Feststellung, dass die Beschuldigten am 31. September 2009 in Frankfurt am Main einen Vertrag mit dem angeblichen somalischen Präsidenten Galadid Abdinur Ahmad Darman über Serviceleistungen im Sicherheitsbereich geschlossen haben, obwohl sie Kenntnis über ein bestehendes EU-Embargo hatten. Sie verliest die genauen Inhalte des Vertrages und weist darauf hin, dass die Ausführungsbestimmungen dieses Embargos enthalten, dass allein die Unterschrift unter einen solchen Vertrag eine schuldhafte Tathandlung sei (Paragraf 18 Außenwirtschaftsgesetz). Als strafmildernd führt die Staatsanwältin an, dass die Beschuldigten nicht vorbestraft sind, die Tat schon lange her sei und, dass beide Beschuldigten mit den Behörden kooperiert haben. Als strafverschärfend wertet die Juristin, dass der Vertrag eine Laufzeit von fünf Jahren aufwies und zudem einen Kampfauftrag enthielt. Weiterhin sei eine Gewinnerwartung vorhanden gewesen. Als Strafmaß fordert sie für Thomas K. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, für Dirk G. eine Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung.

Nun hält die Rechtsvertretung von Thomas K. sein Plädoyer. Der Anwalt zweifelt an, dass das Schriftstück ein Vertrag ist, weil es keinen Vertretungsberechtigten für die Republik Somalia als Vertragspartner gegeben habe. Ein Vertrag ist also niemals zustande gekommen und objektive Tatbestände sind ausgeschlossen. Als Schluss aus diesem Sachverhalt müsse sein Mandant freigesprochen werden.

Der Rechtsanwalt von Dirk G. stellt in seinem Plädoyer die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages und die Einlassung seines Mandanten heraus. Auch er beantragt Freispruch für Dirk G.

Im Rahmen ihrer letzten Worte schließen sich Thomas K. und Dirk G. den Ausführungen ihrer Anwälte an.

Die Urteilsverkündigungen

Die Richterin verurteilt Thomas K. wegen Untreue (Geldentnahme aus der Kasse des Reservistenverbandes) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung (zwei Jahre). Vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz werden beide Angeklagten jedoch freigesprochen.

Das Gericht erläutert in seiner Begründung, dass es letzte Zweifel hat und nicht davon überzeugt sei, dass Thomas K. und Dirk G. dieses Schriftstück schon als Einzelvertrag angesehen haben. Diese Einlassung der Beschuldigten konnte während der Verhandlung nicht widerlegt werden. Als Beweis dafür führt die Richterin an, dass es noch zu keiner leihoperativen Handlung oder zu einer sonstigen anderen Umsetzung aus dem Vertrag gekommen ist. Somit läge keine Schuld der Angeklagten vor, weswegen beide freigesprochen werden müssten.

Eine Zusammenfassung von Verhandlung Urteilsspruch inklusive eines Statements von mir hat die WDR Lokalzeit Münsterland gesendet, hier geht’s zum Beitrag (ab Minute 1:18).


Bildquelle: WDR Lokalzeit Münsterland / Screenshot WDR Lokalzeit Münsterland, Bericht, Stefan Bisanz

Söldner-Prozess: 2. und 3. Verhandlungstag | Tagesschau-Reporter als Zeuge

Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages erklärt der Rechtsanwalt des Beschuldigten Dirk G. zunächst, dass er die Veröffentlichungen der Presse stark verurteile, da diese wiederum eine Vorverurteilung seines Mandanten vornimmt.

Danach sagt der Beschuldigte Dirk G. zum Sachverhalt aus. Durch die Richterin befragt, wiederholt er im Großen und Ganzen die Schilderung des Angeklagten Thomas K., die dieser am vorangegangenen Verhandlungstag zu Protokoll gegeben hat. Auch er vertritt dabei die Auffassung, dass kein Vertrag geschlossen worden ist. Dieser wäre erst dann zustande gekommen, wenn eine Sicherheitsanalyse und eine Machbarkeitsstudie durchgeführt worden wäre. Dies wiederum sei an eine Vorabüberweisung in Höhe von circa 150.000 Euro an die Firma Asgaard gebunden gewesen. Sie, die Geschäftsführer von Asgaard, seien bei den Vertragsverhandlungen jedoch mehr oder weniger gedrängelt worden, diesen Vertrag zu unterschreiben, insbesondere durch die beiden Vermittler, die unbedingt eine Provisionszahlung hätten erzielen wollen.

Söldner-Prozess: 2. und 3. Verhandlungstag | Tagesschau-Reporter als Zeuge

Auch ist Dirk G. wichtig, darauf hinzuweisen, dass er und sein Partner natürlich alle Genehmigungen eingeholt hätten, die für diesen Auftrag notwendig gewesen wären. Er habe den Geschäftsführer Thomas K. daher auch angewiesen, alle Behörden entsprechend zu informieren. Was Thomas K. in dieser Hinsicht dann allerdings genau getan habe, könne er nicht sagen. Seine, Dirk G.s, Aufgabe sei es gewesen, für die operative Umsetzung zu sorgen, jedoch nicht, das Kaufmännische zu bearbeiten.

Bezüglich der Pressemitteilungen, die durch Thomas K. herausgegeben worden sind, erwähnt Dirk G. lapidar „klappern gehört zum Geschäft“. Auch, dass diese Erklärung auf der Internetseite der Firma Asgaard stand, sei ihm nicht bewusst gewesen.

Dirk G. stellt sich hier als Soldat und Kamerad dar.

Auf die Frage der Staatsanwälten, warum überhaupt ein Vertrag unterschrieben worden ist, antwortet Dirk G, dass „alle Druck gemacht“ hätten und man daher schwach geworden wäre.

Im Zuschauerraum sitzen drei Herren, sehr elegant gekleidet (wahrscheinlich die neuen Chefs der Firma Asgaard), zu welchen der Angeklagte immer wieder vor Beantwortung der Fragen Augenkontakt aufnimmt. Der in der Mitte sitzende, ältere Mann nickt Dirk G. dann entweder zu oder schüttelt den Kopf, je nach Antwort.

Die Staatsanwältin zweifelt die Aussagen von Dirk G. an, weil der Vertrag mehr enthalte als nur die Erstellung einer Sicherheitsanalyse.

Interview mit der Tagesschau

Am Nachmittag wird der Zeuge Alexander D. aus Hamburg gehört. Er ist Journalist bei der Tagesschau und hat ein Interview mit Thomas K. geführt. Er berichtet von einem Interview, welches er im April 2010 geführt hat. Er teilt dazu eindeutig mit, dass er den Eindruck hatte, Asgaard wolle Vertragsbestandteile erfüllen, zu denen u.a. Personenschutzmaßnahmen gehörten. Man hätte schon an der Rekrutierung von entsprechendem Personal gearbeitet, deutsche Ex-Soldaten mit mindestens vier Jahren Erfahrung und einem Alter zwischen 25-45 Jahren. Thomas K. sagte ihm, Alexander D., auch, dass diese Kräfte in der Hoffnung eingesetzt würden, auch militärische Aktionen durchführen zu können. Der Vertrag hätte eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren aufgewiesen und einen Wert von mehreren Millionen Euro umfasst. Die Zahl der Einsatzkräfte hätte eine deutlich dreistellige Zahl sein sollen. Thomas K. sagte dem Journalisten wörtlich, „die Kräfte säßen auf gepackten Koffern“. Für Thomas K. war sein Vertragspartner Galadid Abdinur Ahmad Darman der legitime Präsident.

Auf der Anklagebank herrschte betretenes Schweigen bei Thomas K. und Dirk G.

Der Zeuge Alexander D. stellt nochmals fest, dass er den Eindruck hatte, dass Thomas K. die Legitimierung Galadid Abdinur Ahmad Darmans als Präsident Somalias abwarten würde.

Die Staatsanwältin will nun erfahren, ob in dem Interview eine Sicherheitsanalyse oder eine Machbarkeitsstudie besprochen wurde, was der Zeuge verneint.

Der Anwalt von Dirk G. moniert, dass im Zuge des Interviews des NDR nicht richtig recherchiert worden sei, dieses sei nur ein PR-Gag gewesen. Thomas K. ergänzt, dass er Unterlagen seiner Firma an unterschiedliche Ministerien und auch an den Bundesnachrichtendienst gefaxt habe. Den Vertrag allerdings habe er nicht gefaxt, woraufhin die Staatsanwältin und die Richterin nachfragen, was der Grund für diese Unterlassung gewesen sei. Thomas K. antwortet lediglich „Warum sollte ich?“ und erntet dafür Unverständnis.

Dritter Verhandlungstag

Am dritten Verhandlungstag werden zwei Beamte vom Zoll gehört. Sie können keine wesentlichen Neuheiten zum Sachverhalt beitragen. Insbesondere bleibt die Frage ungeklärt, wie konkret die Planungen der Beschuldigten zur Durchführung ihrer Vertragsinhalte waren. Für die Anwälte der Beschuldigten ist damit der Sachverhalt hinreichend geklärt und sie teilen mit, dass sie keine neuen Beweisanträge stellen werden, auch weitere Zeugen müssten nicht gehört werden. Die Staatsanwältin sieht das naturgemäß anders und möchte den Vermittler des Vertrages als Zeugen hören sowie den Dolmetscher, der die Vertragsverhandlungen zwischen Galadid Abdinur Ahmad Darman und den Beschuldigten übersetzt hat. Dieser soll bezeugen, ob der Vertrag wirklich zustande kommen sollte. Da dieser Zeuge jedoch bisher nur über seine Ehefrau erreicht werden konnte, wird der Verhandlungstag schon früh beendet und auf den 10. Oktober vertagt.


Bildquelle: I-vista / pixelio.de

Söldner-Prozess: 1. Verhandlungstag | Ein nervöser Angeklagter

Am 21. September 2017 um 11:00 Uhr eröffnet die Richterin Kampelmann am Amtsgericht Münster den Prozess gegen Thomas K., geboren 1969 in Münster, und Dirk G., geboren 1970 in Herne. Ihnen als verantwortliche Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma Asgaard Security Group 2009 wird vorgeworfen, dem somalischen Oppositionspolitiker Galadid Abdinur Ahmad Darman die Bereitstellung von 150 Sicherheitskämpfern angeboten zu haben, um, wie es heißt, „Sicherheit und Frieden“ in das Land zu bringen. Thomas K. wird weiterhin vorgeworfen, dass er gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verstoßen hat, weil er in seiner Funktion als Kreisvorstand der Reservistenkameradschaft in seinem Keller 4.000 Schuss Munition (Übungsmunition) und zwei Leuchtkörper Boden (Pyrotechnik) gelagert hat.

Die Staatsanwältin verliest die Anklage sowie einige Auszüge aus dem Vertrag mit dem somalischen Politiker. Im Vertrag wurde in Paragraf 1 eine Vertragsdauer von fünf Jahren festgelegt. In Paragraf 2 wurden die Aufgaben beschrieben, die unter anderem Dienstleistungen im Bereich der Piraterie, Schutz und Küstenschutz, aber auch Beratung und Strategiearbeiten sowie Schulungen der heimischen Sicherheitsbehörden beinhalteten. In Paragraf 4 wurde geregelt, dass für alle 150 Kämpfer Arbeitsgenehmigungen oder Visa bzw. eventuell Aufenthaltsbescheinigung vorbereitet werden. Weiterhin wurde durch den Vertrag zugesagt, dass öffentliche Waffenscheine ausgestellt würden sowie Ein- und Ausfuhrgenehmigungen von Waffen vorhanden sein sollten. In Paragraf 6 ging es um Zahlungen.

Söldner-Prozess: 1. Verhandlungstag | Ein nervöser Angeklagter

Für das Team sollten insgesamt vier Millionen Euro überwiesen werden, 100.000 Euro unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrags. Als Vertragsbeginn wurde der 31.10.2009 festgelegt. Eine Genehmigung vom Wirtschaftsministerium wurde jedoch nicht eingeholt.

Thomas K. gegenüber wurde noch ein weiterer Vorwurf eingebracht: Er war Kassierer in einem Reservistenverband und hat in dieser Funktion vom 27.6.2013 bis zum 6.7.2014 über 8.000 Euro veruntreut. Dieses Geld brauchte er, nach eigener Einlassung, um seinen Handwerksbetrieb finanzieren können, da einige Kunden nicht bezahlt hätten. Zusätzlich wurden die Angeklagten durch das Gericht aufgeklärt, dass der Paragraf 34 AWG seit 2017 neu geregelt ist und nun das Strafmaß abmildert geworden ist.

Die Verteidiger beklagen zwischendrin, dass sich die Verfahrensdauer so lange hingezogen hat, die Ermittlungen liefen bereits seit 2010, daher sollte das Verfahren eingestellt werden.

Zum Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz erklärt Thomas K., dass es sich nur um Platzpatronen gehandelt habe, die er bei einer dienstlichen Veranstaltung der Bundeswehr nicht verschossen hat und somit mit nach Hause nehmen und in seinem Keller lagern musste. Die Untreue als Kassierer räumte Thomas K. ein, teilt aber zugleich mit, dass es einen Vergleich gibt, wonach er 50 Monate lang jeweils 50 Euro abbezahlt.

Schon nach einer Stunde Verfahrenszeit wird deutlich, dass der Angeklagte Thomas K. die Schuld immer bei den anderen verortet. Die Munition hatte er wohl nur deshalb, weil die Bundeswehr sich darum nicht gekümmert hat. Auch hinsichtlich der Untreue – dem Griff in die Kasse – haben andere Personen Schuld, weil keiner eine ordentliche Kontrolle durchgeführt habe. Auch seine Kunden, die seine Dienstleistung als Maler in Anspruch genommen haben, trügen Schuld, weil sie nicht bezahlt hätten. Die Staatsanwältin hält dem fragend entgegen, warum er erst jetzt, unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Untreue, mit der Rückzahlung beginnt. Daraufhin teilt der Angeklagte lapidar mit, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, wohin er hätte überweisen sollen. – Wieder einmal sind die anderen schuld.

Befragung des ersten Zeugen

Dann kommt der erste Zeuge, Oberstleutnant Thomas E., der sich mit Munition bei der Bundeswehr auskennt. Er teilt eindeutig mit, dass auch diese Manöver- und Übungsmunition als echte Munition einzustufen ist, da sie vier Gramm Pulver enthält. Ebenso sind die Leuchtkörper Boden als Munition anzunehmen und sie dürfen auf gar keinen Fall zu Hause gelagert werden. Die Einlassung des Angeklagten, dass die Bundeswehr ihm dieses erlaubt hätte, kann der Zeuge definitiv nicht bestätigen.

Die Richterin befragt den Angeklagten nun immer intensiver nach den Vertragsinhalten mit dem somalischen Oppositionellen. Der Angeklagte weist mehrfach darauf hin, dass das Einverständnis des Vertrages nicht zustande gekommen ist, da der Politiker nie als Präsident von Somalia bestätigt worden ist. Der Angeklagte ist der Ansicht, dass erst nach dieser Bestätigung die Paragrafen Wirkung erlangen.

Thomas K. ist sehr nervös. Er antwortet ausweichend und spielt mit dem Kugelschreiber auf dem Tisch. Wiederholt fragte die Richterin, was denn die Absicht des Vertrages gewesen sei.  Hierauf antwortet Thomas K. nur, dass alles hätte möglich sein können. Was er vor Ort allerdings exakt machen sollte, wusste er nicht. Dazu hätte es zuerst einer Sicherheits- und Gefährdungsanalyse sowie eine Machbarkeitsstudie bedurft, die er durchführen wollte. Erst danach hätte sich die Firma Asgaard entschieden, was zu tun ist. Was eklatant auffällig ist: Der Angeklagte verwechselt immer wieder die Bedeutung von Gefährdungsanalyse, Sicherheitskonzeption und Machbarkeitsanalyse. Dies liegt vielleicht daran, dass er in keinster Art und Weise eine Art von Sicherheitsausbildung oder -studium vorweisen kann.

Schlagabtausch zwischen Richterin und Angeklagtem

Selbst als die Vorsitzende Richterin dem Angeklagten eine Presseerklärung der Firma Asgaard aus dem Dezember 2009 vorliest, in der eindeutige Absichten der Firma genannt werden, redet sich Thomas K. raus und gibt an, dass er mit einer Referentin des damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla gesprochen hat. Sie wäre vollumfänglich eingewiesen gewesen und hätte ihm mitgeteilt, dass er alles korrekt durchgeführt hat. Auch dem Wirtschaftsminister sowie dem Verteidigungsminister habe er entsprechende Briefe und Faxe geschrieben, weswegen diese für ihn offiziell informiert gewesen seien. Beim damaligen Verteidigungsminister Jung wollte er einen persönlichen Termin erwirken,  um diesem sein Unternehmen als Dienstleister im Ausland für Deutschland vorstellen zu können. Auch, dass er einen Provisionsvertrag mit zwei Vermittlern unterschrieben hat, der beinhaltete, das diese bei Vertragsunterzeichnung eine Provision von 400.000 Euro erhalten würden, ist für den Angeklagten Thomas K. kein Indiz gewesen dafür, dass er tatsächlich einen Vertrag unterschrieben habe.

Die Richterin wirft ihm weiter vor, dass Thomas K. auch Vertragsentwürfe für Mitarbeiter gefertigt und auch schon entsprechende Bewerbungsgespräche mit konkreten Lohnzahlung durchgeführt hat. Auch dies tut Thomas K. nur als Vorbereitung für den Einsatz ab.  Dann wird dem Angeklagten ein Schreiben des damaligen somalischen Oppositionspolitikers vom 21. Januar 2010 vorgehalten, in dem dieser die beiden Angeklagten Thomas K. und Dirk G. als seine Security benannt hatte. Diesen Umstand kann sich Thomas K. nicht erklären.

Auf die nun folgende Frage der Richterin, ob er denn seinen Aufgabenbereich als Geschäftsführer detaillierter erklären könnte, führt er aus, dass er nur die Firma präsentieren musste, Verträge abgeschlossen hat und den Kontakt zu Behörden halten sollte. In diesem Zusammenhang hat er sich über Somalia und ein entsprechendes Embargo aus den Tageszeitungen informiert.

Von der Staatsanwältin wird Thomas K. nun gefragt, wer denn den Vertrag mit dem somalischen Oppositionspolitiker formuliert hätte. Daraufhin entgegnete der Angeklagte, dass er zwar den Laptop mitgebracht hätte, allerdings alle vier Beteiligten den Vertrag formuliert hätten.

Das Gericht argumentiert daraufhin, dass das durchaus eine Vorleistung ist, die zu entsprechenden Dienstleistungen in Somalia hätte führen können.

Die Anwälte drängen nun darauf, das Verfahren einzustellen oder aber mindestens in ein Ordnungswidrigkeitsverfahren umzuwandeln.

Der nächste Verhandlungstag findet am 28. September 2017 statt.


Bild: Amtsgericht Münster | Bildquelle: Stefan Bisanz

Deutsche Söldner vor Gericht

Am 21. September beginnt im Amtsgericht Münster um 11:00 Uhr der Hauptverhandlungstermin im Strafbefehlsverfahren gegen zwei Männer, die sich – zusammengefasst – dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Profit mit deutschen Söldnern auf ausländischem Boden gemacht haben zu wollen.

Worum geht es in erster Linie?

2010 wurde bekannt, dass das private militärische Dienstleistungsunternehmen Asgaard German Security Group – damals ansässig in Telgte – rund 100 Personen für einen Einsatz in Somalia anwerbe, darunter ehemalige Bundeswehrsoldaten, um dort den somalischen Politiker Galadid Abdinur Ahmad Darman militärisch zu unterstützen. Dieser wiederum wähnte sich als rechtmäßiger Präsident – ohne von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt gewesen zu sein – und plante die tatsächliche Erringung der Macht in dem ohnehin sehr strapazierten Land.

Söldner-Prozess

Damit hätte Asgaard – wo man durchaus eine Legitimation von Darman als Präsident gesehen hat – gegen den Paragrafen 109h des Strafgesetzbuches verstoßen, wonach deutschen Staatsbürgern der Wehrdienst bei einer ausländischen Macht verboten ist. Erste Beweise konnten bei einer Razzia im Unternehmen im Jahr 2010 gefunden werden, so unter anderem der Vertrag zwischen Asgaard und Darman, sowie umfangreiche Mengen Munition.

Was den Fall damals wie heute weiterhin brisant macht ist die Frage, ob sich das Unternehmen, resp. der nun angeklagte ehemalige Firmenchef und sein Geschäftskollege strafbar gemacht haben, da sie, so die Staatsanwaltschaft, unter anderem gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben. Danach hätten sie „gemeinschaftlich und vorsätzlich einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Verkaufsverbot eines Rechtsakts der europäischen Gemeinschaften zuwider gehandelt […], indem sie mit einem Vertreter des Präsidenten der Republik Somalia einen Vertrag über Sicherheitsdienstleistungen [ge]schlossen [haben]“, teilt eine Pressemitteilung des Amtsgerichts Münster mit. Kurz: Das Embargo der Vereinten Nationen gegen Somalia könnte verletzt worden sein.

Die dahinterstehende Frage: Sicherheitspartner oder Söldner?

Die Tagespresse sah nach dem Bekanntwerden des Asgaard-Deals die Grenze zwischen einem Sicherheitsdienstleister und modernem Söldnertum – wieder mal – überschritten. Die Genfer Konvention, Artikel 47 Absatz 2 I. Zusatzprotokoll definiert den Söldner völkerrechtlich. Als Söldner gilt,

  • wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
  • wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
  • wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat,
  • wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
  • wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
  • wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.

Im Fall Asgaard dürfte nur das Kriterium der Anwerbung zum Kampf strittig sein, denn alle weiteren Kriterien treffen zu. Darunter auch eine Teilnahme an Feindseligkeiten, die sich auch bei Personen- und Konvoischutz nicht hätte verhindern lassen.

Krieger gegen Bezahlung, die aus Deutschland kommen, sind nicht selten in den Krisenregionen weltweit; z.B. auf dem Balkan oder in Afghanistan. Mehrere Tausend Deutsche „arbeiten“ inzwischen als Angestellte deutscher oder internationaler Sicherheitsfirmen. Meist handelt es sich um ehemalige Polizisten und GSG9-Beamte oder aus dem Dienst geschiedene Bundeswehrsoldaten. Als „Objektschützer“ oder „Military Contractor“ für private Firmen ist ihr Aufgabenspektrum häufig dubios und undurchsichtig, aber hervorragend bezahlt, wie Lisa Caspari in ihrem Text „Gekaufte Krieger“ beschreibt, der auf www.zeit.de erschienen ist.

Was im Gerichtsverfahren nun zu klären sein wird, ist die Frage, ob Asgaard sich tatsächlich strafbar gemacht hat oder das Handeln „nur“ moralisch verwerflich ist.

Gerade angesichts derartiger Fragestellungen gilt es, sauber zu differenzieren: Private Sicherheits- und Militärfirmen können nicht per se als Söldner bezeichnet werden, denn nur ein kleiner Teil führt militärische Kampfhandlungen aus. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen fungiert als Sicherheitspartner und beschränkt ihr Angebot auf Logistik, Beratung und Ausbildung, wie auch Robert Seidl in seinem Überblick „Private Sicherheits- und Militärfirmen als Instrumente staatlichen Handelns“ festhält, der in Nummer 51 der „Aktuelle Analysen“ der Hanns-Seidel-Stiftung erschienen ist. Die Branche habe insgesamt eine moderne Unternehmensstruktur und rekrutiere ihre Angestellten professionell. Die Kunden reichen von staatlichen Regierungen über die Vereinten Nationen bis hin zu Nichtregierungs-Organisationen oder Privatunternehmen.

Ob nun das Handeln von Asgaard als strafbar einzustufen ist, werden die kommenden drei Verhandlungstage offenbaren, wobei vielleicht schon am 5.10. mit einem Urteil zu rechnen sein wird.

Die Entwicklung des Verfahrens wird hier im Blog genau verfolgt und analysiert werden.


Bildquelle: © Tim Reckmann / pixelio.de

„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

„Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil Sie in der Provinz rumgeballert haben und Sie Sheriff spielen wollten.”

Alle Parteien betreten pünktlich den Verhandlungssaal. Es sind circa zehn Zuschauer anwesend.

Der Angeklagte Uwe K., der gemeinsam mit seinem Anwalt kommt, macht einen sehr angespannten Eindruck. Er wird begleitet durch zwei ältere Herren, die ebenfalls aus dem Sicherheitsbereich kommen und früher im behördlichen Bereich einer Bundespolizei tätig waren.

Nach der Begrüßung durch den Richter möchte dieser die Beweisaufnahme mit dem Vorlesen eines Gutachtens abschließen. Dieses Gutachten setzt sich mit der Schussverletzung des Opfers auseinander. Es erklärt medizinisch, an welcher Stelle das Opfer verletzt worden ist.

„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

Bevor der erste Zeuge in den Gerichtssaal eintritt, möchte der Rechtsanwalt des Angeklagten mitteilen, dass sein Mandant Uwe K. einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt. Hierzu ist er bereit, 10.000 Euro unmittelbar an das Opfer Mirnes A. zu bezahlen. Der Nebenkläger des Opfers teilt mit, dass das Opfer hieran kein Interesse hat, da sich der Angeklagte nicht wirklich reuevoll verhält und er annimmt, dass er sich mit dieser Zahlung lediglich aus der Verantwortung kaufen möchte.

Hiernach kommt Kriminalkommissar Michael W. von der Polizei Augsburg in den Zeugenstand. Er war damit beauftragt, Spuren an der Waffe zu sichern. Er teilt mit, dass er die Waffe, eine Clock 19, am Tatort entgegengenommen und festgestellt hat, dass eine Patrone (9 x 19 Millimeter) verschossen worden ist und sich zudem eine weitere im Lauf sowie zwölf weitere im Magazin befunden haben.

Das Magazin hätte 15 Patronen aufnehmen können. Warum Uwe K. sein Magazin nicht voll munitioniert hatte, bleibt unklar.

Hiernach ist die Beweisaufnahme abgeschlossen und die Parteien halten nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung ihre Plädoyers. Die Staatsanwältin beginnt.

Plädoyers der Staatsanwaltschaft

Sie führt aus, dass der Angeklagte mit seinem Schutzauftrag am 26. Juni 2016 begonnen hat. Hintergrund waren Schüsse auf die Haustür seiner Schutzperson sowie ein körperlicher Angriff auf diese, die die Auftragserteilung aus Sicht des Auftraggebers notwendig gemacht haben. Es habe ein sogenanntes „abstraktes Bedrohungsszenario“ vorgelegen.

Am Tattag selbst habe Uwe K.s Schutzperson Erwin S. sehr provozierend auf dessen Gesprächspartner eingewirkt, so dass dieser ihn mit der flachen Hand eine Ohrfeige auf die linke Wange versetzt habe. Weiter sei nichts geschehen. Es habe weder einen weiteren gegenwärtigen Angriff auf die Schutzperson oder den Angeklagten selbst gegeben, sondern nur Gedränge und Geschiebe innerhalb der Gruppe. In dieser Situation habe der Angeklagte seine Waffe gezogen und auf das spätere Opfer geschossen. Die Verletzung hätte Lebensgefährlich sein können, das Opfer hat seitdem aber erhebliche psychische Folgen zu erleiden. Ein Geständnis des Täters liegt vor.

Die Zeugin Sandra W. hat ausgesagt, dass der Täter nur eineinhalb Meter Abstand zum Opfer hatte. Das Opfer hatte Todesangst. Aus diesem Sachverhalt ist laut Staatsanwältin klar festzustellen, dass sich der Angeklagte gemäß Paragraf 224 Abs. 1 StGB der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Es habe keine Notwehrsituation vorgelegen, da kein gegenwärtiger Angriff geschehen sei. Es steht nun ein Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zur Disposition. Ebenso läge kein minderschwerer Fall vor, somit ist eine Strafrahmenverschiebung nicht relevant. Auch eine mögliche Strafrahmenverschiebung gemäß Paragraf 46 a StGB Täter-Opfer-Ausgleich trifft in diesem Fall nicht zu, da zwischen Täter und Opfer keine Kommunikation zustande kam. Strafmildernd kann man anführen, dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen und er ein Geständnis abgegeben hat. Strafverschärfend wirken die Tatfolgen, insbesondere die psychischen Leiden des Opfers und der unberechtigte Waffeneinsatz.

Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und auf drei Jahre Bewährungszeit angesetzt. Zusätzlich fordert sie 10.000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer. Bewährung fordern Sie deshalb, da zu dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose abgegeben werden kann. Des Weiteren wertet sie das abstrakte Bedrohungsszenario als besonderen Umstand. Sie fasst zusammen, dass der Personenschützer Uwe K. den Anforderungen seines Berufes nicht gerecht worden sei.

Plädoyer des Opferanwalts

Der Nebenkläger des Schussopfers stellt in seinem Plädoyer klar, dass eine Strafe über zwei Jahre der Tat und der Schuld angemessen wäre. Immerhin lag hier ein Schusswaffengebrauch in der Öffentlichkeit vor und das ohne eine Notwehrlage. Der Angeklagte ist ausgebildeter Personenschützer und hätte die Situation besser einschätzen müssen. Weiterhin führt er an, dass es seit zehn Monaten keine Entschuldigung gegenüber seinem Mandanten gegeben hat. Erst als der Angeklagte während des Prozesses gemerkt hat, dass die Notfallsituation zu kippen drohte, gab es eine Entschuldigung.

Plädoyer des Verteidigers

Der Verteidiger geht in seinem Plädoyer zuerst auf die Persönlichkeit seines Mandanten ein. Er stellt außerdem fest, dass Uwe K. einen Irrtum begangen hat. Des Weiteren beschreibt er die Situation kurz vor der Schussabgabe.

Seine Schutzperson Erwin S. habe demnach viele Feinde. Er sei an diesem Abend angespannt und gegenüber seinen Gesprächspartnern sehr provozierend gewesen.

Die Personen, darunter das Opfer, die sich am Tatabend mit Erwin S. in der Auseinandersetzung befanden, sähen aus wie Inkasso-Eintreiber, so der Verteidiger. Sie wirkten sehr bedrohlich: Das Opfer selbst ist knapp zwei Meter groß und wiegt weit über 100 Kilo, auch sein ebenfalls anwesender Bekannter, Dominik K., ist 1,94 Meter groß und wiegt 135 Kilo. Beide haben eine starke Statur.

Uwe K. selbst war fokussiert auf Erwin S., wollte ihn schützen. Das spätere Opfer Mirnes A. wiederum habe verhindern wollen, dass Uwe K. Adis A. nach dessen Ohrfeige für Erwin S. zur Hilfe kommen kann.

Es sei richtig, so der Verteidiger, dass die Einsicht von Uwe K., dass es keine Notwehrlage gewesen sei, erst während der Hauptverhandlung geäußert wurde. Doch das Gericht möge bitte berücksichtigen, dass er nur Sekundenbruchteile für seine Entscheidung gehabt hatte. Er arbeite seit 20 Jahren als Bodyguard, ohne dass jemals eine Schussabgabe im Einsatz notwendig geworden sei. Außerdem sei richtig, dass Uwe K. sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Sein Mandant zeige aber Reue und Einsicht.

Der Verteidiger hält ein Strafmaß im unteren Bereich, also ein Jahr auf Bewährung, für angemessen. Eine Ausgleichssumme von 5000 Euro, zahlbar in drei Monaten, hält er ebenfalls für angebracht. Insbesondere weil das derzeitige Einkommen von Uwe K. nur 1500 Euro beträgt. Aus der Sicht des Anwalts erfordern die Umstände der Tat eine Beurteilung als geringe Schuld.

Die letzten Worte des Angeklagten werden unter Tränen erstickt und kommen nur stockend. Er teilt mit, dass er die Tat bedauert und möchte sich nochmals entschuldigen. Weitere Worte kann Uwe K. nicht mehr sprechen. Vor der Urteilsverkündung gibt es eine Unterbrechung.

Die Urteilsverkündung

Der Angeklagte Uwe K. wird wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung bestraft. So teilt es der Richter mit. Weiterhin spricht er den Verurteilten Uwe K. direkt an: „Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil sie in der Provinz rumgeballert haben und sie Sheriff spielen wollten.” Zu diesem Einsatz waren 17 Polizeistreifen der Polizei Augsburg im Einsatz. Bis zum Eintreffen der Polizei hat Uwe K. alle in Schach gehalten, weil er glaubte, das zu dürfen, so der Vorsitzende Richter.

Die Tat der gefährlichen Körperverletzung rechtfertigt unbedingt eine Gefängnisstrafe. Nur die Beurteilung der Person Uwe K. hat letztendlich das Gericht dazu veranlasst, eine Strafe im Bewährungsrahmen auszusprechen. Das Gericht ist der Meinung, dass ein Mensch wie Uwe K. nicht in den Knast gehört. Allerdings wäre es für diese Beurteilung durchaus besser gewesen, wenn sich Uwe K. schon am ersten Verhandlungstag persönlich beim Opfer Mirnes A. entschuldigt hätte.

Der Beschluss des Gerichts lautet demnach Freiheitsstrafe über zwei Jahre auf Bewährung, Bewährungszeit drei Jahre und zusätzlich die Zahlung von 10.000 Euro an das Opfer innerhalb von zwei Monaten.

Die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft akzeptieren das Urteil sofort. Der Nebenklägervertreter ist dazu noch nicht in der Lage, da er sich zuerst mit seinen Mandanten besprechen muss.


Angeklagter / Bildquelle: Stefan Bisanz

„Bodyguard schießt“-Prozess startet in Augsburg

Vor dem Landgericht Augsburg wird gegen den Personenschützer Uwe K. aus Dormagen verhandelt, der am Donnerstag, 30. Juni 2016 dem Gesprächspartner seiner Schutzperson Erwin S. in einer Konfliktsituation ins Bein geschossen hat. Erwin S. hatte die Dienste von Uwe K. in Anspruch genommen, nachdem er zuvor zusammengeschlagen und außerdem auf seine Haustür geschossen worden ist.

Am Abend der Tat wiederum waren Uwe K. und sein Klient Erwin S. zusammen mit dessen Lebensgefährtin gegen 19 Uhr Gäste der Augsburger Gastronomie L’Osteria. Kurze Zeit später und eher zufällig trafen dort Mirnes A. und sein Bruder Adis A. sowie deren Bekannter Dominik K. ein. Adis A. forderte Erwin S. zu einer Aussprache vor dem Lokal auf, die sich um zivilrechtliche Forderungen (€ 70.000,00) aus der Vergangenheit drehen sollte. Erwin S. ließ sich darauf ein.

„Bodyguard schießt“-Prozess

Im darauffolgenden Gespräch lehnte Erwin S. jede persönliche Haftung ab und verwies Adis A. auf den Insolvenzverwalter. Adis A. geriet in Rage, woraufhin Erwin S. ihn auslachte. Adis A. versetzte Erwin S. nun mit der flachen Hand eine Ohrfeige auf die linke Wange.

In diesem Moment wollte der Personenschützer Uwe K. in das Geschehen eingreifen, wurde jedoch von den beiden Begleitern von Adis A. abgeschirmt. Ohne, dass es einen weiteren Angriff auf seine Schutzperson oder ihn selbst gegeben hätte, zog Uwe K. seine Schusswaffe (Clock 19), lud sie durch und schoss gezielt auf den Unterkörper des circa eineinhalb Meter von ihm entfernt stehenden Mirdes A.

Die Kugel durchschlug das rechte Bein des Geschädigten mittig im oberen Teil des Oberschenkels, circa zehn Zentimeter von der Leiste entfernt. Mirdes A. erlitt heftigste Schmerzen im gesamten rechten Bein. Er musste operativ versorgt werden und eine Woche stationär im Klinikum Augsburg behandelt werden. Der Schuss war insbesondere wegen der der Nähe der Wunde zur Oberschenkelarterie und zum Oberschenkelnerv geeignet, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen. Eine konkrete Lebensgefahr ist jedoch nicht eingetreten.

Die Anklage

Uwe K. wird beschuldigt, durch seine Handlung eine andere Person körperlich misshandelt und gesundheitlich geschädigt zu haben. Diese Körperverletzung ist mittels einer Waffe durch eine, das Leben gefährdende Tat, zugefügt worden. Des Weiteren wird Uwe K. beschuldigt, entgegen des Paragrafen 28 des Waffengesetzes, eine Schusswaffe geführt zu haben. Es muss nun gerichtlich festgestellt werden, ob die Tat als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubten Führens einer Waffe zu werten und somit strafbar ist.

Fazit:

Es gilt nun, mehrere Fragenkomplexe zu beurteilen:

  1. Der Angeschuldigte ist Personenschützer und auch berechtigt, eine halbautomatische Pistole des Herstellers Clock, Kaliber 9 mm, zu führen. Jedoch besaß der Angeschuldigte keine erforderliche schriftliche Genehmigung der Waffenbehörde für diesen Personenschutz-Auftrag. Warum wurde keine Waffentrageberechtigung für diesen Auftrag eingeholt?
  2. Lag eine Notwehr- oder Nothilfe-Situation vor? Immerhin hat es keine weiteren Angriffshandlungen gegeben.
  3. Wie ist die Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Abwehr aus? Hätte hier nicht körperliche Gewalt gereicht? Uwe K. ist angeblich ein versierter Kampfsportler.
  4. Gilt der Grundsatz: „Einer, ist keiner“?
  5. Wie sah die Weiterbildung des Bodyguards aus?

 

Gericht Augsburg / Bildquelle: Stefan Bisanz

Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Bodyguard-Prozess: Auswahlkriterien für einen Personenschützer

An welchen Auswahlkriterien hätten Verona Pooth und andere Auftraggeber erkennen können, dass der nunmehr verurteilte Totschläger Jens H. als Personenschützer ungeeignet ist?

Um dieser Fragestellung nachzugehen, habe ich an allen acht Verhandlungstagen im Landgericht Düsseldorf am Totschlagsprozess gegen Jens H. als Prozessbeobachter teilgenommen. Nur im Gerichtssaal war es mir möglich, die Kriterien zu eruieren, anhand derer man hätte erkennen können, dass Jens H. nicht geeignet ist, Personenschutzaufgaben professionell wahrzunehmen.

Seine V.I.P.-Schutzperson Verona Pooth hat in Interviews nach Bekanntwerden der Tat einige Aussagen zu Jens H. getätigt: „Er war stets ein sehr freundlicher und zuvorkommender Fahrer und Bodyguard.“ In einem RTL-Interview gestand sie: „Wenn ich ihn heute sehen würde, hätte ich Angst vor ihm. Er kannte mein Leben natürlich sehr gut, aber ich seines weniger. Ich wusste nur, dass er in zweiter Ehe verheiratet ist und zwei Kinder hat, und dass er immer, wenn er im Auto war, ein echter Rheinländer war, mit Humor; das war das Bild, das ich von ihm hatte.“ Diese Aussagen zeigen schon, wie fahrlässig Schutzpersonen in der Auswahl ihrer Personenschützer oder, wie in diesem Falle, ihres Bodyguards sind.

Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Folgende Kriterien und deutlichen Warnzeichen habe ich festgestellt:

1. Jens H. kam aus der Türsteherszene und war dort entsprechend bekannt.
2. Er war Bodybuilder mit überproportional dicken Oberarmen, die durch die Einnahme von Anabolika aufgepumpt waren.
3. Seit seinem 18. Lebensjahr war er alkohol- und drogenabhängig.
4. Seit 2012 ist er depressiv und nimmt ständig Medikamente ein.
5. Er war nicht Geschäftsführer seiner eigenen Firma.
6. Er hat mehrere Insolvenzen verursacht.

Folgende Lösungsansätze gibt es:

1. Ein psychologisches Gutachten über den Personenschützer erstellen lassen.
2. Einen Sachverständigen für Personenschutz mit einem Tätigkeits- und Background-Check beauftragen.
3. Nur Personenschützer beauftragen, die auch ein soziales Kontrollumfeld haben, zum Beispiel ein Netzwerk oder Arbeitskollegen in einer Personenschutzfirma. Dies ist bei vielen sogenannten Freelancern oder Einzelunternehmern, wie Jens H. einer war, nicht gegeben.

Im Geschäftsleben kennen wir den Begriff „Auswahlverschulden“. Man spricht vom Auswahlverschulden, wenn ein Auftraggeber einen Auftragnehmer auswählt, der nicht den geforderten Qualifikationen und den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Das Tötungsdelikt von Jens H. war natürlich zu keinem Zeitpunkt vorherzusehen. Dennoch zeigen die oben genannten Punkte, dass Jens H. zumindest sehr labil war und somit nicht wirklich professionell hat handeln können, wenngleich er gegenüber seiner Kundschaft offenbar ein guter Blender war. Man möchte sich nicht vorstellen, wie er gegebenenfalls in Stresssituationen während eines Kundenauftrags reagiert hätte, zu welchem Fehlverhalten es hätte kommen können. Um das zu vermeiden, können die vorgeschlagenen Lösungsmaßnahmen vor der Wahl eines Personenschützers konkret helfen und verlässliche Entscheidungsgrundlagen sein.

Folgende Quintessenz fasst es gut zusammen: Niemals einen Bodyguard engagieren, sondern immer einen professionellen Personenschützer beauftragen.

„Bodyguard schießt“-Prozess: 1. & 2. Verhandlungstag | Anklageverlesung & Ausgleichsangebot

Am ersten Verhandlungstag wird zunächst die Anklageschrift verlesen. Der Staatsanwalt wertet den von Bodyguard Uwe K. abgegebenen Schuss eindeutig als gefährliche Körperverletzung. Zudem wird ihm vorgeworfen, für den Schutzauftrag bei Klient Erwin S. nicht die erforderliche Erlaubnis besessen zu haben, eine Waffe mit sich führen zu dürfen.

Der Bodyguard jedoch hat der Polizei gegenüber eine andere Aussage getätigt: Er sieht sich im Recht der Nothilfe, denn der Angriff auf seine Schutzperson sei deutlich massiver gewesen, als man ihm nun vorwerfe. Daher sei der Schuss als Notwehr zu beurteilen. Dies bestätigte auch sein Augsburger Verteidiger Stefan Mittelbach.

„Bodyguard schießt“-Prozess: 1. & 2. Verhandlungstag | Anklageverlesung & Ausgleichsangebot

Die Schutzperson Erwin S. betrieb zum Zeitpunkt der Tat in Augsburg eine Firma zur Finanzierung von Luxusautos, die zu erstaunlich günstigen Konditionen angeboten wurden. Im Internet wurde vor dieser Firma gewarnt. Geleitet wurde das Unternehmen von seiner 28-jährigen Lebenspartnerin. Der 58-jährigen Geschäftsmann, gilt in der Branche wohl als nicht ganz unumstritten. Zwischenzeitlich sitzt die Firma nicht mehr in Augsburg, als Geschäftsführer fungiert mittlerweile eine andere Person.

Über die umstrittenen Geschäftsgebaren seiner Schutzperson hätte sich Uwe K. sehr leicht über eine einfache Internetrecherche informieren können. Hat hier die Aussicht auf eigenen wirtschaftlichen Erfolg die übergeordnete Rolle gespielt und einer gründlichen Vorbereitung entgegengewirkt?

Am zweiten Verhandlungstag gibt der Verteidiger von Uwe K. eine Erklärung ab, worin er mitteilt, dass der Bodyguard zwischenzeitlich erkannt hätte, dass er sich in keiner Notwehr-Situation befunden habe. Damit räumt der Angeklagte ein, dass er sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat.

Ein geschickter Schachzug, da er durch sein Geständnis nun mit einer Bewährungsstrafe rechnen kann.

Genau das stellt der Vorsitzende Richter in Aussicht und konkretisiert, dass die Bewährungsstrafe im Bereich zwischen einem und zwei Jahren liegen könnte.

Dann wird Erwin S. um seine Aussage gebeten. Er berichtet zunächst über seine Firmen und seine Geschäftsideen im Bereich der Autofinanzierung, dann geht es um den Abend der Schussabgabe. Erwin S. wollte mit seiner Freundin in dem italienischen Lokal zu Abend essen. Er habe außerdem circa 40.000 Euro in einer Aktentasche bei sich gehabt. Zufällig wurde er von Gläubigern in dem Restaurant angesprochen und man begab sich zur Aussprache vor die Tür. Dort kam es zum Streit und kurz darauf zur Abgabe des Schusses.

Nach der Aussage der Schutzperson Erwin S. stellt das Gericht die Frage, ob der Bodyguard, der ein erfahrener Kampfsportler ist, sich in der Situation nicht auch anders hätte verhalten können. Hier sei die Frage der Verhältnismäßigkeit, außerordentlich zu prüfen.

Zwischenzeitlich konnte ich in Erfahrung bringen, dass der Bodyguard dem Opfer Mirnis A. nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro bezahlen möchte. Der Verteidiger des Bodyguards möchte mit dem Anwalt des Opfers bis zum nächsten Prozesstag einen Täter-Opfer-Ausgleich vereinbaren. Damit könnte am nächsten Verhandlungstag auch bereits ein Urteil fallen. Der Angeklagte muss mindestens mit einer Haftstrafe auf Bewährung rechnen.


Angeklagter / Quelle Bildfoto: Stefan Bisanz

Zwölfter Verhandlungstag | Urteilsverkündung

Der zwölfte und letzte Verhandlungstag am 6. Februar 2017 beginnt um 9:22 Uhr. Heute wird das Urteil gesprochen. Es sind drei Fernsehteams , drei Hörfunksender, fünf Bildfotografen und zehn Pressevertreter anwesend. Insgesamt sind circa 15 Zuschauer im Saal.

Vor der Urteilsverkündung stellt der Vorsitzende Richter die Vollständigkeit der Parteien fest, dann erheben sich alle im Saal, weil das Urteil bekannt gegeben wird.

Piotr. M. muss für sechs Jahre und vier Monate ins Gefängnis wegen erpresserischen Menschenraubes, gefährlicher Körperverletzung, Raub, und Urkundenfälschung. Thomas B. erhält zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub. Jan I. bekommt zwei Jahre auf Bewährung und 1.200 Euro Geldstrafe wegen versuchter räuberischer Erpressung. Magdalena K. erhält zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe von 3.000 Euro wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub.

Zwölfter Verhandlungstag | Urteilsverkündung

Der Vorsitzende Richter erläutert noch einmal das gesamte Tatgeschehen. Zu den Hauptfehlern der Tätergruppe zählt er insbesondere die Anweisung, das Lösegeld als Überweisung auf das Konto von Magdalena K. zu avisieren. Des Weiteren hatte das polnische Mietfahrzeug der polnischen Täter einen GPS-Peilsender, der durch die Polizei sehr gut ausgewertet werden konnte. Auch das Verhalten von Magdalena K. und ihrem Sohn Michael K. am Telefon war entlarvend, da deren Anschluss bereits nach dem ersten Täterkontakt der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) unterlag.

Hiernach erläutert der Vorsitzende Richter die Täter Beteiligung im Einzelnen.

Er beginnt mit Piotr M., der an der Planung und an der Ausspähung teilgenommen hat, Kontaktmann zu Michael K. war und an der Freilassung beteiligt war. Ihm wird Vorsatz zum erpresserischen Menschenraub unterstellt. Das Strafmaß dafür wären fünf bis 15 Jahre. Strafmildernd ist zu bewerten, dass er auf seinen Anteil des Lösegelds verzichtet hat. Damit gibt es eine Strafrahmenverschiebung auf zwei Jahre bis elf Jahre und drei Monate. Negativ ist auszuführen, dass er sieben Vorstrafen – alles Vermögensdelikte – hat und somit als Berufskrimineller zu bezeichnen ist. Positiv bewertet das Gericht sein spätes Geständnis, dass er frei gesprochen und Reue gezeigt hat und er zusätzlich Nachfragen zugelassen hat. Somit wurde das Strafmaß auf fünf Jahre und neun Monate für die Entführung festgelegt und ein Jahr und drei Monate für die Urkundenfälschung. Daraus ergibt sich eine Gesamtstrafe von sechs Jahren und vier Monaten.

Der Täter Thomas B. war an der Vorplanung beteiligt und kannte die Umstände. Da er jedoch keine eigenen Tatbeiträge zu verzeichnen hat, sondern nur in der Helferrolle für Michael K. agierte, ist der lediglich zur Beihilfe verurteilt worden. Positiv ist ihm anzurechnen, dass er sofort ein Geständnis abgegeben hat und sich umfangreich eingelassen hat. Die Beihilfe ist im Strafmaß ebenfalls mit fünf bis 15 Jahren angesiedelt. Da Thomas B. jedoch einer Kronzeugenregelung unterliegt, gab es eine Strafrahmenverschiebung auf zwei Jahre und sechs Monate.

Bei Jan I. wurde positiv bewertet, dass er nicht direkt an der Entführung beteiligt war und er außerdem mittlerweile auf einen Rollstuhl richtiggehend angewiesen ist. Negativ wird ihm angerechnet, dass es von ihm keine Einlassung zur Tat gab und er vor Gericht auch gelogen hat. Er ist voll schuldfähig und außerdem vorbestraft (12 Verurteilungen). Aufgrund der mildernden Umstände verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro.

Zuletzt kommt der Vorsitzende Richter zu der Täterin Magdalena K. Vorab stellt er fest, dass sie, wie sie selbst ausgeführt hat, kein Monster ist – so wie auch alle anderen in diesem Gerichtssaal keine Monster sind. Negativ sei jedoch, dass sie vor Gericht gelogen hat und auch kein Geständnis abgegeben hat. Sie kannte die Situation ihres Sohnes Michael K. ganz genau, auch ist ihr eine Tatbeteiligung hinsichtlich der Bereitstellung ihres Kontos anzurechnen und sie wusste durchaus von der Entführung. Und so trifft auf sie ein minder schwerer Fall zu, wobei aufgrund ihres Alters und der geringen Tatbeteiligung ein Strafmaß von einem Jahr bis 15 Jahren möglich ist. Letztlich wird sie zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt.

Als Fazit erklärt das Gericht, dass dieser Fall aufgeklärt worden ist und dazu insbesondere die gute Mitarbeit des Kollegen des Opfers, Geschäftsführer Manfred M. beigetragen hat, aber auch die aufmerksamen Nachbarn der Ferienwohnung.

Fazit des Tages: Das Opfer erhält lebenslänglich. Drei weitere Täter sind nahezu frei. Nur einer verbleibt im Vollzug. Gegen den Haupttäter kann nicht verhandelt werden. Zwei Täter sind noch auf der Flucht. Ein Täter ist in polnischer Auslieferungshaft.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

Zehnter & Elfter Verhandlungstag | Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger

Im Prozess um die Entführung des Geschäftsmannes Heiko L. aus Leer wird gegen vier Angeklagte verhandelt, drei weitere Verdächtige sind flüchtig und der Haupttäter ist aufgrund einer Leukämieerkrankung nicht verhandlungsfähig. Dessen 91-jährige Mutter ist ebenso angeklagt und soll wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt werden, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Auch die Verteidiger der Angeklagten halten ihre Plädoyers.

Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft für die alte Frau aus dem nordrhein-westfälischen Iserlohn. Sie ist die Mutter des 67 Jahre alten, mutmaßlichen Drahtziehers der Entführung und die Lösegeldzahlungen sollen über ihr Konto gelaufen sein. Die 91jährige soll von Beginn an nicht nur in die Planung des Verbrechens eingeweiht, sondern selbst motiviert gewesen sein. Da ihr Sohn pleite war und von ihrem Geld lebte, hatte die Mutter ein großes Interesse, dass ihr Sohn an das Lösegeld kommt und sie nicht mehr für dessen Lebensunterhalt aufkommen muss, schlussfolgert die Staatsanwaltschaft.

Zehnter & Elfter Verhandlungstag | Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger

Für die drei polnischen Mitangeklagten, fordert die Staatsanwaltschaft wegen versuchter Erpressung, erpresserischen Menschenraubs und Urkundenfälschung Freiheitsstrafen von drei Jahren und zehn Monaten, vier Jahre und sechs Monate und acht Jahre. Die Strafen fallen unterschiedlich hoch aus, da die jeweilige Tatbeteiligung unterschiedlich war.

Einer der Angeklagten – Thomas B. – war von Anfang an geständig und hat bei der Aufklärung des Verbrechens erheblich mitgeholfen. Dieser Aspekt führt dazu, dass er die geringste Strafe erhalten soll. Ein weiterer Angeklagter – Piotr M. – hat aktiv an der Entführung teilgenommen: beim Vortat-Verhalten d.h. bei der Ausspähung des Opfers, während der Entführung als einer der Wächter in der Gefangenschaft. Daher die Forderung von acht Jahren Freiheitsentzug.

Plädoyers der Verteidigung

Danach ist der Verteidiger der 91-jährigen Angeklagten Magdalena K. am Zug, der einen Freispruch und die Aufhebung des derzeit nur außer Vollzug gesetzten Haftbefehls. Der Verteidiger führt dazu weiter aus, dass die Entführung im ersten Teil sehr professionell vorbereitet worden ist. Die heftigsten Fehler seien dann bei der Übergabe des Geldes gemacht worden. Ihre Mittäterschaft sieht er allein darin, dass der Sohn seiner Mandantin deren Kontonummer als Lösegeld-Empfängerkonto angegeben habe. Seine Mandantin hätte außerdem keine Entführung gewollt, sondern sei von einem Inkassovorgang ausgegangen. Nur weil ihr Sohn von der Tätergruppe bedroht worden sei, ließ er die Entführung, die er nicht mehr umsetzen wollte, doch noch zu. Doch davon habe die Mutter nichts gewusst. Erst als sie bemerkte, dass ihr Konto involviert war, hätte sie etwas geahnt. Wie bereits erwähnt ging sie nicht von einer Entführung aus, sondern von einer Inkassomaßnahme. Der Verteidiger der Seniorin betont, sie sei bisher völlig straffrei. Es gäbe auch keinerlei Erklärung dafür, dass sie ein solches Verbrechen hätte unterstützen sollen. Da der Sachverhalt der Magdalena K. nicht bekannt gewesen sei, könne auch von Beihilfe keine Rede sein. Es gäbe keinerlei Beweise, dass sie etwas von der Tat gewusst hätte. Auch der zweite Verteidiger der Magdalena K. stellt in seinem Plädoyer heraus, dass sie nichts von der Tat gewusst haben kann und unter dem Verfahren sehr gelitten habe. Sie sei von einer berechtigten Forderung ihres Sohnes an das Opfer ausgegangen und stellte deshalb ihr Konto zur Verfügung. Auch dieser Anwalt beantragt einen Freispruch für seine 91-jährige Mandantin.

Die Verteidigerin des Angeklagten Jan I. moniert in ihrem Plädoyer, dass das psychologische Gutachten ergeben hat, dass ihr Mandant schuldfähig und nicht nur eingeschränkt schuldfähig sei. Daher hält sie das Gutachten für bedenklich und stellt ihn vielmehr als „armes Opfer“ dar. Aufgrund eines Hirnschadens, der von einem Kfz-Unfall herrührt, sei er geistig nämlich nicht in der Lage, eine solche Tat mit durchzuführen, geschweige denn, dem Prozess hier folgen zu können – eine Feststellung, die das Gutachten nicht hinreichend bestätigt.

Jan I. hat während des Prozesses immer wieder bewiesen, dass er folgen kann. Er hat sehr klar und eindeutig auf die Aussagen der beiden polnischen Mitangeklagten reagiert. An diesen Stellen war auch sein Blick immer wach. Ansonsten spielt er tatsächlich die Rolle des armen, schwachen Behinderten.

Nach Ansicht der Verteidigerin sei ihr Mandant gefährdet, auf chronisch krank zu sein und wäre wohl lebenslang auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie beantragt eine Bewährungsstrafe für ihn und die Aufhebung des Haftbefehls.

Zur rechtlichen Würdigung der Tatbeteiligung des Angeklagten Piotr M. sagt sein Verteidiger, dass hier ein klassischer Entführungsfall vorliege. Die Professionalität zeige sich durch die hinzugerufenen Polen, die immer noch auf der Flucht sind. Die Übergabe und die Geldbeschaffung allerdings seien nicht sehr professionell gewesen, da hier ein großes Entdeckungsrisiko bestanden hätte. Ebenfalls wäre zu beachten, dass die Absicht zur Erpressung infrage gestellt werden sollte. Die Täter waren der Meinung, dass die Forderung ihres Auftraggebers Michael K. berechtigt gewesen seien.

Der Verteidiger beantragt als Strafe für seinen Mandanten – Piotr M. – eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Aufhebung des Haftbefehls. Er sieht keine deutlichen Erkenntnisse für eine Erpressung, sondern nur für eine Entführung.

Außerdem sei Piotr M. reuig gewesen, was aber nicht anerkannt worden sei. Er habe an der Freilassung des Opfers erheblich mitgewirkt und auf seinen Teil des Lösegelds verzichtet.

Wo und wie der Verzicht auf das Geld zu erkennen sein soll, ist fraglich, da das Opfer freigelassen wurde, nachdem die Täter eine MMS mit einem Foto der Überweisung erhalten haben. Also mussten alle Täter davon ausgehen, dass das Geld bereits in ihrem Besitz ist.

Letzte Worte

Nach allen Plädoyers der Verteidiger zieht sich das Gericht zu einer kurzen Beratung zurück und gibt danach allen Angeklagten die Möglichkeit, noch ein paar letzte Worte zu sagen. Die 91-jährige Magdalena K. schließt sich den Aussagen ihrer Verteidiger an und teilt ihre Enttäuschung über den Staatsanwalt mit. Dieser habe an ihr keine positiven Aspekte gefunden. Außerdem wäre sie nicht so dumm, ihr Konto für das Lösegeld einer Entführung zur Verfügung zu stellen.

Danach entschuldigt sich Piotr M. nochmals bei allen betroffenen Menschen, insbesondere beim Opfer Heiko L. Er weiß, dass er schuldig ist und es tut ihm leid. Er habe die Tat nicht freiwillig getan, sondern befand sich damals in einer verzweifelten Situation mit vielen Problemen. Hinzu kam, dass nach der Entführung und der missglückten Lösegeldübergabe die anderen Mittäter von ihm 5.000 Euro forderten.

Er trägt seine Sätze sehr mitleidig vor und führt in seinen Worten sehr intensiv aus, dass es ihm persönlich sehr schlecht gehe, weil er seine Kinder nicht sehen kann.

Des Weiteren wird bekannt, dass Piotr M. auch noch eine offene Haftstrafe von dreieinhalb Jahren in Polen abzusitzen hat, die jederzeit auf fünf Jahre verlängert werden kann, da die neue Gesetzgebung den Schlaf von täglich acht Stunden im Gefängnis nicht als abgegoltene Strafe anrechnet. Daher teilt er dem Gericht mit, dass er seine Haftstrafe in einem deutschen Gefängnis absitzen möchte und nicht nach Polen ausgeliefert werden will. In Polen würde er außerdem keine Entzugstherapie wie in Deutschland machen können und auch keine leichteren Haftbedingungen bekommen. Im Gefängnis selbst werde er als Verräter angesehen und dementsprechend behandelt. Da er außerdem gegen einen der zehn gefährlichsten Mafiabosse Polens ausgesagt habe, fordert er Zeugenschutz für seine Familie. Er habe alles verloren und bittet nun um Berücksichtigung dieser Umstände.

Der Angeklagte Thomas B. teilte in seinen letzten Worten lediglich mit, ihm täte die Tat leid.

Danach ist der Verhandlungstag beendet. Die Urteilsverkündung wird für den 6. Februar 2017 erwartet.

Achter & Neunter Verhandlungstag | Angeklagter sagt aus

Die beiden Prozesstage beginnen mit der Befragung von Polizeikommissar R., der als Zeuge geladen ist. Der vom Gericht neu bestellte Gutachter möchte von Polizeikommissar R. wissen, ob er beim Mitangeklagten Jan I. psychische, als auch physische Auffälligkeiten bemerkt habe. Polizeikommissar R. antwortet, dass sich der Angeklagte insgesamt normal verhalten habe, bis auf die auffällige Motorik. Der Angeklagte wäre gehumpelt. Bei seiner Festnahme jedoch konnte er auf einmal normal gehen.

Der Angeklagte Jan I. wird unwirsch

Dann werden weitere Fragen an den Angeklagten Thomas B. gestellt. Unter anderem will der Vorsitzende Richter von Thomas B. erfahren, wie das erste Treffen mit dem Hauptangeklagten in Dortmund verlaufen sei. Neben Michael K. haben daran auch Jan I., Piotr M. und Thomas B. teilgenommen. Thomas B. berichtet, dass er zuerst das Gespräch geführt habe, später aber feststellte, dass die Deutschkenntnisse der anderen beiden Polen für ein Gespräch mit Michael K. ausreichend sein würden. Letztlich hätte aber der Angeklagte Jan I. den größten Sprachanteil gehabt. Über diese Aussage regt sich Jan I. wiederum fürchterlich auf und beleidigt Thomas B. unflätig (Polen-Nazi, Polen-Assi u.ä.). Daraufhin unterbricht der Vorsitzende Richter die Verhandlung für fünf Minuten und belegt den Angeklagten mit einer Ordnungshaft von fünf Tagen. Der psychologische Gutachter fragt Thomas B., ob Jan I. solch ein impulsives Verhalten schon früher gezeigt habe, was dieser verneint.

Achter & Neunter Verhandlungstag | Angeklagter sagt aus

Aussage des angeklagten Mittäters Piotr M.

Im Fokus des weiteren Verlaufes dieses Tages steht die Aussage von Piotr M. Er berichtet auf Polnisch mit weinerlicher Stimme – eine Dolmetscherin übersetzt in beide Richtungen jeweils Wort für Wort. Piotr M. entschuldigt sich für alles, was passiert ist und möchte die Zeit am liebsten zurückdrehen. Er habe damals den Angeklagten Thomas B. in einem Fitnessstudio kennengelernt. Da sei er regelmäßig hingegangen, weil er bei einer Schlägerei erhebliche Verletzungen erlitten hätte und seine Fitness hätte steigern wollen.

Thomas B. hätte ihn gefragt, ob er mit ein paar Jungs für ihn Schulden eintreiben könnte. Weil Piotr M. wusste, dass Jan I. zu diesem Zeitpunkt selbst hochverschuldet war, dachte er, das ist genau der Richtige für den Job des Geldeintreibers. So sprach er ihn darauf an, denn Piotr M. Plan sei gewesen, im Hintergrund zu bleiben, nur als Vermittler zu agieren.

Der Hauptangeklagte Michael K. und Thomas B. wollten nach dem ersten Treffen den Mitangeklagten Jan I. jedoch nicht dabeihaben, da dieser ein Zigeuner sei. Michael K. selbst wollte auch keinen direkten Kontakt mit Jan I. und Piotr M. Später sei dann noch ein weiterer Mittäter polnischer Herkunft dazu gekommen, berichtet Piotr M.

Michael K. hätte die Observation des Opfers in Leer und Deetern beauftragt, mit der Begründung, auf normalem Weg käme man an das Geld nicht ran. Der Hauptangeklagte wäre sich sicher gewesen, dass das Opfer nicht die Polizei einschalten würde. Piotr M. selbst wäre mit einer Entführung nicht einverstanden gewesen und wäre daraufhin telefonisch eingeschüchtert und mit dem Tod bedroht worden. Deshalb habe er auch mitgemacht.

In dieser Phase seines Lebens hätte er viele persönliche Probleme gehabt: keine Arbeit, Schulden, ein kleines Kind, eine schwangere Lebensgefährtin. Zu allem Überfluss habe er auch noch Drogen konsumiert. Michael K. kam ihm da sehr glaubwürdig vor. Bei einem Treffen habe Michael K. Blut in ein Taschentuch gehustet. Er sei sehr kränklich gewesen und sah alt aus. Noch während der wochenlangen Observation vor der Tat habe er gehofft, dass das Unterfangen noch abgebrochen würde.

Piotr. M berichtet weiter, dass seine Überwachungsaufgabe darin bestand, an der nächsten Bushaltestelle zum Wohnort des Opfers zu stehen und die jeweilige Abfahrts- und Ankunftsuhrzeit des potentiellen Opfers zu melden.

Bushaltestellen sind, neben anderen, sehr wichtige Aufklärungspunkte, da es hier für die Täter die Gelegenheit gibt, unter einer Legende unauffällig die Gegend zu beobachten. Kein vorbeifahrender Mitbewohner würde eine wartende Person an einer Haltestelle für verdächtig halten.

Am Samstag vor der Entführungswoche zog Piotr M. dann in die Ferienwohnung. Zwei weitere Männer aus Polen, die er nicht kannte, zogen einen Tag später zu ihm in die Ferienwohnung. Am Montag sollte die Entführung durchgeführt werden. Das klappte jedoch nicht, da das Opfer nicht alleine in seinem Auto fuhr. So wurde die Entführung am nächsten Tag, am Dienstag vollzogen.

Auch das ist typisch für Entführungsfälle, es gibt oft mehrere Anläufe. Das bedeutet, dass eine größere Infrastruktur und Mehraufwand für die Täter notwendig wird. Das wiederum birgt eine „bedingt“ bessere Chance für die Sicherheit bzw. für die Aufklärungskräfte, die Entführer noch vor der Tat zu entdecken.

Piotr M. sei am Tag der Entführung alleine zur Ferienwohnung gefahren, nachdem er seinen Auftrag am Wohnort des Opfers ausgeführt hätte, und sei als Erster dort eingetroffen. Die anderen Täter kamen nach, sie fuhren mit dem Opfer im Zickzackkurs zur Wohnung. Dort angekommen wies das Opfer darauf hin, dass es starke Herzschmerzen habe. Dabei habe Heiko L. allerdings auf seine rechte Körperseite und nicht auf die linke Herzseite gezeigt. Die Entführer fühlten sich durch diese Finte betrogen und die Stimmung gegenüber dem Opfer sank dramatisch ab.

Opfern einer Einführung ist dringend angeraten, niemals Spielchen mit den Tätern zu treiben. Dergleichen führte im konkreten Fall der Entführung von Heiko L. fast dazu, dass ihm ein Ohr abgeschnitten worden wäre. Dieses Detail, dass das Opfer die Täter versucht hat, zu täuschen, führte das Opfer in seiner Zeugenaussage im Prozess allerdings nicht aus.

Es ist immer wieder festzustellen, dass sich Opfer – so auch Heiko L. – den Tätern intellektuell überlegen fühlen. Das ist im normalen Lebensalltag höchstwahrscheinlich der Fall. Doch in einer Entführungssituation sind die Kräfteverhältnisse genau umgekehrt. Genau das sollte ein Opfer trotz erheblichen Stresspegels immer beachten.

Denn eines steht fest: Die operative Durchführung einer Entführung ist oftmals erfolgreich, so auch im Fall von Heiko L. Die meisten Fehler werden dann in der Infrastruktur der Nachtat und bei der Geldübergabe gemacht. Doch dann ist es für das Opfer bereits zu spät, es ist bereits traumatisiert.

Auch durch diesen versuchten Trick von Heiko L. hatten die Täter das Gefühl, dass der Hauptangeklagte Michael K. „der Gute“ sei und das Opfer Heiko L. „der Schlechte“. So wurde es auch immer wieder von Michael K. dargestellt. Man wolle das Opfer nicht ernsthaft verletzen, man gab ihm sogar noch ein zusätzliches Kissen und auf Toilette durfte er auch. Zudem wurde ihm Wechselunterwäsche gekauft.

Piotr M. berichtet weiter, dass die Entführer vermuteten, die Polizei sei bereits involviert, weswegen sie beschlossen, das Opfer freizulassen. Die Polen fuhren dann unverzüglich zurück in ihre Heimat. Piotr M. sollte jedoch noch einen Tag länger in der Ferienwohnung bleiben, dies lehnte er jedoch ab.

Die Entführung wurde in der Nähe des Wohnortes des Opfers durchgeführt, weil die Observation am Arbeitsplatz ergeben hat, dass dort eine Kamera angebracht ist. Man befürchtete also, beim Observieren aufgezeichnet zu werden. Dies zeigt wiederum eindeutig, dass Sicherheitsmaßnahmen welcher Art auch immer aktiv schützen.

Der Angeklagte Piotr M. entschuldigt sich zwischendurch nochmals und zeigt Reue. Dann erklärt er, dass die polnischen Männer bald erkannt hätten, dass sie kein Geld erhalten würden. Deshalb beschlossen sie, den Mitangeklagten Thomas B. zu entführen, damit sie wenigstens etwas Geld bekommen. Piotr M. bekam daraufhin später Ärger mit Thomas B., da dieser annahm, dass Piotr M. Informationen über ihn an die Polen weitergegeben hätte. Doch Piotr M.s größter Wunsch sei es vielmehr gewesen, nur noch ein normales Leben führen zu können.

Piotr M. berichtet weitere wissenswerte Informationen rund um die Entführungsinfrastruktur. So erzählt er, dass die Uniformen, die die Polen während der Entführung trugen, von ihm per Post nach Polen hinterhergeschickt wurden, weil sie die nicht im Auto mitführen wollten. Des Weiteren teilt er mit, dass es einen GPS-Blocker in der Ferienwohnung gab, dessen Reichweite sich auch auf den angemieteten Skoda, der ebenfalls mit einem GPS-System ausgestattet war, auswirkte.

Eine ursprüngliche Entführungsvariante war, laut Piotr M., dass die Täter als Security-Mitarbeiter, mit schusssicheren Westen ausgestattet, in die Firma des Opfers gehen und dort das Geld erpressen wollten.

Und zum Thema Observation des Opfers berichtet Piotr M., alle Beteiligten hätten per E-Mail ein Foto des Opfers bekommen mit den entsprechenden Anschriften.

Nach dieser Aussage fragt der Vorsitzende Richter den Angeklagten, was er sich denn von dieser Tat versprochen hätte und wie viel Geld er als Vermittler verdienen wollte. Der Angeklagte antwortet, dass darüber nicht gesprochen worden sei. Der Hauptangeklagte Michael K. hatte Piotr M. jedoch erzählt, dass das Opfer Milliardär sei und ihm 36 Millionen Euro schulde. Bei der Entführung ging es jedoch nur um eine Million Euro, davon sollten 600.000 Euro an Michael K. gehen und 400.000 Euro an die Entführer. Michael K. hätte das Geld über die Erpressung bekommen wollen, da er der Ansicht war, ein Gerichtsprozess würde zu lange dauern.

Einer der polnischen Männer, so Piotr M., gehöre der „achtarmigen Krake“ an, einer Gruppierung der polnischen Mafia. Den Mitangeklagten Jan I. wiederum würde er bereits seit 2014 kennen.

In der Vorbereitung der Entführung wurden mehrere Gespräche geführt, der Mitangeklagte Thomas B. und der Hauptangeklagte Michael K. waren immer dabei. Die Telefonate zur Anmietung der Ferienwohnung habe immer Michael K. geführt. Die Polen wurden von ihm mit einer neuen Handynummer und einem Handy ausgestattet. Bei der Entführung hatten sie Plastikpistolen dabei. Die Namen der Polen kenne Piotr M. nicht. Piotr M. hätte immer gedacht, die Entführung würde nicht funktionieren. Als sie doch tatsächlich stattfand, sei er total geschockt gewesen.

Ganz nebenbei erfahren die Zuhörer im Gerichtssaal, dass die Angeklagten Piotr M. und Thomas B. während ihrer U-Haft mindestens für eine Nacht gemeinsam in einer Zelle untergebracht waren. Hier stellt sich erstens die Frage, wie so etwas passieren konnte und zweitens, in welcher Art und Weise hier Aussagen abgesprochen werden konnten.

Nach der Aussage des Angeklagten Piotr M. stellt die Anwältin des Mitangeklagten Jan I. erneut den Antrag, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen und den Angeklagten in ein Justizvollzugskrankenhaus zu verlegen, um ihn neurologisch untersuchen zu lassen.

Fazit:

An diesen beiden Verhandlungstagen wurde einmal mehr deutlich, wie wichtig es für einen Sicherheitsberater ist, Täterwissen im Original  und authentisch zu erfahren! Es waren wertvolle Erkenntnisse zum Observationsverhalten von Entführern zu erfahren, so dass hieraus Maßnahmen der Aufklärung getroffen werden können. Des Weiteren ermöglicht das gewonnene bzw. bestätigte Wissen über das Verhalten von Opfern im Umgang mit Tätern, potentiellen Opfern entsprechende Vorab-Hinweise mitzugeben. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass Sicherheitsmaßnahmen wie Videokameras von Tätern durchaus wahrgenommen werden und diese zu anderem Verhalten zwingen. All dies verriet uns die Täteraussage der beiden Prozesstage.


Bildquelle: Polizeidirektion Osnabrück | Polizeiinspektion Leer/Emden

Siebter Verhandlungstag | Reuiger Täter

Der siebte Verhandlungstag am 20. Dezember 2016 beginnt mit der Hörung der Zeugin Polizeikommissarin Michaela R. (33 Jahre) von der Polizeidirektion Leer. Sie war mit anderen Kollegen für die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) verantwortlich und betreute etwa 40 Leitungen. Sowohl der Verteidiger von Jan I als auch der Staatsanwalt fragen die Zeugin, ob bei der TKÜ Hintergrundgeräusche zur Kenntnis genommen worden seien, denn es gilt die Frage zu klären, ob Jan I. einen Zuflüsterer hatte. Im Laufe der Befragung wird sodann klar, dass der Zuflüsterer der Täter mit der grauen Jogginghose aus Hatzum ist.

Als nächster Zeuge sagt Holger H. (34 Jahre) aus, Polizist in der Polizeistation Emden. Er war der stellvertretende Ermittlungsgruppenleiter. Er berichtet insbesondere über die Vernehmung von Jan I. und wiederholt größtenteils dessen Aussage. Holger H. berichtet aber auch, dass er Jan I. während der Vernehmung mittels eines Fotos der Lüge überführte, das ihn mit einem der Täter zeigt. Der Beamte erinnert sich, dass die Vernehmung von Jan I. konfus war, ebenso wie das auch hier bei Gericht zu erleben war.

Siebter Verhandlungstag | Reuiger Täter

Nun tritt Manfred P., 49 Jahre, Kriminalhauptkommissar der Polizeiinspektion Leer, in den Zeugenstand. Er war an der Festnahme des Täters Borislav J.beteiligt. Dieser wurde in Dortmund festgenommen, wo er zeitweise bei einer Frau und ihrem Kind übernachtete. Die Frau sagte aus, dass Borislav J. nur ein Bekannter sei. Dieser wies sich mit einem Ausweis aus, der auf einen anderen Namen lautete. Da man bei der Festnahme an der Garderobe aber eine Jacke entdeckte, die auch auf einem Tat-Foto zu sehen war, wurde Borislav J. trotzdem mit auf die Wache genommen. Außerdem wurde in der nämlichen Wohnung auch ein Kfz-Schlüssel für einen Audi gefunden. Auch das Tat-Fahrzeug war ein Audi.

Der vorläufig Festgenommene bestätigte, dass die Jacke ihm gehöre, auch das Basecap, das ebenfalls in der Wohnung gefunden wurde und das zuvor ebenso am Tatort gesehen wurde. Später gab er außerdem zu, dass sein Führerschein gefälscht ist. Doch von der Entführung wisse er nichts – und das, obwohl er an der Unterkunft, in der das Opfer festgehalten worden ist, fotografiert wurde.

Anträge auf Haftentlassung

Nach dieser Zeugenvernehmung stellt der Verteidiger des Angeklagten Thomas B. Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten, da dieser von Anfang an geständig war, er an der Aufklärung des Verbrechens mitgeholfen habe und er außerdem in guten sozialen Verhältnissen lebe. Es sei ja auch Weihnachtszeit.

Die Staatsanwaltschaft unterstützt diesen Antrag trotz des Tatvorwurfs. Es lägen tatsächlich stabile Verhältnisse vor und seine umfangreichen Einlassungen zur Aufklärung berechtigten die Aufhebung. Daher beschließt das Gericht nun, dass der Haftbefehl ausgesetzt wird, jedoch unter der Auflage, dass sich der Angeklagte zweimal wöchentlich bei der örtlichen Polizei melden muss.

Hiernach stellt der Anwalt von Jan I. ebenfalls Antrag auf Aussetzung des Haftbefehls, insbesondere wegen dessen angeblich geringer Tatbeteiligung, außerdem wegen der schlechten Unterbringungsmöglichkeiten, die dessen Gesundheit schaden würde. Der Staatsanwalt jedoch lehnt diesen Antrag strikt ab, da es keinerlei Geständnis gibt und die Schwere der Tatbeteiligungen noch gar nicht genau feststeht. Zusätzlich habe der Angeklagte insgesamt zwölf Einträge und Vorstrafen in seinem Führungszeugnis, unter anderem wegen schwerer Erpressung. Weiterhin wird ihm derzeit noch unterstellt, dass er enge Verknüpfungen zu den flüchtigen Tätern hat. Dadurch besteht Gefahr, dass er sich dem Prozess entziehen könnte.

Der Rechtsanwalt von Jan I. führt nun wiederum aus, dass sein Mandant seit einem Verkehrsunfall den Geisteszustand eines 15-Jährigen hat. Er legt Atteste vom Juni 2015 vor, die eine Leistungsschwäche und psychische Störungen bescheinigen. Dahingegen führt der Staatsanwalt aus, dass der Angeklagte zehn der zwölf Taten nach seinem Unfall ausgeführt habe. Seine Einschränkungen im Leistungsvermögen und in der Psyche haben also keinerlei Einfluss auf die Durchführung von Straftaten gehabt. Somit sei es auch als gegeben anzusehen, dass es Jan I. schuldfähig ist.

Nach einer Beratungspause des Gerichts wird der Antrag auf Aussetzung des Haftbefehls für Jan I. zurückgewiesen. Weiterhin wird ein ärztliches Gutachten angefordert, in dem der Gesundheitszustand des Angeklagten festgestellt werden soll.

Der siebte Verhandlungstag endet um 15:24 Uhr, weiter geht es am 11. Januar 2017.

Fazit des Tages:

Das Gericht belohnt das Nach-Straftatverhalten. Der geständige Täter Thomas B. bekommt seine Freiheit wieder und der Haftbefehl wird unter Auflagen aufgehoben. Der alles abstreitende und unreuige Täter Jan I. muss im Strafvollzug verbleiben.

Bildmotiv: Landgericht Aurich | Bildquelle: Stefan Bisanz

Sechster Verhandlungstag

Auch der heutige Verhandlungstag am 13. Dezember 2016 findet Interesse bei den Journalisten, drei Redakteure sind neben sechs weiteren Zuschauern heute im Saal anwesend.

Weitere Befragung des Opfers

Heute wird zunächst die Befragung des Opfers Heiko L. fortgesetzt. Nachdem zuletzt bereits Richter und Staatsanwalt ihre Fragen gestellt haben, sind heute die verschiedenen Rechtsanwälte der Angeklagten aufgefordert. Unter anderem wird das Opfer gefragt, was ist zum Essen gab und ob er Besteck benutzen durfte. Der Zeuge erinnert sich grob, dass es Gulasch und belegte Brote gab, wahrscheinlich durfte er auch Besteck benutzen.

Sechster Verhandlungstag

Man interessiert sich, was er gedacht hat, als er nach seiner Freilassung Besuch von zwei Tätern in seiner Firma bekommen hat. Zitat Heiko L: „Mein Gott, jetzt geht es wieder los!“ Auf die Frage, ob er denn den Entführern während seiner Geiselhaft Geld für seine Freilassung versprochen hätte, antwortet Heiko L. mit „ja“.

Interessant wird es nun, als bekannt wird, dass Heiko L. in früheren Bedrohungsszenarien im Sinne einer Schutzgelderpressung temporär auch schon mal Personenschutz durch die Polizei bekommen hat. Auch unmittelbar nach seiner Freilassung erhielt das Opfer Personenschutz. Mittlerweile jedoch ist das nicht mehr der Fall.

Einer der Verteidiger befragt Heiko L. nun bezüglich einer Anklage aus dem Jahr 1991 zum Thema Geldwäsche und Waffenschmuggel, worauf der Vernommene nur zu berichten weiß, dass diese Anklage ohne Ergebnis blieb.

Zeugenbefragung

Anschließend wird der Zeuge Chris B., 48 Jahre, Hard- und Software-Entwickler, vernommen. Er hatte im Mai 2015 eine bedrohliche Begegnung, die mit dem Haupttäter Michael K. zusammenhängt.

Gemeinsam mit Michael K. und einer dritten Person führte Chris. B. eine 2010 gegründete Firma, die allerdings nicht so gut lief, weswegen er sich – noch vor Mai 2015 – zurückzog. Im besagten Monat kamen dann zwei bis vier Männer zu ihm und forderten 180.000 Euro, Geld, dass er angeblich Michael K. schuldete. Eine körperliche Bedrohung gab es zwar nicht, allerdings erklärte man ihm, dass man seine Kinder kenne, auch sein Auto sowie die Umgebung um sein Haus.

Der nächste Zeuge war bei dem oben beschriebenen Bedrohungsszenario dabei. Er beteuert jedoch, dass er nur als Dolmetscher vor Ort war. Man sprach ihn in einem Schnellimbiss in Dortmund an und wollte ihn auch für seine Tätigkeit bezahlen, wenn denn Geld beschafft werden konnte. Bei der Einführung von Heiko L. war er jedoch nicht dabei.

Nach diesem Zeugen wird nun Stefanie W., 37 Jahre, aus Leer gehört. Sie sitzt am Empfang der Firma des Opfers Heiko L. und berichtet, dass am 29. April 2016 zwei Männer zu ihr an den Empfang kamen und Heiko L. zu sprechen wünschten. Da dieser nicht im Hause war, hinterließen die Männer einen Zettel mit einer Handynummer. Stefanie W. identifiziert im Gerichtssaal den Angeklagten Jan I. als einen der beiden Männer, der allerdings nicht mit ihr gesprochen habe.

Nachdem als letzter Zeuge des heutigen Verhandlungstages Ernst Rainer J., Polizeihauptkommissar der Autobahnpolizei Leer, gehört worden ist, berichtet das Gericht zunächst, dass Michael K. lebensgefährlich an Leukämie erkrankt ist. Des Weiteren wird die Funkzellenauswertung ausführlich besprochen und erklärt, dass im Nachhinein einzelne Zusammenhänge verschiedener Tätertelefone zueinander herausgearbeitet werden konnten.

Des Weiteren werden drei Telefonmitschnitte der Telekommunikationsüberwachung vorgespielt, auf denen man den Angeklagten Jan I. sprechen hört.

Durch das Anhören der Mitschnitte tritt ein Widerspruch zutage: Angesichts dessen, dass Jan I. behauptet, dass er nur als Übersetzer gewirkt habe, verhandelt er in den Telefonaten sehr selbstständig und spricht sich währenddessen auch nicht mit einem der anderen Täter ab.

Danach endet dieser Prozesstag.

Fazit des Tages:

Trotz jahrelanger Schutzgelderpressung hat das Entführungsopfer Heiko L. sein Sicherheitsverhalten nicht geändert oder überprüft. Obwohl das natürlich nichts an der Schuld der Täter ändert, was das ein extrem fahrlässiges Verhalten!

Wahrscheinlich hätte Heiko L. seine Entführung proaktiv verhindern können, wenn er rechtzeitig entsprechend Rat gesucht hätte. Spätestens bei einer konkreten Bedrohung sollte das Opfer zudem immer auch bedenken, dass Familie oder enge Freunde oder Kollegen theoretisch auch im Fokus der Täter stehen könnten.

Bildquelle: twinlili  / pixelio.de

Fünfter Verhandlungstag | Aussagen weiterer Zeugen

Die Beweisaufnahme wurde am heutigen Prozesstag am 6. Dezember 2016 mit dem Zeugen Manfred M. fortgesetzt. Er ist Geschäftsführer der Reederei, die dem Opfer zum Zeitpunkt der Tat als Gesellschafter anteilig gehörte.

Die Tat aus Sicht des Geschäftsführers des Opfers

Zum Sachverhalt befragt gab Manfred M. an, dass er am 19. April 2016 um 12:26 Uhr (aus der Anrufliste ersichtlich) einen Anruf des Opfers Heiko L. erhielt. Dieser teilte mit, dass er für drei Tage weg sei und Manfred M. solle eine Million Euro überweisen. Heiko L. habe in dem Gespräch verwirrt gewirkt, der gesamte Gesprächsverlauf glich eher einer Mitteilung und wirkte auf den Zeugen sehr sonderbar. Dies und diverse Vorfälle in der nahen Vergangenheit veranlassten Manfred M., umgehend zur Polizei zu gehen.

Fünfter Verhandlungstag | Aussagen weiterer Zeugen

13 Minuten später erhielt Manfred M. eine SMS mit den Kontodaten, allerdings fehlte der Name des Kontoinhabers. Weitere zwei Minuten später erhielt der Zeuge eine WhatsApp-Nachricht mit einem Foto auf dem die schon per SMS übersendeten Kontodaten zu sehen waren, wieder ohne Name des Empfängers. Der Zeuge fragte per WhatsApp, wer der Empfänger sei. Diese Nachricht wurde gelesen, aber nicht beantwortet. Um 12:53 Uhr fragte der Zeuge wieder per WhatsApp, diesmal, von welchem Konto er überweisen solle. Diese Nachricht wurde diesmal nicht gelesen. Die Kommunikation lief hier bereits nur noch in Abstimmung mit der Polizei.

Noch bei der Polizei erhielt der Zeuge am Nachmittag einen Anruf des Opfers. Heiko L. fragte, ob das Geld überwiesen sei, es sei sehr wichtig. Wieder fragte Manfred M. nach dem Empfänger, erhielt aber keine Antwort.

Manfred M. gab gegenüber der Polizei sofort an, er habe den Verdacht, dass Michael K. hinter der ganzen Sache stecke. Manfred M. wusste, dass es schon in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Vorfälle gab, bei denen Heiko L. angesprochen wurde, er solle doch Michael K. das Geld, welches er ihm schulde, bezahlen. So sei Heiko L. auch nach einer Beerdigung angesprochen worden, aber auch bei ihm zu Hause seien Leute wegen der vermeintlichen Forderung gewesen.

Leider fragt die Kammer an dieser Stelle nicht nach, ob Heiko L. oder das Unternehmen etwas unternommen hat, um solche Vorfälle künftig zu unterbinden bzw., um sich zu schützen.

Der letzte Vorfall habe im Oktober 2015 stattgefunden, hier seien Leute wegen der Forderung im Büro der Reederei erschienen. Manfred M. und Herr Heiko L. waren zu dieser Zeit in Hamburg, sodass man sich telefonisch auf einen Termin am Nachmittag vereinbart hat und dazu umgehend die Polizei verständigte. Die Beamten nahmen die Täter, die beim vereinbarten Termin auftauchten, fest, ließ sie allerdings später wieder laufen. Zu den Festgenommen wurden heute keine Angaben gemacht.

Am 20. April blieb Manfred M. im Beisein der Polizei zu Hause und erwartete weitere Instruktionen zur Überweisung. Am Nachmittag wollte er kurz frische Luft schnappen und verließ hierfür kurz das Haus. Sein Handy hatte er nicht dabei. Dieses klingelte allerdings in seiner Abwesenheit, sodass ein Polizist ihm nacheilte, um es ihm zu bringen. Der Anrufer legte aber auf, noch bevor Manfred M. den Anruf annehmen konnte.

Dass die Polizei hier nicht darauf bestanden, hat Manfred M. zu begleiten, ist bemerkenswert.

Manfred M. rief umgehend die angezeigte Nummer zurück und Heiko L. nahm das Gespräch an. Er sagte, Manfred M. müsse das Geld unbedingt überweisen, sonst sei er, Heiko L., morgen tot. Wieder fragte Manfred M. nach dem Namen des Empfängers und hörte, wie aus dem Hintergrund gerufen wurde: Magdalena K.

Manfred M. teilt dem Gericht an dieser Stelle mit, Heiko L. schon lange zu kennen, weswegen er dessen Todesangst rausgehört habe.

Nun wartete Manfred M. auf die Entscheidung der Polizei, ob er die Überweisung ausführen könne, was für ihn unerträgliche zwei Stunden des Wartens bedeutete. Bei Ausführung der Überweisung um ca. 19:30 Uhr war klar, dass diese erst am nächsten Morgen vollzogen werden wird. Allerdings generierte das System schon bei der online abgeschickten Überweisen eine Bestätigung. Diese wurde abfotografiert und auf Anweisung der Polizei um ca. 21:45 Uhr den Tätern übermittelt.

Gegen 2:00 Uhr wurde Manfred M. durch die Polizei informiert, dass man Heiko L. weitestgehend unverletzt aufgegriffen habe.

Das Geschehen nach der Entführung

Ein weiterer Tatkomplex begann am 29. April. Auch hier waren wieder Personen in der Firma und wollten Heiko L. sprechen. Der Empfang sagte, dass dieser nicht da sei, woraufhin die Personen ihre Telefonnummer hinterließen mit dem Hinweis, Heiko L. solle sich melden, er wisse, worum es ginge. Die Mitarbeiterin des Empfangs übergab Manfred M. die Nummer, die ihm sofort verdächtig war, weil sie bis auf die letzte Zahl mit der Nummer der Entführer identisch war. Er informierte umgehend die Polizei, um dann in Absprache mit dieser den Kontakt zu der Nummer herzustellen. Die Angerufenen bestanden darauf, mit Heiko L. zu sprechen, was die Polizei letztendlich zusagte und alles Notwendige hierfür einleitete.

Manfred M. gibt an, dass er während der Telefonate Fahrgeräusche hörte und er das Gefühl hatte, es seien mehrere Personen, die sich in einem Fahrzeug bewegten. Die Person, mit der er sprach, hatte einen osteuropäischen Dialekt.

Auf Fragen des Gerichts, ob er denn die Forderung des Haupttäters an das Opfer für gerechtfertigt halte, äußert der Zeuge nun absolutes Unverständnis. Er schildert den Ablauf des Verkaufs der gemeinsamen Firma in Saudi-Arabien und teilt mit, dass nicht der gesamte vereinbarte Kaufpreis gezahlt wurde. Die gezahlte Summe wurde allerdings vereinbarungsgemäß an Heiko L. und Michael K. ausgeschüttet. Dies wurde mehrfach gegenüber Michael K. belegt.

Weiterhin räumte Manfred M. ein, dass sich nach den Vorfällen im Oktober das spätere Opfer mit dem späteren Täter treffen wollte, um eine Einigung zu erzielen. Das wiederum lehnte der Zeuge, Manfred M., rigoros ab. Die Begründung: Es gäbe keine gerechtfertigte Forderung, also müsse man sich auch nicht einigen, schon gar nicht nach diesen Vorfällen.

Auf die Frage warum denn Heiko L. das wolle, gibt Manfred M. an, dass Heiko L. ein sehr sozialer Mensch sei und häufig Gutes für andere tue, was für Außenstehende schwer nachzuvollziehen ist.

Aussage der Vermieter des Ferienhauses

Im Anschluss sagt jetzt das Vermieter-Ehepaar der Ferienwohnungen aus, die für die Entführung angemietet wurden. Zunächst Ento W., später seine Ehefrau Else W.

Für beide verlief die Anmietung normal, obwohl die Herrschaften erst sehr spät zur Schlüsselübergabe kamen und die Vermieter schon dachten, die kämen nicht mehr. Zunächst wurde nur eine Wohnung angemietet, später die zweite unter dem Vorwand, dass die Frauen der vier polnischen Mieter nachkommen würden. Der Mann hatte die Möglichkeit, kurz alle vier Mieter zu sehen, als er kurz in der Wohnung war, um die Heizung zu entlüften. Die Frau sah während der gesamten Zeit nur eine Person.

Während der Zeit der Anmietung hatte der Ehemann ein Foto von den Fahrzeugen der Mieter gemacht. Er hatte vergessen, sich etwas Schriftliches von den Mietern, auch zur WLAN-Nutzung, geben zu lassen. So hatte er wenigstens etwas in der Hand.

Obwohl die Wohnungen für eine Woche angemietet waren, stellte der Vermieter fest, dass sie schon am Donnerstag verlassen waren. Unter den zurückgelassenen Gegenständen war auch eine Sturmhaube. Dies und die öffentliche Berichterstattung über die Entführung veranlassten beide, zur Polizei zu gehen. Auf den vorgelegten Lichtbildern konnte der Ehemann eine Person sicher identifizieren, die Frau keine Person. Die Angeklagten wurden von keinem der Eheleute erkannt.

Zeuge schildert Observation

Nach dem Ehepaar wird ein Nachbar des Opfers befragt, der eine Beobachtung schilderte, welche er ca. einen Monat vor der Tat machte. So habe er am 15. März zwei Personen beobachtet, die sich langsam durch die Siedlung bewegten und immer wieder vor den Häusern, auch dem Haus des Opfers, stehen blieben und diese lange beobachteten. Er hatte den Verdacht, dass es sich bei den beiden Personen um Einbrecher handele, die ihre nächsten Ziele ausspähen. Der Zeuge machte sogar ein Foto von den Personen, wobei hierauf der Angeklagte Jan I. zu erkennen sein soll. Auch im Saal zeigt er auf den Angeklagten, als der Richter ihn fragte, ob einer der Männer hier im Saal sei.

Schließlich werden noch der Filialleiter und die Bankangestellte der Bank befragt, bei der das Konto für das Lösegeld angelegt wurde. Neben den schon bekannten Fakten ist hier noch erwähnenswert, dass die heute angeklagte Magdalena K. als Grund für den zu erwartenden Geldeingang das Erbe ihres verstorbenen Sohnes angab. Das Geld käme aus Frankreich.

Weiter geht es am 13.12.2016


Bild: Entführungshaus innen | Bildquelle: Stefan Bisanz

Vierter Verhandngstag | Dramatische Spätfolgen für das Opfer

Der vierte Prozesstag am 28. November 2016 ist der Tag des Opfers. Daher ist die Presse mit einem TV-Team und fünf Journalisten vertreten, weitere acht Zuschauer sind außerdem im Raum.

Der Angeklagte Jan I., der erneut mit einem Rollstuhl in den Gerichtssaal gefahren wird, gibt wieder den “Weinerlichen”. Bei genauer Beobachtung erkennt man allerdings, dass er zwischendurch einen sehr wachen Blick hat, mit dem er sowohl die Mitangeklagten als auch das Gericht beobachtet. Seine Masche ist, dass er immer alles vehement abstreitet.

Vierter Verhandngstag | Dramatische Spätfolgen für das Opfer

Erklärung des Verteidigers von Magdalena K.

Bevor der eigentliche Prozess beginnt, gibt der Verteidiger von Magdalena K. eine sogenannte Verteidiger-Erklärung ab. Erstens stellt er darin fest, dass seine Mandantin wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub durch Unterstützung des Sohnes Michael K. – zum Beispiel mit der Einrichtung eines Kontos für das Lösegeld – angeklagt ist. Zweitens konstatiert er, dass seine Mandantin nicht weiß, woher sich Opfer und Sohn kennen. Geschäfte machen beide schon seit über 20 Jahren, auch privat und auch in Saudi-Arabien. Das Opfer habe ihren Sohn betrogen. Auch sie habe versucht, über Telefonate eine einvernehmliche Lösung mit dem Opfer zu erzielen. Verbindlich abgesprochene Termine wurden aber immer wieder mit unterschiedlichen Ausreden kurzfristig abgesagt. Daher sollten die Forderungen über ein Inkassobüro eingezogen werden. Der Anwalt teilt weiterhin mit, dass Magdalena K. ein Konto für ihren Sohn eingerichtet hat, da er aufgrund negativer Schufa-Einträge kein Konto mehr eröffnen darf. Sie zahlte 3.000 Euro darauf ein, damit er etwas Geld zum Leben hat. Seine Mandantin habe das Konto nicht für das Lösegeld eingerichtet, so der Verteidiger. Er schließt seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass Nachfragen nicht gestattet sind.

Aussage des Angeklagten Jan I.

Als erster Zeuge des heutigen Tages wird um 9:20 Uhr der Pole Jan I. gehört. Er spricht einigermaßen gut Deutsch und beschuldigt sofort den Angeklagten Thomas B. Jan I. wäre durch diesen ausschließlich als Übersetzer hinzugezogen worden, er habe mit der ganzen Sache nichts zu tun und habe auch nicht gewusst, worum es geht. Er sei in Dortmund angesprochen worden.

Thomas B. runzelt bei dieser Aussage die Stirn und schaut den Zeugen ernst an.

Der Zeuge spricht weiter wirres Zeug. Zuerst erklärt er, dass er 200 Euro bekommen sollte später 500 Euro, zum Ende 700 Euro. Er berichtet konfus über Treffen und Fahrten, wilde Telefonate und Bestellungen bei einem Fast-Food-Restaurant. Dort wurde er auch am 29. April 2016 festgenommen.

Der Angeklagte beschwert sich über die Mittäter und deren Verhalten, insbesondere da sie eine hohe Summe vom Lösegeld bekommen sollten und ihn mit 500-700 Euro abspeisen wollten. Die Fahrten haben sie mit einem roten Opel Corsa durchgeführt, der vom Mittäter Sylvester gefahren worden ist.

Sylvester ist bei dem Zugriff durch die Polizei nicht festgenommen worden und immer noch flüchtig.

Der Angeklagte besteht darauf, dass er von der Entführung nichts wusste. Der Richter hält ihm Telefonate vor, in denen er unter anderem wörtlich zu Manfred M.gesagt hat: „Sie können nicht alle schnappen, vielleicht zwei, drei oder vier. Wir sind professionell. Es geht um K.“ Hierauf hat der Angeklagte keine Antwort. Er habe von nichts gewusst und der noch flüchtige Sylvester habe ihm alles vorgesagt.

Die Entführung ist durch mehrmonatige Aufklärungs- und Observationseinsätze der Täter vorbereitet worden. Sie hatten ein Wohnmobil mit Firmenaufschrift eingesetzt sowie eine Standkamera am Wohnobjekt versteckt, sie wussten sogar die Zigarrenmarke des Opfers und, dass er zweimal die Woche eine Zigarre raucht. Die Täter waren sogar der Meinung dass, Heiko L. Milliardär sei.

Es kommt für das Täterhandeln bzw. für das Stattfinden einer Straftat immer darauf an, was der Täter denkt und glaubt, und nicht darauf, ob das, was er denkt, tatsächlich stimmt oder das Opfer ihm als Tatsache mitteilt.

Aussage des Opfers zum Ablauf der Entführung

Um 11:22 Uhr sagt das Entführungsopfer Heiko L., 69 Jahre, aus. Er ist selbstständig im Maritim- und Reeder-Geschäft und stammt aus Detern. Zuerst schildert er, wie er die Tat vom 19. April 2016 erlebt hat.

Wie immer verlässt er kurz nach 8:00 Uhr sein Privathaus und fährt mit seinem Auto zur Arbeit. Während der Autofahrt telefoniert er ordnungswidrig. Kurze Zeit nach Anfahrt überholt ihn ein weißes Auto, wahrscheinlich ein Mercedes, mit einem Lichtbalken mit Display in der Heckscheibe. Hierauf steht „Polizei bitte folgen“.

Nachdem er angehalten hat kommen zwei Männer in Polizeiuniform an sein Auto heran und verlangen von ihm die Fahrzeugpapiere. Ab jetzt hat er einen Filmriss.

Auf der weiteren Fahrt konnte er nichts erkennen, da ihm seine Augen verbunden worden sind. Er trägt sowohl eine Sonnenbrille, darüber eine Tauchmaske und eine Pudelmütze. Auf der Entführungsfahrt gab es dann einen Wechsel des Autos. Drei Männer sitzen mit ihm im Fahrzeug. Sie sind circa eine bis anderthalb Stunden gefahren, überwiegend kleinere Wege.

In dem Haus seiner Gefangenschaft angekommen wird er in ein Schlafzimmer geführt und muss sich dort nackt ausziehen. Er wird von Kopf bis Fuß nach Peilsendern abgesucht. Der Markenknopf an seinen Burlington-Socken wird von den Tätern als Sender eingestuft und abgeschnitten. Hiernach wird er an einen Bettpfosten gefesselt und muss dann bald einen Schuldschein über 400.000 Euro unterschreiben. Außerdem wird darin handschriftlich eine weitere Summe über 600.000 Euro angeführt. Er wollte diesen Schuldschein erst nicht unterschreiben. Daraufhin kam ein Täter mit einem Messer und wollte ihm ein Ohr abschneiden, die Hand und das Messer waren schon am Ohr. Ein anderer Täter verhinderte das.

Später fuhr man wieder mit dem Auto los, circa anderthalb Stunden lang, und er sollte seine Frau anrufen, damit diese das Lösegeld bereitstellt. Dieses verneinte er mit der Bemerkung, dass seine Frau panisch die Polizei anrufen würde und schlug deshalb vor, seinen angestellten Geschäftsführer Manfred M. anzurufen. Wieder zurück im Haus schlief er unten in einem Doppelstockbett, gefesselt an einen Bettpfosten. Am nächsten Tag waren alle nervös, da die avisierte Überweisung seitens des Geschäftsführers noch nicht auf dem Konto war.

Gegen 20:00 Uhr wurde Heiko L. mitgeteilt, dass er nun nach Hause darf. Vor der Abfahrt sollte er Whisky trinken und so teilte er sich eine Flasche mit einem der Täter. Die Alternative wäre gewesen, eine LSD-Pille zu schlucken. Nachdem er dann am Straßenrand in der Nähe einer Autobahn ausgesetzt worden war, wurde er gegen 02:00 Uhr zufällig durch eine Streife der Bundespolizei aufgegriffen.

Es ist deutlich festzustellen, dass das Opfer noch erheblich traumatisiert ist.

Das Opfer berichtet weiter, dass es unter den Tätern einen dominanten Führer gab und einen sogenannten Beschwichtiger. Das Opfer hat versucht, mit den Tätern zu diskutieren. Um ihn, das Opfer, gefügig zu machen, wurde er etwa fünf bis zehn Mal mit der Faust und der flachen Hand auf die linke Gesichts- und Halsseite geschlagen.

Die Täter trugen in seinem Beisein Sturmmasken. Bei jedem Toilettengang wurde er begleitet, dann gab es keine Handfesseln. Das Essen wurde im Wohnzimmer eingenommen.

Er habe sich nicht getraut, zu flüchten, sein Telefon wurde durch die Täter entsorgt. Waffen aber habe er nur bei der gestellten Polizeikontrolle, also der unmittelbaren Entführungssituation, gesehen. Es wurde ihm aber mehrfach mit dem Tod gedroht.

Während der Gefangenschaft war Heiko L. nicht in der Lage, sich den Schuldschein genau durchzulesen. Er diskutierte weiter mit den Tätern über deren Forderung und bot zweien der Täter 100.000 Euro für seine sofortige Freilassung.

Nachdem er auf der Autobahn ausgesetzt worden ist und frei war, hatte Heiko L. nicht mit einer weiteren Kontaktaufnahme der Täter gerechnet. Als ihn die Täter 2 Wochen später im Büro aufsuchten, war er gerade mit seinem Wohnmobil unterwegs. Umgehend informierte er die Polizei wurde und bekam daraufhin zwei Personenschützer zur Seite gestellt. Ein Telefonat der Täter mit dem Opfer über den Treffpunkt der Geldübergabe wurde von der Polizei natürlich aufgezeichnet. Heiko L. jedoch ging nicht zu diesem Treffen.

Als letzte Information sagt Heiko L. noch, dass er, nachdem er den Schuldschein unterschrieben hatte, ein moderates Verhältnis zu den Entführern hatte, er formuliert es so: „Ich wurde artgerecht gehalten.“

Entführungsopfer Heiko L. über die Vorgeschichte

Den Haupttäter Michael K. lernte Heiko L. Anfang der Neunzigerjahre in Saudi-Arabien kennen. Bei dem letzten Geschäft ging es um den Verkauf einer Firma für circa 6 bis 10 Millionen Dollar. Allerdings sind nur 1,5 Millionen Dollar gezahlt worden, davon bekam Michael K. 80 Prozent. Von diesem Geld kaufte er sich Immobilien im Norden Deutschlands. Die Restsumme hatte sich Michael K. unter anderem über Geldeintreiber bei Heiko L. besorgen wollen. Das spätere Entführungsopfer wurde dabei über zwei Jahre lang massiv bedroht.

Trotz dieser Bedrohung hat Heiko L. keine Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, weder in seiner Firma noch zu Hause.

Warum Michael K. noch mehr Geld haben wollte, kann Heiko L. nicht beantworten, es gibt dafür laut ihm keine Begründung.

Die dramatischen Folgen für das Opfer

Während der Entführung hat das Opfer große Todesangst ausgestanden. Sein Leben sei wie in einem Film an ihm vorbeigelaufen. Diese Phase war extrem belastend. Seine Erinnerungen zum Tatgeschehen sind daher immer noch nur noch partiell.

In den zwei Tagen seiner Entführung hat Heiko L. sechs Kilo abgenommen. Psychisch ging es ihm die ersten drei Monate nach der Entführung soweit gut, danach und mit der wachsenden Nähe zum Prozessbeginn ging es ihm immer schlechter. Ein Zustand, der immer noch anhält. Betroffen sind auch seine Frau, seine Kinder, seine Eltern und Nachbarn. Er hat sich stark verändert, ist vorsichtiger geworden und hat sich eine Alarmanlage gekauft. Zitat des Opfers: „Ich habe einen Fast-Absturz im Flugzeug überlebt, eine schlimme Krankheit überstanden, bin zweimal aus Seenot gerettet worden – doch diese Entführung war das Schlimmste, was ich je erlebt habe.” Bis zu diesem schrecklichen Ereignis hatte Heiko L. sorgenfrei gelebt.


Bild: Auffindestelle von Heiko L.  | Bildquelle: Stefan Bisanz

Dritter Verhandlungstag | Aussage des leitenden Ermittlers

Der Beginn des heutigen Prozesstages am 14. November ist für 13:30 Uhr angesetzt. Die Kammer eröffnet fast pünktlich und beginnt mit der Beiordnung von neuen Verteidigern, die im Vorfeld auch bereits angekündigt war. Im Saal sind neben den Prozessbeteiligten fünf Zuhörer und vier Pressevertreter.

Nach Erledigung der Formalitäten ruft die Kammer den für heute angekündigten Zeugen, Kriminalhauptkommissar (KHK) M. auf. KHK M. war Leiter der am 25. April eingerichteten Ermittlungsgruppe.

Zur Sache gibt KHK M. an, dass am 19. April der Geschäftsführer (GF) eines Unternehmens aus Leer Anzeige wegen der Entführung von Heiko L. stellte. Er gab an, einen Anruf von Heiko L. erhalten zu haben, in dem dieser eine Million Euro gefordert habe und zugleich angab, er wäre die nächsten drei Tage nicht erreichbar. Heiko L. rief dabei von seinem Handy aus an. Die Polizei richtete daraufhin eine so genannte BAO (Besondere Aufbau Organisation) ein und begann umgehend mit den Ermittlungen. Das erste Ziel dessen war, Heiko L. unversehrt aufzufinden. Eine Ortung des Handys war jedoch nicht möglich, es war ausgeschaltet. Der GF gab gegenüber der Polizei an, dass die Forderung nicht erfüllt werden könne, da der Kontoinhaber des Zielkontos nicht genannt wurde.

Dritter Verhandlungstag | Aussage des leitenden Ermittlers

Am 20. April rief Heiko L. erneut an, diesmal von einer unbekannten Nummer, und fragte, ob das Geld überwiesen sei, sonst sei er tot. Nun fragte der GF nach dem Namen des Kontoinhabers und hörte wie im Hintergrund der Name der jetzt angeklagten 90-Jährigen gerufen wurde. Darüber hinaus will er Fahrgeräusche gehört haben. Der Anschluss, von dem aus angerufen wurde, konnte jedoch nicht ermittelt werden. Der GF wies das Geld entsprechend den Angaben der Entführer an.

Der GF soll schon bei der Anzeigenerstattung einen Verdacht gegen den jetzigen Hauptverdächtigen Michael K. geäußert haben. Michael K. habe schon öfters geäußert, dass Heiko L. ihm einen sechsstelligen Betrag schulde. Schon 2015 sei es zu einer ähnlichen Bedrohung gekommen. Die nun gebildete Ermittlungsgruppe observierte Michael K. und führte eine so genannte TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) durch. Hierbei wurden diverse Gespräche zwischen Michael K. und seiner Mutter aufgezeichnet, bei denen es um den Eingang des Geldes bei der Bank ging. So sollte die Mutter immer wieder nachhören, ob das Geld eingegangen sei und wann sie es abholen könne. Michael K. ging offensichtlich davon aus, dass die Bank die Summe nach Kontoeingang umgehend auszahlen kann. Dies war jedoch nicht der Fall. Der Filialleiter teilte der Mutter von Michael K. mit, dass es noch drei Werktage nach Eingang dauern könne, weil er das Geld bestellen müsse. Darauf sagte Michael K. seiner Mutter, man müsse Heiko L. „eben noch so lange da behalten“. Spätestens hier wird klar, dass sowohl Michael K. als auch dessen Mutter genau wussten, dass es sich um eine Entführung handelt.

Am Abend des 20. April wurde das Opfer, Heiko L., freigelassen und am 21. April durch eine Streife der Bundespolizei an der BAB 31 aufgegriffen. Heiko L. war weitestgehend unverletzt. Er gab an, am 19. April auf dem Weg ins Büro gewesen zu sein, als er von einem weißen Mercedes mit Hannoveraner Behördenkennzeichen überholt wurde.

Behördenkennzeichen bedeutet, dass lediglich das H für Hannover sowie Zahlen auf dem Kennzeichen zu sehen sind.

In der Heckscheibe klappte sodann ein Display mit „Bitte folgen“ auf. Heiko L. dachte an eine Polizeikontrolle, zumal er kurz zuvor am Steuer telefoniert hatte. Er leistete den Anweisungen folge und wurde kurz darauf angehalten. Zwei Männer in polizeiähnlichen Uniformen stiegen aus dem Mercedes und forderten ihn auf, auszusteigen. Er wurde mit Handschellen gefesselt und die Sicht wurde ihm mit einer Solarium-Brille genommen. Anschließend wurde er in den Mercedes gebracht. Heiko L. hat noch mitbekommen, dass auch sein Fahrzeug weggebracht wurde. Später kam es zu einer Umsteigesituation auf einem Parkplatz, wobei das Opfer erkannt haben will, dass er jetzt in einem Audi saß. Mit diesem wurde er in ein Ferienhaus verbracht.

Das Opfer gab an, dass er trotz Schlägen, Drohungen und Fesselung im Großen und Ganzen während der Geiselhaft gut behandelt wurde. Für die Telefonate, die er während dieser Zeit führen sollte, wurde er wieder in das Auto verbracht und mit einer Stunde Fahrt zu einem anderen Ort verbracht, bevor er telefonieren sollte.

Offenbar hatten die Entführer Sorge, geortet zu werden.

Am Abend des 20. April sei die Stimmung hektischer geworden, man habe ihm gesagt, er könne wählen zwischen LSD und einer Flasche Whisky, um ruhiggestellt zu werden, anschließend wurde er ausgesetzt.

Heiko L. konnte nur eine vage Täterbeschreibung geben, da die Täter maskiert waren und Heiko L. seine Brille nicht auf hatte.

Am 21. April meldete sich der Vermieter der Ferienwohnung, dem nun seine polnischen Mieter komisch vorkamen. Diese seien sehr schnell abgereist und in der Wohnung habe er eine Sturmhaube gefunden. Die sofort eingeleitete Spurensicherung und die Vorlage von Fotos der Wohnung an das Opfer ergaben schnell, dass es sich um den Tatort handelt.

Der Vermieter gab an, dass die Wohnung am 14. April angemietet wurde, am 15. April wurden die Schlüssel geholt, es wurde bar bezahlt. Der Vermieter hatte wohl schon jetzt ein komisches Gefühl und fotografierte die Fahrzeuge, die später vor dem Haus standen. Vom Vermieter konnten dann außerdem Phantombilder von den Männern erstellt werden, die die Schlüssel abgeholt hatten.

Eines der fotografierten Fahrzeuge gehörte dem Vater der Lebensgefährtin des heute Angeklagten Piotre M. Bei der Durchsuchung der Wohnung der Tochter des Fahrzeughalters wurde Piotre M. auch angetroffen, dieser wies sich allerdings mit einem gefälschten polnischen Führerschein aus. Ein falscher polnischer Ausweis auf den gleichen Namen wurde bei einer späteren Durchsuchung ebenfalls sichergestellt.

Zu einem weiteren Tatkomplex kam es nach Angaben des KHK M. am 29. April. Der GF der Leeraner Firma meldete der Polizei telefonisch, dass zwei Personen bei der Firma waren, die Heiko L. sprechen wollten. Die beiden hatten eine Rufnummer hinterlassen, auf der sich Heiko L. melden sollte. Die Polizei stellte schnell fest, dass die Nummer bereits bei der Entführung genutzt wurde und veranlasste eine Überwachung. Auch wurden Beamte zur Firma geschickt, um die Gesprächsführung zu begleiten. Die Personen wurden auf den Parkplatz eines Fast-Food-Lokals in Münster gelotst, wo es zu einem Zugriff kam, bei dem allerdings nur ein Verdächtiger festgenommen werden konnte. Es handelte sich hierbei um den jetzt Angeklagten Jan I. Die Polizei ging allerdings davon aus, dass in dem Fahrzeug weitere Verdächtige sitzen würden. Warum diese nicht festgenommen werden konnten, kann der heute befragte KHK M. nicht sagen. Der Halter des Fahrzeugs war ein in Konstanz lebender Pole. Nach Aussage des Hauptkommissars gab es eine hohe Ähnlichkeit zu den Phantombildern, welche aufgrund der Aussagen des Ferienhausvermieters erstellt wurden. Sylvester konnte nicht festgenommen werden, er hat sich wahrscheinlich nach Polen abgesetzt.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen meldete sich dann auch ein Nachbar des Opfers, dem am 15. März zwei Personen aufgefallen seien, die sich verdächtig verhielten und offensichtlich das Haus von Heiko L. beobachteten. Der Nachbar machte heimlich Videoaufnahmen der Personen. Die Polizei identifizierte diese später aufgrund der Figur, des Ganges und der Bekleidung als die jetzt Angeklagten Jan I. und Piotre M.

Vieles in diesem Prozess lässt darauf schließen, dass es sich bei der Tatausführung nicht um Voll-Profis gehandelt hat. Das macht es oftmals aber eher gefährlicher. Allerdings kam es auch hier zu tatvorbereitenden Handlungen, die bei Erkennen das Ausführen der Tat verhindert hätten. So hat das Ausspähen des Opfers schon mindestens zwei Monate vor der Tat begonnen, ja es ist sogar aufgefallen! Allerdings wurde nichts unternommen.

Auch das Anmieten der Ferienhäuser und die Barzahlung hätte auffallen können.

Ebenso ist die gezielte Nutzung der Prepaid-Handykarten als tatvorbereitende Handlung anzusehen, zumal bei der Freischaltung immer Phantasienamen angegeben wurden. Selbst bei einer Telekommunikationsüberwachung ist es dann schwierig, die Anschlüsse den Personen zuzuordnen.

Für eine längst überfällige Reaktion der Politik, die eine Registrierung anhand eines Ausweisdokumentes zur Folge hat, musste erst der „Kampf gegen dem Terrorismus“ herhalten. Allerdings gibt es selbst vor diesem Hintergrund noch keine rechtsverbindliche Lösung, so dass Täter diese Tools auch in Zukunft weiter nutzen werden.

Der nächste Verhandlungstermin ist der 24. November.


 

Bildquelle: Stefan Bisanz

Zweiter Verhandlungstag

Zu Beginn des zweiten Prozesstages im Auricher Landgericht am heutigen 9. November 2016 wird zunächst der Antrag der 90-jährigen Angeklagten Magdalena K. auf Abtrennung des Verfahrens als unbegründet zurückgewiesen.

Nach den Ausführungen der Kammer beginnt der Angeklagte Thomas B. mit seiner Einlassung, welche sich über den gesamten heutigen Prozesstag ziehen wird. Thomas B. versucht, die Einlassung und die Fragen der Kammer in deutscher Sprache durchzuführen. Bei sprachlichen Engpässen steht ihm aber eine Dolmetscherin zur Seite, was immer mal wieder zu Missverständnissen und Verzögerungen bei den Antworten führt.

Zweiter Verhandlungstag

Zunächst erörtert Thomas B., wie er Michael K. kennengelernt hat. Dies sei an der Kasse eines Fast-Food-Lokals in Dortmund geschehen. Michael K. sei Geld runtergefallen, Thomas B. hat es aufgehoben und Michael K. gegeben. So sei man ins Gespräch gekommen. Man habe sich dann öfter getroffen und über alles Mögliche gesprochen. Irgendwann hat man Nummern ausgetauscht und sich regelmäßig getroffen. Diese Treffen fanden zwei bis drei Mal im Monat und immer im nämlichen Lokal statt. Das alles begann mehr als ein Jahr vor der jetzt zur Last gelegten Tat.

Michael K. erzählte Thomas B. unter anderem über seine beruflichen Aufenthalte in der arabischen Welt und dem dort vorherrschenden Reichtum. Irgendwann offenbarte er auch seine finanziellen Engpässe, die dem geschuldet seien, dass er von seinem Geschäftspartner, dem späteren Opfer Heiko L. betrogen wurde.

Während der Einlassung von Thomas B. kam es immer wieder zu nicht nachvollziehbaren und zunächst unverständlichen Zwischenrufen des Angeklagten Jan I., der dabei auch häufig gestikulierte. Auf Nachfrage der Kammer gab der Verteidiger an, dass er seinen Mandanten hier nicht zur Ruhe bringen kann, da er sehr aufgewühlt sei. Ohnehin habe der Angeklagte ein Attest aus dem unter anderem hervorgeht, dass er sich nicht mehr als zwei Stunden konzentrieren kann.

Thomas B. sagt weiter aus, dass Michael K. angegeben habe, dass es zu einer Fusion seiner Firma, die er zusammen mit Heiko L. führte, mit der der arabischen Geschäftsleute kommen sollte. Im Zuge dieser Verhandlungen wurde Michael K. von den Arabern bedroht und sei schnell abgereist. Anschließend sei er aus der Firma gedrängt worden. Später habe es Forderungen vom deutschen Fiskus gegeben. Um gegen diese anzugehen, hätte er Unterlagen von seinem ehemaligen Partner Heiko L. gebraucht, diese aber nicht bekommen.

Als Schadenssumme hatte der K. immer von 400.000 bis 500.000 gesprochen, wobei sich Thomas B. aber in seiner Aussage nicht an die Währung erinnern kann.

Michael K. hätte versucht, so berichtet Thomas B. weiter, seine Forderungen gerichtlich geltend zu machen. Allerdings kam es nie zu einer Verhandlung, weil Zeugen von dem nun fusionierten Unternehmen eingeschüchtert worden seien. Letztlich wurde von den Anwälten von Michael K. und Heiko L. eine außergerichtliche Einigung vorbereitet, welche aber kurz vor dem Abschluss von Heiko L. ohne Begründung abgesagt wurde. Michael K. soll hierüber sehr enttäuscht gewesen sein. Er soll Thomas B. gesagt haben, dass es ihm schwerfalle, damit zu leben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Michael K. in den arabischen Ländern eine Krankheit geholt haben soll, die nicht diagnostiziert werden kann und sich sein Zustand zusehens verschlechterte. Michael K. ging davon aus, dass er daran sterben würde.

In seiner Verzweiflung fragte Michael K. Thomas B., ob er nicht Leute kenne, die ihm helfen könnten, durch Inkasso an sein Geld zukommen . Diese Leute sollten gut gekleidet bei Heiko L. auftauchen und ihn an die Forderungen von Michael K. erinnern. Michael K. wolle aber keine Gewalt angewendet wissen, Heiko L. sollte lediglich überredet werden. Thomas B. sagte Michael K., dass er solche Leute nicht kenne, sich aber gerne umhören kann.

Die Zwischenfrage der Kammer, ob es denn noch gegen andere Personen Forderungen gab, bejaht Thomas B., allerdings sei dies nach Angaben von Michael K. alles auf seinen ehemaligen Partner Heiko L. zurückzuführen. So sei Michael K. auch aus einer Firma in Flensburg rausgedrängt worden. Hier sei bei einem Krankenhausaufenthalt von Michael K. ein Anwalt am Bett erschienen, der ihn unter dem Vorwand von Forderungen des Finanzamtes überredete, seine Anteile für einen Euro zu verkaufen, um Schaden von ihm abzuwenden. Michael K. tat dies und will erst später bemerkt haben, dass dies ein Trick von Heiko L. war.

Thomas B. berichtet nun weiter, dass er sich von Michael K. dazu überreden ließ, zum Schuldner nach Flensburg zu fahren, um das Geld einzutreiben. Hier soll noch ein weiterer Mann, der über Michael K. kam, dabei gewesen sein sowie drei Leute aus Polen und Russland, die Thomas B. aber nicht bekannt waren. Thomas B. berichtet, dass der Flensburger Schuldner ihn in einem Gespräch davon überzeugte, dass es keine Schulden gäbe und die Gruppe daraufhin unverrichteter Dinge abgefahren seien.

Michael K. fragte Thomas B. nun, ob er das nicht auch bei seinem ehemaligen Partner Heiko L. machen kann, was Thomas B. aber verneinte. Er wolle sich allerdings weiter umhören.

Nun soll es vor dem Fitnessstudio von Thomas B. zu einem Gespräch mit dem Angeklagten Piotre M. gekommen sein. Man kannte sich sehr lose von früher. Piotre M. fragte Thomas B. nach Arbeit. Thomas B. konnte hier zwar nicht helfen,, berichtete allerdings von einem Deutschen, der ein Problem hat und Hilfe benötige. Piotre M. sagte daraufhin, er wolle sich mit Michael K. treffen. Daraufhin koordinierte Thomas B. ein Treffen, bei dem dann neben Michael K. und Piotre M. auch der dritte Angeklagte Jan I. dabei gewesen sein soll. Thomas B. habe als Dolmetscher fungiert. Thomas B. hatte den Eindruck, dass Jan I. das Sagen hatte und Piotre M. machen würde, was Jan I. will. Michael K. schilderte also den beiden „Neuen“ die Situation, worauf Jan I. angab, dass er Leute in Polen anrufen müsse und dann entscheiden würde, ob sie die Sache übernehmen.

Nach dem Termin sagte Michael K. zu Thomas B., dass er eigentlich lieber nicht mit solchen Leuten arbeiten wolle und er die Sache absagen würde. Als Thomas B. dies einen Tag später Piotre M. mitteilte, erwiderte dieser, dass das nicht mehr ginge. Die Leute in Polen hätten schon jetzt Aufwendungen, die Michael K. dann bezahlen müsse. Auch hier hatte Thomas B. das Gefühl, dass Piotre M. nur ein Mittelsmann sei und die Leute in Polen gar nicht kennen würde. Er hätte sich immer telefonisch Jan I. abgesichert.

Es kommt wiederholt zu Ausbrüchen von Jan I., die die Kammer veranlassten, Jan I. einen Verweis aus dem Saal anzudrohen.

Thomas B. führt nun weiter aus, dass es zu einem weiteren Treffen gekommen sei, wobei diesmal einer der Männer aus Polen dabei war. Es handelt sich hierbei um den späteren Chef der Entführer. Neben Michael K. waren auch Piotre M. und Thomas B. – nach seiner Angabe wieder als Dolmetscher – dabei. Jan I. war nicht anwesend.

Alle Treffen fanden übrigens immer in dem Fast-Food-Lokal statt, in dem sich Thomas B. und Michael K. kennenlernten.

Der Mann aus Polen machte am Ende des Treffens noch keine Zusage, da er erst mit seinen Jungs in Polen sprechen wollte. Auf die Nachfrage von Michael K., wie sie denn das Geld holen wollten, soll er gesagt haben: „Das sind Profis, die wissen was sie tun und du brauchst das nicht zu wissen.“

Bei einem nächsten Treffen mit dem späteren Chef der Entführer, berichtet Thomas B. weiter, ging es dann um die „Leistungsvergütung“, wobei Michael K. den Entführern 20 Prozent der geforderten 400.000 Euro angeboten habe. Sein Gegenüberantwortete, dass seine Jungs nicht für unter 100.000 Euro tätig würden und verlangte, dass die Forderung auf eine Million Euro erhöht wird, so dass 600.000 Euro für ihn und seine Jungs seien. Das Opfer sei schließlich reich,  das sei kein Problem.

Darüber sei Michael K. sehr geschockt gewesen. Es habe aber keinen Ausweg mehr gegeben, keinen Weg zurück. Thomas B. hatte den Eindruck, dass Michael K. nun Angst vor den Polen hatte.

Bei einem weiteren Treffen wurden nun Details besprochen. Zunächst sollte Michael K. ein Wohnmobil anmieten, was dieser aber ablehnte. Man einigte sich auf das Anmieten einer Ferienwohnung bzw. eines Ferienhauses. Michael K. sollte sich um die Anmietung kümmern, wobei das Haus für vier Personen sein sollte, möglichst billig und so gelegen, dass Nachbarn und Andere keine Einsicht haben. Michael K. solle eine Barzahlung vereinbaren und angeben, dass das Haus für Freunde aus Polen sei, selbst ein polnischer Name als Mieter wurde ihm vorgegeben.

Für das nächste Treffen bereitete Michael K. eine Liste mit potentiellen Mietobjekten vor. Die Kammer verlas die Liste im Zuge der Einlassung des Thomas B., die wiederum bei Durchsuchungen nach der Festnahme von Michael K. beschlagnahmt worden ist.

Wie Thomas B. nun dem Gericht angibt, soll Michael K. die Objekte nach einer Vorauswahl während des Treffens abtelefoniert haben. Allerdings sollte Michael K. die Vermieter hinhalten, damit sich der Mann aus Polen die Objekte vor der endgültigen Anmietung noch anschauen kann. Die Dauer der Anmietung sollte ein bis zwei Wochen betragen.

Auf Fragen des Richters sagt Thomas B. nun aus, dass für ihn klar war, dass es zu einer Entführung kommen würde. Direkt darüber gesprochen wurde allerdings nicht. Wie Michael K. darüber dachte, wusste er auch nicht. Ebenfalls waren ihm alle tatvorbereitenden Handlungen unbekannt. Der Mann aus Polen habe immer nur gesagt: „Wir sind noch nicht so weit.“ Vom Tatablauf erfuhr Thomas B. erst später. Gelegenheit dazu gab es nach seiner Festnahme, als er in eine andere JVA verlegt werden sollte und hierfür einen Zwischenstopp für eine Nacht in der JVA Oldenburg einlegen musste. Hier kam er in eine Zelle mit dem Angeklagten Piotre M.

Eine äußerst unglückliche Entscheidung der Justiz! Auch das Gericht muss wiederholt nachfragen, ob sich Thomas B. an das Geschilderte aus der Vortatzeit erinnert, oder ob das Information sind, die ihm Piotre M. in dieser Nacht gegeben hat.

Piotre M. erzählte Thomas B., dass man das Fahrzeug des Opfers als Polizisten getarnt anhielt, weil er telefonierte. Ob das Opfer freiwillig oder mit Gewalt mitgenommen wurde, wusste Thomas B. nicht. Piotre M. habe gesagt, er habe während der Entführung in einem Bett mit dem Opfer geschlafen. Piotre M. erzählte des Weiteren, dass das Opfer habe sich mit dem Chef der Entführer angefreundet habe, man habe sogar zusammen gefeiert. Nähere Angaben hierzu gab es allerdings nicht.

Thomas B. kann zur Tat selbst keine weiteren Auskünfte erteilen. Allerdings kam es nach seinen Angaben nach der Freilassung des Opfers noch zu einem Besuch des Chefs der Entführer mit dem Angeklagten Jan I. bei Thomas B. zu Hause. Diese führten ein Schreiben von einem Anwalt mit sich, aus dem hervorging, dass das Lösegeld gezahlt worden sei. Die Männer wollten nun die Nummer von Michael K., um Geld für die Aufwendungen zu erhalten. Thomas B. wollte die Nummer besorgen. Und so kam es zu einem zweiten Besuch des Chefs der Entführer, der aber diesmal einen Mann dabei hatte, der sich als Bruder von Jan I. vorstellte. Zu diesem Zeitpunkt war Jan I. bereits in Haft. Erneut forderte man Geld und wollte Michael K. sprechen.

Nun berichtet Thomas B. von einem Schuldschein, der ebenfalls bei einer Durchsuchung beschlagnahmt worden ist. Dieser sei von Michael K. erstellt worden , der den Chef der Entführer zugleich Aufforderte, den Schuldschein vom Opfer unterschreiben zu lassen. Die Forderung auf dem Schuldschein belief sich auf 600.000 Euro. Diesen Betrag kann Thomas B. auf Nachfrage des Gerichts allerdings nicht erklären, er sei immer von 400.000 Euro ausgegangen.

Nach der Mittagspause bittet das Gericht Thomas B. um die Schilderung seines Tagesablaufs am Entführungstag. Thomas B. gibt dazu an, dass alles wie immer war. Er war arbeiten und gegen Mittag im Fitnessstudio. Hier rief Michael K. ihn an und wollte mit aufgeregter Stimme ein sofortiges Treffen mit dem Chef der Entführer. Das Treffen fand gegen 15,16 Uhr statt. Bis zu diesem Zeitpunkt will Thomas B. nicht gewusst haben, dass Heiko L. entführt worden ist. Michael K. wiederum erzählte nach dem Treffen, dass es Streit wegen einer Kontonummer gegeben habe. Michael K. wollte den Namen des Kontoinhabers des eigens eingerichteten Kontos nicht benennen. Michael K. hatte auf Drängen des Mannes aus Polen, dem Chef der Entführer, ein Konto eingerichtet und sich hierzu des Kontosseiner Mutter bedient. Michael K. habe seine Konten aufgrund der Forderungen des Finanzamtes nicht verwenden können. Nun aber wollte Michael K. den Namen der Mutter nicht preisgeben. Er war der Meinung, die IBAN reiche aus. Letztendlich gab er den Namen per SMS preis. Gegenüber Thomas B. sagte Michael K., er habe der Bank den Eingang einer größeren Zahlung avisiert.

Auf die Frage des Gerichts nach den eingesetzten Handys räumte Thomas B. ein, am ersten Tag der Suche nach den Ferienhäusern ein Prepaid-Handy besorgt zu haben, dies auf Drängen des Mannes aus Polen. Eine weitere Frage drehte sich um den Verbleib des Schuldscheins. Thomas B. gab an, dass ihm der Angeklagte Piotre M. in der gemeinsamen Nacht in der Zelle gesagt haben soll, er -also hielte diesen in einem sicheren Versteck. Dann wollte das Gericht wissen, warum Thomas B. das alles für Michael K. tat. Darauf gab Thomas B., er habe nie Geld für seine Leistungen haben wollen, Michael K. versprach ihm lediglich, sich um eine Arbeitsstelle zu kümmern. Außerdem sei Michael K. für Thomas B. ein fast väterlicher Freund gewesen und Freunden helfe man eben.

Anschließend befragte die Staatsanwaltschaft Thomas B., wobei es zunächst wieder um die Karten der Prepaid-Handys ging. Hierzu räumte Thomas B. ein, er habe am Tag der Ferienhaussuche zwei bis drei dieser Karten besorgt und dann nochmals zwei bis drei an dem Tag, an dem beim Treffen die Bankverbindung Thema war. Die Karten seien immer vom Anbieter Otelo gewesen, diese seien sehr günstig und vor allem sofort aktiv.

Er selbst, Thomas B., hätte aber immer nur die Nummer genutzt, die er schon seit Jahren hat. Der Staatsanwalt nannte Thomas B. eine Nummer, die man auf einem SIM-Kartenhalter seiner Wohnung gefunden hatte. Thomas B. äußert dazu, nicht zu wissen, was für eine Nummer das ist. Auch als der Staatsanwalt ihm vorhielt, dass mit dieser Nummer am Tag der Entführung die Entführer angerufen wurden, konnte Thomas B. nichts Erhellendes beitragen.

Der Staatsanwalt fragte so häufig nach der Nummer, dass es selbst die Prozessbeteiligten zu nerven schien.

Jetzt verlas der Staatsanwalt eine WhatsApp-Nachricht von der Nummer von Thomas B., in der auf Polnisch seine neue Nummer übermittelt wurde – eben genau jene, die bei der Durchsuchung gefunden wurde. Nach kurzem Hin und Her räumte Thomas B. letztlich ein, dass es seine Nummer sei und er auch am Tag der Entführung versucht hatte die Entführer mit dieser Nummer zu erreichen. Michael K. habe gewollt, dass er, Thomas B., den Polen mitteilt, dass das Treffen erst um 15:30 Uhr stattfinden kann. Thomas B. wusste also zu dem Zeitpunkt angeblich noch nichts von der Entführung. Er habe seine eigentliche Nummer für das Telefonat nicht nutzen wollen und er habe das vor Gericht verschwiegen, damit er nicht mit der eigentlichen Entführung zusammengebracht wird, schließlich habe er damit ja nichts zu tun.

Nun sollten auch die anderen Prozessbeteiligten die Möglichkeit haben, ihre Fragen zu stellen, wobei der Verteidiger von Thomas B. angab, diese nicht beantworten zu wollen so lange nicht auch die anderen Angeklagten sich äußern wollten.

Weiter geht es am 14. November


 

Bildmotiv: Ferienhaus, in dem das Entführungsopfer festgehalten worden ist.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Erster Verhandlungstag | Verlesung der Anklage

Der erste Verhandlungstag am 26. Oktober im Landgericht Aurich beginnt verspätet um 10:37 Uhr. Die Verspätung ergab sich unter ominösen Gründen durch Krankmeldung der vorgesehenen Schöffin. Es sind drei Kamerateams, fünf Fotografen und circa zehn Pressevertreter vor Ort. Außerdem sind nur fünf weitere Zuschauer anwesend.

Angeklagt sind fünf Täter wobei das Verfahren gegen den Haupttäter, den 67-jährigen Michael K. aus Iserlohn, abgetrennt wurde, da dieser für unbestimmte Zeit erkrankt ist. Seine ebenfalls angeklagte 90-jährige Mutter Magdalena K., auch aus Iserlohn, hingegen ist im Gerichtssaal anwesend.

Erster Verhandlungstag | Verlesung der Anklage

Nach persönlichen Angaben befragt, teilt Sie mit, dass sie seit 1960 verwitwet ist, drei Kinder hat, ihr jüngstes Kind jedoch bereits verstorben ist. Sie hat Betriebswirtschaft studiert , ist nun Rentnerin und hat keine Schulden.

Magdalena K. ist eine Dame, sehr gepflegt, sehr klein und hat weißes Haar. Ihre Kleidung ist durchaus hochwertig. Sie ist dezent geschminkt hat drei Goldringe an ihren Fingern. Ihre Augen sind wach und sie macht einen gelassenen Eindruck.

Drei weitere anwesende Angeklagte sind alle polnische Staatsbürger und daher sind auch in Begleitung je eines Dolmetschers. Der erste von ihnen ist Thomas B., geboren am 31. März 1976 in Polen, Vater zweier Kinder und verheiratet ist Klempner von Beruf und Hausmeister auf 450-Euro-Basis. Seine Schulden beim Finanzamt betragen 160.000 Euro, die während seiner Selbstständigkeit entstanden sind. Er ist am 13. Mai 2016 festgenommen worden und seitdem in Haft. Der nächste Angeklagte Jan I., geboren am 20. Juni 1977 in Leczyca, ist ledig und hat fünf Kinder. Er gibt an, nie gearbeitet zu haben und seit einem Verkehrsunfall 1998 von einer Rente in Höhe von monatlich 120 Euro zu leben.

Er wurde am 29. April 2016 festgenommen und seitdem in Haft. Er macht einen sehr nervösen Eindruck und hat einen weinerlichen Blick. Er ist dick und trägt einen Vollbart. Er betritt den Saal auf Krücken oder fährt mit dem Rollstuhl.

Der dritte dieser Riege ist Piotre M.. Er wurde am 4. Januar 1975 in Polen geboren, ist ledig und hat zwei Kinder. Seine derzeitige Partnerin ist schwanger. Er hat den Beruf eines Tischlers gelernt und hat zuletzt vor zwei Jahren gearbeitet. Seitdem hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, zum Beispiel als Helfer bei Umzügen. So verdient er im Monat circa 600 bis 1000 Euro. Zu seinen Schulden macht er keine näheren Angaben. Er ist am 13. Mai 2016 festgenommen worden und seitdem in Haft.

Nach diesen notwendigen Formalien, die der Richter entsprechend durchgeführt hat, erteilt er dem Staatsanwalt das Wort. Dieser verliest nun die Anklage.

Angeklagt wird Piotre M. wegen erpresserischen Menschenraubs, Körperverletzung und Nötigung in unterschiedlicher Tatbeteiligung. Auch wird die Anklage gegen den Haupttäter Michael K. vorgelesen. Doch die Besonderheit in diesem Entführungsfall ist zweifelsohne die Tatbeteiligung der 90-jährigen Magdalena K. Sie wiederum wird wegen Beihilfe angeklagt.
Das Opfer ist der 60-jährige Reeder und Geschäftsmann aus Leer, Heiko L. Michael K. hat mit dem Opfer verschiedentlich Geschäfte durchgeführt. Aus einem letzten Geschäft in Saudi-Arabien hatte er einen Verlust von 400.000 Euro, die das Opfer Heiko L. nicht erstatten wollte. Da diese Geschäfte oftmals nicht dem normalen Rechtsverkehr entsprachen, konnte Michael K. seinen Verlust auch nicht auf dem Rechtswege durchsetzen. Daher entschloss er sich, das Opfer durch Gespräche einzuschüchtern. Dies hatte jedoch keinen Erfolg. Da Michael K. zu Thomas B. schon länger Kontakt hatte, beauftragte er ihn, weitere Männer für eine Entführung ausfindig zu machen und dann ein entsprechendes Lösegeld zu erpressen.

Die Besprechungen und Anstiftungen zu dieser Tat wurden zwischen Michael K. und Thomas B. in einem Fast-Food-Restaurant in Dortmund durchgeführt und geplant. Dabei wurde schnell ein Abgreif-Ort zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte des Opfers gefunden. Des Weiteren hatten zwei Angeklagte die Aufgabe, eine entsprechende Unterbringung in einem Ferienhaus zu beschaffen. Dieses taten sie sehr professionell, indem sie mehrere Möglichkeiten ausgetestet haben.

Zum Vortat-Verhalten ist zu hören, dass die Gewohnheiten des Opfers sehr ausführlich ausgekundschaftet worden sind. Hierzu hat sich das Team der Täter mehrere Monate Zeit genommen, insbesondere im März und April 2016. Die Observation wurden vor allem am Wohnort und an der Arbeitsstelle durchgeführt, auch mit einer Standkamera. Die Entführung wurde unter dem Vorwand einer Polizeikontrolle durchgeführt. Man besorgte sich Polizei-Uniformen und eine Anhaltekelle.

Hier ist der Tätertyp unter der Kategorie „persönlicher Feind“ einzugruppieren, da Täter und Opfer Geschäftspartner waren und der Täter somit über Insider Kenntnisse verfügte.

Des Weiteren wurden zwei weitere Täter aus Polen hinzugezogen, die ausschließlich in der Einführungsphase eingesetzt wurden. Auch Magdalena K. wurde eingeweiht. Sie unterstützte ihren Sohn aktiv, indem sie unter anderem eines ihrer Konten bei der Märkischen Bank zur Verfügung stellte. Dann wurde am 15. April eine Ferienwohnung in Hatzum, Hatzumer Weg 1 und 1a, angemietet.

Am 19. April morgens wurde die Entführung durchgeführt. Ein Täter begab sich dazu zur Wohnung des Opfers, um die Abfahrt desselben zu melden. Das Opfer fuhr wie immer mit seinem VW Phaeton die bereits observierte Fahrstrecke zum Büro. Die Täter fuhren mit erhöhtem Tempo an dem Opfer-Fahrzeug vorbei und hielten auf der Beifahrerseite eine Polizeikelle aus dem Fenster, sodass das Opfer annahm, anhalten zu müssen, da die Polizei ihn kontrollieren wollte.

Es stiegen zwei der Täter in Polizeiuniform aus und überwältigten unmittelbar das Opfer. Dieses wurde nach Ortungsmöglichkeiten am Körper durchsucht, und zwar komplett, auch wurden ihm alle persönlichen Gegenstände abgenommen, unter anderem 1000 Euro Bargeld. Dann bekam das Opfer, um keine Orientierung zu haben, eine undurchsichtige Sonnenbrille aufgesetzt.

Eine erste Lösegeldforderung wurde vom Opfer unmittelbar abgelehnt. Erst, als er mit Faustschlägen und Ohrfeigen geschlagen worden ist und einer der Täter ihm sogar ein Ohr abschneiden wollte, wurde das Opfer gefügig und unterschrieb einen Schuldschein über eine Million Euro. Außerdem informierte er seinen Geschäftsführer Markus M., damit dieser eine weitere Million Euro auf das Konto der Magdalena K überweist. In diesem Gespräch teilte er seinem Geschäftsführer ebenfalls mit, dass er noch weitere Tage abwesend sein wird. Doch Markus M. ging nach diesem Gespräch von einer Entführung aus. Die Polizei informierte er allerdings nicht.

Da bei der Übermittlung der Kontonummer etwas schief lief, kam das Geld nicht auf dem Konto an. Magdalena K stachelte ihren Sohn Michael K. weiter an mit Worten wie „die nehmen dich nicht ernst“.

Und so wurde der Geschäftsführer Markus M. durch die beiden wiederholt angerufen. Es wurde dabei auch mit dem Tod des Opfers gedroht. Nach der Richtigstellung der Kontonummer wurde das Geld dann überwiesen. Markus M. schickte ein Foto der Überweisungsbestätigung per SMS an die Täter. Hierauf bereiteten sich die Täter unmittelbar und zügig für die weitere Flucht vor. Die Wohnung wurde gesäubert. Das Opfer musste erheblich viel Whisky trinken und wurde danach in der Nähe der Bundesautobahn 31 – Kilometer 197,6 – freigelassen.

Die Polen sollten 400.000 Euro von der Million erhalten. Der Rest sollte an an Michael K. gehen. Magdalena K. unterstützte den aufwendigen Lebensstil ihres Sohnes und war daher daran interessiert, dass dieses Verbrechen tatsächlich gelingen sollte.

Da die Freilassung des Opfers so schnell durchgeführt wurde und das Opfer zeitnah die Polizei informieren konnte, war die Überweisung noch nicht auf dem Konto des Täters angekommen. Daraufhin wandten sich Thomas B. und Piotre M. nochmals an das Opfer und drohten mit einer erneuten Entführung wenn sie nicht 100.000 Euro bekommen würden. Dieses Geld hatte das Opfer den beiden während seiner Gefangenschaft versprochen, wenn sie ihn freilassen würden. Für die Übergabe der 100.000 Euro hatten sich die Täter schließlich in das Firmengelände begeben. Da das Opfer jedoch nicht anwesend war, hatten sie eine Mobilnummer hinterlegt. Das Opfer ging scheinbar darauf ein, kontaktierte die Täter und vereinbarte mit ihnen eine Geldübergabe in Dortmund. Bei dieser scheinbaren Übergabe wurden die Täter durch die Polizei vor Ort festgenommen.

Nach Verlesung der Anklageschrift befragt der Vorsitzende Richter jeden einzelnen Angeklagten, ob sie sich zur Sache äußern wollen. Dieses wird durch alle vier am Tage abgelehnt. Zwei der Angeklagten beabsichtigen, vielleicht an einem späteren Verhandlungstag etwas zur Sache auszusagen. Magdalena K. beantragt, dass sie aus diesem Verfahren herausgenommen wird und zusammen mit ihrem Sohn verhandelt wird. Dies lehnt der Staatsanwalt ab. Der Rechtsanwalt der Mutter hält diesen Antrag trotzdem aufrecht.

Damit ist der erste Verhandlungstag heute um 11:43 Uhr beendet.


Bildmotiv: Eingang zum Landgericht Aurich im Schloss Aurich.

Bildquelle: Stefan Bisanz