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Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Bodyguard-Prozess: Auswahlkriterien für einen Personenschützer

An welchen Auswahlkriterien hätten Verona Pooth und andere Auftraggeber erkennen können, dass der nunmehr verurteilte Totschläger Jens H. als Personenschützer ungeeignet ist?

Um dieser Fragestellung nachzugehen, habe ich an allen acht Verhandlungstagen im Landgericht Düsseldorf am Totschlagsprozess gegen Jens H. als Prozessbeobachter teilgenommen. Nur im Gerichtssaal war es mir möglich, die Kriterien zu eruieren, anhand derer man hätte erkennen können, dass Jens H. nicht geeignet ist, Personenschutzaufgaben professionell wahrzunehmen.

Seine V.I.P.-Schutzperson Verona Pooth hat in Interviews nach Bekanntwerden der Tat einige Aussagen zu Jens H. getätigt: „Er war stets ein sehr freundlicher und zuvorkommender Fahrer und Bodyguard.“ In einem RTL-Interview gestand sie: „Wenn ich ihn heute sehen würde, hätte ich Angst vor ihm. Er kannte mein Leben natürlich sehr gut, aber ich seines weniger. Ich wusste nur, dass er in zweiter Ehe verheiratet ist und zwei Kinder hat, und dass er immer, wenn er im Auto war, ein echter Rheinländer war, mit Humor; das war das Bild, das ich von ihm hatte.“ Diese Aussagen zeigen schon, wie fahrlässig Schutzpersonen in der Auswahl ihrer Personenschützer oder, wie in diesem Falle, ihres Bodyguards sind.

Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Folgende Kriterien und deutlichen Warnzeichen habe ich festgestellt:

1. Jens H. kam aus der Türsteherszene und war dort entsprechend bekannt.
2. Er war Bodybuilder mit überproportional dicken Oberarmen, die durch die Einnahme von Anabolika aufgepumpt waren.
3. Seit seinem 18. Lebensjahr war er alkohol- und drogenabhängig.
4. Seit 2012 ist er depressiv und nimmt ständig Medikamente ein.
5. Er war nicht Geschäftsführer seiner eigenen Firma.
6. Er hat mehrere Insolvenzen verursacht.

Folgende Lösungsansätze gibt es:

1. Ein psychologisches Gutachten über den Personenschützer erstellen lassen.
2. Einen Sachverständigen für Personenschutz mit einem Tätigkeits- und Background-Check beauftragen.
3. Nur Personenschützer beauftragen, die auch ein soziales Kontrollumfeld haben, zum Beispiel ein Netzwerk oder Arbeitskollegen in einer Personenschutzfirma. Dies ist bei vielen sogenannten Freelancern oder Einzelunternehmern, wie Jens H. einer war, nicht gegeben.

Im Geschäftsleben kennen wir den Begriff „Auswahlverschulden“. Man spricht vom Auswahlverschulden, wenn ein Auftraggeber einen Auftragnehmer auswählt, der nicht den geforderten Qualifikationen und den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Das Tötungsdelikt von Jens H. war natürlich zu keinem Zeitpunkt vorherzusehen. Dennoch zeigen die oben genannten Punkte, dass Jens H. zumindest sehr labil war und somit nicht wirklich professionell hat handeln können, wenngleich er gegenüber seiner Kundschaft offenbar ein guter Blender war. Man möchte sich nicht vorstellen, wie er gegebenenfalls in Stresssituationen während eines Kundenauftrags reagiert hätte, zu welchem Fehlverhalten es hätte kommen können. Um das zu vermeiden, können die vorgeschlagenen Lösungsmaßnahmen vor der Wahl eines Personenschützers konkret helfen und verlässliche Entscheidungsgrundlagen sein.

Folgende Quintessenz fasst es gut zusammen: Niemals einen Bodyguard engagieren, sondern immer einen professionellen Personenschützer beauftragen.

Ex-Bodyguard von Verona Pooth zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt

Bodyguard-Prozess: Ex-Bodyguard von Verona Pooth zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt

Bevor das Gericht am letzten Verhandlungstag den Urteilsspruch fällen kann, hat die Nebenklage noch einige Fragen an zwei Sachverständige, die bereits gehört wurden. Anhand der Fragen selbst wird deutlich, dass sie eher aus psychologischen Gründen gestellt werden. Erhellendes für die Klage bringen sie nicht. Man merkt dem Bruder der Getöteten, einem der Nebenkläger, an, dass er nicht loslassen kann. Und nachdem nun wirklich auch die letzte Frage gestellt wurde, erkundigt sich der Richter bei ihm sehr fürsorglich, ob auch er keine mehr habe. Danach beginnt der Staatsanwalt sein Plädoyer.

Der Staatsanwalt stellt fest, dass der Angeklagte die Tötung eingeräumt hat. Doch wie sieht es mit den Mordmerkmalen aus? War seine Steuerungsfähigkeit wirklich eingeschränkt? Er wirft dem Angeklagten Jens H. vor, dass er sich erst am ersten Verhandlungstag eingelassen bzw. geäußert und auch keine weiteren Nachfragen zugelassen hat. Dieses Verhalten machte den Beschuldigten in den Augen des Staatsanwaltes unglaubwürdig.

Ex-Bodyguard von Verona Pooth zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt

Jens H. hört nicht zu und gähnt vor sich hin.

Der Staatsanwalt benennt einige Stolpersteine. Zuerst erwähnt er die Google-Suche des Angeklagten am Vortag der Tat zum Thema „Verabreichung von Lorazepam“. Da der Angeklagte dieses Medikament schon seit einigen Jahren einnimmt, sei eine weitere Erkundung des Themas eigentlich nicht notwendig gewesen. Diese Suche sei somit als ein Vortat-Verhalten zur Tötung seiner Frau zu bewerten.

Des Weiteren sei auch die Streit-Situation beim Frühstück, die der Angeklagte beschrieben hat, nicht bewiesen, denn Nachbarn haben vielmehr eine harmonische Paarsituation beobachtet.

Auch sein Motiv, dass er seine Frau nur schlafen schicken wollte, um Ruhe zu haben, mache überhaupt keinen Sinn, da der Ärger nach dem Aufwachen noch größer gewesen wäre.

Zum Zeitpunkt der Verabreichung des Medikaments war Jens H. auch noch nicht alkoholisiert.

Zudem sei die Aussage von Jens H., dass seine Frau bei einem kurzfristigen Aufwachen weiter mit ihm gestritten hätte, unglaubwürdig, da sie sich immer noch in einem Dämmerzustand befunden haben müsste und somit kaum streitfähig gewesen wäre.

Die Tatsache, dass der Angeklagte den von ihm an seiner Frau angeblich eingesetzten Würgegriff nicht nochmals demonstrieren wollte, führt beim Staatsanwalt zur Annahme, dass es diesen Würgegriff nie gegeben hat.

Zuletzt führt er noch die Erinnerungslücken zum Nachtatverhalten auf: Entkleiden der Leiche, Verbringen in die Badewanne, zehn Messerstiche zum Ausbluten, das Abschneiden von acht Fingern mit der Rosenschere. Hier gab Jens H. nur das zu, was schon bekannt gewesen war.

Auch eine Schuldunfähigkeit durch Alkoholeinnahme erkennt der Staatsanwalt nicht an, dafür habe der Täter Jens H. zu rational gehandelt. Auch waren seine motorischen Fähigkeiten noch vorhanden. Zum Beispiel konnte er mit einer kleinen Kneifzange die Enden der Kabelbinder abschneiden und die kleinen Piercings aus der Leiche entfernen.

Der Staatsanwalt stellt eine klare heimtückische Ermordung fest und fordert, den Beschuldigten wegen Mord zu verurteilen und eine lebenslange Haftstrafe auszusprechen.

Der Angeklagte merkt, dass es langsam eng für ihn wird, und auf einmal hört er interessiert zu.

Als Nächster hält Jens K., der Verteidiger der Nebenkläger (Bruder und Tochter von Ana H.), sein Plädoyer. Er beginnt mit einer Darstellung der besonderen Lebensumstände der Eheleute H.

Diese waren geprägt durch die Drogenexzesse des Angeklagten, durch sein Verhältnis zu seiner Ex-Frau und zu den gemeinsamen Kindern sowie durch die schlechte finanzielle und geschäftliche Situation. Jens H. hatte mehrere Insolvenzen hingelegt, und die getötete Ehefrau war von Sorgen geplagt. Zusätzlich betrog der Angeklagte seine Krankenkasse, weil er sich scheinheilig über mehrere Ärzte hatte krankschreiben lassen.

Rechtsanwalt Jens K. stellt heraus, dass es die Natur des Angeklagten Jens H. sei, sich immer wieder persönliche Vorteile zum Nachteil anderer zu verschaffen. So habe er auch am Tattag seine Frau ruhigstellen wollen und ihr dafür eine deutliche Überdosis von 2 × 7,5 Milligramm Lorazepam gegeben. Auch glaubt er, dass die Tötung der Ehefrau vorab geplant gewesen sei. Eine Dosis von sechs Tabletten habe Jens H. nicht heimlich zerstampfen und in ein Getränk geben können, das lasse die Wohnsituation nicht zu.

Auch eine Tötung im Vollrausch nimmt er dem Angeklagten nicht ab, da alle Zeugen, die Jens H. am Tattag gesehen haben, keine Bewegungseinschränkungen festgestellt hatten. Die am Tattag geschriebenen SMS habe er zudem fehlerfrei geschrieben und seiner Stieftochter sogar noch geschäftliche Anweisung klar und deutlich mitgeteilt.

Die Einlassung des Angeklagten sei so schwammig gewesen, dass Rechtsanwalt Jens K. diese für unglaubwürdig hält. Er unterstellt dem Beschuldigten daher Heimtücke und zitiert hierzu den Bundesgerichtshof mit einer Erläuterung zum Komplex „Tötungsvorsatz“.

Außerdem stellt der Anwalt fest, dass die Tat äußerst planvoll durchgeführt worden sei. Hierfür spreche auch das Nachtatverhalten: Der Beschuldigte entkleidete die Leiche seiner Ehefrau komplett, die Kleidung packte er in ein Müllbeutel, sodann legte er die Leiche in die Wanne und stach dort mit einem Messer zehnmal auf dieselbe ein, was zum späteren Ausbluten führen sollte. Weiterhin schnitt er der Getöteten mit einer Rosenschere acht Finger ab. Dieses Verhalten wertet der Nebenkläger als voraussichtliche Vertuschung der Tötung. Insbesondere wirft er dem Angeklagten vor, dass er bis heute keine Reue gezeigt und sich auch nicht bei der Tochter und dem Bruder der Toten entschuldigt habe.

Hier gibt es ein Zwischenruf des Bruders der Getöteten in Richtung des Angeklagten: „Er ist nicht in der Lage gewesen, sich zu entschuldigen, aber seine Unterwäsche aus der Wohnung konnte er einfordern.“

Der Antrag des Nebenkläger-Verteidigers lautet auf Mord mit einer Strafzumessung der lebenslangen Freiheitsstrafe. Nur hilfsweise beantragt er Mord aus niedrigen Beweggründen oder Totschlag nach § 212 StGB.

Hiernach kommen nun die drei Verteidiger des Angeklagten Jens H. zu ihrem gemeinsamen Plädoyer.

Zuerst spricht der Verteidiger Wolf B. Er erläutert sofort, dass die Mordmerkmale nicht zutreffen. Da er die Plädoyers des Staatsanwalts und des Nebenkläger-Verteidigers gehört hat, hat er nun die Möglichkeit, diese einzeln zu widerlegen. Diese Chance nutzt er auch.

So erklärt er gleich zu Anfang, dass Jens H. sich im Sinne eines Totschlags für schuldig erklärt habe. Er geht insbesondere auf die Alkohol-, Drogen- und Tablettensucht von Jens H. ein. Jahrelang habe er hiermit Probleme im Beruf und in der Beziehung gehabt. Im Leben des Angeklagten habe es viele irrationale Momente gegeben. Immer wieder bezieht er die Aussagen der Tochter und des Bruders der Getöteten mit ein.

Dieses Vorgehen trifft die Angehörigen besonders schwer, da es den Eindruck vermittelt, sie hätten Fehler gemacht. Ein moralisch sehr bedenkenswertes Verhalten des Verteidigers.

Zusätzlich versucht der Verteidiger, die Belastung des Angeklagten in Bezug auf sein Verhältnis zu seiner Ex-Ehefrau und den Umgang mit seinen Kindern sowie der beruflichen Situation zu erläutern. Er spricht von einem deutlichen Streit am Tattag, der auch durch eine Ohrfeige der Getöteten für Jens H. geprägt gewesen sei. Die Tötung sei ein spontaner Gedanke gewesen, nachdem Jens H. seine Ehefrau bewusstlos gewürgt hatte, somit könne von heimtückischem Mord keine Rede sein. Der Angeklagte sei schuldig des Totschlags nach § 212 StGB, und damit sehe das Gesetz einen Strafrahmen von einer 5- bis 15-jährigen Freiheitsstrafe vor.

Der Anwalt erläutert, dass es weiterhin die Möglichkeit der verminderten Schuldfähigkeit gebe und damit eine Strafrahmenverschiebung möglich sei. Der Umgang des Angeklagten mit unterschiedlichen Suchtmitteln solle als Grundlage für eine Strafrahmenschiebung herangezogen werden. Das würde eine Reduzierung der Freiheitsstrafe bedeuten, unter anderem auch deshalb, weil Jens H. ein Geständnis abgelegt habe und die Tat bereue. Im Übrigen betitelt Wolf B. den Vorgang, dass der Angeklagte sich erst so spät zu seiner Tat geäußert hat, als ein legitimes Mittel der Verteidigung, was nicht vorwerfbar sei. Der Verteidiger stellt keinen konkreten Strafmaßantrag.

Nach ihm spricht die Verteidigerin Sarah Teresa B. Sie erläutert, warum die Tötung nicht geplant gewesen sei und zielt insbesondere auf die besonderen Belastungen, die Jens H. in seinem Leben gehabt habe. Auch sie stellt fehlende Heimtücke fest und sieht eher Argumente für einen Totschlag als gegeben. Aufgrund der Suchterkrankung des Angeklagten hält sie eine verminderte Schuldfähigkeit für angebracht und damit auch die Voraussetzung für eine Strafrahmenverschiebung. Daher beantragt sie eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.

Als dritter Verteidiger des Angeklagten spricht Nicolai M., der in zwei kurzen Sätzen feststellt, dass er sich den Ausführungen seiner Kollegen anschließt.

Nun wird dem Angeklagten durch das Gericht das letzte Wort erteilt.

Jens H. spricht sehr leise und stockend: „Mir fällt es schwer, etwas zu sagen. Ich habe mir selbst das Wichtigste im Leben genommen. Ich bereue, was ich getan habe und möchte mich hiermit bei den Angehörigen meiner gestorbenen Frau entschuldigen und bitte Sie um Verzeihung.“

Danach zieht sich das Gericht zur Beratung zurück.

Die Zuhörer und die Parteien begeben sich zur Kantine, ich setze mich vor das Beratungszimmer, weil ich wissen möchte wie lange die Beratung läuft. Schon 28 Minuten später kommt das Gericht aus dem Beratungszimmer und begibt sich ebenfalls zur Kantine.

Anschließend wird der Verhandlungstag fortgesetzt. Das Gericht teilt nun das Urteil mit: Totschlag nach § 212 StGB mit einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Demnach sieht das Gericht Heimtücke als nicht bewiesen an und glaubt zudem nicht, dass die Tötung geplant war. Für einen Mord sei der Tathergang auch nicht plausibel genug gewesen. Eine Schuldunfähigkeit hingegen könne ebenfalls nicht in Betracht gezogen werden, da die Sachverständigen eine entsprechende Leistungsfähigkeit nachgewiesen haben. Die Höchststrafe von 15 Jahren wurde nicht ausgesprochen, da der Angeklagte Jens H. ein Geständnis abgegeben hat und Ersttäter war.

Der Prozess endet am 31. März nach acht Verhandlungstagen um 14:28 Uhr.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Gericht geht nicht von Heimtücke aus

Das Gericht hat in den weiteren Verhandlungstagen seine ersten Überlegungen zu einem möglichen Urteil bekannt gegeben. Doch bevor das Gericht diese genauer ausführt, werden noch einige Zeugen vernommen.

Unter diesen ist unter anderem ein Nachbar von Jens H., der im Erdgeschoss wohnhaft ist und sich des Öfteren auf seiner Terrasse aufhielt. So auch am Tattag, zwischen 20:00 Uhr und 20:30 Uhr. Er beobachtete, wie Jens H. ohne ihn zu grüßen an seiner Terrasse vorbeiging und eine Plastiktüte in den Müll warf. Es gab keinen Augenkontakt. Jens H. ging danach zu einem Taxi.

Ein weiterer Nachbar in einer gegenüberliegenden Wohnung konnte das Ehepaar beim Frühstück auf der Dachterrasse beobachten. Dabei wurden keinerlei Besonderheiten festgestellt.

Gericht geht nicht von Heimtücke aus

Der psychologische Sachverständige über den Jens H.

Auch der psychologische Sachverständige wird als Zeuge vernommen. Er hatte in der Justizvollzugsanstalt an vier Untersuchungstagen insgesamt 13 Stunden mit Jens H. gesprochen.

Er beschreibt seinen Gesprächspartner als freundlich und kooperativ, allerdings wenig spontan und wenig aktiv. Er stellte fest, dass Jens H. seit seinem 18. Lebensjahr alkohol- und drogenabhängig war. Er sei über die Partyszene in die Sucht hineingerutscht. Der Konsum führte unter anderem zu stationären Behandlungen in diversen Krankenhäusern. In der JVA jedoch hatte Jens H. keine Entzugsbehandlung gebraucht. Der Sachverständige beurteilt die Alkohol- und Medikamenteneinnahme daher nicht als Abhängigkeit, sondern vielmehr als Missbrauch. Jens H. war in den Jahren 2011 bis 2013 in Behandlung bei einer Kölner Psychologin gewesen. Die Belastungsfaktoren waren eindeutig Berufswechsel, Ex-Ehefrau und sein Umgang mit den Kindern. Er hatte Anpassungsschwierigkeiten und war depressiv. Als Ausgleich betrieb er Kraft- und Kampfsport, „um den Kopf frei zu bekommen“, wie er sagte. Dabei hat er sich intermuskulär Anabolika zugeführt. Als besondere Tätigkeiten nannte Jens H. seine V.I.P.-Einsätze bei Events und seine Sicherheitsaufgaben für Verona Pooth.

Der psychologische Sachverständige resümiert, dass bei Jens H. durchaus Aufmerksamkeit und Wachsamkeit vorhanden seien. Eine schwere Depression liege nicht vor, es gebe keine Auffälligkeiten, auch keine Gehirnschäden. Jens H. habe einen gewissen Grad an Intelligenz, sei ein geselliger Mensch gewesen mit einem sehr großen Selbstbewusstsein, allerdings teilweise aggressiv und mit einer Neigung zur Sucht ausgestattet.

Es liegen laut dem Sachverständigen somit keine krankheitsrelevanten Merkmale vor. Jens H. habe keine schwere psychologische Störung. Seine lange Krankschreibung sei nicht notwendig gewesen, da sein Verhalten völlig normal war und nicht der Krankschreibung entsprach. Eine Bewusstseinsstörung sei nicht vorhanden, auch während der Tat nicht, denn dafür sei sie zu konkret durchgeführt worden. Seine gute Erinnerung an die Tat spreche ebenfalls dafür. Zudem seien motorische Fähigkeiten zur Durchführung durchaus vorhanden gewesen. Selbst der starke Alkoholeinfluss von circa 3,0 Promille und die Einnahme von Lorezepam haben nicht zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung geführt, dafür sei seine Leistungsfähigkeit während der Tat zu ausgeprägt gewesen. Der Gemütszustand von Jens H. beim Gedanken an die Tat sei im Gespräch eher nachdenklich, aber nicht betroffen oder weinerlich gewesen.

An dieser Stelle versucht die Verteidigung immer wieder, mit Zwischenfragen den Redefluss des Sachverständigen zu stören. Der Richter belehrt die Verteidigung und weist auf einen späteren Fragezeitpunkt hin.

Einschätzungen des Gerichts

Nach einer Beratungspause des Gerichts teilt das Gericht ihre Überlegungen zu einer möglichen Verurteilung mit.

Jetzt hört Jens H. erstmalig interessiert zu. Körperspannung ist vorhanden.

Das Gericht teilt nun mit, dass die Tötungsabsicht „Ruhe vor der Ehefrau“ als Motivation nicht plausibel erscheine. Auch eine langvorbereitete Tötungsabsicht sei nicht erkennbar. Das Vorhandensein der Kabelbinder könne deutlich erklärt werden und sei damit nicht im Tatzusammenhang zu sehen. Das Gericht glaubt nicht, dass Jens H. in der Lage gewesen wäre, eine Inszenierung durchzuführen. Er habe auch im Nachhinein nichts zur Verbergung der Tat unternommen. Daher glaubt das Gericht auch nicht, dass es ein lang geplantes Geschehen war.

Insofern sei es wahrscheinlicher, dass Jens H. eine spontane Tötungsabsicht verfolgte. Die Situation war durch die Streitereien aufgeladen. Sein Tötungsvorsatz wäre unmittelbar umgesetzt und nicht gestaffelt gewesen. Die Einlassung von Jens H. sei zurzeit nicht widerlegbar. Allerdings seien die Erinnerungslücken für sein Nachtatverhalten nicht plausibel. Als Ergebnis sei jedoch festzustellen, dass das Mordmerkmal „Heimtücke“ nicht gegeben sei.

Zur Erläuterung des möglichen Strafmaßes spricht der Richter Jens H. direkt an. Er teilt ihm mit, dass er nicht mit einer Strafe im unteren Bereich und auch nicht in mittleren Bereich rechnen dürfe, da das Gericht durchaus annimmt, dass er dicht an der „Heimtücke“ getötet hat. Damit bleibe es bei Totschlag und es laufe wahrscheinlich auf ein Strafmaß von etwa zehn Jahren hinaus.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

Das falsche Gesicht des Jens Christoph H.

Am dritten Verhandlungstag werden durch Zeugenaussagen zur Krankengeschichte des Angeklagten seine „betrügerischen“ Charakterzüge deutlich.

Nachdem alle Parteien in gleicher Besetzung wie in den Tagen zuvor im Gerichtssaal erschienen sind, beginnt die Verhandlung, der neben drei Medienvertretern auch 20 Zuschauer folgen

Der Angeklagte trägt dieselbe Kleidung wie immer und hat außerdem eine blaue Tragetasche mit weißem Werbeaufdruck dabei. In dieser Tasche führt er ein paar wenige Unterlagen mit sich.

Das falsche Gesicht des Jens Christoph H.

Zeugenaussage Kevin G., Freund des Beschuldigten

Der erste Zeuge ist Kevin G., 27 Jahre alt und arbeitslos. Er ist über zwei Meter groß und hat dicke, tätowierte Oberarme. Zu Beginn gibt er sich noch betont cool.

Kevin G. hat für die Firma des Beschuldigten gearbeitet und war im Sommer 2015 drei bis vier Monate mit der Tochter des Opfers, Anela M., liiert. Er kennt Jens H. seit circa fünf bis sechs Jahren und beschreibt ihn als einen lockeren Typ.

Bei dieser Aussage hält sich Anela die Hände vors Gesicht. Der Beschuldigte kann auch diesen Zeugen nicht direkt ansehen. Statt dessen schaut er auf den Tisch vor sich, blickt mal nach links, mal nach rechts und wirkt insgesamt sehr teilnahmslos.

Über den Drogen- und Alkoholkonsum von Jens H. war Kevin G. im Bilde, da er beides gemeinsam mit dem Beschuldigten konsumiert hatte. Auch über die Streitigkeiten in der Beziehung zwischen Jens H. und dem Mordopfer Ana H. hatte er Kenntnis.

Nach der Tat fuhr Jens H. zu Kevin G. und erzählte ihm von den Streitigkeiten mit Ana H. sowie von dem mit Schlafmittel versetzten Getränk, das ihr gegeben hatte. Kevin G. rief daraufhin die Tochter des Opfers, Anela M., an, die anschließend unmittelbar zu ihrer Mutter fuhr und diese vor Ort tot auffand. Kevin G. wusste zu keinem Zeitpunkt, dass Jens H. seine Frau Ana H. getötet hatte.

Kevin G. spricht in seinen Aussagen auch von Mutmaßungen. Dieses wird sofort durch den Verteidiger des Beschuldigten moniert, dessen Tonfall dabei etwas angestrengt wirkt. Weiterhin versucht der Anwalt, dem Zeugen durch geschickte Fragestellung zu entlocken, ob Jens H. seine Frau nicht doch im Affekt getötet haben könnte. Dazu legt der Verteidiger dem Zeugen Mutmaßungen in den Mund, die dieser dann bestätigt.

Der Verteidiger beginnt seine Vernehmung mit dem Hinweis, er hätte nur sechs bis sieben Fragen, doch schließlich wurden es 19. Diese Methodik wird gerne angewandt, um dem Zeugen ein kurzfristiges Ende vorzugaukeln.

Zusammengefasst geht es bei den Fragen der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung und des Nebenklägeranwaltes an Kevin G. um die Lebensumstände von Jens H., wie etwa Freizeitverhalten, Alkohol- und Drogenkonsum, Firma, Ehestreitigkeiten.

Aussage des toxikologischen Experten

Danach trägt Prof. Dr. Thomas D. (65) sein Gutachten vor. Er ist Bereichsleiter für Forensische Toxikologie sowie Leiter des Alkohollabors in Düsseldorf und somit ein ausgewiesener toxikologischer Sachverständiger. Prof. Dr. Thomas D. beschreibt zunächst seine Daten zum Opfer Ana H.: Sie wog 62,2 Kilo und war 49 Jahre alt. Die Harnblase war ohne Urin, sie hatte keinen Alkohol konsumiert. Überprüft wurden Mageninhalt, Niere und Blut, wobei man 59 Milligramm Lorazepam pro Milliliter Blut feststellte. Das bedeutet, dass etwa zwölf Stunden vor dem Tod circa vier bis fünf Tabletten Tavor, so der Verkaufsname, zu 2,5 Milligramm verabreicht worden sind. Dieses hatte der Beschuldigte auch so angegeben. Diese Dosierung ist eine deutliche Überdosierung und hat eine zentral dämpfende Wirkung. Es ruft eine Störung des Kurzzeitgedächtnisses hervor, so wie man es von K.-o.-Tropfen kennt. Auch verschwinden Angst und Unruhe.

Auch wenn man unter dieser Dosierung zwischendurch, wie auch am Tattag geschehen, aufwacht, ist man nur zu kurzen Handlungen oder Gesprächen fähig, an die man sich später nicht mehr erinnern kann.

Weiter berichtet Prof. Dr. Thomas D., dass er drei Blutproben von Jens H. genommen hat. Die ersten zwei Proben von 0:58 Uhr ergaben eine Blutalkoholkonzentration von 1,66 Promille, die dritte Probe von 1:35 Uhr ergab 1,56 Promille, was eine Senkung um 0,1 Promille in 37 Minuten bedeutet und einen normalen Wert darstellt.

Als weitere berauschende Mittel hatte der Rechtsmediziner im Körper des Beschuldigten ebenfalls Lorazepam festgestellt, aber auch Amphetamine, Bluthochdruckmittel sowie MDMA, besser bekannt als Ecstasy. Die Mischung dieses Cocktails bedingt, dass sich Wirkkräfte der einzelnen Mittel gegenseitig aufheben.

Jens H. war am Tattag circa 1,78 Zentimeter groß und wog etwa 100 Kilo. Im Falle entsprechender Einnahmegewöhnung sind die Ausfallerscheinungen bei dieser Menge geringer als bei anderen Personen.

Anhand dieser Blutalkoholwerte rechnete der Sachverständige als mögliche Promillegrenze zum Tatzeitpunkt einen Wert von 3,0 Promille aus. Der Nebenklägeranwalt fragt daraufhin, ob die Einnahme von Anabolika, bei gleichzeitigem Konsum von entsprechenden Medikamenten und Drogen sowie Alkohol, einen möglichen Einfluss auf das Verhalten des Beschuldigten gehabt haben könnte. Prof. Dr. Thomas D. erläutert, hieraus ergäbe sich keine gegenseitige Auswirkung.

In diesem Zusammenhang wird durch das Gericht ein Bild gezeigt, auf dem man den geöffneten Kühlschrank des Beschuldigten sieht. Dieser ist voll mit unterschiedlichen Kartons mit der Beschriftung „Anabolika aus Indien“.

Nun entsteht ein Wortwechsel zwischen dem Staatsanwalt, der Verteidigung, dem Nebenklägeranwalt und Prof. Dr. Thomas D. Es wird darüber diskutiert, inwieweit es eine Wechselwirkung bei der Einnahme von Medikamenten bzw. Alkohol und vor allem eine Gewöhnung an diesen Konsum geben kann. Zudem wird erörtert, in welchem Bezug die Tathandlungen, insbesondere die Nachtathandlungen wie das Ausziehen der Leiche, deren Transport in die Wanne, das Entfernen des Strangulierungswerkzeugs vom Hals oder auch die Entfernung des Bauchnabelpiercings dazu stehen. Letztendlich kann der Sachverständige zu all diesen Fragen keine konkreten Antworten geben.

Vernehmung des Polizeiarztes

Anschließend wird der Polizeiarzt vernommen, der Jens H. unmittelbar nach der Festnahme untersucht und hierbei auch eine Blutprobe entnommen hat. Diese enthielt eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille. Weitere Tests, um eine Beurteilung seines Zustandes vorzunehmen, wie zum Beispiel den Finger-Nasen-Test oder das Gehen auf einem weißen Strich, hat der Beschuldigte abgelehnt. Er hat vielmehr einen aufnahmefähigen Eindruck hinterlassen, alles sehr gut wahrgenommen und sich beherrscht gegeben.

Die Aussage des Polizeiarztes, dass Jens H. beherrscht war, gefällt dem Verteidiger des Beschuldigten überhaupt nicht. Er gibt sich keine Mühe, seine Angespanntheit zu verbergen.

Des Weiteren, berichtet der Polizeiarzt nun, konnte Jens H. nach seiner Festnahme eine ganz genaue Auflistung seiner Medikamente geben, ganz so, als ob er einen Verordnungsplan dabei gehabt hätte. Dies verwundert sowohl den psychologischen als auch den toxikologischen Sachverständigen sichtlich.

Hausarzt Nummer 1

Nun wird Dr. Dimitri G. (46) aus Düsseldorf zur Aussage gebeten, von Beruf Allgemeinmediziner. Er war Hausarzt von Jens H., der wiederum gegenüber dem Richter die Freigabe der ärztlichen Schweigepflicht bestätigt hat. Dr. Dimitri G. erklärt, dass Jens H. mit einem Stress-Syndrom zu ihm kam. Sein Patient zeigte sich aufgrund seiner gescheiterten Ehe und des Kontakts zu seinen Kindern belastet. Immer wieder bot der Arzt Jens H. auch psychologische Hilfe an, doch dieses lehnte der Patient stets ab. Dr. Dimitri G. verschrieb ihm daher etwa ein Jahr lang das Schlafmittel Lorazepam zu 2,5 Milligramm mit der Maßgabe, jeweils nur eine halbe Tablette zu sich zu nehmen. Von einem weiteren Hausarzt wusste Dr. Dimitri G. nichts.

Hausarzt Nummer 2

Dem ersten folgt nun der zweite Hausarzt als Zeuge, Dr. Oliver Peter K. (52), Arzt in Hilden.

Auch dieser wurde von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Er war Hausarzt von Jens H. ab Sommer 2012. Er hatte dessen Depression und Belastung diagnostiziert und den Patienten kontinuierlich krankgeschrieben.

Einige Zeit vor der Tat hat die Krankenkasse die Krankschreibung aufgehoben, weil Jens H. verweigert hatte, sich dem Gutachter der Krankenkasse vorzustellen.

Dr. Oliver Peter K. hatte etwa alle 14 Tage Kontakt mit seinem Patienten, und auch er verschrieb ihm Lorazepam, 20 Stück zu 1 Milligramm, zur Einnahme insgesamt dreimal pro Tag. Der Arzt aus Hilden wusste von einem weiteren Hausarzt, dem er auch zweimal einen Brief geschrieben, allerdings nie eine Reaktion erhalten hatte.

Der erste Hausarzt hatte im Zeugenstand soeben ausgesagt, dass er den zweiten Hausarzt nicht kenne.

Dr. Oliver Peter K. ist sich im Nachhinein bewusst, dass er ausschließlich zur Medikamentenbeschaffung und zum Ausfüllen des Krankenscheins benutzt worden ist. Letzteres führte dazu, dass Jens H. ein Jahr lang Krankengeld von seiner privaten Krankenkasse erhalten hatte. Auch Angaben zu seinen privaten Umständen, etwa, dass er erneut geheiratet hatte, teilte Jens H. seinem zweiten Hausarzt nicht mit, obgleich Dr. Oliver Peter K. ihm vertraute.

An diesem Verhandlungstag wird deutlich, welche Charakterzüge der Beschuldigte Jens H. in sich trägt: Einerseits verschaffte er sich durch die Einnahme von Anabolika muskelbepackte Oberarme, ohne dafür zu trainieren, andererseits erschlich er sich Leistungen von seiner privaten Krankenkasse und erhielt über ein Jahr lang unberechtigt Krankengeld, weil er seinen zweiten Hausarzt hinsichtlich einer entsprechend passenden Krankengeschichte angelogen hatte.

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Erschütternde Aussagen von Tochter und Bruder des Opfers Ana H.

Am heutigen Verhandlungstag wird zuerst der Bruder des Opfers, Marjan J., als Zeuge vernommen. Er spricht klar und gefasst und schaut ein-, zweimal während seiner Vernehmung den Beschuldigten Jens H. an. Während seiner Aussage wird deutlich, dass er vernunftgelenkte An- und Einsichten zum Leben hat.

Bruder Marjan J. im Zeugenstand

Er möchte vor Gericht aussagen und erzählen. Er ist 43 Jahre alt, Gastronom in Düsseldorf und kam 1992 aus Ex-Jugoslawien nach Deutschland. Er erzählt von seiner 49-jährigen Schwester und, dass er noch zwei weitere Brüder hat. Diese Leben in Frankreich und in Kroatien. Seine Mutter lebt noch, sein Vater ist 2002 gestorben.

Seine ermordete Schwester ist Ende der achtziger Jahre nach Deutschland gekommen und hat ihre erste Arbeit als Babysitterin in Mülheim an der Ruhr aufgenommen. Später ist sie nach Düsseldorf gezogen. Bei ihr war ihre Tochter Anela, die in Kroatien geboren ist und aus der ersten Ehe seiner Schwester stammt. Er hat sich mit seiner Schwester immer gut verstanden und hatte einen intensiven Kontakt zu ihr.

Erschütternde Aussagen von Tochter und Bruder des Opfers Ana H.

Seine Schwester hat den Beschuldigten Jens H. etwa 2008 über seinen Job als Türsteher kennengelernt. Marjan J. war von Jens H. nicht begeistert. Vor allem, dass Ana H. und Jens H. sehr schnell nach ihrem Kennenlernen geheiratet haben, weckte Unbehagen in Marjan J. Trotzdem hat er ihn letztlich als den neuen Partner seiner Schwester akzeptiert.

Da es den beiden finanziell nicht immer gut ging, lieh Marjan J. ihnen oft Geld, auch unübliche Summen wie zum Beispiel 3.500 Euro für eine neue Küche oder 10.000 Euro für eine Steuerschuld. Streit hatte er mit Jens H. nachdem er erfuhr, dass dieser seine Schwester in den Bauch geschlagen hatte. Seine Schwester erzählte ihrem Bruder sicherlich nicht alles, doch dass Jens H. ein Drogenproblem hat, teilte sie ihm mit. Sein Umgang mit Jens H. war höflich aber oberflächlich.

Bei einem Osterurlaub in Kroatien hat er jedoch ganz konkret einen Streit zwischen seiner Schwester und Jens H. mitbekommen. Dieser war stark und laut, denn Jens H. war betrunken und sehr aufbrausend. Beide hatten häufig Streitigkeiten über Geld, beispielsweise wegen Verträgen, großen Autos und ähnlichem. Mit den Kindern aus seiner ersten Ehe hatte Jens H. aus der Sicht von Marjan J. keinen aktiven Umgang, er war unemotional.

Jens H. sitzt während der Aussage seines ehemaligen Schwagers relativ teilnahmslos und ohne Regung auf seinem Platz, er kann keinen Blickkontakt zum Zeugen aufnehmen.

Das Verhältnis von Jens H. zur Nichte von Marjan J., Anela M., war aus dessen Sicht relativ normal. Zur Trennungsphase der beiden kann der Zeuge keine konkreten Angaben machen, außer dass er diese mitbekommen hat.

Die Verteidiger des Beschuldigten fragen nun noch einmal konkret zum Verhalten nach der Einnahme unterschiedlicher Drogen und inwieweit der Zeuge dieses mitbekommen hat. Hierzu kann der Zeuge nicht viel sagen, da er nicht über alles Kenntnis hatte. Auf die Frage, wie Jens H. nach der körperlichen Auseinandersetzung mit seiner damaligen Ehefrau reagierte, berichtet der Zeuge, dass Jens H. dies sehr bedauert hat.

In seiner polizeilichen Vernehmung hat Marian J. ausgesagt, dass er dem Beschuldigten zu 100 Prozent die Tötung seiner Schwester zutraue. Der Richter befragt den Zeugen nun, was er denn von diesem Prozess erwarte. Der Zeuge antwortet mit einer Gegenfrage: „Würden Sie diesen Menschen wieder auf die Menschheit loslassen?“ Diese Frage bleibt durch das Gericht unbeantwortet.

Der psychologische Sachverständige fragt nach dem Freizeitverhalten des Beschuldigten. Der Zeuge kann berichten, dass Jens H. sehr viel Sport getrieben hat. Unter anderem betrieb er Kampfsport und postete die in diesem Bereich erhaltenen Urkunden bei Facebook.

Der Verteidiger der Nebenklage fragt nach Alkoholverstecken beim Beschuldigten. Die ermordete Ehefrau hatte den Alkohol im Keller versteckt, sodass in der Wohnung selbst kein Alkohol war. Ob ihm bekannt sei, dass auch seine Schwester ein Drogen- oder Alkoholproblem hatte. Dies wird von Marjan J. mit einem klaren „Nein“ beantwortet, genauso wie die Frage nach ständiger Einnahme von Antidepressiva oder Schlafmitteln.

Bei den Streitereien ging es immer ums Geschäft und um Geld, da seine Schwester besorgt war, dass Jens H. die Firmen in die Insolvenz führen würde. Insbesondere das Kaufverhalten von Jens H. war sehr ausschweifend, er fuhr einen großen Mercedes S-Klasse AMG und wollte zusätzlich ein zweites, noch größeres Auto kaufen. Hier fragt die Verteidigung sofort nach und möchte vom Zeugen wissen, ob er denn wisse, was sein ehemaliger Schwager berufsmäßig gemacht hat. Das beantwortet Marjan J. mit dem allgemeinen Begriff „Sicherheit“. Die Verteidigung behauptet nun, dass es sich bei dem Mercedes S-Klasse AMG um das Fahrzeug handelt, mit welchen Verona Pooth gefahren worden sei. Hiernach ist der Zeuge entlassen.

Aussage der Tochter der Ermordeten, Anela M.

Anela M. ist nicht nur Zeugin, sondern auch Nebenklägerin. Bisher war sie nicht im Gerichtssaal. Doch nun betritt sie den Raum, abgeschirmt durch eine offizielle Zeugenbetreuerin und in Begleitung zweier Freundinnen. Zuvor sind ihr Fotografen auf dem Weg in den Gerichtssaal gefolgt, um Bilder der jungen Frau zu ergattern. Sie trägt einen großen schwarzen Mantel mit einer großen Kapuze, die sie tief ins Gesicht gezogen hat. Ihre Körperhaltung ist leicht nach vorne gebeugt und ihre Augen, die zwischendurch hin und wieder zu sehen sind, wandern hektisch. Wenn sie spricht, dann sehr zitternd, sie kann sich kaum äußern.

Sie wird gleich schildern, wie sie ihre tote Mutter aufgefunden hat. Eine grausame Vorstellung!

Anela M. ist 28 Jahre alt, wohnt in Düsseldorf und ist zurzeit nicht berufstätig. Bis zum Tattag hat sie in der Firma des Beschuldigten gearbeitet, fühlt sich seit dem Erlebten aber nicht mehr arbeitsfähig.

Wenn Sie über den Beschuldigten Jens H. spricht, spürt man eine große Verachtung sowie Wut und Zorn in ihrer Stimme. Sie erzählt, dass sie 19 Jahre alt war, als sie den Beschuldigten kennenlernte. Jens H. war immer aggressiv und oft völlig haltlos, wegen Nichtigkeiten. Er wollte immer bestimmen und hat ihre Mutter auch wegen seines Drogenkonsums geschlagen. Ihre Mutter und er hatten oft Streit deswegen, auch wegen Alkohol und der Firma. Anela M. selbst hat nie direkt gesehen, dass er Drogen zu sich genommen hat. In der gemeinsamen Wohnung hat er die Drogen immer auf der Toilette konsumiert und wenn er dann wieder kam, war er weiß um die Nase und hat dauernd geschnieft. Seine Augen waren dann sehr groß und seine Stimme hat geleiert. Wenn er nicht auf Drogen war, war Jens H. eher ruhig und schüchtern. Wegen seiner Drogenexzesse war er auch öfter im Krankenhaus. Anela M. ist circa 2008 aus der Wohnung ihrer Mutter ausgezogen.

Auch dieser Zeugin kann Jens H. nicht in die Augen schauen.

Nachdem der Trennung zwischen ihrer Mutter und Jens H., hatte er sofort eine neue Freundin. Aber Ana H. konnte sich nicht gänzlich trennen.

Anela M. wiederum wurde durch Jens H. ausgenutzt, indem er sie als Geschäftsführerin einer Einzelfirma einsetzte. Diese Firma hieß Hammann Services GmbH. Allerdings hatte Anela M. keinerlei Hintergrund, um diese Position auszufüllen, sodass letztlich Jens H. alles bestimmte. Er kaufte viel zu viel , plünderte die Konten und Anela M. musste Insolvenz anmelden.

Wenn ihre Mutter im Urlaub war, war Jens H. ständig voll mit Drogen und / oder Alkohol. Einmal sagte er zu ihr: „Ich werde das mit deiner Mutter beenden, ich halte das nicht mehr aus. Aber dann ist es endgültig beendet!“

Nun wird Anela M. zum Tattag, dem 23. August 2015, vernommen.

An diesem Tag wollte sie über WhatsApp Kontakt zu ihrer Mutter aufnehmen und hat auch versucht, sie telefonisch zu erreichen, was ihr aber nicht gelang. Das war schon sehr ungewöhnlich, da ihre Mutter sich spätestens nach einer Stunde gemeldet hätte. Hierauf rief sie Jens H. an. Er erklärte ihr, dass ihre Mutter müde und krank sei und deshalb schlafe. Er wolle nicht, dass sie geweckt wird. Da Anela M. aber am Nachmittag mit ihren Freundinnen losziehen wollte und hierfür Geld benötigte, fuhr sie zur Wohnung ihrer Mutter, um von Jens H. 50 Euro von dem Geld zu bekommen, das dort für sie deponiert war.

Ihre Mutter selbst sah sie bei dieser Gelegenheit nicht, sondern nur ihre Beine am Ende der Couch. Jens H. machte in diesem Moment keinen so „vollen“ Eindruck. Gegen 18:00 Uhr hatte sie erneut Kontakt mit Jens H., wobei es um einen Auftrag am Chemiepark Dormagen ging. Gegen etwa 22:30 Uhr wurde sie dann von einem gemeinsamen Bekannten angerufen, der mitteilte, dass Jens H. bei ihm sei und erzählt hätte, dass er ihrer Mutter etwas ins Glas getan hätte. Sie fuhr unvermittelt und sehr schnell zur Wohnung der Mutter.

Nun erzählt sie von der Auffinde-Situation. Nachdem sie ihre Mutter bereits in der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer nicht gefunden hatte, ging sie ins Badezimmer und sah, dass der Duschvorhang vor die Wanne gezogen wurde. Es hing ein Arm über dem Wannenrand.

Eine detaillierte Beschreibung der genauen Auffinde-Situation wird Anela M. durch das Gericht erspart, denn allein die Vorstellung, wie ein Kind die eigene Mutter erschlagen und erdrosselt auffindet, mit zehn weiteren Einstichen in Rumpf und Bauch und acht mit einer Gartenschere abgeschnittenen Fingern in der Wanne, ist einfach nur grässlich.

Der Richter fragt Anela M. an dieser Stelle nach ihrem momentanen Befinden, das sie mit schlecht betitelt. Sie berichtet, dass sie immer noch in psychologischer Behandlung ist.

Der Staatsanwalt möchte nun erfahren, welche Kenntnis sie bezüglich der Handgreiflichkeiten zwischen Jens H. und ihrer Mutter hat. Diese habe sie nicht persönlich miterlebt, sondern davon von ihrer Mutter erfahren. Die Verteidiger des Beschuldigten fragen ihrerseits jetzt nach der Art des Alkohols, den Jens H. getrunken hat (Wein, Bier oder harter Alkohol). Da der Alkohol von ihrer Mutter immer versteckt worden war, kann Anela M. hierzu keine Angaben machen. Sie selbst hat ihm ab und zu mal eine Flasche Wein mitgebracht.

Der psychologische Sachverständige möchte wissen, welches Arbeitspensum Jens H. in der Firma wahrnahm. Anela M. berichtet, dass er selten da war und wenn, dann nur ein bis zwei Stunden. Ansonsten hat er viel Fitness und Kampfsport betrieben.

Der Nebenkläger-Anwalt arbeitet nochmal heraus, dass ein Insolvenzverfahren gegen Anela M. läuft, und dass Jens H. alles in der Firma bestimmte. Wo das Geld der Firma geblieben ist, kann Anela M. auch nicht beantworten. Hiernach ist die Vernehmung beendet.

Angesichts des Erlebten hat sich an Anela M. wirklich tapfer geschlagen.

Heute sitzt der Angeklagte mit seinen Verteidigern rechts vom Richtertisch und zwar gegenüber den Fenstern. Das liegt daran, dass es in Nordrhein-Westfalen eine Vorschrift gibt, die besagt, dass der Angeklagte immer gegenüber den Fenstern sitzen muss. So sitzt er im Hellen und es ist damit möglich, die Reaktionen in seinem Gesicht besser zu erkennen.

Vernehmung des Rechtsmediziners

Als nächster Zeuge ist nun der Düsseldorfer Rechtsmediziner Dr. M. (27 Jahre) geladen, der über das Tatgeschehen und über den Leichenfundort berichtet. Er fand die Leiche unbekleidet in Rückenlage in der Badewanne an. Das Fenster war gekippt und am Wannenrand lagen eine Gartenschere sowie ein Messer. An beiden Geräten hafteten rot-bräunliche Blutflecken. Am Kopf, im Halsbereich sah man deutlich zwei Strang-Marker, des Weiteren drei Messereinstiche im Rumpf und sieben im Bauchbereich. Acht Finger lagen neben der Leiche in der Badewanne. Die Körpertemperatur betrug 32,8 Grad Celsius, bei einer Umgebungstemperatur von 25 Grad Celsius. Der Todeszeitpunkt wird auf 17:55 Uhr bis 20:25 Uhr eingegrenzt. Die Todesursache ist Ersticken durch Erdrosseln, also eine massive Gewalteinwirkung auf den Körper. Weiterhin folgt ein kurzer medizinischer Bericht der Obduktion. Der Rechtsmediziner trägt klar und deutlich vor und zieht auch Grenzen seiner Sachverständigentätigkeit.

Der Angeklagte Jens H. hört dem Rechtsmediziner scheinbar teilnahmslos zu. Bemerkenswert ist, dass sich auch der Bruder und die Tochter der Toten diese detaillierte und grausame Schilderung anhören. Beide sind vorher zwar auf diese Aussage vorbereitet worden, trotzdem halte ich es für außergewöhnlich. Jens H. vermeidet weiterhin den Blickkontakt zu den Nebenklägern. Anela M. schaut ab und an zu ihm rüber – und schüttelt nur den Kopf.

Noch vor der eigentlichen Tötungstat hatte der Beschuldigte Jens H. das Opfer mit einem Halswürgegriff bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Der Staatsanwalt möchte, dass der Angeklagte diesen Griff noch einmal demonstriert. Dieses Ansinnen wird durch die Verteidigung abgelehnt.

Die Aussagen der Taxifahrer

Nun werden die beiden Taxifahrer als Zeugen gehört, die Jens H. am Tattag gefahren haben. Der eine hat den Beschuldigten von Düsseldorf nach Langenfeld zu seinem Freund gefahren. Stunden später fuhr der zweite Taxi-Fahrer Jens H. von Langenfeld wieder nach Düsseldorf. Beide Zeugen sind etwas nervös, berichten aber dennoch über die Fahrt. Insbesondere geht es um die Frage, inwieweit Merkmale von Alkoholeinfluss, wie lallende Sprache oder ein wankender Gang, beim Beschuldigten erkennbar waren. Beide Taxifahrer bestätigen, dass man keinerlei Anzeichen von Alkoholkonsum erkennen konnte.

Vernehmung des Beschuldigten-Freundes Mike K.

Als letzter Zeuge des heutigen Verhandlungstages wird Mike K., 41, vernommen, geboren in Düsseldorf und wohnhaft in Langenfeld. Er bezeichnet sich als Freund von Jens H. Diesen hat er vor etwa einem Jahr über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt. Sie haben sich öfter getroffen, sind ab und zu essen gegangen – auch gemeinsam mit der Getöteten – und haben täglich telefoniert.

Mike K. sagt aus, dass die Beziehung zwischen den beiden harmonisch war und er von Auseinandersetzungen nichts mitbekommen hat. Allerdings hat ihm die Getötete auch mitgeteilt, dass sie sich sehr viele Sorgen um die Firma mache, und dass sie Existenzängste hätte, insbesondere aufgrund der Unzuverlässigkeit und des Drogenkonsums von Jens H. Auch Mike K. hat mit Jens H. Kokain konsumiert.

Am Tattag hat Jens H. ihn per WhatsApp und telefonisch kontaktiert und gefragt, ob er Kokain besorgen könne. Dieses hat er zunächst abgelehnt.

Mike K. hat seit der Tat keinen Kontakt mehr mit Jens H. Er hat ihn auch nicht in der Vollzugsanstalt besucht. Er kommt mit der Tat, die Jens H. begangen hat, nicht zurecht.

Der psychologische Sachverständige fragt, ob der Zeuge beim Angeklagten im letzten Jahr eine Verhaltensveränderung festgestellt hat. Dies verneint Mike K. Er weiß aber zu berichten, dass der Beschuldigte in seiner Freizeit viel Sport getrieben und nie mit ihm über Probleme gesprochen hat. Er kannte ihn nur als denjenigen, der ein großes Auto besaß und sich immer viel leisten konnte.

Bildquelle: Paul Georg Meister / pixelio.de

Verhandlungsauftakt gegen den Ex-Bodyguard von Verona Pooth

Angeklagter Jens H. gesteht, seine elf Jahre ältere Ehefrau getötet zu haben

Den Prozessauftakt zu diesem brutalen Mordfall verfolgten im Landgericht Düsseldorf erwartungsgemäß viele Medienvertreter, darunter vier Kamerateams, sowie circa 20 weitere Zuschauer.

Neben den Richtern waren der Staatsanwalt und ein psychologischer Sachverständiger anwesend, außerdem ein Nebenklägeranwalt, der den Bruder des Opfers vertritt. Zwar ist auch die Tochter des Opfers als Nebenklägerin bei der Kammer gemeldet, sie war zum morgendlichen Prozessbeginn allerdings noch nicht anwesend. Jens H. hingegen wird von seinen drei Verteidigern umgeben.

Anklageverlesung

Nach einer allgemeinen Einführung durch den Vorsitzenden Richter erhält der Staatsanwalt das Wort zur Verlesung der Anklageschrift. Er schildert, dass der Angeklagte seiner Ehefrau eine hohe Dosis Schlafmittel (15 mg) verabreicht und ihr dann mit Kabelbindern den Hals zugezogen hat, so dass sie erdrosselt wurde. Die Leiche trug er ins Badezimmer, legte sie dort in die Badewanne und stach zehnmal mit einem Messer in ihren Körper, sodass sie ausblutete. Danach schnitt er ihr acht Finger mit einer Rosenschere ab. Der Staatsanwalt betonte die besondere Heimtücke der Tat, da der Angeklagte sein Opfer vor dem Mord mutmaßlich betäubte.

Verhandlungsauftakt gegen den Ex-Bodyguard von Verona Pooth

Der Angeklagte im Profil

Hiernach lässt sich der Angeklagte, der von kleiner, gedrungener Statur und ganz in schwarz gekleidet ist, eine schwarz umrandete Brille und einen dünnen schmalen Bart trägt, darauf ein, die Angaben zu seinen persönlichen Daten selbst vorzutragen. Seine Äußerungen zur Tat wiederum werden durch einen seiner Verteidiger vorgelesen.

Jens H. teilt mit, dass er drei Geschwister hat und seine Eltern (der Vater ist Kaufmann) noch leben. Er hat die Schule in Velbert 1993 mit der Fachoberschulreife abgeschlossen. Danach besuchte er die höhere Handelsschule, Fachrichtung Wirtschaft. 1995 ging er als Wehrpflichtiger zur Bundeswehr, wo er sich zeitnah zum Zeitsoldaten auf zwölf Jahre verpflichte. Er beendete die Bundeswehrzeit mit dem Dienstgrad eines Oberfeldwebels. Während der Bundeswehrzeit absolvierte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Nach seiner Bundeswehrzeit besuchte er eine Personenschutzausbildung und machte sich im Bereich der Sicherheit als Einzelfirma selbstständig. Zunächst war sein Unternehmen in Schwelm, danach bis zum Tattag am 23. August 2015 in Düsseldorf.

Der Beschuldigte führte zwei Firmen: Hammann Security, die im Sicherheitsgewerbe, unter anderem in der Personensicherheit, tätig war und als bekannteste Kundin Verona Pooth betreut hat. Die zweite Firma, A & J Dienstleistungen, beschäftigte sich mit der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere für den Chemiepark in Dormagen.

Jens H. hat zwei Töchter aus erster Ehe. Diese Ehe wurde 2008 geschieden, inzwischen hat der neue Ehemann seiner Ex-Frau seine Töchter adoptiert. Diese Adoption wurde während seiner jetzigen Inhaftierung vollzogen. Mit seiner Ex-Frau hatte er laufend Ärger.

Am 17. Juli 2009 begann die Ehe mit Ana H., seinem Opfer – am heutigen Tag fällt u. a. auf, dass er am Ringfinger der rechten Hand einen Ring trägt. Sie brachte die 20-jährige Tochter (Anela M.) mit in die Ehe. Sie wohnten alle drei zusammen.

Seine Einkommensverhältnisse beschrieb der Angeklagte mit durchschnittlich circa 1.500 Euro netto pro Monat, bei einem Gesamteinkommen der Familie von circa 3.000 bis 5.000 Euro.

Die Tat aus Sicht der Verteidigung

Anschließend verliest einer seiner Verteidiger eine schriftliche Erklärung zum Tatgeschehen.

Darin wird zunächst ausführlich das Sucht- und Krankheitsbild des Angeklagten beschrieben. So war Jens H. seit seinem 18. Lebensjahr immer wieder intervallmäßig drogen- und alkoholabhängig. Oftmals führten diese Exzesse zu einem Krankenhausaufenthalt. Auch Kokain nahm Jens H. zu sich, insbesondere wenn er in seiner Aufgabe als Türsteher Kontakt zur entsprechenden Szene hatte. Diesbezüglich hatte er immer wieder heftige Streitigkeiten mit seiner Ehefrau, die auch zu einer Teiltrennung führten. Und immer, wenn seine Frau im Urlaub war, gab es die heftigsten Abstürze. Der Angeklagte leidet seit mindestens 2012 unter Depressionen, Angstzuständen und Schlafstörungen. Schlafmittel nimmt er seit Januar 2012 jeden Tag, des Weiteren auch Antidepressiva, die er sich teilweise illegal besorgte. Auch die entsprechenden Rezepte wurden durch ihn illegal beschafft.

Schon am ersten Verhandlungstag offenbart sich angesichts der langjährigen Alkohol- und Drogenabhängigkeit des Beschuldigten, dass bei der Personenschutzausbildung, die Jens H. durchlaufen hat, offenbar keine Tauglichkeitsprüfung stattgefunden hat. Des Weiteren stellt sich die Frage, wie professionell, glaub- und vertrauenswürdig ein derart suchtabhängiger Mensch auf sein Umfeld wirken kann, sodass man ihm sein Leben oder das seiner Kinder anvertraut. Konnte sich der Angeklagte so gut verstellen? Oder mangelte es seinem Umfeld und seinen Kunden an Menschenkenntnis? Konstante psychische und physische Stärke sind die wichtigsten Grundeigenschaften eines Personenschützers, und nicht gegeben bei durch Drogen und Alkohol geschwächten „Bodyguards“.

Das eigentliche Geschehen am 23. August 2015 wird durch den Anwalt derart geschildert, dass Jens H. und Ana H. zunächst gemeinsam und harmonisch auf dem Balkon frühstückten. Allerdings brach später ein Streit über seinen Drogenkonsum und weitere berufliche sowie private Probleme aus. Auch eine körperliche Auseinandersetzung gab es, so wie häufig, wenn der Angeklagte seine Frau, mitunter auch heftigst, geschlagen hat. Um sich zu beruhigen, nahm er am Tattag die entsprechenden Tabletten ein und wollte dann auch seine Frau beruhigen. Dazu zerstampfte er ein paar Pillen und mischte diese in ein Getränk, welches er seiner Frau reichte. Sie wurde auch sehr schnell müde und legte sich auf die Couch, um zu schlafen.

Als seine Frau kurz aufwachte, gingen die Streitigkeiten sofort weiter. Es gab zusätzlich eine weitere handfeste Auseinandersetzung, bei der er sie bis zur Bewusstlosigkeit würgte. Zufällig lagen Kabelbinder auf dem Wohnzimmertisch, die er ursprünglich für das Anbringen eines Kabelkanals für den Fernseher besorgt hatte. Damit erdrosselte er seine Frau. Obwohl der Angeklagte aufgrund sehr hohen Alkoholkonsums kaum noch Erinnerungen an diesen Nachmittag hat, kann er sich doch daran erinnern, dass er die Schlinge zu groß gewählt hatte, sodass er die Schlinge etwas in sich verdrehen musste. Als seine Frau dann tot war, entkleidete er sie und legte sie in die Badewanne. Dort stach er mit einem Messer zehnmal in ihren Körper und schnitt acht Finger mit einer Rosenschere ab.

Wichtig sei ihm, so der Anwalt, dass bei ihm zum Zeitpunkt der Verabreichung des Schlafmittels noch keinerlei Tötungsabsicht bestand.

Dies ist schon der erste taktische Schritt, um mit diesem Argument den Vorwurf der schwerwiegenden Heimtücke zu entkräften. Dahingegen lässt die Entdeckung, dass er genau einen Tag vor dem Tattag, nämlich am 22. August, im Internet nach dem Begriff Antidepressiva suchte, anderes vermuten, auch wenn der Angeklagte daraufhin zu antworten weiß, dass er sich einfach nur genauer darüber informieren wollte.

Nach Verlesung seiner schriftlichen Einlassung wird durch den Richter gefragt, ob er das so bestätigt. Hierauf antwortet Jens H.: „Ja, das ist so.“ Er wirkt stets ruhig und ohne Reue, wenn er spricht.

Der nächste Prozesstag ist für den 22. Februar angesetzt.

Bildquelle: Lutz Stallknecht / pixelio.de

Brutaler Mord an Ehefrau: Prozess gegen Ex-Bodyguard von Verona Pooth beginnt

Am Donnerstag, 18. Februar 2016, beginnt im Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen den ehemaligen Bodyguard und Chauffeur von Verona Pooth, Jens Christoph H.

Der 39-jährige soll am 23. August 2015 seine zweite Ehefrau Ana H. heimtückisch zu Tode gebracht haben, indem er sie zunächst mit einem Schlafmittel sediert und dann mit einem Kabelbinder erwürgt hatte. Schließlich hatte er ihren Körper martialisch mit Messer und Rosenschere malträtiert.

Wie das Landgericht mitteilte, sei der Tötung zwar kein Streit oder irgendeine andere Feindseligkeit vorausgegangen, allerdings scheint der Angeklagte den Mord geplant zu haben, da er Tage zuvor bei seinem Hausarzt das Schlafmittel und im Baumarkt Kabelbinder in verschiedenen Ausführungen erstanden hatte.

Brutaler Mord an Ehefrau: Prozess gegen Ex-Bodyguard von Verona Pooth beginnt

Der Angeklagte

Jens Christoph H. war nach Angaben des Gerichts „bis 2006 Zeitsoldat und machte sich dann im Sicherheitsgewerbe selbständig. Zur Tatzeit leitete er die Firmen „Hammann Security“ sowie „A&J Dienstleistungen“, wobei die letztere auf den Namen der Ana H. eingetragen war“.

Zudem soll Jens Christoph H. zumindest „im Monat vor der Tat Schwierigkeiten gehabt haben, die Löhne seiner Angestellten auszubezahlen“. Er soll sich daher des Weiteren um ein privates Darlehen in Höhe von 15.000 Euro bemüht haben.

Darüber hinaus soll beim Angeklagten schon 2012 erstmals eine depressive Symptomatik diagnostiziert worden sein, die zunächst medikamentös behandelt wurde. Am 28. August 2015 sollte eine psychiatrische Behandlung beginnen.

Der Prozess im Blog

Auch diesen Prozess werde ich als Sachverständiger für Personenschutz verfolgen und darüber in diesem Blog berichten. Obwohl die Beweislage klar zu sein scheint – allerdings liegt noch kein Geständnis vor – ist der verhandelte Fall ein besonderer: Denn entgegen der nachvollziehbaren Annahme, dass der Schutz von Leib und Leben die erste Aufgabe eines Personenschützers sein sollte, scheint diesmal der „Bodyguard“ der Mörder zu sein.

Und das ist zugleich das Stichwort, das mir als IHK-Sachverständigem für Personenschutz Anlass ist, diesen Prozess zu verfolgen: Denn ein muskelbepackter „Bodyguard“ ist nicht gleichzusetzen mit einem qualifizierten Personenschützer. Allem Anschein nach hat der ehemalige Zeitsoldat Jens Christoph H. neben einer Kampfausbildung (außerdem war der Angeklagte wohl auch Boxer) keine Personenschutz-Schulung oder eine ähnliche Ausbildung absolviert. Es stellt sich die Frage, mit welcher Qualifikation er mithin die Gründung seines Unternehmens begründet und nach welchen Kriterien er seine Mitarbeiter ausgesucht hat.

Mindestens ebenso fraglich ist, wie eine in der Öffentlichkeit stehende Person wie Verona Pooth ihren Schutzstatus einschätzt und als Folge daraus ihre Personenschützer auswählt.

Neben der Hoffnung, dass diese Entscheidung keine beliebige, auf rascher Internetrecherche beruhende war, bleibt nach dem grauenvollen Mord des mutmaßlichen Täters Jens Christoph H. vor allem die Erkenntnis, dass Personenschutz mehr umfasst, als bärbeißige Optik und Chauffeur-Dienste. Ihr liegt vor allem eine umfassende und vertrauliche Analyse der Lebensumstände, Gewohnheiten und Zukunftsplanungen der Schutzpersonen und aller möglichen Gefahrenpotentiale zugrunde, gefolgt von Vorbeugungs- und Handlungsstrategien. Diese komplexen Planungen zu erarbeiten und umzusetzen erfordert oftmals die universellen Fähigkeiten erfahrener Projektorganisatoren – natürlich auch verbunden mit höchster körperlicher und psychischer Fitness und vor allem einer moralisch einwandfreien Einstellung.

All dies sei einem Quereinsteiger – wie es auch Jens Christoph H. gewesen zu sein scheint – natürlich nicht per se abgesprochen; es ist aber eher unwahrscheinlich bzw. nicht zu erwarten. Langjährige Erfahrung und permanente Aus- und Weiterbildung sind Notwendigkeiten, die viele „Bodyguards“ im Gegensatz zu ausgebildeten Personenschützern nicht vorweisen können. Dass darunter in Notfallsituationen nicht nur die „Bodyguards“ – die ich in Abhebung zu qualifizierten Personenschützern bewusst so bezeichne – leiden, sondern vor allem ihre Schutzpersonen, sollte Anlass genug sein, diese leider oft gängige Praxis zu ändern.

Da mir die Ausbildung von Nachwuchs im Personenschutz mit dem Ziel eines geprüften Abschlusses ein Anliegen in meiner Funktion als Sachverständiger ist, sehe ich die Prozessbeobachtung als besondere Notwendigkeit. Hierüber lässt sich optimal herausarbeiten, welche beruflichen und menschlichen Qualifikationen ein Personenschützer haben muss – die der Angeklagte offenbar nicht hatte –, und welche Entscheidungskriterien Schutzpersonen der Auswahl ihrer Sicherheitsexperten zugrunde legen sollten.

Bildquelle: GG-Berlin / pixelio.de