Siebter Verhandlungstag | Reuiger Täter

Der siebte Verhandlungstag am 20. Dezember 2016 beginnt mit der Hörung der Zeugin Polizeikommissarin Michaela R. (33 Jahre) von der Polizeidirektion Leer. Sie war mit anderen Kollegen für die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) verantwortlich und betreute etwa 40 Leitungen. Sowohl der Verteidiger von Jan I als auch der Staatsanwalt fragen die Zeugin, ob bei der TKÜ Hintergrundgeräusche zur Kenntnis genommen worden seien, denn es gilt die Frage zu klären, ob Jan I. einen Zuflüsterer hatte. Im Laufe der Befragung wird sodann klar, dass der Zuflüsterer der Täter mit der grauen Jogginghose aus Hatzum ist.

Als nächster Zeuge sagt Holger H. (34 Jahre) aus, Polizist in der Polizeistation Emden. Er war der stellvertretende Ermittlungsgruppenleiter. Er berichtet insbesondere über die Vernehmung von Jan I. und wiederholt größtenteils dessen Aussage. Holger H. berichtet aber auch, dass er Jan I. während der Vernehmung mittels eines Fotos der Lüge überführte, das ihn mit einem der Täter zeigt. Der Beamte erinnert sich, dass die Vernehmung von Jan I. konfus war, ebenso wie das auch hier bei Gericht zu erleben war.

Siebter Verhandlungstag | Reuiger Täter

Nun tritt Manfred P., 49 Jahre, Kriminalhauptkommissar der Polizeiinspektion Leer, in den Zeugenstand. Er war an der Festnahme des Täters Borislav J.beteiligt. Dieser wurde in Dortmund festgenommen, wo er zeitweise bei einer Frau und ihrem Kind übernachtete. Die Frau sagte aus, dass Borislav J. nur ein Bekannter sei. Dieser wies sich mit einem Ausweis aus, der auf einen anderen Namen lautete. Da man bei der Festnahme an der Garderobe aber eine Jacke entdeckte, die auch auf einem Tat-Foto zu sehen war, wurde Borislav J. trotzdem mit auf die Wache genommen. Außerdem wurde in der nämlichen Wohnung auch ein Kfz-Schlüssel für einen Audi gefunden. Auch das Tat-Fahrzeug war ein Audi.

Der vorläufig Festgenommene bestätigte, dass die Jacke ihm gehöre, auch das Basecap, das ebenfalls in der Wohnung gefunden wurde und das zuvor ebenso am Tatort gesehen wurde. Später gab er außerdem zu, dass sein Führerschein gefälscht ist. Doch von der Entführung wisse er nichts – und das, obwohl er an der Unterkunft, in der das Opfer festgehalten worden ist, fotografiert wurde.

Anträge auf Haftentlassung

Nach dieser Zeugenvernehmung stellt der Verteidiger des Angeklagten Thomas B. Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten, da dieser von Anfang an geständig war, er an der Aufklärung des Verbrechens mitgeholfen habe und er außerdem in guten sozialen Verhältnissen lebe. Es sei ja auch Weihnachtszeit.

Die Staatsanwaltschaft unterstützt diesen Antrag trotz des Tatvorwurfs. Es lägen tatsächlich stabile Verhältnisse vor und seine umfangreichen Einlassungen zur Aufklärung berechtigten die Aufhebung. Daher beschließt das Gericht nun, dass der Haftbefehl ausgesetzt wird, jedoch unter der Auflage, dass sich der Angeklagte zweimal wöchentlich bei der örtlichen Polizei melden muss.

Hiernach stellt der Anwalt von Jan I. ebenfalls Antrag auf Aussetzung des Haftbefehls, insbesondere wegen dessen angeblich geringer Tatbeteiligung, außerdem wegen der schlechten Unterbringungsmöglichkeiten, die dessen Gesundheit schaden würde. Der Staatsanwalt jedoch lehnt diesen Antrag strikt ab, da es keinerlei Geständnis gibt und die Schwere der Tatbeteiligungen noch gar nicht genau feststeht. Zusätzlich habe der Angeklagte insgesamt zwölf Einträge und Vorstrafen in seinem Führungszeugnis, unter anderem wegen schwerer Erpressung. Weiterhin wird ihm derzeit noch unterstellt, dass er enge Verknüpfungen zu den flüchtigen Tätern hat. Dadurch besteht Gefahr, dass er sich dem Prozess entziehen könnte.

Der Rechtsanwalt von Jan I. führt nun wiederum aus, dass sein Mandant seit einem Verkehrsunfall den Geisteszustand eines 15-Jährigen hat. Er legt Atteste vom Juni 2015 vor, die eine Leistungsschwäche und psychische Störungen bescheinigen. Dahingegen führt der Staatsanwalt aus, dass der Angeklagte zehn der zwölf Taten nach seinem Unfall ausgeführt habe. Seine Einschränkungen im Leistungsvermögen und in der Psyche haben also keinerlei Einfluss auf die Durchführung von Straftaten gehabt. Somit sei es auch als gegeben anzusehen, dass es Jan I. schuldfähig ist.

Nach einer Beratungspause des Gerichts wird der Antrag auf Aussetzung des Haftbefehls für Jan I. zurückgewiesen. Weiterhin wird ein ärztliches Gutachten angefordert, in dem der Gesundheitszustand des Angeklagten festgestellt werden soll.

Der siebte Verhandlungstag endet um 15:24 Uhr, weiter geht es am 11. Januar 2017.

Fazit des Tages:

Das Gericht belohnt das Nach-Straftatverhalten. Der geständige Täter Thomas B. bekommt seine Freiheit wieder und der Haftbefehl wird unter Auflagen aufgehoben. Der alles abstreitende und unreuige Täter Jan I. muss im Strafvollzug verbleiben.

Bildmotiv: Landgericht Aurich | Bildquelle: Stefan Bisanz

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