Sechster Verhandlungstag

Auch der heutige Verhandlungstag am 13. Dezember 2016 findet Interesse bei den Journalisten, drei Redakteure sind neben sechs weiteren Zuschauern heute im Saal anwesend.

Weitere Befragung des Opfers

Heute wird zunächst die Befragung des Opfers Heiko L. fortgesetzt. Nachdem zuletzt bereits Richter und Staatsanwalt ihre Fragen gestellt haben, sind heute die verschiedenen Rechtsanwälte der Angeklagten aufgefordert. Unter anderem wird das Opfer gefragt, was ist zum Essen gab und ob er Besteck benutzen durfte. Der Zeuge erinnert sich grob, dass es Gulasch und belegte Brote gab, wahrscheinlich durfte er auch Besteck benutzen.

Sechster Verhandlungstag

Man interessiert sich, was er gedacht hat, als er nach seiner Freilassung Besuch von zwei Tätern in seiner Firma bekommen hat. Zitat Heiko L: „Mein Gott, jetzt geht es wieder los!“ Auf die Frage, ob er denn den Entführern während seiner Geiselhaft Geld für seine Freilassung versprochen hätte, antwortet Heiko L. mit „ja“.

Interessant wird es nun, als bekannt wird, dass Heiko L. in früheren Bedrohungsszenarien im Sinne einer Schutzgelderpressung temporär auch schon mal Personenschutz durch die Polizei bekommen hat. Auch unmittelbar nach seiner Freilassung erhielt das Opfer Personenschutz. Mittlerweile jedoch ist das nicht mehr der Fall.

Einer der Verteidiger befragt Heiko L. nun bezüglich einer Anklage aus dem Jahr 1991 zum Thema Geldwäsche und Waffenschmuggel, worauf der Vernommene nur zu berichten weiß, dass diese Anklage ohne Ergebnis blieb.

Zeugenbefragung

Anschließend wird der Zeuge Chris B., 48 Jahre, Hard- und Software-Entwickler, vernommen. Er hatte im Mai 2015 eine bedrohliche Begegnung, die mit dem Haupttäter Michael K. zusammenhängt.

Gemeinsam mit Michael K. und einer dritten Person führte Chris. B. eine 2010 gegründete Firma, die allerdings nicht so gut lief, weswegen er sich – noch vor Mai 2015 – zurückzog. Im besagten Monat kamen dann zwei bis vier Männer zu ihm und forderten 180.000 Euro, Geld, dass er angeblich Michael K. schuldete. Eine körperliche Bedrohung gab es zwar nicht, allerdings erklärte man ihm, dass man seine Kinder kenne, auch sein Auto sowie die Umgebung um sein Haus.

Der nächste Zeuge war bei dem oben beschriebenen Bedrohungsszenario dabei. Er beteuert jedoch, dass er nur als Dolmetscher vor Ort war. Man sprach ihn in einem Schnellimbiss in Dortmund an und wollte ihn auch für seine Tätigkeit bezahlen, wenn denn Geld beschafft werden konnte. Bei der Einführung von Heiko L. war er jedoch nicht dabei.

Nach diesem Zeugen wird nun Stefanie W., 37 Jahre, aus Leer gehört. Sie sitzt am Empfang der Firma des Opfers Heiko L. und berichtet, dass am 29. April 2016 zwei Männer zu ihr an den Empfang kamen und Heiko L. zu sprechen wünschten. Da dieser nicht im Hause war, hinterließen die Männer einen Zettel mit einer Handynummer. Stefanie W. identifiziert im Gerichtssaal den Angeklagten Jan I. als einen der beiden Männer, der allerdings nicht mit ihr gesprochen habe.

Nachdem als letzter Zeuge des heutigen Verhandlungstages Ernst Rainer J., Polizeihauptkommissar der Autobahnpolizei Leer, gehört worden ist, berichtet das Gericht zunächst, dass Michael K. lebensgefährlich an Leukämie erkrankt ist. Des Weiteren wird die Funkzellenauswertung ausführlich besprochen und erklärt, dass im Nachhinein einzelne Zusammenhänge verschiedener Tätertelefone zueinander herausgearbeitet werden konnten.

Des Weiteren werden drei Telefonmitschnitte der Telekommunikationsüberwachung vorgespielt, auf denen man den Angeklagten Jan I. sprechen hört.

Durch das Anhören der Mitschnitte tritt ein Widerspruch zutage: Angesichts dessen, dass Jan I. behauptet, dass er nur als Übersetzer gewirkt habe, verhandelt er in den Telefonaten sehr selbstständig und spricht sich währenddessen auch nicht mit einem der anderen Täter ab.

Danach endet dieser Prozesstag.

Fazit des Tages:

Trotz jahrelanger Schutzgelderpressung hat das Entführungsopfer Heiko L. sein Sicherheitsverhalten nicht geändert oder überprüft. Obwohl das natürlich nichts an der Schuld der Täter ändert, was das ein extrem fahrlässiges Verhalten!

Wahrscheinlich hätte Heiko L. seine Entführung proaktiv verhindern können, wenn er rechtzeitig entsprechend Rat gesucht hätte. Spätestens bei einer konkreten Bedrohung sollte das Opfer zudem immer auch bedenken, dass Familie oder enge Freunde oder Kollegen theoretisch auch im Fokus der Täter stehen könnten.

Bildquelle: twinlili  / pixelio.de

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