Alle Artikel in Kategorie: Maskenmann-Prozess

Waffenspuren deuten stark auf Täterschaft des mutmaßlichen „Masken-Mannes“

Der 22. Verhandlungstag beginnt mit der Hörung des Zeugen Dr. B. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Investmentfirma von Stefan T. und wird wie jeder andere Zeuge vor ihm belehrt und nach seinen persönlichen Daten wie Alter, Beruf und Wohnanschrift gefragt. Die letzte Frage dient immer der Klärung möglicher Verwandtschaftsverhältnisse mit dem Angeklagten. Der Zeuge Dr. B wendet suchend seinen Blick in den Gerichtssaal, um den Beklagten zu finden.

Mario K. wendet Körper und Blick dem Zeugen zu und meldet sich geradezu. Das ist beachtlich, denn dieses Verhalten zeigte er gegenüber Opfern, die mit dem Täter möglicherweise einen persönlichen Kontakt hatten, nicht.

Waffenspuren deuten stark auf Täterschaft des mutmaßlichen „Masken-Mannes“

Arbeitskollege des Entführungsopfers Stefan T. im Zeugenstand

Der Zeuge kennt Stefan T. seit 1991 und hat mit ihm inzwischen ein gutes Arbeits- und Freundschaftsverhältnis. Er beschreibt die positiven Charaktereigenschaften von Stefan T.

Bei einer Vernehmung am 6. Oktober 2012 durch die Polizei – zu diesem Zeitpunkt war Stefan T. noch entführt – gab der Zeuge an, dass Stefan T. seinem Eindruck nach in den letzten Wochen etwas bedrückt war. Auf die Frage des Gerichts nach einer möglichen Veränderung der Wesenszüge des Stefan T. nach der Entführung, sagte Dr. B., dass dieser sich tatsächlich verändert hat. Seine Offenheit sei zurückgetreten, dafür sei mehr Nachdenklichkeit und Bedrücktheit zu spüren gewesen.

Bei weiteren Fragen der Verteidigung geht es um Geschäftskollegen, um Termineinträge in seinem Kalender, und um das Verhalten in seinem familiären Umfeld.

Sachverständige zur Spurenlage: Patronen und Waffe weisen auf Angeklagten

Nach dieser Zeugenaussage kommen Sachverständige zu Wort. Der erste, Dr. Sven K. (Diplomchemiker), war mit der Untersuchung der Spuren in Bad Saarow betraut und erklärt ausführlich, wie er das Verfahren durchgeführt hat. Der zweite Sachverständige, Dr. Frank B. (Diplombiologe) bewertete ebenfalls Spuren, insbesondere untersuchte er entsprechende Fasern oder auch Haare. Er konnte feststellen, dass die Textilfasern, die an dem beschlagnahmten Kajak festgestellt wurden, mit dem Kaschmirpullover von Stefan T. identisch sind. Sie waren an den Seilen im Bug- und im Heckbereich feststellbar.

Der dritte Sachverständige des heutigen Tages ist Klaus H. vom Bundeskriminalamt aus Wiesbaden. Er ist seit 2005 Sachverständiger für Waffenspuren. In dem verhandelten Fall hat er vier Hülsen sowie Vollmantelgeschosse einer 9 Millimeter Luger untersucht. Im Gutachten stellte er eindeutig fest, dass die vier Hülsen aus den zwei Tatbereichen Bad Saarow und Storkow aus ein und derselben Waffe abgeschossen worden sind. Diese Waffe ist mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit eine Czeska 75. Mit solch einem Waffentyp hat der Beklagte frühere Straftaten begangen und bei seinem Schießsportverein geschossen.

Spurenlage nahezu identisch mit Opfer- und Zeugenaussagen

Nach der Mittagspause werden Videos gezeigt, die Aussagen von Petra P. und Frau E., der Hausangestellten von Petra P., zeigen.

Der Angeklagte schaut sich das Video sehr interessiert an. Sein Verhalten erinnert mich an Menschen, die eine selbstkritische Fehleranalyse durchführen.

Petra P. schaut sich das Video nicht an, sie blickt fortwährend zum Angeklagten. Zu den beiden Videos wird der letzte Zeuge, der Sachverständige Dr. Joachim H. vom Landeskriminalamt aus Eberswalde, gehört. Er sollte Widersprüche herausarbeiten, die zwischen Aussagen und der tatsächlichen Spurenlage aufgekommen sind. Dazu hat Dr. Joachim H. das Geschehen vor Ort in sechs Phasen aufgeteilt:1) Annäherung des Täters, 2) Angriff des Täters, 3) Rangelei mit der Geschädigten, 4) Zurückweichen der Geschädigten, 5) Straucheln und Sturz der Geschädigten sowie des Täters und 6) Flucht der Geschädigten. Er schließt mit der Feststellung, dass es eine weitgehende Übereinstimmung der Aussagen mit der Spurenlage gibt, geringe Abweichungen entsprechen einer tattypischen Wahrnehmungsstörung.

Doch dazu möchte der Verteidiger Axel W. vom Sachverständigen wissen, wie er sich den Zeitunterschied erklärt, den Petra P. als Tatzeit nannte (22:10 Uhr), im Gegensatz zur genannten Tatzeit der Haushälterin Frau E., deren Aussage um fünf Minuten abweicht (22:05 Uhr). Axel W. sieht hierin einen maßgeblichen Widerspruch. Der Sachverständige erklärt dazu, dass sich die beiden Frauen wahrscheinlich in der Ablesezeit etwas geirrt haben. Nachdem schon etliche Fragen gestellt worden sind, zweifelt der Verteidiger Axel W. nach Erhalt dieser Antwort die Sachkunde des Sachverständigen an.

Dies ist das Schicksal vieler Sachverständiger vor Gericht: Gereicht eine Aussage für eine der beiden Parteien zum Nachteil, so wird oft unverzüglich der Sachverständige für inkompetent gehalten.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Hohes Medieninteresse: Sohn des Entführungsopfers im Zeugenstand

Das Interesse der Medien am 21. Prozesstag, dem 4. September 2014, ist enorm. Es sind zwei Fernsehteams und acht Vertreter der Printmedien anwesend. All das hat nur einen einzigen Grund: Heute wird Ricardo T., der Sohn des Entführungsopfers Stefan T., gehört. Er musste am Tag der Entführung, dem 5. Oktober 2012, als damals erst Zehnjähriger seinem Vater auf Befehl des Täters die Hände auf dem Rücken fesseln.

Zwölfjähriger antwortet über Video aus dem Nebenraum

Er hat die gesamte Entführungsszenerie vor Ort miterlebt. Um der besonderen Situation des jetzt Zwölfjährigen gerecht zu werden, wird eine audiovisuelle Vernehmung durchgeführt. Ricardo T. sitzt im Beratungszimmer neben dem Gerichtssaal, und von dort aus wird eine Live-Kamera- und -Audiosequenz gesendet. Er erhält Beistand durch seinen Bruder Carlo T. Auch Frau Sabine T., die Mutter von Ricardo T., ist heute anwesend und sitzt im hinteren Teil des Zuschauerraums. Sie wird von zwei jungen Frauen begleitet, wahrscheinlich die Schwester des Zeugen und die Freundin des Bruders.

Hohes Medieninteresse: Sohn des Entführungsopfers im Zeugenstand

Als der Angeklagte Mario K. den Gerichtssaal betritt, schaue ich zu Frau Sabine T. Ihr Gesichtsausdruck verdunkelt sich und man kann eine Spur von Ekel ablesen. Ein Moment, indem sie, nach ihrer Wahrnehmung, die Anwesenheit des Täters erneut erdulden muss, diesmal im Gerichtssaal.

Bevor die audiovisuelle Vernehmung beginnen kann, besteht der Verteidigeranwalt Axel W. darauf, dass auch Carlo T. im Bild zu sehen ist. Er befürchtet, dass er auf die Antworten von Ricardo T. ansonsten ungesehen Einfluss nehmen könnte.

Es steht ja nach wie vor die Behauptung des Verteidigers Axel W. im Raum, dass die Entführung überhaupt nicht stattgefunden hat.

Der Vorsitzende Richter befragt Ricardo T. zum Tagesablauf vor der Tat sowie zum eigentlichen Tatablauf. Zusätzlich möchte das Gericht wissen, was der Vater, Stefan T., seinem Sohn von der Tat erzählt hat. Inhaltlich haben wir das nun zu Hörende auch schon von anderen Zeugen vernommen, sodass hier keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen werden können.

Zwischendurch wird dem zwölfjährigen Ricardo T. ein Messer gezeigt, welches dem Tätermesser ähnlich sein soll. Ricardo T. nimmt das Messer in die Hand und beschreibt das Messer, welches er bei der Tat gesehen hat. Es bestätigt, dass das ihm vorgelegte Messer der Tatwaffe tatsächlich ähnlich ist.

Ich empfinde diese Szenerie als durchaus grenzwertig.

Nachdem das Gericht seine Vernehmung beendet hat, fragen die Staatsanwältin und der Rechtsanwalt des Vaters jeweils mit einer Frage noch mal nach. Danach ist die Verteidigung an der Reihe. Auch Axel W. möchte noch einige Details genauer erklärt bekommen. Er fragt den zwölfjährigen Zeugen 23 Fragen. Danach ist die Zeugenvernehmung von Ricardo T. um 10:31 Uhr beendet.

Schon vor der Vernehmung dieses Zeugen haben sich die Zuschauer die Frage gestellt, ob der Zeuge Ricardo T. glaubwürdig ist. Die Personen in den Reihen vor und hinter mir haben dies überwiegend positiv beantwortet. Auch ich habe diesen Aspekt für mich geprüft und glaube an die korrekte Aussage von Ricardo T. Gestik und Mimik sind hierzu eindeutig, seine Hände und Arme haben während seiner Aussage dasselbe gesprochen wie sein Mund, alles war zu 100 Prozent synchron. Das ist bei einer bewussten Falschaussage oder einer einstudierten Antwort kaum möglich.

Tätermotivation: Entführung und Erpressung als Altersvorsorge

Im weiteren Verlauf des Prozesstages werden als Zeugen der Kriminalhauptkommissar (KHK) Herbert L. und der KHK Gerald Sch. gehört, beide aus Frankfurt (Oder). Sie gehörten zur Führungsgruppe der SOKO Imker.

Die jeweiligen Anwaltsparteien stellen unter anderem Fragen zu den Einzelaufgaben der beiden Beamten, aber auch zu weiteren Ermittlungen und zu anderen möglichen Verdächtigen. Der Zeuge Gerald Sch. glaubt, dass Stefan T. tatsächlich zwei Tage entführt war. Maßgeblich waren für ihn dabei die Stimmungsschwankungen zwischen Euphorie und Nachdenklichkeit. Zu einer möglichen Tätermotivation kann er berichten, dass Stefan T. ihm erzählt hat, der Täter habe ihm gesagt: „Früher hat Geld keine Rolle für mich gespielt, aber heute muss ich an Altersvorsorge und Familie denken.“

Bildquelle: Stefan Bisanz

Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit

Zu Beginn des 20. Verhandlungstages am 1. September wird ein Schlauch (Spur 4.01) in Augenschein genommen, der am Ablageort von Stefan T. gefunden wurde. Mit diesem Schlauch sollte Stefan T. Wasser aus dem See trinken können. Ein Ende befand sich im Wasser, das andere Ende wurde durch eine Verklebung in den Mund des Opfers gesteckt. Alle Beteiligten sind sehr interessiert, sich diesen Schlauch ganz genau anzuschauen.

Weiter gibt das Gericht bekannt, dass die Anzahl der Verhandlungstage erhöht werden müsse, so dass bis einschließlich 18. Dezember 2014 verhandelt werden wird.

Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit

Arbeitsweise und -ergebnisse der SOKO Imker

Am heutigen Verhandlungstag können alle neun vorgeladenen Zeugen auch tatsächlich vernommen werden. Der Fragemarathon der beteiligten Parteien bleibt dabei auf einem Normalmaß. Wie bereits am letzten Prozesstag handelt es sich bei den Zeugen ausschließlich um Polizeibeamte der SOKO Imker, die für den Fall des „Maskenmannes“ zuständig war.

Diese nahmen an unterschiedlichen Polizeimaßnahmen teil, unter anderem bei den Opferfamilien, bei der Wohnungsdurchsuchung bei der Schwester des Beschuldigten und in einer ehemaligen WG, in der Mario K. ein Zimmer bewohnte. Bei der Durchsuchung wurden unter anderem Zelte, ein tarnfarbener Schlafsack, ein Fernglas, ein Nachtsichtgerät und auch Stadtpläne entdeckt. Auffällig war außerdem, dass auch Theaterschminke gefunden wurde.

Des Weiteren waren einige der zu hörenden Beamten bei der Rekonstruktionsfahrt mit dem Kajak auf dem See eingesetzt. Hier wurde die Verbringungsstrecke zwischen dem Seegrundstück von Stefan T. und der Ablageinsel nachgefahren. Diese Strecke war 1.630 Meter lang und wurde ohne Belastung in einer Zeit von 16 Minuten zurückgelegt. Unter Belastung – das Opfer wurde nach eigenen Worten mit einer Luftmatratze vom Täter gezogen – dauert die Fahrt 38 Minuten. Diese Zeitangabe musste jedoch hochgerechnet werden, da aufgrund der ungeeigneten Versuchskonstruktion nach 700 Metern die Strecke nicht mehr wie beschrieben zu fahren war.

Auch der Fluchtweg von der ca. 2 qm großen „Opferinsel“ zum Knüppeldamm wurde durch die Beamten in einer Rekonstruktion nachgegangen. Hier wurde das Augenmerk darauf gelegt, ob sich Beamte verletzt hätten oder nicht. Die Verteidigeranwälte behaupten, dass dieser Weg nicht ohne Verletzung oder Schrammen gegangen werden kann. Doch bisher hat sich bei keinem der Rekonstruktionsgänge irgendein Beteiligter verletzt.

Die Staatsanwaltschaft bringt in den Prozess ein, dass die Beamten der SOKO Imker auch in andere Verdachtsrichtungen ermittelt haben. So wurde gegen weitere Verdächtige ermittelt, aber aus unterschiedlichen Gründen (z. B. Alibi) wurden diese wieder eingestellt. Ein Polizeibeamter wurde damit beauftragt, eine Stimmaufzeichnung von Mario K. zu erstellen. Dazu wurde ein Termin des Beschuldigten beim Jobcenter in Berlin-Lichtenfeld genutzt. Später sollte dann die aufgenommene Stimme des Beschuldigten durch das Opfer aus zehn Vergleichsstimmen, die von Polizeibeamten stammten, herausgehört und identifiziert werden. Die Auswahl der Polizeibeamten erfolgte über deren regionale Zugehörigkeit. Der Anwalt Axel W. merkt an, dass die Vergleichsstimmen ausschließlich im Vergleich zu dem damals verdächtigen Mario K. ausgesucht worden sind. Da es aber auch Zeugen gab, die ausgesagt haben, dass der Täter Hochdeutsch spricht, wäre es wohl auch nötig gewesen, im Vergleich Hochdeutsch sprechende Stimme zu hören.

Ein weiterer Beamter beschäftigte sich mit der Zugehörigkeit des Beschuldigten zum Schießverein. Die Unterlagen ergaben, dass er circa 30 Schießtermine mit jeweils 50 oder 100 abgegebenen Schüssen hatte. Die Schießaufsicht vor Ort konnte bezeugen dass Mario K. zwar ein sehr ehrgeiziger, aber kein guter Schütze war. Ob bei den Schießtrainings Munition entwendet wurde, konnte nicht festgestellt werden. In den Zeiten vor den jeweiligen Taten wurde der Beschuldigte nicht beim Schießtraining gesehen.

Auch zur Briefmarke, die auf dem Lösegeldbrief aufgebracht war, wurde durch die Polizei ermittelt. Der Verteidiger Axel W. bringt hierzu ein, dass die Marke „600 Jahre Universität Leipzig“ für 0,55 Euro in zwei Ausführungen hergestellt worden ist: Die zu benetzende Ausführung wurde neun Million Mal hergestellt, die selbstklebende Ausführung über 903 Millionen Mal.

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

Polizeibeamte im Verhör

Heute sind neun Polizeibeamte zur Vernehmung bei Gericht geladen. Tatsächlich können aus Zeitgründen nur vier vernommen werden. Ich möchte kurz erläutern wie es zu diesen Umständen kam. Beispielhaft benenne ich den ersten Zeugen, einen Polizeibeamten aus Potsdam.

Nur um den Lesern mal einen Eindruck dieser Vernehmung mitzugeben, will ich im Folgenden ein paar Fakten nennen: Die Befragung dieses Zeugen beginnt um 9:44 Uhr und endet um 12:08 Uhr, genau 2 Stunden und 24 Minuten. Das Gericht fragt naturgemäß als erstes und benötigt dafür 38 Minuten. Danach sind Staatsanwaltschaft, Nebenkläger und der psychologische Gutachter an der Reihe. Diese Gruppe benötigt 19 Minuten. Die restliche Zeit von 1 Stunde und 27 Minuten wird durch die Verteidiger Axel W. und Christian L. genutzt. In dieser Zeit werden durch die Verteidiger des Beschuldigten 279 Fragen an den Zeugen gestellt.

Polizeibeamte im Verhör

Erstkontakt zum mutmaßlichen „Maskenmann“

Inhaltlich kommen wir nun zu dem besagten ersten Zeugen der Polizei, Maik R. aus Potsdam. Er hatte an einem Sichtungstraining teilgenommen, durchgeführt durch Prof. Dr. Heubrock aus Bremen. Dieser hatte zehn Beamte in Vernehmungstechnik und -taktik gecoacht. Das Coaching fand mehrere Monate vor der eigentlichen Festnahme des mutmaßlichen „Maskenmannes“ statt und hatte den Sinn, unter diesen zehn die besten drei Vernehmungsbeamten herauszufinden. Maik. R. war einer von diesen und hatte am Tag der Festnahme des Beschuldigten, am 17. September 2013, die Aufgabe, der erste Vernehmungsbeamte zu sein.

Er traf fünf Minuten nach der Festnahme durch ein SEK in Berlin-Köpenick auf Mario K. Anschließend fuhr er mit dem Festgenommenen von Berlin nach Eberswalde, wo die weiteren Verfahrensschritte durchgeführt werden sollten. Auf dieser Fahrt, so war sein Auftrag, sollte er eine gute Gesprächsatmosphäre und einen Zugang zu Mario K. finden. Maik R. belehrte ihn ordnungsgemäß und las ihm den Haftbefehl vor. Mario K. war sehr daran interessiert, was ihm denn konkret vorgeworfen werde.

Der Polizist erläuterte ihm, dass es nicht einen einzelnen Punkt gibt, sondern dass ihn das Gesamtbild zum Hauptverdächtigen gemacht hat. Mario K. gab daraufhin an, dass er mit den Tatvorwürfen nichts zu tun hätte. Auf die jeweiligen Vorwürfe reagierte er unterschiedlich. Als Maik R. ihm mitteilte, dass sowohl eine DNA-Spur auf einer Decke am Ablageort des Opfers Stefan T. gefunden wurde, und diese Decke von einem Gelände stammt, welches sich 600 Meter von seinem letzten Wohnort befindet, beunruhigte dies Mario K, sehr. Mario K. war in diesem Gespräch auf der Fahrt zur Polizeistation Eberswalde sehr konzentriert und versuchte, die Vorhaltungen dahingehend auszutarieren, inwieweit sie ihm zum Nachteil gereichen könnten.

Die Nebenklägervertreter fragen den Zeugen, ob er denn glaubt, dass Mario K. der Täter sei. Diese Frage beantwortet er sehr eindeutig und gibt bekannt, dass Mario K. in seiner Aussage bezüglich des Zeltens gelogen hat. Er ist davon überzeugt, dass Mario K. der Schuldige ist.

In Bezug auf das Zelten war es nämlich so, dass Mario K. mehrere Monate vor seiner Festnahme in unterschiedlichen Lagern um Berlin herum gezeltet hatte. Bei seiner Vernehmung gab er aber an, dass es sich nur um ein paar Tage gehandelt habe. Zu dieser Lüge muss es auch ein Motiv geben.

All dies trägt der Zeuge außerordentlich korrekt, ruhig und sachlich vor. Danach sind die Verteidiger des Beschuldigten an der Reihe.

Unter ihren vielen Fragen geht es auch darum, ob denn der festgenommene Mario K. im Auto auch angeschnallt war. Und warum man ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt hat und nicht im Schoß. Viele Fragen werden doppelt und dreifach gestellt, das merkt auch der Zeuge – und wiederholt dennoch seine Antworten. Dabei wird er des Öfteren unterbrochen, so dass er den Anwalt auffordert, ihn doch bitte ausreden zu lassen. Ansonsten zielen die meisten Fragen auf das Gespräch im Fahrzeug. Der Verteidiger Christian L. interessiert sich insbesondere für den Werdegang des Polizisten und in welchem Umfang er Vernehmungstrainings absolviert hat.

Als der Zeuge über die genaue Situation der Belehrung und des Vorlesens des Haftbefehls aussagt, reagiert der Beschuldigte, indem er sich zum Zeugen wendet und einen aggressiven Gesichtsausdruck annimmt. Er spricht lautlos einen langen Satz in Richtung des Zeugen. Dieses wird weder durch das Gericht, noch durch seine beiden Anwälte wahrgenommen.

Natürlich hat die Aussage dieses Zeugen aus Sicht des Beschuldigten einen negativen Effekt.

Im Anschluss wird ein weiterer Polizeibeamter befragt. Er war der Fahrer des Fahrzeuges, mit dem Mario K. vom Festnahmeort in Berlin-Köpenick zur Polizeistation nach Eberswalde verbracht wurde. Ihm war aufgefallen, dass der Festgenommene sehr entspannt war, ruhig und besonnen. Das hat ihn sehr gewundert, weil Mario K. fünf Minuten vorher immerhin durch ein SEK überwältigt worden war.

Mario K.: „So lange klebt ihr mir schon am Arsch, …“

Nachdem Mario K. unter anderem eröffnet wurde, dass er schon etliche Monate durch die Polizei observiert worden war, antwortete er: „So lange klebt ihr mir schon am Arsch, das habe ich gar nicht mitbekommen.“ Bei den weiteren vorgetragenen Vorwürfen sagt Mario K. einmal: „Nicht ich, sondern der Täter hat das getan.“ Diese Aussage sollte sicherlich nochmals seine Unschuld bekräftigen.

Die Verteidiger von Mario K. interessieren sich nun für den Umstand der Einsatzvorbereitung und der Verbringung, insbesondere ob die Fahrroute vorgegeben war oder das Navigationsgerät im Fahrzeug entsprechend genutzt wurde.

Weitere Befragung der Polizeibeamten

Im weiteren Verlauf des Nachmittages wird noch eine Polizeibeamtin aus Frankfurt (Oder) vernommen. Sie war in diesem Fall an mehreren Teileinsätzen der Sonderkommission Imker beteiligt. Unter anderem hat sie am Tag nach der Entführung von Stefan T. den Sohn Ricardo T. vernommen. Dieser machte dabei erst einen gefassten Eindruck, weinte zwischendurch aber auch bitterlich. In diesem Zusammenhang fragt der Vorsitzende Richter, ob sie glaube, dass Ricardo T. geschauspielert hat. Dies beantwortet die Zeugin mit einem klaren Nein; da sie auch Mutter sei, wäre ihr das aufgefallen. Sie schildert, dass Ricardo T. große Angst um seinen entführten Vater hatte.

Des Weiteren war sie bei der Hausdurchsuchung der Schwester von Mario K. im Einsatz. Der Nebenklägervertreter Dr. Jakob D. befragt die Zeugin bezüglich einer möglichen spontanen Äußerung zu Beginn der Durchsuchung. Da die Schwester ein umfangreiches Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen hat, aber spontane Äußerungen trotzdem durchaus erlaubt sind, gibt es ein kleines Wortgefecht zwischen den Parteien Verteidigung und Nebenklägervertreter.

Schlussendlich erlaubt ein Gerichtsbeschluss die Antwort nicht, sodass die Äußerung der Schwester nun nicht im Prozess und zur Wahrheitsfindung verwendet werden kann.

Bei der Rekonstruktion des Fluchtweges von Stefan T. war die Polizeibeamtin als Einsatzleiterin vor Ort. Einer der ihr unterstellten Beamten hat das Opfer Stefan T. gespielt und ist den möglichen Weg wie das Opfer vom Ablageort zum Knüppeldamm gegangen. Hierzu möchte das Gericht wissen, ob dieser Beamte sich Verletzungen oder Schrammen zugezogen hat. Dieses wird eindeutig durch die Zeugin verneint.

Der Verteidigung geht es im Folgenden auch um einen Hinweis während der Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Hier hat ein Schichtleiter der Firma Pont Security aus Darmstadt per Telefon mitgeteilt, dass er vor circa drei Jahren eine Rundmail in der Firma gelesen hat, in der stand, dass in Berlin zehn Pistolen der Marke Ceska mit passender Munition gefunden worden seien. Darüber hinaus geht es um eine am 31. Oktober 2011 auf dem Handy eingegangene SMS von Christian P. Diese Nachricht wurde von dem allseits bekannten VIP-Bodyguard Ahmad Mohammed an Christian P. gesendet. Er teilt ihm darin mit, dass er seine Leute informiert habe, sie möchten sich umschauen, und bei eingehenden Informationen, werde er Christian P. darüber in Kenntnis setzen. Ein Kontakt zwischen Ahmad Mohammed und der Familie P. besteht dadurch, dass er Mieter im Europacenter ist.

Mit diesen Fragen und Informationen endet der Prozesstag am Nachmittag.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Im Fokus: Die Kriminaltechnische Untersuchung

Am heutigen Prozesstag wird der Beschuldigte nicht durch Axel W. vertreten, sondern durch Frau Naila W., von der wir später noch mehr lesen werden.

Die erste Zeugin des Tages ist die Polizeibeamtin L. der Polizeidirektion Ost aus Frankfurt (Oder). Sie war am 22. August 2011 mit der KTU bei Petra P. beschäftigt. Überdies ist sie mit einem Kollegen den Fluchtweg von Stefan T. vom Ablageort bis zum Knüppeldamm abgegangen. Sie berichtet, wie viele andere vor ihr auch, dass sie sich keine Verletzungen zugezogen habe, auch ihr Kollege nicht, der wesentlich größer und schwerer als sie ist. Auch war sie in einer Gruppe mit weiteren Beamten bei einer Wohnungsdurchsuchung der Exfrau des Beschuldigten eingesetzt. Hierbei wurden im Keller einige Sachen sichergestellt, die laut Aussage ihres Lebenspartners, Herrn W., dem Beschuldigten gehörten. Dies waren unter anderem einen Tarnanzug aber auch Pinzetten, wie sie der Zeuge Stefan T. beschrieben hat.

Im Fokus: Die Kriminaltechnische Untersuchung

Der Beschuldigtenanwalt Christian L. interessiert sich vor allem für die Aufgaben der Zeugin und fragt, ob sie als Qualifikation für die Arbeit bei der KTU einen technischen Hintergrund habe, oder ob sie nur eine normale Polizistin sei. Des Weiteren interessiert ihn unter anderem, welche Feststellungen sie bei der Nachverfolgung des Fluchtweges von Stefan T. getroffen hat. Frau L. berichtet, dass sie Reste eines silbernen Klebebands auf dem Weg gefunden habe, wie es der Zeuge Stefan T. erwähnt hat.

Anschließend wird ein weiterer Zeuge, der Polizeibeamte und KTU-Mitarbeiter Dirk S., ebenfalls von der Polizeidirektion Ost Frankfurt (Oder) gehört. Seine Aufgabe war es nicht zuletzt, mögliche ehemalige Wohnsitze des Beschuldigten abzusuchen. Insbesondere bei einer ehemaligen Wohnung, die bereits gekündigt war, fiel ihm auf, dass sie komplett leer geräumt und sehr, sehr gründlich gereinigt wurde, wahrscheinlich mit einem Chlorreiniger. In seinen Augen war das für einen normalen Auszug ungewöhnlich.

Nach der Mittagspause sagt der Zeuge Michael H. aus, Kriminalbeamter der Polizeidirektion Ost Frankfurt (Oder) und ebenfalls Mitarbeiter im Bereich der KTU. Er wird vorwiegend zur Körperlänge des Täters vernommen. Hierzu gab es bei dem Opfer Petra P. eine Rekonstruktion, in der Michael H. den Täter spielte. Petra P. sagte bei der Rekonstruktion aus, dass er größer sei als der Täter, obwohl er 1,79 Meter groß ist, der Beschuldigte aber 1,84 Meter.

Danach darf auch die Rechtsanwältin des Beschuldigten, Naila W., ihre Befragung durchführen. Sie hat eine ähnliche aktive Fragerhetorik wie ihre beiden Kollegen. Auch sie ist bemüht, dem Zeugen „Worte in den Mund zu legen“.

In einer Pause, die ich in der Cafeteria des hiesigen Landgerichts verbrachte, habe ich unbeabsichtigt das Gespräch am Nebentisch mithören können. Hier erklärte ein Verteidiger seinem Mandanten – die beide nichts mit dem „Maskenmann“-Prozess zu tun haben –, dass die wichtigste Aufgabe des Verteidigers sei, den Vorsitzenden Richter vom Wesentlichen abzulenken. Ich sehe zwar im Hinblick auf den „Maskenmann“-Prozess keine Gefahr in dieser Hinsicht, interessant ist die Aussage aber alle Mal.

Es werden nun noch sehr viele Fragen an Michael H. gestellt in Bezug darauf, wie sich der Zeuge auf seine Aussage vorbereitet hat, wie die Täterbeschreibung von Frau Petra P. ihm gegenüber ausgesehen hat, und ob es auch weitere Verdächtige gab. Bei der letzten Frage ging es vornehmlich um Nicolas N., einen Metallbauer, der zwei Tage vor der Tat an der Garage der Familie P. gearbeitet hat. Doch zu Nicolas N. kann der Zeuge nichts aussagen. Auch nachdem ihm ein Foto des besagten Metallbauers gezeigt wurde, hat er hierzu keine Erinnerung.

In der weiteren Befragung Michael H.s durch die Verteidigung geht es auch um einen Einsatz des Zeugen am 6. Oktober 2012, im Haus der Familie T. Der Zeuge hat die erste Vernehmung von Frau T. durchgeführt. Er wird nach Kenntnissen zur Stimme und zum Aussehen des Verdächtigen gefragt.

Ferner wird nun auch nach Telefondaten und Verbindungsprotokollen der Handys von den Opfern Frau und Herr T. gefragt. Hierzu gibt es Unstimmigkeiten, da die Daten auf den Handys nicht die Nummern anzeigen, die gemäß ihren Aussagen zu sehen sein müssten. Außerdem ist der Verteidigung nicht klar, warum dieser Zeuge die erste Vernehmung der Frau T. durchgeführt hat, obwohl er nicht der eingeteilte Opferbetreuer war und auch keine genaue Einweisung in den Fall erhalten hatte. Hierzu fragt Dr. Panos P., der Nebenklägervertreter von Stefan T., nach und stellt die korrekte Durchführung der Vernehmung fest. Dies bestätigt der Zeuge eindeutig.

Der Angeklagte Mario K. und sein Verteidiger Axel W. sitzen zwei Stühle auseinander. Als Axel W. Mario K. etwas sagen will, winkt er ihn mit einer Handbewegung zu sich her. Mario K. folgt sofort ganz brav.

Es werden schließlich noch zwei weitere Zeugen der Polizei Fürstenwalde gehört, diese Aussagen führen zu keinen weiteren Erkenntnissen.

Bildquelle: Peter Hebgen  / pixelio.de

Ende der Sommerpause im„Maskenmann“-Prozess

Nach der Sommerpause im „Maskenmann“-Prozess ist das Medieninteresse wieder etwas angestiegen: Es sind insgesamt neun Vertreter der Printmedien und ein TV-Team anwesend, dazu circa zehn Zuschauer.

Um 9:30 Uhr eröffnet das Gericht den Verhandlungstag. Alle bislang am Prozess Beteiligten Parteien sind wieder anwesend. Der Vorsitzende Richter gibt bekannt, dass in den letzten Wochen im Spandauer Forst eine Kiste mit verrosteten Waffen gefunden wurde. Darunter auch eine Ceska-Pistole. Mit diesem Pistolentyp wurden die Verbrechen des „Maskenmannes“ ausgeführt. Eine Überprüfung der gefundenen Waffen ergab allerdings keinen Zusammenhang zu den Taten.

Fehler der Staatsanwaltschaft

Dann soll mit der ersten Vernehmung des Tages begonnen werden, erwartet wird die Befragung der Zeugin H. Sie ist die letzte Ex-Frau von Mario H., bei der er zum Tatzeitpunkt auch gewohnt haben soll. Jedoch beendet ein Fehler der Staatsanwaltschaft die Befragung unfreiwillig, noch bevor dieselbe begonnen hat: Sowohl den Nebenklägervertretern, als auch den Verteidigern wurde ein TKÜ-Protokoll nicht rechtzeitig vor dem Prozesstag übereignet und es ist auch nicht in den Akten vermerkt, das heute ausgegeben wurde. Gegen die Vernehmung der Zeugin wird daher durch die Verteidigung Einspruch eingelegt. Die Zeugin wird entlassen und zu einem neuen Termin im September geladen.

Ende der Sommerpause im„Maskenmann“-Prozess

Mit der Zeugin, aber auch mit ihrem aktuellen Lebensgefährten, der in der letzten Reihe des Zuschauerraums sitzt, tritt der Beschuldigte Mario K. in eine für ihn ungewöhnliche nonverbale Kommunikation. Er lächelt die Zeugin freundlich an, zwinkert ihr sogar zu. Als der aktuelle Lebensgefährte den Saal verlässt, streckt er den rechten Arm mit geballter Faust in die Höhe und ruft dem Beschuldigten zu: „Alles Gute!“

Dies ist eine sehr ungewöhnliche Reaktion des Beschuldigten. Will er durch diese Aktionen die Zeugin freundlich stimmen, weil sie maßgebliche Hinweise zu seinen Lasten geben könnte?

Erneute Befragung des Opfers Stefan T.

Um 10:29 Uhr wird dann ein weiteres Mal das Entführungsopfer Stefan T. als Zeuge gehört. Die Befragung wird durch den Verteidigeranwalt Axel W. fortgeführt. Er beginnt seine Befragung mit der Einlassung, dass er nur wenige Fragen an den Zeugen hat. Doch am Ende wird die Befragung mehr als eine Stunde gedauert haben und der Verteidiger ist immerhin knapp 100 „wenige“ Fragen losgeworden.

Es geht ihm in den sehr detailreichen Fragen vor allem um die Verbringung des Opfers vom Haus bis zum Boot am See. Im Großen und Ganzen werden aber keine neuen Erkenntnisse ans Tageslicht gebracht.

Auffällig ist allerdings, dass die Fragerhetorik darauf zielt, Stefan T. in Widersprüche zu verwickeln. Doch Stefan T. antwortet heute deutlich gelassener und souveräner, als in seinen vorherigen Vernehmungen.

Wie an früheren Prozesstagen auch, schaut der Beschuldigte Mario K. das Opfer Stefan T. nicht an, vermeidet absolut jeden Blickkontakt, schreibt aber viel mit.

Kritik an Tatortbesichtigung

Nach der Mittagspause werden zwei DVDs angeschaut, die die Tatortbesichtigung am 02. Juli 2014 wiedergeben. Die Filme zeigen, wie der Weg des Opfers vom Ablageort zum Knüppeldamm nachgegangen wird. Dabei sollte festgestellt werden, ob sich die Beamten verletzen würden. Hintergrund dessen: Die Verteidiger wunderten sich, dass sich das Opfer Stefan T. bei seiner Flucht keine Verletzung zugezogen hat.

Auch der Nebenklägervertreter von Louisa P. hat diese Tatortbesichtigung begleitet und teilt im Prozess mit, dass er sich ebenfalls nicht verletzt hat, obwohl er einen schwierigeren Weg gegangen ist als die Polizei. Verteidiger Axel W. kritisiert gegenüber dem Gericht, dass der Auftrag des Gerichtes nicht erfüllt worden sei. Die Polizei sei die falsche Strecke gegangen und auch der Ablageort des Opfers und die Täterinsel wären nicht genauestens untersucht worden. Bemerkenswert sei auch, dass für das Personal der KTU (Kriminaltechnischen Untersuchung) ein Steg gebaut worden ist, der genau auf der Täterinsel endet. So sei es im Nachhinein schwierig, sich einen genauen Überblick zu verschaffen.

Über die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, den Steg genau auf der Täterinsel enden zu lassen, dürfte wirklich intensiv nachgedacht werden. Es entsteht der starke Eindruck, dass die Videos und die Tatortbesichtigung nicht zweckmäßig waren.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Frühere Urteile bestätigen: Angeklagter ist kriminell und gewalttätig

Am heutigen Prozesstag, dem 16., merkt man allen Beteiligten an, dass sie die nun folgende Urlaubspause herbeisehnen. Der Richter hatte wohl vorsorglich nur drei Zeugen geladen und nach Anhörung dieser die Verlesung der vorherigen Urteile des Angeklagten anberaumt.

Auch der Verteidiger lässt sich heute durch eine Kollegin vertreten. Von den Nebenklägern ist lediglich Petra P. anwesend. Aber der Reihe nach.

Lügen: Gefängnis statt Griechenland

Zunächst liegen dem Gericht nun die Leistungsakten vom Jobcenter Berlin-Lichtenberg vor. Ordnungsgemäß werden diese an die Prozessbeteiligten übergeben.

Frühere Urteile bestätigen: Angeklagter ist kriminell und gewalttätig

Anschließend wird die Antwort auf eine Anfrage an Interpol Griechenland verlesen. Offensichtlich war angefragt worden, ob sich Mario K. an verschiedenen Orten in Griechenland aufgehalten hatte. Die Antwort verneinte dies sehr deutlich. Sowohl bei den benannten Adressen, als auch bei anderen Quellen konnte im Zusammenhang mit Mario K. nichts ermittelt werden.

Nun wird die erste Zeugin gehört. Diese wurde von Mario K. beim Fahrradfahren an einer roten Ampel angesprochen, was im Austausch der Telefonnummern endete. Fünf Tage später rief Mario K. die Dame an, und am selben Tag verabredete man sich auf einen Kaffee. Dieses Kaffeetrinken endete wiederum damit, dass die Dame mit den Worten „Ich geh’ dann mal zum Sport.“ aufbrach, worauf Mario K. erwiderte, er hätte sich den Abend anders vorgestellt.

Das Auftreten der Dame und der „Modus Operandi“ des Ansprechens lässt erneut darauf schließen, dass K. über eine ordentliche Portion Selbstbewusstsein verfügt. Teilweise wirkt das widersprüchlich, wenn man sich seine früheren Taten und deren Begehung vor Augen führt.

Bei der Befragung können keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden. Auch dieser Dame hat Mario K. erzählt, dass er fünf Jahre im Ausland gelebt habe, und jetzt wieder zurück sei, weil das Geld knapp geworden wäre. Er habe einen Job als Dachdecker und lebe bei einem Freund, sei aber derzeit auf Wohnungssuche. Die Frau schilderte, dass sie bei der Angabe „fünf Jahre im Ausland“ das Gefühl hatte, Mario K. sei im Gefängnis gewesen. Wie sie zu diesem Gefühl kam, konnte sie nicht beschreiben, es „sei halt ein Gefühl“. Mario K. sagte ihr gegenüber auch, dass er mit einer zweiten Person krumme Sachen gemacht habe, wobei es um eine größere Summe ging. Was genau sagte er nicht.

Die Vertreter von Mario K. fragen nun die Zeugin, wie denn die Polizei auf sie gekommen sei. Die Zeugin gibt an, sie sei von der Polizei angerufen und gefragt worden, ob sie am Wochenende ferngesehen habe (hier wurden wohl Bilder der Festnahme gezeigt). Die Zeugin verneinte. Dann fragte man sie, ob sie einen Mario kenne. Die Zeugin kennt mehrere Marios und konnte die Frage nicht klar beantworten. Nun eröffnete die Polizei, dass die Nummer der Zeugin im Handy des Maskenmannes gefunden worden sei und man sich gerne mit ihr unterhalten würde. Dem willigte die Zeugin ein und erschien auf einem Polizeirevier.

Auch hier darf in Frage gestellt werden, ob die geschilderte Art ein professioneller Ermittlungsansatz ist. Eine Zeugenbefragung sollte immer persönlich geführt werden, und der Zeuge sollte unvoreingenommen in die Vernehmung gehen. Ein derartiges Verhalten am Telefon vor der eigentlichen Vernehmung gefährdet jeglichen Wahrheitsgehalt der Aussage, weil es der Zeugin unmöglich ist, unbefangen in die Vernehmung zu gehen.

Der zweite Zeuge ist ein ehemaliger Arbeitskollege von Mario K. Beide arbeiteten für das gleiche Dachdeckerunternehmen. Auch dem Kollegen hat Mario K. die Geschichte vom Ausland erzählt, hier benannte er aber als konkreten Aufenthaltsort Kreta. Ansonsten sei Mario K. sehr zuverlässig, pünktlich und stets höflich gewesen. Der Zeuge kann sich erinnern, dass Mario K. Knieprobleme hatte und die Firma um entsprechende Knieschoner bat. Solange diese nicht da waren, stopfte er sich Socken in die für Knieschoner eingelassenen Hosentaschen.

Tag der Festnahme

Nach diesen allgemeinen Aussagen geht es um den 17. September 2013, den Tag der Festnahme Mario K.s. Der Zeuge schildert, dass der Tag wie immer begann, was sich änderte, nachdem Mario K. einen Anruf erhalten hatte, dessen Inhalt der Zeuge nicht kennt. Ab diesem Anruf war Mario K. sehr nervös und angespannt. Der Zeuge hatte das Gefühl, Mario K. wolle am liebsten aus dem Auto, in dem beide unterwegs waren, aussteigen. Beide fuhren auf dem Weg nach Hause noch zu einer Tankstelle, um Zigaretten bzw. Tabak zu kaufen. Die Tankstelle hatte den Tabak von Mario K. nicht, woraufhin er wieder hinaus ging. Als der Zeuge nach dem Kauf seiner Zigaretten wieder zum Fahrzeug kam, war Mario K. nicht da. Er kam kurze Zeit später hinter der Waschanlage vor. Was er da gemacht hatte, weiß der Zeuge nicht. Mario K. ließ sich nicht zu Hause absetzen, sondern vor einer Sparkasse. Er müsse noch Geld holen, sagte K. dem Zeugen.

Hier schließt sich nun der dritte Zeuge an, ein Mitarbeiter dieser Sparkasse. Dieser gibt an, dass Mario K. sich bei ihm beschwert hat, da er am Automaten seinen Kontostand nicht sehen konnte und er sein gesamtes Geld abheben wollte. Der Zeuge fragte Mario K., ob er auch die Centbeträge wolle, was dieser verneinte. Also übergab der Zeuge Mario K. eine Karte zur Auszahlung von 160,00 Euro und 8,00 Euro in bar. Der Zeuge bot Mario K. an, mit zum Automaten zu gehen, um das Problem mit dem Kontostand zu prüfen, was Mario K. sinngemäß mit den Worten ablehnte „Das hat eh alles keinen Sinn mehr.“. Der Zeuge erklärt zudem, er habe den Eindruck gehabt, dass Mario K. sich eine andere Bank suchen wollte und brachte den Ausspruch damit in Zusammenhang. Auch auf intensives Befragen der Nebenklägervertreter weicht der Zeuge von diesem Eindruck nicht ab.

Die Nebenkläger hätten hier augenscheinlich gerne die Aussage des Zeugen bekommen, dass Mario K. dies gesagt hat, weil er aufgeflogen ist. Selbst nach mehrfachem Fragen, bei denen sich auch die Vertreter von Mario K. einschalteten (wie oft denn noch!?), war der Zeuge zu keiner anderen Aussage zu bewegen.

Auf Fragen der Verteidigung gibt der Zeuge dann noch an, dass er die Vernehmung der Polizei als sehr lang empfunden habe. Zwei bis zweieinhalb Stunden seien schon viel, schließlich habe er ja nur sechs Minuten mit Mario K. zu tun gehabt.

Kriminelle Vergangenheit: Frühere Gerichtsurteile decken auf

Schließlich werden die Urteile sowie deren Begründungen zu den Straftaten verlesen, wegen denen Mario K. früher verurteilt worden war. Neben Urteilen, bei denen man die Strafe zur Bewährung (vgl. Blogbeitrag vom 15. Juli) ausgesetzt hatte, wird auch die Urteilsbegründung zu der Verurteilung wegen eines Vorfalls in Berlin verlesen. Ein Bekannter Mario K.s hatte im betrunkenen Zustand eine Gruppe Jugendlicher angepöbelt. Es kam zu einem Handgemenge, bei dem Mario K. zunächst versuchte, seinen Bekannten zu beruhigen und wegzuziehen. Als alles vorbei zu sein schien, ließen einige Jungendliche nicht locker und liefen Mario K. und seinem Bekannten nach. Plötzlich zog Mario K. eine Waffe und schoss, gemäß der verlesenen Begründung, sofort vor die Füße der Jugendlichen, wobei mehrere von ihnen durch Querschläger oder Splitter verletzt wurden. Einer der Jugendlichen schlug Mario K. daraufhin mit einer Warnbarke ins Kreuz, woraufhin dieser fiel und die Waffe verlor. Der Jugendliche nahm sie an sich und schoss Mario K. dreimal in die Beine. Das Strafmaß wurde hier auf drei Jahre und neun Monate festgesetzt.

Zu dieser Zeit kann das Selbstbewusstsein von Mario K. noch nicht so groß gewesen sein, wusste er sich doch hier nur mit einer Waffe zu helfen.

Das nächste Urteil war dann heftiger. Es ging in der Sache um Diebstahl und Brandstiftung, und man kann die lange Begründung auf einen kurzen Nenner bringen. Mario K. stahl zunächst ein Boot, anschließend einen Motor und anderes Bootszubehör. Nach der Tat zündete er die Boote, von denen er Gegenstände gestohlen hatte, an.

Interessant ist hier, dass Mario K. bei seiner Festnahme auf einer Insel in der Schmöckwitzer Bucht illegal campierte. Er selbst war mit Flecktarnsachen bekleidet, während Zelte, Generatoren und Batterien entweder durch einen Anstrich oder durch Netze getarnt waren. Das Boot, welches er zuerst gestohlen hatte, war mit dem später gestohlenen Motor ausgestattet und ebenfalls in Tarnfarben angestrichen worden. Darüber hinaus wurden Materialien gefunden, die darauf schließen ließen, dass Mario K. das Boot mit einem (leisen) Elektromotor ausstatten wollte. Eine selbstgebaute, hölzerne Vorrichtung zum Anbringen des Motors war schon vorhanden. Im Ergebnis wurde Mario K. hier für fünf Jahre und drei Monate die Freiheit entzogen.

Da Mario K. während der Haft keinerlei Einsicht gezeigt hatte, wurde die Strafe komplett verbüßt und das Gericht entschied, ihn anschließend unter eine so genannte Führungsaufsicht zu stellen.

Zuletzt wird noch das Urteil zu einer bereits an einem anderen Prozesstag benannten Tat verlesen. Mario K. beleidigte eine ausländische Nachbarin rassistisch und wurde hierfür zu 120 Tagessätzen à 15,00 Euro verurteilt (Blogbeitrag vom 4. Juli).

Weiter geht es am 21. August 2014.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Personenschützer der Thüringer Ministerpräsidentin verursachen Verkehrsunfall auf Autobahn

Was ist passiert?

Am Samstag, den 26. Juli 2014, befuhr die Ministerpräsidentin Christiane Lieberknecht mit ihrer Fahrzeugkolonne die Bundesautobahn 71. Dazu gehörte das Fahrzeug, in dem die Ministerpräsidentin saß – ein sondergeschützter 7er BMW – und ein Begleitfahrzeug, in dem sich Polizeibeamte (Personenschützer) des LKA Thüringen befanden. Das Personenschutzkommando besteht in der Regel aus vier Personenschützern, dessen Kommandoführer auf dem Beifahrersitz im Fahrzeug der Ministerpräsidentin Platz nimmt. Die anderen drei Personenschützer sitzen im Begleitfahrzeug.

Personenschützer der Thüringer Ministerpräsidentin verursachen Verkehrsunfall auf Autobahn

Auf Höhe der Abfahrt Erfurt-Nord scherte urplötzlich ein LKW auf die Fahrspur der Fahrzeugkolonne der Ministerpräsidentin. Dadurch musste der Fahrer des 7er BMW, in dem die Ministerpräsidentin saß, eine sofortige Not- und Gefahrenbremsung einleiten, ein Vorgang der bei Personenschutz- und VIP-Fahrern in speziellen Fahrtrainings geübt wird.

Der Personenschützer und Fahrer des Begleitfahrzeugs konnte jedoch nicht so schnell reagieren und ebenfalls eine Not- und Gefahrenbremsung durchführen, sodass sein Fahrzeug auf das VIP-Kfz auffuhr und einen Unfall verursachte.

Positiv festzustellen ist, dass keiner der Insassen verletzt wurde. Der LKW allerdings, Verursacher der Gefahrenbremsung, ist einfach weitergefahren. Die Polizei hat daraufhin eine Fahndung eingeleitet und versucht, den Fahrer und Halter des LKW festzustellen.

Eklatante Versäumnisse der Beamten

Unabhängig von den taktischen Einsatzgrundsätzen beim fahrenden Personenschutz ist hierbei dringend anzumerken, dass auch Polizeibeamte oder Zivilkraftfahrer der Ministerien sich selbstverständlich ebenfalls an die allgemeinen Verkehrsregeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) zu halten haben.

Hier ist natürlich der § 1, die Grundregeln der Straßenverkehrsordnung (StVO), zu nennen. In Absatz 1 heißt es: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“ Absatz 2 besagt: „Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Beides ist dem Fahrer in dieser Situation nicht gelungen, was zum bekannten Verkehrsunfall führte.

§ 3 der StVO wiederum beschäftigt sich mit der Geschwindigkeit und besagt unter Absatz 1 „Der Fahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen.“ Auch dieses wurde nicht erfüllt.

Weiter geht’s in der Straßenverkehrsordnung (StVO) § 4, Thema Abstand. In Absatz 1 heißt es: „Der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es p l ö t z l i c h gebremst wird.“ Auch das wurde offenbar nicht beherzigt.

Allerdings muss hier auch der § 35 (Sonderrechte) erwähnt werden. Hier steht im Absatz 1, dass von den Vorschriften dieser Verordnung unter anderem die Polizei befreit ist, „soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.“

Jedoch: Die Beförderung der zwar gefährdeten Person, Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, ist jedoch ohne konkrete Gefährdungshinweise keine dringend gebotene Erfüllung hoheitlicher Aufgaben.

Was hat der Personenschützer und Fahrer falsch gemacht?

Grundsätzlich sieht einsatztaktisches Personenschutzfahren oft so aus: Der Abstand zwischen dem Schutzpersonenfahrzeug und dem Begleitfahrzeug, in dem weitere Personenschützer sitzen, ist stets eng. So soll vermieden werden, dass sich ein potentielles Täterfahrzeug dazwischendrängen kann. Da der Abstand nun sehr dicht ist, fahren die Fahrzeuge in der Regel versetzt, so dass der Fahrer des Begleitfahrzeuges am VIP-Fahrzeug vorbeisehen und den davor liegenden Verkehr besser beobachten kann. So wird schnelles Reagieren ermöglicht.

Entsprechend der allgemeinen Auffassung „wer auffährt, hat Schuld“ muss auch in diesem Falle geprüft werden, inwieweit der Fahrer des Begleitfahrzeuges Schuld an diesem Unfall hat.

Des Weiteren würde mich als ö.b.u.v. Sachverständiger für Personenschutz interessieren, in welcher Art und Weise der Fahrer des Begleitfahrzeuges im fachpraktischen und personenschutzeinsatztaktischen Fahren ausgebildet, aber auch weitergebildet wurde. Eine zweimalige Weiterbildung pro Jahr, möglichst einmal im ersten und einmal im zweiten Halbjahr, im einsatztaktischen Personenschutzfahren halte ich für dringend geboten und angemessen.

Außerdem fände ich es spannend, zu erfahren, ob es sich bei dem Fahrer um einen Polizeibeamten des LKA Thüringen oder einen Zivilkraftfahrer des Landeskriminalamtes oder des Landes Thüringen handelte.

Wichtig ist auch die Prüfung, dass alles getan wird, um solche Situationen zukünftig zu vermeiden.

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Prozesspause | Zeit für Feedback und Kommentare

Liebe Kollegen, Freunde und Partner!

Seit Anfang Mai kann man auf meinem Blog regelmäßig Beobachtungen und Einschätzungen rund um den Prozess gegen den „Maskenmann“, der derzeit in Frankfurt (Oder) stattfindet, verfolgen.

Aus zahlreichen Rückmeldungen, die mich über verschiedene Wege erreichen, erfahre ich großes Interesse an dieser Art der Prozessbegleitung.

Daher möchte ich die momentane Prozesspause dafür nutzen, den Dialog zu vertiefen. Ich würde mich also sehr über Kommentare zum Prozess freuen, aber auch über Meinungen zum Blog.

Prozesspause | Zeit für Feedback und Kommentare

Ich bin gespannt auf Feedback und Ansichten, die mir gern per E-Mail an folgende Adresse geschickt werden können:

bisanz@personenschutz-sachverstaendiger.de

Ich hoffe, meine Leser weiterhin spannend und unterhaltsam zu informieren und freue mich auf Kommentare, Weiterempfehlungen und Anmerkungen!

Firma Gegenbauer aus Berlin stellt mehrfach vorbestraften Gewalttäter Mario K. ein

Zum 15. Verhandlungstag sind fünf Medienvertreter und fünf Zuschauer in den Gerichtssaal gekommen.

Mit einem schon fast anekdotischen Hinweis eröffnet das Gericht den Prozesstag: Es wird darauf hingewiesen, dass der Arzt von Stefan T., der ihn nach dessen Flucht auch wegen eines Beinbruchs behandelt hatte, derzeit leider nicht erreichbar ist. Denn zurzeit weilt der Arzt in Brasilien und wird demnächst auch noch im Fernsehen zu sehen sein, da er an der Sendung „Die Bachelorette“ teilnimmt.

Firma Gegenbauer aus Berlin stellt mehrfach vorbestraften Gewalttäter Mario K. ein

Nichts Neues aus dem Jobcenter

Nach dieser Information wird der Zeuge A., Abteilungsleiter im Jobcenter Berlin, weiter vernommen. Es ist bereits der zweite Termin. Hierbei werden verschiedene Termine zwischen 2010 und Ende 2012 durchgesprochen, die der Angeklagte im Jobcenter wahrgenommen hat.

Es offenbart sich dabei schnell ein Widerspruch dahingehend, welche Termine der Angeklagte persönlich wahrgenommen, und wann er nur schriftlich etwas eingereicht hat. Der Zeuge A. kann darauf zwar zunächst nicht Sinn gebend antworten und erklärt sogar, dass er sich eventuell geirrt habe. Er besteht allerdings darauf, dass seine heutige Aussage, entgegen der damaligen Vernehmung bei der Polizei, die richtige sei. Der Anwalt des Beklagten fragt zwar weiter beharrlich nach, aber der Zeuge hält sich stur an seine Aktenlage.

Hier prallt nun Beamtentum auf Anwaltschaft.

Letztendlich teilt die Kammer ihren Beschluss mit: Es sollen die Leistungsakte vom Jobcenter Berlin-Lichtenberg sowie PC-Ausdrucke und Nachweise zur Krankschreibung des Angeklagten Mario K. angefordert werden.

Danach werden zwei weitere Zeugen gehört: Eine Verkäuferin und ein Zeuge aus Strausberg, der einen Campingladen hat und dem Angeklagten eine Luftmatratze verkaufte.

Zum Verhalten der Polizei bei der Vernehmung der Verkäuferin bemängelt der Anwalt von Mario K., Axel W., dass der Zeugin zuerst eine Fotoserie ausschließlich mit Bildern des Angeklagten vorgelegt wurde. Erst mit der zweiten Fotoserie wurden ihr Bilder mit unterschiedlichen Menschen gezeigt, auf denen sie eine bestimmte Person erkennen sollte. Dass sie den Angeklagten nach Vorlage der ersten Fotoserie erkennt, ist laut Axel W. nur zu logisch. Diese Vorgehensweise der Polizei befremdet den Anwalt sehr.

Im Zeugenstand: Die Bewährungshelferin von Mario K.

Auch die Bewährungshelferin von Mario K. wird als Zeugin gehört. Seit Februar 2010 war er bei ihr unter Führungsaufsicht. Sie berichtet, dass er alle Auflagen des Gerichts erfüllt, aber mit ihr nie über persönliche Dinge gesprochen hat. Er hatte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat. Ihr gegenüber war er korrekt, freundlich, aber zurückhaltend, weil er nichts preisgeben wollte. Sie berichtet vom System der Führungsaufsicht. Einmal im Monat muss sich der Entlassene bei ihr persönlich melden.

Was alle Anwesenden verwundert, ist, dass man sich unter Führungsaufsicht mit einer Anschrift im Ausland abmelden kann und dann auch die monatliche Meldung bei der Bewährungshilfe entfällt. Die Anschrift, die der Proband angibt, wird nicht überprüft. Es kann auch ein Brief- oder E-Mailkontakt vereinbart werden.

Firma Gegenbauer stellt Gewalttäter Mario K. ein – und missachtet eigene Regeln

Der nächste Zeugenblock ist insbesondere für Sicherheitsbeauftragte und Sicherheitsfirmen interessant.

Hierbei handelt es sich um drei Zeugen der Firma Gegenbauer aus Berlin, die unter anderem Dienstleistungen in den Bereichen Sicherheit und Reinigung anbietet. Für diese Firma hat der Angeklagte vom November 2012 bis März 2013 im so genannten Winterdienst gearbeitet. Die Niederlassungsleiterin aus Berlin, Sabine P., erinnert sich daran, dass zu dieser Zeit eine hohe Nachfrage herrschte und die Einstellungen von Mitarbeitern sehr zügig durchgeführt wurden.

Der Angeklagte Mario K. war zu dieser Zeit aufgrund mehrfacher Verurteilungen schon mehrere Jahre in der JVA gewesen und darüber hinaus – wie oben aufgeführt – unter Führungsaufsicht. Eine Überprüfung der Mitarbeiter fand in der Firma Gegenbauer nicht statt. Das ist insbesondere erwähnenswert, weil die Firma Gegenbauer eine Sicherheits-Tochterfirma hat und somit die Standards bei Einstellungen unbedingt kennen sollte. Hier werden Grundsätze in der eigenen Firma nicht beachtet, die aber den Kunden der Firma Gegenbauer empfohlen werden.

Es wird nun der Service Manager der Firma Gegenbauer, Herr K. gehört. Er hatte sich seinerzeit unter anderem mit Mario K. unterhalten und erinnert sich noch heute an eine Aussage. Damals sagte ihm Mario K. „dass die Reichen zu reich sind und man denen mal alles wegnehmen sollte, um deren Geld dann unter allen aufzuteilen.“

Diese Ausspruch ist, im Hinblick auf einen anderen Entführungsfall aus dem März 2006 in Köln, bei dem der Enkel von Herrn B., Eigentümer des Sicherheitsunternehmens W. I. S., entführt wurde, bemerkenswert und vielsagend. Wie sich herausstellte, waren die Entführer bei einer Reinigungsfirma angestellt, die als Subunternehmer für die W. I.S. arbeitete. Über diese Arbeit haben sie entsprechende Informationen über die Inhaberfamilie erlangt.

Auch in diesem Fall wäre es dem Angeklagten Mario K. möglich gewesen, mehr Informationen über die Familie Gegenbauer zu erlangen. Deshalb ist eine Überprüfung von Mitarbeitern unbedingt notwendig und, wie ich meine, bei Sicherheitsfirmen unabdingbar. Hieraus entsteht eine unmittelbare Gefahr für die Eigentümer, Familie Gegenbauer. Ich bin gespannt, ob Herr Gegenbauer über diese Vorgehensweise Bescheid weiß.

Zu diesem Zeugenkomplex gibt der Anwalt des Beklagten, Axel W., noch einen Hinweis an das Gericht. Er teilt mit, dass der Angeklagte Mario K. am 24. Oktober 2012 ein Bewerbungsgespräch bei der Firma Gegenbauer hatte. Zwei Tage vorher, am 22. Oktober 2012, wurde er durch die Polizei zu Sachverhalten, die hier im Prozess verhandelt werden, vernommen.

Mit diesem Hinweis möchte der Anwalt Zweifel dahingehend streuen, dass ein wirklicher Schuldiger, der erst am 22. Oktober zu Taten vernommen wird, die er angeblich begangen haben soll, sich niemals zwei Tage später bei einem Arbeitgeber vorstellt – und das auch noch in Tarnhose. Wenn man diesen „Zweifeln“ folgen wollte, bedeutet das, dass man dem Täter, beziehungsweise dem Beschuldigten, eine Logik unterstellt. Jedoch: Es gibt keine Täterlogik!

Denn gäbe es eine Täterlogik, würde der Beschuldigte diese Taten erst gar nicht begehen! Ich stelle immer wieder fest, dass Nicht-Beschuldigte ihr eigenes Logikermessen Tätern und Beschuldigten überstülpen wollen. Das ist einfach nicht möglich!

Hiernach wird das Vorstrafenregister des Beklagten ausführlich vorgetragen. Ich möchte es kurz zusammenfassen:

  • 1992: verurteilt wegen unerlaubten Schusswaffen- und Munitionsbesitzes
  • 1992: versuchter Diebstahl und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; Gesamtstrafe der zwei Delikte: Ein Jahr und drei Monate auf zwei Jahre und sechs Monate Bewährungszeit
  • 1998: gefährliche Körperverletzung in vier Fällen im Zusammenhang mit unerlaubtem Waffenbesitz. Hier wurde er durch eines seiner Opfer mit seiner eigenen Waffe dreimal angeschossen, jeweils links und rechts in den Oberschenkel und ins rechte Knie. Strafmaß: drei Jahre und neun Monate
  • 2003 / 2004: Brandstiftung und Diebstahl in mehreren Fällen; Strafmaß: fünf Jahre und drei Monate
  • März 2012: wegen Bedrohung 120 Tagessätze zu 15 Euro

Erinnern wir uns an dieser Stelle an eine frühere Aussage des Opfers Stefan T. im Prozess: Stefan T. berichtete, dass der Täter, der ihn entführt hatte, einmal sagte, wenn die Entführung nicht klappen und er erwischt würde, ginge er lebenslang in den Knast. Bei einem Täter mit dem oben aufgeführten Vorstrafenregister wäre das so.

Erfolgloser Womanizer

Als weiterer Zeugenblock werden jetzt vier Damen gehört. Alle vier hatten Verabredungen mit Mario K. Die Vorgehensweise seitens Mario K. war bei allen vier Frauen nahezu identisch: Er sprach alle vier Frauen von sich aus und sehr spontan, „rein zufällig“ an. Er war in der Lage, mit den Frauen sehr schnell Handynummern auszutauschen und sich auch sehr schnell, oftmals noch für denselben oder für den nächsten Tag, zu verabreden. Man trank gemeinsam einen Kaffee oder ein Glas Wein, manchmal bei den Frauen zuhause, manchmal in einem Restaurant oder im Bistro. Mitunter gab es Annäherungsversuche, die in unterschiedlichen Maßen erwidert wurden. Doch bei allen vier Damen gab es kein weiteres Treffen, da sie alle ein ungutes Gefühl hatten.

Es lässt sich also durchaus ein Muster im Anspracheverhalten des Angeklagten Mario K. gegenüber Frauen erkennen. Auch ein bestimmter Frauentyp ist erkennbar, denn alle wirken eher unscheinbar.

Welches Kindheitstrauma der Angeklagte Mario K. hier verarbeitet, wird sicher noch der psychologische Sachverständige in seiner Beurteilung gegen Ende des Prozesses erläutern.

Der nächste Verhandlungstag findet am 31. Juli 2014 statt.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Einblicke ins Leben des mutmaßlichen “Maskenmannes”

Am heutigen Verhandlungstag, dem 14. Prozesstag, werden zwei Neffen, eine Nichte und die Mutter des Angeklagten – dem mutmaßlichen “Maskenmann” – gehört. Alle machen vom Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 der Strafprozessordnung (StPO) Gebrauch.

Interessant: Keiner der vier Zeugen sucht den Blickkontakt zum Angeklagten, selbst seine Mutter nicht. Nach ihrer Aussage nimmt die Mutter als Zuhörerin im Zuschauerraum Platz. Von hier aus beobachtet sie dann doch ihren Sohn. In ihrem Gesicht meine ich, Zweifel lesen zu können. Glaubt auch die Mutter des Angeklagten nicht an die Unschuld ihres Sohnes?

Einblicke ins Leben des mutmaßlichen “Maskenmannes”

Nach der Mittagspause, gegen 13:00 Uhr, wird eine Zeugin gehört, die im Juli 2013 eine frivole Begegnung mit dem Angeklagten hatte. An einer Bahnstation wurde sie von vom Angeklagten angesprochen, man tauschte Telefonnummern aus und verabredete sich zu einem Picknick an einem See. Dort trank man gemeinsam eine Flasche Rotwein. Zunächst ließ die Dame Zärtlichkeiten zu, blockte dann jedoch ab, als der Angeklagte mehr wollte. Zu einem zweiten Treffen kam sie jedoch nicht, da dieses in einem dunklen Schlosspark stattfinden sollte, was ihr ein schlechtes Bauchgefühl verursachte.

Diese Zeugin schaute der Angeklagte die gesamte Zeit an!

Nach dieser Zeugin werden vier weitere Personen befragt, die im August 2013 in einer Dachdeckerfirma in Berlin mit dem Angeklagten zusammengearbeitet haben. Die erste der vier Zeugen ist die Betriebsleiterin der Firma, die viele positive Dinge vom Angeklagten Mario K. zu berichten hat. Sie weist insbesondere auf dessen gut trainierten Körper hin.

Die anderen drei Zeugen berichten unter anderem auch von Streitsituationen, in die Mario K. mit unterschiedlichen Angestellten der Firma verwickelt war. Auch, dass eine weibliche Angestellte nicht mit ihm zusammenarbeiten wollte, da er sie „angemacht“ hatte. Sie erzählen auch, dass Mario K. nach ein paar Leistungsverweigerungen nach nur 14 Tagen durch den Vorarbeiter der Firma entlassen wurde. Dies hatte die Betriebsleiterin vergessen zu erzählen.

Den drei Angestellten war außerdem aufgefallen, dass Mario K. immer mit dem Fahrrad zur Arbeit kam und außerdem immer mit Handschuhen gearbeitet hat – obwohl ihn der Vorarbeiter aufgefordert hatte, diese auszuziehen. Zudem duschte er als Einziger nach der Arbeit im Container, alle anderen Mitarbeiter der Firma duschten zu Hause.

Duschte der Angeklagte hier, weil er keine eigene Wohnung hatte, oder weil er dies einfach als gute Gelegenheit wahrnahm?

Kleidung des Opfers Stefan T. und Videobilder des Tatorts

Anschließend kommt es am heutigen Verhandlungstag zur Inaugenscheinnahme der Kleidung von Stefan T. vom Tattag sowie zur Wiedergabe zweier DVDs, die von der BAO (Besondere Aufbau Organisation) „Imker“ angefertigt wurden.

Die Kleidung des Opfers Stefan T. wurde von der Polizei am Tage seiner Flucht sichergestellt. Es handelt sich um vier bis fünf Paar schwarze Socken, die etwas dicker als Tennissocken sind, sowie um eine schwarze Hose, die er als Unterbeinbekleidung trug. Des Weiteren ist noch eine schwarze Jogginghose als Oberbeinbekleidung und zusätzlich ein dunkelblaues Kapuzen-Sweatshirt mit der weißen Aufschrift „Super League“ auf der Vorderseite dabei.

Hiernach werden die Inhalte zweier DVDs vorgeführt. Auf der ersten sehen wir die Suche der Polizei, unter anderem nach dem Aufbewahrungsort des Opfers Stefan T. Von der anderen Seeseite aus, gegenüber des Grundstücks von Stefan T., fahren mehrere Polizeischiffe den Ort an, dirigiert von Stefan T. Die Stelle der Aufbewahrung wird gefunden und man sieht eine kleine Insel. Auf dieser Insel liegt eine blaue Plastikfolie, auf der wiederum eine Decke liegt. Zudem sind einige Reste von Klebeband zu sehen sowie das blaue Plastikdach und die Stelle, an der Gras abgerissen wurde. Auf der zweiten DVD sehen wir Aufnahmen, die von einem Polizeieinsatzhubschrauber aus gemacht wurden, der das Seeufer absucht, um weitere Hinweise zu finden – was jedoch nicht gelingt.

Am 10. Juli folgt der 15. Verhandlungstag im „Maskenmann“-Prozess.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Ein mutmaßlicher Täter wird zum Mensch: Freunde und Nachbarn erzählen vom Angeklagten

Der 13. Verhandlungstag ist geprägt von Menschen aus dem privaten Umfeld des Angeklagten. Diese kommen aus der jüngeren, aber auch aus der älteren Vergangenheit und erzählen vom Charakter des Mario K. Dies ermöglicht, hinter die kühle Maske zu blicken, die ihn während des Prozesses oft so teilnahmslos wirken lässt.

Doch zuerst kommt der Zeuge K. Dieser war Wachmann auf dem Gewerbehof Marzahner Chaussee in Berlin, wo die Decke, die bei der Entführung von Stefan T. zum Einsatz kam, gefunden wurde. Da dieser Zeuge von der Polizei zeitweise auch als Verdächtiger geführt wurde, ist es natürlich insbesondere für die Verteidiger des Angeklagten interessant, in diese Richtung nachzufragen. Allerdings werden jegliche Thesen der Anwälte, die diesen Weg eines möglichen weiteren Tatverdächtigen verfolgen, durch die Nebenklägervertreter widerlegt.

Ein mutmaßlicher Täter wird zum Mensch: Freunde und Nachbarn erzählen vom Angeklagten

Aggressiv und ausländerfeindlich

Hiernach werden zwei frühere Nachbarn des Angeklagten befragt. Beide können von Situationen berichten, die den Angeklagten als unbeherrscht und aufbrausend bezeichnen. Die direkte Nachbarin L., eine geborene Vietnamesin, hat Mario K. sogar wegen Bedrohung angezeigt. Denn in der Annahme, dass sie und ihre Kinder im Haus lärmen würden, klopfte Mario K. heftig gegen die Zwischenwand der Wohnungen. Als Nachbarin L. daraufhin bei ihm klingelte, sagte er zu ihr: „Verpisst euch und geht nach Vietnam zurück. Wenn die Zeit reif ist, machen wir mit euch das gleiche, wie mit den Juden.“

Eine weitere Nachbarin, Angelika T., beschreibt eine Szene, in der Poststelle. Hier stand sie in der Schlange vor dem Postschalter. Eine Postangestellte fragte einen Kunden, ob er noch Geld abheben möchte, worauf dieser extrem aggressiv reagierte. Nachbarin Angelika T. schaute hoch und erkannte in dem aggressiven Kunden ihren Nachbarn Mario K. Auch berichtet sie, dass Mario K. oft aus seinem Fenster heraus die Kinder auf dem Spielplatz anschrie oder Hundebesitzer anbrüllte. Sie meint, er reagiere oft überempfindlich und weise andere Menschen zurecht. Ab und zu müsse er wohl Dampf ablassen. Mitunter verließ er das Haus mit einer Sporttasche am Abend und kam erst in der Frühe wieder.

Da Mario K. im fraglichen Zeitraum vor den Taten muskulöser und nahezu glatzköpfig war, erkannte die Zeugin den Angeklagten im Gerichtssaal nicht, der dieser Tage ein blaues Oberhemd trägt und einen Bart sowie längere Haare hat.

Guter Draht: Eltern der Ex-Freundin mögen Mario K.

Der Nachmittag stand im Zeichen der Familie K. aus Ahrensfelde. Die Tochter, Susanne K., war circa anderthalb Jahre (1996 bis 1997) mit Mario K. liiert. Das ist nun 17 Jahre her. Doch bis heute hatten die Eltern – die zuerst befragt werden – auch nach der Beendigung des Verhältnisses immer wieder Kontakt zu Mario K., etwa zwei bis dreimal im Jahr. Auch sein mehrjähriger Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt hielt die Eltern nicht davon ab, weiterhin mit Mario K. in Kontakt zu bleiben.

Der Angeklagte und die beiden Zeugen begrüßen sich jeweils zwar nur sehr kurz, aber trotzdem mit einem Anflug von Freundlichkeit. Das ist eindeutig neu bei Mario K.

Die Eltern beschreiben Mario K. als freundlich und hilfsbereit, teilweise sei er verträumt, manchmal auch dominant. Der Vater hat Mario K. aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten respektiert.

Auf dem Grundstück der Familie K. steht ein 40-Fuß-Container, etwa zwei bis drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt. Das Grundstück selbst ist mit einem einfachen Maschendrahtzaun von 1,20 Metern Höhe befriedet. Den Container benutzt die Familie als Abstellraum.

Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Containers deponierte auch der Angeklagte Mario K. Dinge aus seinem Besitz. Bei einer Durchsuchung durch die Polizei wurden zum Beispiel eine Tauchausrüstung, einige Chemikalien, ein Waffenholster mit zwei Magazinen sowie ein noch original verpackter Jogginganzug gefunden. Weiterhin wurden Briefmarken mit dem Themenaufdruck „Universitätsstadt Leipzig 500 Jahre“ gefunden. Briefmarken mit diesem Motiv waren auch auf den Erpressungsschreiben des Entführers von Stefan T. genutzt worden.

Es geht bei der Befragung der beiden Eltern unter anderem darum, inwieweit Mario K. die Möglichkeit hatte, an seine am oder im Container deponierten Sachen zu kommen. Das kann nicht eindeutig beantwortet werden. Allerdings kommt auch die naheliegende Frage nach einem möglichen Zweitschlüssel nicht auf. Jedoch: Circa sechs Wochen vor einer Durchsuchung des Grundstückes der Familie K. hat der Angeklagte Mario K. eine mittelgroße Reisetasche aus dem Container abgeholt.

Anschließend kommt die Tochter und ehemalige Freundin von Mario K., Susanne K. zur Anhörung. Sie erzählt, dass sie und Mario K. seinerzeit friedlich auseinandergegangen sind und es keinen bestimmten Grund zur Trennung gab. Seit der Trennung 1997 hat sie den Angeklagten nur einmal wiedergesehen. Sie wusste allerdings auch nicht, dass ihre Eltern regelmäßig Kontakt mit Mario K. hatten.

Susanne K. beantwortet ganz viele Fragen mit einem einfachen „Nein“, sodass ich mich frage, was die beiden in den circa anderthalb Jahren Beziehung überhaupt gemeinsam getan haben.

Zudem: Es scheinen sich Widersprüche im Charakter des Angeklagten aufzutun. Denn einerseits beschreiben seine Nachbarn Mario K. als aufbrausend und unbeherrscht. Andererseits schildert ihn die Familie K. als freundlich und hilfsbereit, eher ruhig und besonnen.

Für mich zeigt sich hier allerdings kein Widerspruch, weil diese Erlebnisse circa 15 bis 17 Jahre auseinander liegen. So sollte auch das damals junge Alter des Angeklagten berücksichtigt werden. Auch hat er sich mehrfach strafbar gemacht und war mehrere Jahre in der Justizvollzugsanstalt.

Das Verhältnis zu den Eltern seiner damaligen Freundin Susanne K. kann man sicherlich auch als eine Art Ersatzelternschaft betrachten, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte zu seiner leiblichen Mutter kein gutes Verhältnis hatte.

Halbschwester des Angeklagten verweigert Aussage

Des Weiteren soll heute die Zeugin Yvonne B. gehört werden, die Halbschwester des Angeklagten. Sie wird vom Vorsitzenden Richter über das Zeugenverweigerungsrecht belehrt, das ihr aus ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu Mario K. entsteht. Aufgrund der Belehrung macht sie von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch. Auch die Einsicht in ihre polizeilichen Vernehmungsakten bei Gericht verweigert sie.

All dies ist sicherlich ihr gutes Recht, doch wäre hier ein wenig mehr Zivilcourage im Sinne der Unterstützung der Opfer besser gewesen. Während der Zeit, in der Yvonne B. im Fokus steht, würdigt Mario K. seine Halbschwester übrigens keines Blickes.

Der Prozess wird am 7. Juli 2014 weitergeführt.

Bildquelle: twinlili  / pixelio.de

Schießen leicht gemacht

Der heutige Prozesstag lässt sich in zwei große Themenblöcke teilen. Am Vormittag geht es rund um die Thematik der Mitgliedschaft des Angeklagten in einem Schützenverein und somit um dessen Möglichkeit, mit scharfen Waffen zu üben. Am Nachmittag wird eine Decke thematisiert, welche bei der Tatbegehung zum Nachteil von Herrn Stefan T. eine Rolle spielte.

Aber der Reihe nach.

Zunächst ist alles wie immer: Der Angeklagte verdeckt sein Gesicht beim Betreten des Saals, eine Kamera ist zugegen. Sobald diese aus dem Raum ist, betreten die Nebenkläger – heute ohne Herrn Stefan T. – den Saal und die Verhandlung kann fortgesetzt werden. Der Angeklagte hat sich den Bart gestutzt und lässt sich wohl die Haare länger wachsen.

Schießen leicht gemacht

Fragen zum Phantombild

Zunächst wird eine Polizeibeamtin befragt. Sie war neben dem Phantomzeichner die einzige Vertreterin der Behörde bei der Erstellung der Zeichnung. Sie befand sich zu diesem Zeitpunkt in einer Anlernphase, beobachtete also lediglich. Eigentlich sollte sie schon am 15. Mai 2014 gehört werden, damals war sie aber krankgeschrieben. Bei der heutigen Befragung geht es nochmals um die Erstellung des Phantombilds, vor allem um die Aussagen von Frau Petra P., sie habe mehrfach auf das abstehende Ohr und die Kopfform hingewiesen.

Neue Erkenntnisse gibt es bei der Befragung nicht. Die Beamtin kann die Aussagen des Phantomzeichners insofern bestätigen, als dass auch sie sich nicht an Aussagen von Frau Petra P. das Ohr oder die Kopfform betreffend erinnert. Das Augenmerk von Frau Petra P. lag wohl vielmehr auf den Nähten der Maske. Darüber hinaus bestätigt sie die Aussage des Zeichners, dass es am fraglichen Tag sehr heiß war und dies an sich einen durchaus Stress auslösenden Faktor darstellte. Den Zeichner beschreibt die Zeugin als äußerst gewissenhaften Kollegen – sollte es also entsprechende Aussagen bezüglich Ohr oder Kopfform gegeben haben, hätte er sie gezeichnet oder notiert.

Die Nebenklagevertreter halten der Zeugin die Aussage des Zeichners vor, dass er auf Nachfrage erkannt habe, das Ohr in der Zeichnung hervorgehoben zu haben. Die Zeugin erwidert, dass sie sich die Zeichnung nicht angeschaut habe, allerdings stimmt sie ihrem Kollegen in der Sache grundsätzlich zu.

Der Vertreter des Angeklagten will nun (wie schon am 15. Mai 2014) wissen, wer die Beamtin über die Vorladung informiert hat. Die Beamtin verweist auf den Leiter der Sonderkommission, der bei dieser Gelegenheit erneut auch die Darstellung des Ohrs in der Zeichnung zur Sprache gebracht habe.

Abschließend meine ich jedoch, es gibt auf Grundlage dieser Befragung keine neuen Erkenntnisse.

Wahnsinniger Leichtsinn im Schützenverein

Jetzt werden elf Zeugen zu einem Themenblock gehört. Allen Zeugen werden im Wesentlichen die gleichen Fragen gestellt.

So kommt zutage, dass der Angeklagte Mario K. vor der Tat ab Ende 2010 in einem Schützenverein zunächst Gastschütze war und dann ab 2011 Mitglied. Der Verein gehörte zur Betriebssportgruppe der Berliner Stadtreinigung (BSR).

Auf die Frage nach Besonderheiten, sagen alle aus, dass Mario K. sehr durchtrainiert und sportlich war und immer (auch bei einer Temperatur von null Grad) mit dem Fahrrad und in Sportsachen kam. Die Personen, die das bezeugen, geben auch an, Mario K. sei ein eher mittelmäßiger Schütze gewesen – was ja auch dem Schießergebnis der Tat entsprechen würde –, der häufig, aber nicht regelmäßig auf dem Stand war.

Alle werden auch nach der Waffe befragt, mit der Mario K. geschossen hat. Alle geben an, dass es sich um die Vereinswaffe CZ 75 Sport II handelte. Auch die Frage nach der Munition beantworten alle gleich: Mario K. verschoss Sellier & Bellot 9mm Luger Subsonic. Beides – Waffe und Munition – soll im Übrigen bei den Taten benutzt worden sein. Jeder der Zeugen berichtet zudem, dass es bei Vereinen durchaus üblich ist, die benannten Fabrikate zu verwenden. Schließlich waren sich auch alle einig, dass es eigentlich nicht möglich sei, diese Munition zu entwenden, aber mit erheblich krimineller Energie könne man ein bis zwei Patronen pro Trainingstag mitgehen lassen.

Da es auch Blogleser gibt, die nicht vom Fach sind, erlaube ich mir hier ergänzende Anmerkungen. Es ist durchaus möglich, als Gastschütze oder Mitglied in einem Schützenverein bei eben diesem Verein zu schießen, ohne selbst einen Waffenschein oder eine Waffenbesitzkarte zu haben. Man erhält hierfür die Vereinswaffe und kann die Munition zum sofortigen Verschießen auf dem Schießstand des Vereins erwerben. ABER: Der Angeklagte war zum Zeitpunkt seines Gastschützendaseins und damit auch während seiner Mitgliedschaft vorbestraft (!!!), unter anderem zwei Mal wegen unerlaubten Waffenbesitzes! Sie können sich also meine Verwunderung vorstellen, zumal dies vorerst kein Thema war. Doch glücklicherweise wurde ich bald von den Vertretern der Nebenklage erlöst.

Die Nebenklagevertreter befragen den Sportwart des Vereins, wie denn sichergestellt wird, dass keine Kriminellen oder gar vorbestrafte Gastschützen Mitglieder werden können.

Die Antwort verblüffte mich ein wenig:

Allein der Erste Vorsitzende des Vereins ist hierfür verantwortlich. Ob die Satzung dies regelt, weiß der Sportwart nicht. Auch ist dem Sportwart nicht bekannt, dass Mario K. zum Zeitpunkt der Schießübungen bereits zwei Mal wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt worden war.

Diese Aussage ist für mich ein regelrechter Wahnsinn! Es gibt beim Umgang mit Waffen immer eine unausweichliche Maxime: Das Vier-Augen-Prinzip. Sich beim Umgang mit Waffen auf nur eine Person zu verlassen, ist unhaltbar und nicht hinzunehmen!

Spätere Zeugenaussagen bestätigen die Aussagen des Sportwarts. Interessanterweise folgt sogar noch eine Begründung. So war Mario K. bereits vorher in der Betriebssportgruppe BSR, zunächst in der Abteilung Kraftsport, und kam dann auf Empfehlung zum Schützenverein, so dass hier nicht weiter geprüft wurde.

Unglücklicherweise gehörte zu den zahlreichen Zeugen nicht der Erste Vorsitzende des Vereins. Ich hoffe sehr, dass dieser noch gehört wird.

Die Schützen, die direkt mit Mario K. zu tun hatten, werden außerdem gefragt, ob er mal geäußert habe, eine Waffenbesitzkarte oder einen Waffenschein erlangen zu wollen. Die Antwort lautete immer „Nein“, wobei mal finanzielle, mal zeitliche Gründe wegen der Frauen genannt worden sein sollen.

Der wahre Grund liegt natürlich auf der Hand. Neben einer Sachkundeprüfung hätte sich Mario K. auch einer behördlichen Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen müssen. Da wäre er zu 100 Prozent durchgefallen, was wohl auch das Ende im Verein bedeutet hätte.

Ein weiteres kleines Detail kommt zudem ans Licht, als die Vertreter des Beklagten mit ihrer Befragung dran sind: Der Schützenverein nutzt die Anlage lediglich an zwei Tagen der Woche, grundsätzlich wird die Schießanlage vom Polizeisportverein Berlin betrieben.

Neun der elf Zeugen können keine Aussage machen, ob Mario K. Links- oder Rechtshänder ist. Zwei sind sich aber sicher, dass er Rechtshänder ist. Zwei beschreiben Situationen, in denen Mario K. aufbrausend war. Dies kann aber wohl als normal eingestuft werden.

Interessant ist allerdings, dass ein Zeuge Mario K. zwei Wochen vor seiner Festnahme in einem Einkaufszentrum traf. Mario K. war vorher lange nicht beim Verein gewesen und als Grund hierfür sprach sich herum, dass er wegen eines Jobs in Griechenland sei. Bei dem zufälligen Treffen fragte der Zeuge Mario K., wie es ihm in Griechenland erginge, worauf Mario K. antwortete: „Gut. Bin wieder zurück, hab Arbeit und wohne bei meiner Freundin. Vielleicht komme ich Anfang des nächsten Jahres (2014) wieder zum Schießen.“ Mario K. war allerdings nie in Griechenland gewesen.

Im Übrigen kennen nicht alle Zeugen Mario K. Einige werden daher lediglich zum Ablauf beim Schießen mit Gastschützen befragt. Auf die Aufforderung der Vertreter des Beklagten „ …zeigen Sie auf den Angeklagten.“ deutet der letzte Zeuge aus der Gruppe der Schützen sogar auf einen Justizbeamten.

Eine mysteriöse Decke

Am Nachmittag wird eine Decke thematisiert, welche während der Entführung von Stefan T. verwendet wurde. An der Decke wurden unter anderem DNA-Spuren sichergestellt, die die Polizei zu einem Mann arabischer Herkunft führte. Heute werden nun neben diesem Mann zahlreiche Familienangehörige gehört. Sie alle geben an, die Decke hätte sich zunächst in ihrem Besitz befunden, wäre dann aber in einen Container verbracht worden, welcher als Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter eines Reifenhandels genutzt wurde. Der Reifenhandel wiederum wurde von einem Verwandten des Mannes betrieben, dessen DNA-Spuren auf der Decke waren.

Die Befragungen verlaufen sehr schleppend, was vor allem dem notwendigen Einsatz eines Dolmetschers geschuldet ist. Die Aussagen sind allerdings nahezu deckungsgleich. Nach Aussage der Zeugen ist die Decke in dem Container verblieben, nachdem das Gelände des Reifenhandels verlassen werden musste (offensichtlich hat die Polizei das Gelände räumen lassen). Der spätere Verbleib der Decke kann heute nicht geklärt werden, zumal der Container nach Aussage der Zeugen nicht verschlossen war. Auf Nachfrage der Verteidigung sagen einige Familienmitglieder außerdem aus, dass auf dem Gelände ständig ein Wachmann mit Hunden unterwegs gewesen sei.

Offensichtlich wollte die Verteidigung darauf hinaus, dass die Beschreibung eben dieses Wachmannes der Täterbeschreibung sehr ähnelt, die von den Opfern zu Protokoll gegeben wurde. Hier sehe ich allerdings von einer genaueren Schilderung ab; der Rechtsbeistand des Angeklagten bat im Prozess alle Anwesenden darum, und selbstverständlich komme ich dieser Bitte nach. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass der hier geschilderte Sachverhalt zu einem späteren Zeitpunkt noch vertieft werden wird.

Letztendlich können sämtliche heute getätigten Aussagen bezüglich der Decke nichts Erhellendes im Zusammenhang mit der Tat beitragen.

Weiter geht es im Gerichtssaal am 3. Juli.

Bildquelle: Lutz Stallknecht / pixelio.de

Zweifel am Gutachten

Kurz nachdem der Vorsitzende Richter den elften Verhandlungstag eröffnet und damit den Prozess fortsetzt, stellt die Rechtsanwältin von Torsten H., den Antrag, eine weitere Zeugin zu laden. Diese Zeugin hat den Angeklagten Mario K. in Storkow gesehen. Es gab auch einen Ortstermin, aber bis heute hat sie keine Ladung zu Gericht erhalten. Das ist insofern wichtig, als dass der Angeklagte Mario K. ausgesagt hat, er wäre noch nie in Storkow gewesen.

Rechtsanwälte zerpflücken Sachverständigen-Gutachten

Danach gibt der Rechtsanwalt von Stefan T., Dr. Panos P., eine Erklärung zum Gutachten des Sachverständigen, dem Rechtsmediziner Dr. V., ab, welches dieser am letzten Verhandlungstag vorgetragen hat.

Zweifel am Gutachten

Dr. Panos P. zweifelt im besten Fall das Gutachten an, unter anderem deshalb, weil die darin angegebenen Temperaturen von 12 bis 14 Grad Celsius tiefer liegen, als die Daten des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamts, die für den besagten Zeitraum Temperaturen von 14,3 bis 14,5 Grad Celsius belegen.

Auch bemängelt Dr. Panos P. die Angabe, dass das Opfer Stefan T. eineinhalb bis zwei Stunden im Wasser gewesen sein soll. Dies war Bemessungsgrundlage des Sachverständigen Dr. V. in Bezug auf die Unterkühlung. Doch tatsächlich war Stefan T. nur 15 bis 20 Minuten im Wasser, nämlich, als er die erste Strecke vom Ufer bis zur ersten Anlandung zurücklegen musste. Danach, auf der zweiten Strecke Richtung Opferinsel, lag er auf einer circa 20 Zentimeter dicken Luftmatratze, wobei sein Kopf ebenfalls über dem Wasser war.

Damit liegen wesentliche Differenzen in Hinsicht auf eine korrekte Einschätzung einer möglichen Unterkühlung vor.

Außerdem, so Dr. Panos P. weiter, habe der Gutachter nicht hinreichend berücksichtigt, dass das Opfer kurz vor der Entführung Nudeln gegessen hat, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Stefan T. nach Ankunft auf der Opferinsel seine nasse Kleidung unverzüglich gegen trockene Kleider tauschen konnte.

Des Weiteren ging der Sachverständige bei seiner Behauptung, es sei unwahrscheinlich, dass Stefan T. bei seiner Flucht unverletzt blieb, von der Annahme aus, dass er zwar drei Paar Socken anhatte, aber eben nur sehr dünne. Die Sockenpaare jedoch, die der Flüchtende trug, waren wesentlich dicker, als vermutet. Zudem umfasst die Flora vor Ort einerseits keine Nadelbäume und andererseits zeigten sich Geäst und Sträucher durch die vorherrschende Luftfeuchtigkeit eher elastisch. Das heißt, es gab kaum eine Möglichkeit, sich tatsächlich an den Händen zu verletzen.

Nach Dr. Panos P. gibt nun auch der Rechtsanwalt von Petra P. eine Erklärung zum Gutachten ab und moniert darin zuvorderst den Umstand, dass der Sachverständige sich bei seiner eigenen Ortsbesichtigung keine Verletzung zugezogen hat. Zugleich ist dieser aber der unbedingten Meinung, dass das Opfer Stefan T. sich auf jeden Fall hätte verletzen müssen.

Weiter, so der Rechtsanwalt, sei die Berechnung des Gutachters zur Unterkühlung falsch, da die verbrachte Zeit im Wasser wesentlich geringer war, als der Sachverständige im Gutachten angegeben hat. Auch ist die Annahme inkorrekt, dass es für eine Unterkühlung unerheblich ist, ob man sich im Wasser befindet oder aber mit nasser Kleidung außerhalb des Wassers aufhält.

Hier hakt nun der Strafverteidiger Axel W. ein und widerspricht den Anwälten. Diese hätten ihrerseits nicht deutlich genug darauf hingewiesen, dass Stefan T. auch auf dem Hinweg zum letztendlichen Versteck verbundene Augen hatte. Zusätzlich hätte er sich gewünscht, dass die heute vorgetragenen Einwände schon am letzten Verhandlungstag vorgetragen worden wären. Daher wird nun angeregt, doch eine gemeinsame Ortsbegehung mit dem Gutachter durchzuführen, um so genau festzustellen, wo und wie man sich hätte verletzen können.

Der Vorsitzende Richter teilt daraufhin mit, dass er dem Chefermittler zwischenzeitlich den Auftrag erteilt habe, vor Ort festzustellen, wie das Gelände beschaffen und wie hoch die Verletzungsgefahr tatsächlich ist. Dies sei mit einer Videokamera aufzunehmen, so dass die Erkenntnisse bei Gericht gezeigt werden können.

Beim Ausspähen erwischt? Zeuge erkennt Angeklagten wieder

Nun folgen die mehrstündigen Aussagen zweier, miteinander befreundete Rentnerehepaare. Insbesondere einer der Rentner, Herr K., berichtet in einer sehr langen Anhörung ausgiebig. Er habe den Angeklagten an einem Nachbarsee mit seinem Kajak gesehen. Ein paar Wochen später sei er ihm, etwa an selber Stelle, wieder begegnet, diesmal mit dem Fahrrad. Da nur Herr K. derartige Beobachtungen machte, können seine Frau und das befreundete Paar nur wiedergeben, was er ihnen erzählt hat.

Inwieweit all diese Aussagen erhellend sein könnten – vielleicht zur Frage, ob der Angeklagte sein Opfer ausgespäht hat –, kann zum heutigen Tage noch nicht beurteilt werden. Was mir in diesem Zusammenhang jedoch auffällt, ist, dass alle vier Rentner ganz bestimmt eine altersgemäße Aussage treffen. Allerdings liegt der Altersunterschied zu allen Beteiligten der Parteien und des Gerichts zwischen 25 und 50 Jahren, worin der Grund zu einer tatsächlich festzustellenden Verständnislücke zwischen den Generationen liegen könnte. Denn teilweise brachten die Aussagen einige Beteiligte zum Schmunzeln, andere waren eher verwirrt oder sogar richtiggehend irritiert. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wie geht man mit Zeugenaussagen dieser Art um? Sind sie weniger wahr, nur weil man als jüngerer Mensch einem solchen Vortrag nicht gut folgen oder ihn gar verstehen kann?

Die Nebenklägeranwälte versuchen im Verfolg der Anhörung die umfangreiche Aussage zusammenzuführen, aber auch, den Zeugen K. zu kurzen Antworten zu bewegen, was leider nicht gelingt. Letztlich ist festzuhalten: Stimmt die Aussage, so wie der Zeuge es hier vorbringt, ist der Inhalt sicherlich brisant.

Eine Notiz zum Schluss: Die Ehefrau von Herrn K., ebenfalls als Zeugin geladen, berichtet, dass sie sich am gestrigen Tage Zeitungsartikel zum Fall durchlesen wollte, um für ihre heutige Zeugenaussage gut vorbereitet zu sein. Zwar hat sie diese Artikel nicht mehr gefunden. Doch wichtig in einem Prozess sollte sein, dass man die Geschehnisse aus der Erinnerung berichten kann und nicht das nacherzählt, was eventuell in einem Zeitungsartikel gestanden hat.

Der nächste Prozesstag ist der 30. Juni.

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

Verletzungen und Todesgefahr bei Entführungsopfer Stefan T.

Im Prozess, der drei Gewaltverbrechen des „Maskenmannes“ behandelt, geht es heute um einige Begleitumstände der Entführung von Stefan T. Vor allem die Verletzungen von Stefan T. und die mögliche Todesgefahr, in der der Gekidnappte schwebte, sind Gegenstand eines zum Teil kontroversen Austauschs.

Verwirrung: Hundeführer verfolgten unterschiedliche Spuren

Am zehnten Verhandlungstag werden in der ersten halben Stunde zwei Hundeführer der Polizei als Zeugen gehört. Der erste Hundeführer, ein Beamter aus Fürstenwalde, hat einen normalen Fährtenhund. Der zweite Polizist aus Berlin arbeitet mit einem ausgebildeten Mantrailing-Hund. Dabei treten zwei wesentliche Unterschiede in den Aussagen auf.

Verletzungen und Todesgefahr bei Entführungsopfer Stefan T.

Der Hundeführer aus Fürstenwalde gibt an, dass sein Fährtenhund der Fährte von Opfer und Täter zunächst über das Grundstück und bis zu einem Jägerzaun nachging. Diese Spur hat das Tier hinter dem Zaun weiterverfolgt. Das würde bedeuten, dass der Fluchtweg von Täter und Opfer entgegen der Aussage von Stefan T. über den Jägerzaun ging, und nicht wie ausgesagt, durch ein Tor hindurch. Der Mantrailing-Hund aus Berlin jedoch hat in etwa den Weg verfolgt, den auch Stefan T. in seiner Aussage beschrieben hat.

Rentner leisten erste Hilfe – Polizei lässt auf sich warten

Danach wird für circa zwei Stunden das Ehepaar E. gehört, das Stefan T. nach seinem Entkommen von der Insel erste Zuflucht gab. Sie berichten beide ziemlich identisch, dass am Sonntagmorgen gegen sieben Uhr ein Mann dreckig und schlammig vor ihrer Tür stand und darum bat, die Polizei rufen zu dürfen. Rentner E. berichtet, wie Stefan T. ihm von seiner Entführung erzählte, allerdings nur bruchstückhaft. Sie baten ihn nach kurzer Pause in den Vorflur, wo er auf einem Stuhl Platz nahm. Er bekam Wasser und Kaffee und konnte sich auf der Gästetoilette Hände und Gesicht waschen. Dann telefonierte Stefan T., konnte seine Frau allerdings nicht erreichen. In dieser Situation bemerkte Herr E. Tränen in den Augen von Stefan T. Daraufhin rief er seine Schwiegereltern an. Es wurde außerdem umgehend die Polizei unter 110 informiert, deren Eintreffen allerdings derart lange dauerte, dass man nochmals unter 110 anrief.

Anschließend werden die Polizisten S. und G. mit jeweils den gleichen Fragen konfrontiert, die sie inhaltlich nahezu identisch beantworten. Sie berichten unter anderem, dass sie Stefan T. am 7. Oktober 2012 von Herrn und Frau E. abholten, wobei sie drauf achteten, dass Stefan T. einen weißen Overall zur Spurensicherung anzog. Anschließend brachte man ihn auf die Polizeiwache nach Frankfurt (Oder). Stefan T. erzählte von seiner Entführung eher lückenhaft. Ihn interessierte vor allem, wie es seiner Frau und seinem Kind ging und äußerte, froh zu sein, dass alles endlich vorbei war. Weiterhin gab er an, dass er vor der Tat ausspioniert worden sei.

Auch der Notarzt Dr. J., der Stefan T. unmittelbar nach seiner Ankunft in Frankfurt (Oder) untersucht hat, wird nun befragt. Ihm erzählte Stefan T., dass er keiner Gewalt ausgesetzt war. Er durfte nur eine Sichtprüfung der freien Stellen an Händen und Gesicht durchführen sowie eine Messung der Vitalwerte, da die Polizei darauf bestand, dass Stefan T. den Overall zur Spurensicherung anbehielt. Die Werte waren normal, eine Unterkühlung lag auch nicht vor. Stefan T. erschien ihm sehr euphorisch.

Weiterhin werden noch Nachbarn der Familie T., Herr G. und Frau J., gehört. Beide sagen aus, dass Stefan T. am Tag der Entführung anders als sonst gelaunt war. Er wirkte nicht so herzlich, sondern eher distanziert.

Lebensgefahr für Personenschützer Torsten H.

Am Nachmittag wird der sachverständige Rechtsmediziner Dr. V. befragt, der unter anderem das Opfer Torsten H. am 21. Oktober 2011 im Krankenhaus untersucht hat. Er stellte dabei fest, dass dem Verletzten durch einen Schuss u. a. der zwölfte Brustwirbel durchtrennt wurde. Es bestand akute Lebensgefahr. Torsten H. hatte dem Mediziner berichtet, dass er dem Täter zuerst frontal gegenüberstand. Doch er als merkte, dass der „Maskenmann“ schießen wollte, drehte sich der Personenschützer seitlich zum Schützen.

Die Verteidigerin von Torsten H. fragt nach den Ein- und Austrittswunden. Speziell interessiert sie, ob man den Wunden entnehmen könnte, welche Körperlänge der Täter hat und ob er denn größer oder kleiner als ihr Mandant sei. Der Sachverständige antwortete, dass eine solche Messung durchgeführt werden kann.

Bei diesem Wortwechsel beobachte ich, wie der Angeklagte Mario K. sehr ernst wird und die Hände vor sich faltet. Versucht der mutmaßliche Täter sich zur Ruhe zu zwingen?

Der medizinische Sachverständige wird des Weiteren zu den Verletzungen von Stefan T. befragt. Insbesondere steht die Frage im Fokus, mit welchen Verletzungen man bei diesem Tatverlauf hätte rechnen müssen.

Dr. V. gibt hierzu an, dass er Stefan T. nicht gesehen oder untersucht hat. Allerdings sei er bei der Vernehmung dabei gewesen. Darauf basierend und in Korrelation mit den Zusammenhängen der physikalischen Vorgänge im Körper hinsichtlich Nässe und Temperatur, die der Mediziner detailliert erklärt, kommt Dr. V zur Einschätzung, dass akute Lebensgefahr für Stefan T. bestand. Denn nach seinem Urteil ist es lediglich dem Zufall zu verdanken, dass es nicht zu einer tödlichen Unterkühlung gekommen ist.

Dr. V. berichtet, dass er mit Polizeibeamten und seiner Kollegin am 23. April 2013 eine Ortsbegehung im Sumpf durchgeführt hat. Seiner Meinung nach, ist es schwer vorstellbar, ohne Verletzung durch den Sumpf zu kommen. Er schlussfolgert daher, in einer solchen Situation ohne Unterkühlung davonzukommen, sei nicht ausgeschlossen, aber auf jeden Fall ungewöhnlich.

Der Richter fragt den Sachverständigen nun, ob denn vielleicht die besonders gute Fitness von Stefan T. Grund für seine relative Unversehrtheit gewesen sein könnte, was der Mediziner verneint. Eine gute Konstitution gibt zwar in einer solchen Extremsituation sicherlich einen „Vorschuss“, hält aber eine Unterkühlung nicht auf.

Nun will der Anwalt von Petra P. vom Sachverständigen erfahren, ob dieser sich bei der Ortsbegehung denn verletzt hätte. Dieser verneint das, seine Kollegin hätte aber ein paar kleine Kratzer abbekommen. Das bringt den Anwalt wiederum auf die Frage, wieso der Arzt denn der Auffassung sei, dass man sich unbedingt verletzen müsse und warum er beim Opfer Stefan T. damit gerechnet hat. Dr. V. entgegnet, dass er selbst am Tage und mit offenen Augen durch den Sumpf gegangen ist, also gute Sicht hatte und sich bei eventuellen Stürzen hätte kontrolliert abfangen können. Stefan T. hingegen musste sich bei Nacht und mit verbundenen Augen durch das Gelände bewegen, was ungleich schlechtere Bedingungen für eine verletzungsfreie Durchquerung waren.

Jetzt hakt auch der Anwalt von Stefan T., Dr. Panos P., nach. Insbesondere interessieren ihn die hinzugezogenen Quellen des Sachverständigen, anhand derer er die Auswirkungen von Temperatur und Nässe auf die Unterkühlung eines menschlichen Körpers begründet. Die Frage des Rechtsbeistandes beruht darauf, dass er selbst nämlich ganz andere Erkenntnisse gewonnen hat, basierend auf anderen Quellen neueren Datums.

Und so werden im weiteren Verlauf der Befragung des Sachverständigen mehr und mehr Details besprochen und vermeintliche Widersprüche aufgedeckt, worauf dieser zunehmend ungehalten reagiert. Bei Gutachten von Sachverständigen ist es immer so, dass die eine Partei dem Gutachter zustimmt, und die andere dagegen ist. Und natürlich gibt es auch Fragen, die er tatsächlich nicht beantworten kann, insbesondere, wenn diese nicht in sein Sachgebiet fallen. Eine endgültige Klärung kann Dr. V. letztlich nicht herbeiführen.

Mit dieser konfrontativen Befragung endet der 10. Prozesstag, der seine Fortsetzung am 26. Juni findet.

Bildquelle: Peter Hebgen / pixelio.de

Einblicke in Opferseelen: Wenn kriminelle Geldgier Leben zerstört

Warum heute nur zwei Medienvertreter und auch nur zwei Zuschauer im Saal sind, ist mir nicht erklärlich. Dennoch: Der Vorsitzende Richter eröffnet die Sitzung um 9:35 Uhr. Louisa P. & Torsten H. sind nicht anwesend. Als zusätzlicher Sachverständiger ist der Rechtsmediziner Dr. V. im Saal.

Der heutige Prozesstag erlaubt einen zwar kurzen, aber ergreifenden Einblick in das, was verbrecherische Geldgier in den Seelen unschuldiger Opfer anrichten, ja zerstören kann. Welche gravierenden, weil langfristige Folgen solche Wahnsinnstaten wie die des „Maskenmannes“ haben. Die Vernehmung von Sabine T. gibt beredtes Zeugnis dessen. Darin steckt außerdem die sattsam bekannte Erkenntnis, dass Verbrechern die urmenschliche Fähigkeit zur Empathie völlig fehlt. Ist es das, was sie zu Tätern macht?

Einblicke in Opferseelen: Wenn kriminelle Geldgier Leben zerstört

Vom Angriff auf ihre Familie: Augenzeugin Sabine T. berichtet

Als erste Zeugin wird die Frau des Entführungsopfers Stefan T. gehört, der wiederum die letzten beiden Verhandlungstage dominierte. Seine Gattin Sabine T. macht einen sehr angespannten und angestrengten Eindruck, ist aber trotzdem in der Lage, sehr detailliert und sachlich zu beschreiben. Der Beklagte Mario K. schaut auch diese Zeugin nicht an, schreibt aber viel auf.

Sabine T. erzählt ebenfalls zuerst von den Ereignissen vor der Tat am gleichen Tag. Darin weicht sie nicht von der Schilderung ihres Mannes ab. Sie erzählt, dass sie vor dem Zubettgehen gegen 21:30 Uhr nochmals den Hund herausgelassen hat. Ihr Mann und ihr Sohn schauten währenddessen eine DVD.

Sabine T. ließ den Hund nicht jeden Abend heraus, und auch nicht immer zur Seeseite. Doch an diesem Abend zögerte der Hund zunächst und Sabine T. dachte, es läge am nasskalten Wetter. Sie stand noch einen Moment lang in der beleuchteten Tür und ging dann zurück ins Wohnzimmer. Plötzlich bellte der Hund ganz aufgeregt und wohl auch auf eine ungewöhnliche Weise. Sabine T. nahm an, der Hund hätte auf dem Grundstück ein Reh gestellt und ging nachschauen. Doch auf einmal stand eine vermummte Gestalt vor ihr.

Sie rief laut: „Nein, nein!“, doch konnte sie den Eindringling nicht abwehren. Dann hörte sie zwei Knallgeräusche (Flasche Wein und Schuss) und sah die Gestalt breitbeinig mit Waffe vor ihr stehen. Der Täter sagte, dass es ihm nur ums Geld ginge und sich alle auf den Boden legen sollten. Er hatte Klebeband und ein Messer mitgebracht. Der Täter befahl Sabine T.: „Du fesselst jetzt deinen Mann!“ Sie antwortete: „Das kann ich nicht.“, worauf der Täter antwortete: „Doch, das musst du machen.“ Da bot sich der erst elfjährige Ricardo T. an und half seiner Mutter, den Vater Stefan T. zu fesseln. Der Täter gab Sabine T. noch die Anweisungen: „Keine Polizei, sonst schieße ich deinen Mann zum Krüppel und hole mir deinen Sohn. Nicht hinterherschauen und nicht hinterherlaufen!“

Nachdem der Täter weg war, nahm sie ihren Sohn und setzte sich mit ihm und dem Hund vor den Kamin, um einen Moment inne zu halten. Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, rief sie die Polizei über den Notruf 110 an. Sie schilderte den Überfall und bat um diskrete Anfahrt. Danach informierte sie ihre Familie. Als nach geraumer Zeit immer noch keine Polizei vor Ort war, rief sie nochmals den Notruf an. Es war derselbe Beamte am Telefon wie beim ersten Anruf. Er teilte ihr mit, dass es nicht so leicht sei, Kräfte zu mobilisieren. Es wären allerdings Einsatzkräfte unterwegs, die dann kurze Zeit später tatsächlich kamen.

Sabine T. wollte, dass die Beamten sich ausweisen. Der männliche Beamte konnte das nicht, weshalb zuerst nur seine Kollegin ins Haus kam. Sabine T. wurde nun angewiesen, die Jalousien herunterzulassen, später wurde das Haus zusätzlich von außen gesichert. Zudem kamen zwei Beamte der Opferbetreuung aus Potsdam, die von nun an ständig anwesend waren.

Die Telefone waren alle abhörbereit verkabelt, um für einen möglichen Täteranruf vorbereitet zu sein. Als das Festnetztelefon am Sonntag klingelte (Stefan T. wollte von seiner Befreiung berichten), konnten die Polizei und Sabine T. sich jedoch nicht schnell genug einigen, wer den Anruf entgegennehmen sollte: Sabine T., ihr Sohn oder die Polizei. Damit ging dieser Anruf ins Leere. Und auch der Anruf auf das Handy von Stefan T., welches im Haus lag, verhallte ungehört, da es auf lautlos gestellt war. Doch da mit den Anrufen eine Rufnummer gesendet worden war, lag nun wenigstens eine Telefonnummer vor, mit der man hätte arbeiten können. Allerdings vergingen nun weitere 60 Minuten ungenutzt, da zunächst ausdiskutiert wurde, wie nun überhaupt mit der Nummer verfahren werden sollte.

Angesichts dieser Schilderungen seitens Frau Sabine T. bin ich über die hier offenbar sehr ungeschickte, ja fast schon destruktive Vorgehensweise der Polizeibeamten ernsthaft erschüttert.

Ein angespannter Angeklagter

Nachdem Sabine T. ihre Ausführungen beendet hat, beginnt der Vorsitzende Richter, seine Fragen zu stellen. Er erkundigt sich nach der Gestalt und der Bekleidung des Täters. Der Täter hatte eine Kopfbedeckung mit einer Gazemaske, ähnlich wie Imker sie tragen, die bis auf die Schultern herabhing. So konnte man seine Kopfform nicht erkennen. Weiterhin trug er grobe Handschuhe mit Nähten auf den Fingern und auf dem Handrücken sowie eine grüne Tarnjacke, eine Angler- oder Outdoor-Hose mit Reißverschluss und Schnürstiefel. Sabine T. schätzt den Täter auf eine Körperlänge von etwa 174 Zentimeter.

Bei der Fesselung ihres Mannes hatte sie das Messer des Täters in der Hand, mit dem sie das Klebeband abgeschnitten hat. Das beschlagnahmte Messer kann Sabine T. bei einer Inaugenscheinnahme am Richtertisch aber nicht hundertprozentig identifizieren.

All dies nimmt der Beklagte Mario K. wieder völlig regungslos zur Kenntnis und scheint kein Interesse zu zeigen. Als es am Richtertisch jedoch um die Schusswaffe geht, die zum Einsatz kam, wendet und streckt er seinen Kopf zum Richtertisch. Diese Position hält er circa zwei Minuten, was für den sonst fast teilnahmslosen Mario K. eine sehr lange Zeitspanne der bewussten Aufmerksamkeit ist. Jetzt spricht er auch noch mit der Assistentin seiner Anwälte, die wiederum sofort und in einer sehr heftigen Reaktion ihren Finger an ihre Lippen führt und dem Mandanten dadurch bedeutet, dass er unverzüglich schweigen soll.

Eine solch heftige Reaktion kommt bei Profis wie den Anwälten von Mario K. nicht einfach aus dem Bauch heraus. Stattdessen kann man davon ausgehen, dass vorher bereits besprochen worden ist, zu verhindern, dass der Beklagte von sich aus spricht. Dies kann seine Ursache in der Befürchtung haben, dass es eine Gefahr sein könnte, wenn der Angeklagte spricht: Vielleicht verrät er sich ja durch seine Reaktion? Ich mutmaße, dass die Assistentin von ihren Chefs angewiesen worden ist, den mutmaßlichen Täter zur Räson zu rufen, sollte das notwendig sein. Diese wiederum haben von der ganzen Situation nichts mitbekommen, da sie dem Richtertisch zugewandt waren.

Einblicke in Opferseelen: Von Angst und Beklommenheit

Am späten Vormittag beginnt die Staatsanwaltschaft mit ihren Fragen. Unter anderem möchte man wissen, wie es der Zeugin, aber auch ihrer Familie geht. Sabine T. sagt, dass ihr Befinden seit dem Überfall schwankt. Sehr auffällig jedoch ist, dass ihr Sohn Ricardo T. sich seitdem sehr zurückgezogen hat. Er möchte nicht über den Vorfall sprechen, ist noch in psychologischer Behandlung und hat insbesondere abends immer noch Angst. Der ganzen Familie fehlt nach wie vor die frühere Leichtigkeit. Sabine T. erzählt, dass sie versuchte, das alte Leben aufrechtzuerhalten. Doch das scheint unmöglich, das jetzige Leben ist anders.

Die Familie hatte seit dem Vorfall immer Personenschutz und mindestens sechs Polizeibeamte zum Objektschutz am Grundstück. Nachts haben sie das Licht im Haus brennen und ihr Mann Stefan T. hat jetzt immer eine Waffe griffbereit. Es gibt eine Alarmanlage mit Überfallknöpfen und einen Sicherheitsdienst, der bei Alarm kommt.

Der Staatsanwalt konfrontiert Sabine T. mit dem Gerücht, dass ihr Mann Stefan T. die Entführung nur vorgetäuscht hätte. Sie wiederum findet diese Behauptung eine unglaubliche Unverschämtheit.

Jetzt geht es der Staatsanwaltschaft darum, ob Sabine T. die Stimme des Täters wiedererkennen könnte. Sie beschreibt, dass die Stimme keinen Dialekt hatte, es war eher ein klares Hochdeutsch. Sie empfand die Stimme eher als hoch, was nicht zum kräftigen Körperbau des Täters passte. Wem Sabine T. eine solche Tat zutraue, fragt die Staatsanwaltschaft. Doch sie wisse niemanden, dem sie eine solch abscheuliche Tat zuschreiben könne. Schließlich fragt Rechtsanwalt Dr. Panos P. nach dem jetzigen Umgang mit dem Haus in Storkow. Sabine T. schildert, dass das Haus seit dem Überfall nicht mehr benutzt wird, da die Familie sich dort nicht mehr wohl fühlt. Man will mit dem Haus nichts mehr zu tun haben.

Die Beklagtenanwälte haken nach

Nun ist der Beklagtenanwalt Axel W. mit seiner Befragung an der Reihe. Er erkundigt sich zuerst nach dem Familienhund. Hier ist ihm die Sorte und die Korrektheit der Züchtung wichtig, und, ob der Hund als Schutzhund ausgebildet wurde, was nicht der Fall ist. Weiterhin fragt er Sabine T., ob sie an ihrem Handy die Einstellungen vorgenommen hat, durch die ausgehende Anrufe als anonym abgesetzt werden. Hintergrund der Frage ist, dass sie am Tattag vor dem Überfall zwar telefoniert hat, ihre Nummer allerdings nicht auf dem Gesprächsprotokoll ihres Mannes zu finden sei. Sabine T. kann das allerdings nicht erklären.

Außerdem wird durch Axel W. Sabine T.s Einschätzung zum Täter abgefragt, worauf sie unter anderem antwortet, dass der Täter nicht nervös gewirkt habe. Sie ist zudem der Meinung, dass es sich um einen Alleintäter gehandelt haben muss, da der Täter immer nur in der Ich-Form und niemals in der Wir-Form sprach. Allerdings empfand sie es als laienhaft, dass er zum einen die Handys nicht mitgenommen hat, und zum anderen, dass der Täter sie und ihren Sohn nicht ebenfalls gefesselt hatte.

Bei vielen Zeugenbefragungen fällt auf, dass die Staatsanwaltschaft, aber insbesondere die Rechtsanwälte des Beklagten bei Beginn der Befragung des einzelnen Zeugen darauf hinweisen, dass sie bei ihren Fragen leider springen müssen. So kommt es, dass gleichartige Sachverhalte öfter und zu unterschiedlichen Zeiten behandelt werden. Ist das vielleicht eine Technik der besonderen Gesprächsführung, um so festzustellen, ob der Zeuge zu unterschiedlichen Zeiten im Verlauf des Gesprächs bei gleicher oder ähnlicher Sachverhaltsfragestellung die gleiche Antwort gibt? Will man so eruieren, ob der jeweilige Zeuge die Wahrheit sagt, oder ob er unterschiedliche Antworten gibt und damit als unglaubwürdig einzustufen ist?

Axel W. möchte weiterhin wissen, ab wann der Personenschutz durchgeführt wurde. Sabine T. antwortet, dies sei seit der Rückkehr aus ihrem Kurzurlaub direkt nach dem Überfall geschehen. Seitens der Polizei gab es im Übrigen keine Sicherheitsempfehlung zum Reiseziel. Nachdem auch der zweite Beklagtenanwalt, Christian L., noch diverse Fragen losgeworden ist, wird Sabine T. aus dem Zeugenstand entlassen.

Mein Eindruck von ihr ist, dass sie eine sehr tapfere Zeugin ist, die zugleich authentisch und lebensnah berichtet hat. Das Erlebte löst bei ihr sicherlich immer noch eine besondere Drucksituation aus, mit weiterhin andauernden Folgen.

Strafverteidiger und Hauptzeuge im Clinch

Am frühen Nachmittag wird der Prozess mit einer erneuten Befragung des Zeugen Stefan T. fortgeführt. Nochmals lässt sich Rechtsanwalt Christian L. das Geschäftsmodell der Firma von Stefan T. erklären. Dieser bewegt sich nun in seinem Element, gibt sehr bereitwillig zu allen Fragen Antwort, da er der Meinung ist, damit auch zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen.

Insbesondere geht es der Anwaltschaft von Mario K. um einen Familien-Firmen-Event im Jahr 2012. Dabei wurden bei einer kleinen Schnitzeljagd GPS-Geräte eingesetzt. Der Anwalt möchte von Stefan T. genau wissen, inwieweit er mit GPS- Geräten vertraut war und ist, und wer diesen aktiven Teil des Events geleitet hat. Stefan T. bestätigt, dass er mit GPS-Geräten nicht gut umgehen kann, und dass die Entscheidung, wie und wo der Event durchgeführt werden sollte, über eine Mitarbeiterabstimmung der Firma erfolgte.

Als Nächstes geht es um das persönliche Leben des Zeugen. Nach einigen Fragen geht der Zeuge Stefan T. den Strafverteidiger von Mario K. direkt an, er möge ihm doch bitte konkrete Fragen stellen und „nicht so rumeiern“. Die Verteidiger wehren sich gegen diesen Vorwurf.

Doch weiter geht es. Nun ist unter anderem der Freundeskreis von Stefan T. Thema, aber auch ein Gespräch am Tattag mit dem Nachbarn B. und dessen Lebensgefährtin. Beide hatten bei einer Vernehmung durch die Polizei ausgesagt, dass Stefan T. im Gespräch blass war und „angepisst“ wirkte. Warum seine Nachbarn zu dieser Einschätzung kamen, kann Stefan T. sich allerdings nicht erklären.

Zwischendurch merkt Stefan T., dass er aufgrund der vielen Fragen sehr viel erzählen muss. Insbesondere ärgert es ihn, dass der Angeklagte – und für ihn ist das auch der Täter – so viel über sein Privatleben erfährt. Dennoch fragt Christian L. beharrlich weiter und will Verschiedenes wissen über Immobilienfindung in Storkow, Golfclub-Mitgliedschaften und Restaurantbesuche in der Gegend um Storkow. Man merkt deutlich, dass hier versucht wird, einen Zusammenhang zur Familie P. herzustellen.

Ein weiterer Frageblock beschäftigt sich mit der Verbringung des gefesselten Stefan T. vom Haus zum See. Die Anwälte wundern sich, dass Stefan T. diesen Weg ohne weitere Verletzung mitgehen konnte. Stefan T. entgegnet, dass es sich hierbei ja um sein Grundstück handelt, das er gut kennt. Außerdem führte der Täter ihn mit einer Hand an der Schulter und gab knappe Kommandos. Da er dem Täter außerdem dankbar war, dass er ihn und nicht seinen Sohn oder seine Frau entführt hatte, konnte er auch relativ ruhig bleiben. Die Anwälte zweifeln das an, es entzieht sich ihrer Vorstellung.

Axel W. fragt nun, ob sich Stefan T. auch vorstellen könnte, dass es sich um zwei Täter gehandelt hat. Sie könnten in einer Aufteilung gehandelt haben: Der erste Täter führte Stefan T. aus dem Haus bis zum Boot, der zweite Täter hielt Stefan T. auf der Insel gefangen. Stefan T. verneint das klar.

Zwischendurch werden wieder bereits gestellte Fragen erneut abgefragt. Stefan T. gibt identische Antworten, ohne dass es neue Erkenntnisse gibt. Anschließend kommen die Strafverteidiger auf die zwei Treffen der Familie T. mit der Familie P. zu sprechen, die ebenfalls Opfer des mutmaßlich gleichen Täters, dem „Maskenmann“, geworden sind. Stefan T. sagt, er habe einen positiven Eindruck der Familie P.. Man sprach in den beiden Begegnungen überwiegend über die jetzige Problemsituation und nicht über den möglichen Täter oder den Tathergang. Dieses zweifeln die Anwälte des Beklagten an. Stefan T. erklärt außerdem, dass keine juristisch-taktischen Maßnahmen abgesprochen worden sind.

Ein Personenschutz-Blog im Gericht

Im weiteren Befragungsverlauf kommt sogar dieser Blog zur Sprache. Denn auf die Frage des Beklagtenanwalts Axel W., ob Stefan T. Kenntnis über die Beweisaufnahme hätte, gibt dieser an, dass er durch seinen Verteidiger ausführlich informiert wird und außerdem regelmäßig Gast meines Blogs ist: https://www.personenschutz-sachverstaendiger.de/blog. Stefan T. deutet auf mich, Axel W. lächelt und fragt verwundert, warum denn ein Sachverständiger für Personenschutz noch im Saal sitzen würde, da doch alle Personenschützer bereits ausgesagt hätten.

Hierzu erläutere ich gerne, dass es für den Fachbereich Personenschutz eminent wichtig ist, zu analysieren und zu verstehen, wie sich Schutzpersonen verhalten, in welchen Umständen sie sich befinden und welche Motive sie bewegt haben. Gleichermaßen wichtig ist es, Verhalten, Motive und Vita des Beklagten und möglichen Täters kennen zu lernen. All dies dient der professionellen Weiterentwicklung des Fachbereichs und damit der besseren Sicherheit von Schutzpersonen.

Darüber hinaus betone ich an dieser Stelle nochmals, dass die Sicherheitsmitarbeiter in ihrer Zeugenaussage mitgeteilt haben, für die Familie P. einen Objektschutzauftrag durchgeführt zu haben. Sie haben also nicht als Personenschützer, sondern als Objektschützer ausgesagt, was ein nicht zu unterschätzender Unterschied ist.

Diesem kurzen Exkurs folgen zahlreiche weitere Fragen nach möglichen Tatverdächtigen und der Festnahme des Beklagten im September 2013, zur Fesselung von Stefan T. und dessen Wahrnehmung der Witterung am Tag seiner Entführung. All diese Fragen erhellen den aktuellen Wissensstand nicht wirklich.

Schließlich endet der neunte Prozesstag, am 23. Juni geht es im Gerichtssaal weiter.

Bildquelle: twinlili  / pixelio.de

Entführungsopfer Stefan T. erneut im Zeugenstand

Der Richter eröffnet den achten Prozesstag um 9:33 Uhr. Heute sind wieder 20 Zuschauer und zehn Medienvertreter anwesend. Louisa P. ist nicht da, ihr Bruder Patrick P. sitzt im Zuschauersaal.

Zu Beginn gibt der Richter bekannt, dass alle Parteien zwei DVDs erhalten haben, auf denen jeweils die Rekonstruktion der Fesselung des Opfers Stefan T. sowie die Rekonstruktion der Fesselung von Sabine T. zu sehen ist.

Weiterhin teilt der Richter mit, dass durch das LKA ein Messer beschlagnahmt worden ist, welches bei einer Durchsuchung der Wohnung von Frau W. (Freundin / Bekannte des Angeklagten Mario K.) gefunden wurde. Dieses Messer wurde von Frau Sabine T. als ähnliches oder sogar als das gleiche Modell erkannt. Doch der Richter sagt auch, dass das LKA daran keine Spuren festgestellt hat.

Anschließend gibt Staatsanwalt W. noch eine Erläuterung zum Verbleib des Gutachtens der Frau G. ab.

Entführungsopfer Stefan T. erneut im Zeugenstand

Opfer Stefan T. über Folgeschäden und Einzelheiten der Entführung

Nun wird die Zeugenbefragung von Stefan T. durch den Staatsanwalt fortgesetzt. Er fragt nach einer psychologischen Behandlung des Zeugen. Dieser äußert sich dahingehend, dass er nach der Tat ein paar Sitzungen durchgeführt hat, davor aber niemals. Mental sei er soweit unbeschadet, die Lebensfreude habe jedoch abgenommen. Zusätzlich merkt er an, dass seine Fokussierung in seinem Leben auf andere Dinge zugenommen hat.

Nochmals wird Stefan T. zur Stimme und Sprechweise des Täters befragt, woraufhin er wiederholt, dass diese auffällig monoton, sehr rau und dominant war. Eine dunkle Männerstimme. In Stresssituationen (Flaschenwurf durch Stefan T.) war die Stimme jedoch eher hell. Ansonsten gab es keinerlei Melodie. Der Täter hat nur kurze Sätze gesprochen, keine Nebensätze. Die Grammatik hat gestimmt, der Inhalt war durchschnittlich gebildet.

Aus Stefan T.s Äußerung, wie der Täter in einer Stresssituation stimmlich reagiert, ist abzulesen, dass er nicht vermag, cool zu bleiben, sondern durchaus auch Nerven zeigt.

Stefan T. berichtet weiter, dass der Täter nicht sehr kommunikativ war, er selbst hingegen versuchte, über eine Unterhaltung persönlich zu werden, sich menschlich zu zeigen. Während der Gespräche mit dem Täter bot Stefan T. ihm sein Auto oder seine Uhr an. Der Täter sagte wörtlich: „Ich bin doch nicht blöd.“

Die Staatsanwaltschaft setzt ihre Befragung durch Abfragen kleiner Details fort.

Dann geht es um Umgebungsgeräusche, von denen es kaum welche gab. Stefan T. bemerkte nur, dass der Täter Müll verbrannt hat, und, dass es nach Kunststoff roch. Weiterhin hörte er immer wieder „Schnief-Geräusche“ des Täters.

Zu seinem Fitnesszustand befragt, sagt Stefan T., dass er in seinem Haus in Wannsee ein Schwimmbad im Keller hat, wo er fast täglich morgens und abends jeweils 30 bis 45 Minuten schwimmt. Auch im See in Storkow ist er geschwommen.

Befragt zu seiner Entfesselung, beziffert Stefan T. die Dauer dessen mit circa zweieinhalb Stunden. Verletzungen hatte er bis auf kleine Kratzer nicht, auch nicht an den Fußsohlen, da er drei Paar Socken anhatte.

Mir fällt auf, dass die Staatsanwältin den Angeklagten Mario K. während der Befragung des Zeugen durch den Staatsanwalt genau beobachtet. Immer wieder sind Reaktionen in Gestik und Mimik bei ihm zu bemerken.

Stefan T. berichtet, dass er den Täter gefragt hat, was dieser denn gemacht hätte, wenn Stefan T. bewaffnet gewesen wäre. Antwort des Täters: „Dann hätte ich das ganze Magazin leer geschossen!“

Diese Antwort deutet auf einige Aspekte hin: Erstens hatte der Täter wohl kein Ersatzmagazin dabei, war an dieser Stelle also offenbar schlecht vorbereitet. Zweitens spricht die Aussage, dass er das ganze Magazin verschossen hätte, deutlich vom entsprechenden Täterstress. Hieran ist, wie auch schon an anderen Stellen des Prozesses, die Feigheit des Täters abzulesen.

Während seiner Gefangenschaft, so berichtet Stefan T., gab es eine Situation, in der ein Flugkörper über sie hinweg flog, woraufhin der Täter sehr hektisch wurde und etwas Grünzeug auf seinem provisorischen Dach verteilte. Dieses bestand aus blauen Müllsäcken oder blauer Plastikfolie. Dies zu bedecken war laut Stefan T. auch absolut notwendig, weil die Farbe Blau in einem Sumpf nun einmal sehr auffällig ist.

Auch diese infrastrukturelle Maßnahme – blaue Plastikfolie als Schutzdach zu verwenden – ist eine schlechte Vorbereitung des Täters.

Nebenklägervertreter und Sachverständiger befragen Stefan T.

Nun bekommen die Nebenklägervertreter der Familie P. die Gelegenheit zur Nachfrage. Man will nun wissen, ob Stefan T. die Familie P. vor der Tat persönlich kannte. Er verneint dieses, gibt aber zu, schon von ihnen gehört zu haben. Gemeinsame Bekannte gibt es laut Stefan T. nicht. Doch nach der Tat gab es zwei Treffen mit der Familie P. Befragt zum örtlichen Schützenverein – wo er Christian P. auch hätte kennenlernen können –, antwortet Stefan T., dass er aus reiner Netzwerkpflege zu örtlichen Handwerkern eingetreten ist. Eine Waffe hatte er damals nicht, inzwischen jedoch besitzt er eine. Waffen waren ihm bis zu seiner Entführung zuwider.

Der psychologische Sachverständige befragt Stefan T. nach einer möglichen Alkoholisierung des Täters. Alkoholisiert sei dieser nicht gewesen, das hätte Stefan T. definitiv gerochen, entgegnet dieser. Darüber hinaus kann er zur Verfassung des Täters nur sagen, dass dieser eine sehr gute Outdoor-Erfahrung gehabt haben muss. Aggressiv hatte Stefan T. den Täter nur in der Situation der Schussabgabe empfunden. Ansonsten war der Täter sachlich, sehr zielgerichtet und rücksichtslos. Freude wiederum äußerte er nur, als es um die Lösegeldforderung von einer Million Euro ging.

Nun sind die juristischen Vertreterinnen von Torsten H. an der Reihe und befragen Stefan T. nochmals zu der Situation des Gesprächs über die Bilder in seinem Haus. Sie bitten Stefan T., nochmals den genauen Wortlaut der Antwort des Täters wiederzugeben: „Das glaubst aber auch nur du!“

Ich beobachte, wie der Beklagte Mario K. oft etwas mit den Kugelschreiber in der rechten Hand schreibt. Wenn er nicht schreibt, dreht er diesen Kugelschreiber wie einen Propeller in der Hand.

Harte Zeugenbefragung durch den Anwalt des mutmaßlichen Täters

Am späten Vormittag beginnt der Rechtsanwalt Axel W. seine Befragung. Da der Zeuge Stefan T. einen sehr guten Vortrag abgeliefert und viele detaillierte Kenntnisse vorgetragen hat, dürfte es eine interessante Anhörung werden.

Als Erstes fordert der Anwalt ihn auf, doch weiterhin so akkurat zu antworten. Unter anderem geht es dem Anwalt um die Besichtigung des Aufenthaltsorts von Opfer und Entführer. Der Anwalt wundert sich über das gute Erinnerungsvermögen des Zeugen und fragt, ob sich das inzwischen verbessert hat. Der Zeuge Stefan T. sagt, dass es sich erstaunlicherweise genauso verhalte. Rechtsanwalt Axel W. mutmaßt nun, dass sich das auch durch das Studium der Akten so ergeben haben könnte. Stefan T. entgegnet, dass das nicht auszuschließen ist. Es geht zwischen den Parteien ein bisschen hin und her, manchmal reden beide gleichzeitig.

Eine entscheidende Frage ist, wie Stefan T. den Ort seiner Gefangenschaft wiederfinden konnte, obwohl er das Versteck von der Seeseite aus doch nie gesehen hat. Stefan T. begründet das mit seiner Kenntnis des Sees, und dem insgesamt relativ kleinen Gelände.

Bei der Beantwortung der Fragen von Axel W. wird Stefan T. oft durch den Anwalt unterbrochen. Will er ihn damit verunsichern? Doch dann wiederum zeigt sich der Anwalt an manchen Stellen auch verständnisvoll.

Ein weiterer Fragenkomplex des Beklagtenanwalts betrifft hiernach das geschäftliche Umfeld von Stefan T. Danach werden unterschiedliche Situationen der Entführung und Eindrücke vom Täter abgefragt. Hierzu hören wir vom Zeugen Stefan T. das bereits Gesagte.

Eine Besonderheit fällt auf: Der Täter hat penibel darauf geachtet, dass das Opfer keine nassen Füße bekommt. Stefan T. bekam während der Gefangenschaft zwei Mal einen „Anpfiff“. Auch dieses zeugt von einer hohen Outdoor-Erfahrung. Denn nasse Füße bedeuten, dass die Gefahr einer Krankheit groß ist und mit einem kranken Opfer ist schwieriger umzugehen.

Des Weiteren erklärt der Zeuge dem Anwalt noch einmal sehr ausführlich, warum er beim Briefeschreiben nicht hoch geschaut hat, um den Täter zu sehen. Das war begründet durch die Angst, getötet zu werden, sollte der Täter bemerken, dass sein Opfer ihn ohne Maske sieht.

Nun thematisiert Anwalt Axel W. eine Zeugenaussage Stefan T.s während einer Befragung durch die Polizei am 7. Oktober 2012. Dabei ging es um die Täterbeschreibung, wobei die von Stefan T. geäußerte Körperlänge des Täters von der tatsächlichen Körperlänge des Beklagten deutlich abweicht. Der Beklagtenanwalt hat hierfür einen Zollstock mit in den Gerichtssaal gebracht. Er fordert nun den Beklagten auf, vor den Richtertisch zu treten, um ihn zu vermessen. Es findet eine richterliche Abnahme statt, die eine Körperlänge von 185 Zentimetern ergibt. In seiner polizeilichen Befragung hat Stefan T. eine Länge von circa 170 bis 175 Zentimetern angegeben. Bei der Messung zeigt der Beklagte im Übrigen wieder einmal keine Reaktion. Er zeigt nur in Richtung des Zeugen mit Zeigefinger und Daumen die Höhe seiner Absätze (1 cm) an.

Nach circa zwei Stunden Befragung scheint es nun so, dass Axel W. eine vermeintliche Trumpfkarte gespielt hat. Doch der Zeuge erklärt hingegen den festgestellten Längenunterschied mit der gebückten Körperhaltung des Täters. Denn dieser stand da wie ein Boxer oder wie eine schussbereite Person, die sich leicht gekrümmt hält und dadurch nicht die normale Größe mit einem gestreckten Körper erreicht.

Anschließend erzählt Stefan T. noch, dass er nach der Rückkehr aus seinem Kurzurlaub, den er unmittelbar nach der Tat antrat, Personenschutzmaßnahmen durch die Polizei erhalten hat. Hierfür fand mit ihm und mit der Familie ein Gefährdungsgespräch samt Analyse statt, aufgrund dessen die Familie hinsichtlich der zu ergreifenden Sicherheitsmaßnahmen entsprechend eingestuft worden ist.

Zum Kurzurlaub hatte sich die Familie T. unmittelbar am Tag nach der Befreiung entschlossen. Es wurde eine kleine Reise in ein warmes Gebiet. Hier wollte die Familie die Ereignisse besprechen und verdauen. Vor dem Hotel war eine uniformierte Polizeistreife des Gastgeberlandes eingesetzt. Die Familie war der Überzeugung, dass diese Maßnahme durch die deutschen Polizeibehörden ausgelöst worden war.

Wenn dem so war, dann ist diese Maßnahme bei diesem Tätertyp sicherlich sinnfrei gewesen. Doch leider einsatztypisch.

Jetzt geht es dem Rechtsvertreter Axel W. um die verschiedenen Vernehmungen des Zeugen Stefan T. durch die Polizeibehörden. Er fragt nach allen möglichen Details, beispielsweise zur Dauer der Termine, deren Zustandekommen oder nach teilnehmenden Personen.

An dieser Stelle der Befragung übt Stefan T. Kritik zu den Vernehmungen dahingehend, dass diese in seinen Augen oft unprofessionell durchgeführt worden sind. Oft waren sie vorher nicht terminlich angekündigt, sondern wurden sehr spontan angesetzt. Zeitweise konnten die Beamten außerdem die ihnen zur Verfügung gestellte EDV-Technik nicht hinreichend bedienen, so dass eine Befragung nur zögerlich und Stück für Stück durchgeführt werden konnte. Bei seiner ersten Vernehmung am Montagvormittag wurde er zwischenzeitlich auch vom Polizeipräsidenten angerufen. Das Gespräch dauerte keine Minute.

Stefan T. berichtet zu allen Fragen sehr viel und auch ausschweifend, er wirkt sehr authentisch. Rechtsanwalt Axel W. hingegen wartet, den linken Arm auf der Tischplatte und seinen Kopf stützend, nur auf Schlüsselworte in den Antworten von Stefan T. mit denen er dann wieder weiter nachfragen kann. Das funktioniert fortlaufend. Es dreht sich dabei unter anderem viel um den Chefermittler der Polizei.

Am Nachmittag führt der zweite Anwalt des Beklagten, Christian L., die Befragung weiter. Er fragt wieder das berufliche Umfeld des Zeugen Stefan T. ab. So werden folgende Fakten bekannt: Die Gesellschaftsform des Betriebs von Stefan T. ist eine Aktiengesellschaft mit 20 Mitarbeitern und verschiedenen Gremien wie Vorstand, Aufsichtsrat, Investmentkomitee, und internem Komitee.

Weiter wird unter anderem nach dem Umgang mit den Mitarbeitern gefragt, zusätzlich auch nach dem Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Stefan T. soll auch noch einmal das Geschäftsmodell der Firma erklären, woraufhin dieser erläutert, dass sein Credo laute: zwischen allen Parteien stets ein faires Verhältnis schaffen. Er wolle niemanden zum Feind haben, und das sei ihm bis heute auch gelungen. Ob es kritische Entlassungen bei den Firmenbeteiligungen gab, kann er ad hoc nicht beantworten.

Anwalt Christian L. fragt anschließend, ob sich der Zeuge denn nicht überlegt hätte, wer der Täter gewesen sein könnte. Stefan T. entgegnet, dass er sich natürlich einige Gedanken dazu gemacht hat, doch er sei auf niemanden gekommen, dem er diese Tat zutrauen würde. Daraufhin legt Christian L. dem Zeugen ein Protokoll einer Telefonüberwachung (TKÜ) vor, aus dem ein Gespräch mit einem Aufsichtsrat über einen Auftrag möglicherweise Aufschluss erbringen könnte. Darin wurden zwei Personen genannt, die eventuell in Betracht kommen könnten. Hierzu gab es allerdings keinerlei verdichtende Hinweise oder sonstige Umstände, die einen berechtigten Verdacht oder eine Nähe zu dem Verbrechen ergeben.

Auf die nächste Frage des Anwalts, ob er denn während der Entführung Angst gehabt hätte, antwortet Stefan T., dass er Todesangst ausgestanden hat. Auch hierzu zieht der Anwalt ein Protokoll einer Telefonüberwachung (TKÜ) vor, aus dem hervorgeht, dass Stefan T. gegenüber seinem Vater sagte, dass er niemals ängstlich war.

Mit diesen anwaltlichen Kniffen endet die Befragung des Zeugen und die weitere Vernehmung von Stefan T. wird auf den nächsten Verhandlungstag verlegt.

„Ausklang“ des Prozesstages

Eine knappe Stunde lang werden am späteren Nachmittag noch zwei weitere Zeuginnen gehört, die zu den Fällen der Familie P. aussagen sollen. Neues ist aus den Aussagen allerdings nicht zu hören. Doch insbesondere die Zeugin Birgit B. bringt durch ihre erfrischende lebensnahe Art Unterhaltung und Stimmung in den Gerichtssaal. Sie selbst hat zwar weder etwas gesehen noch gehört, sich aber aus ihrem Bekanntenkreis und in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ über den Fall der Familie P. informiert.

Hiernach unterbricht der Vorsitzende Richter den Verhandlungstag bis zum nächsten Tag. Auch der nächste Verhandlungstag dürfte wiederum Spannung und interessante Erkenntnisse bringen, da die Frau des Zeugen und Entführungsopfers Stefan T. aussagen wird.

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.

Protokoll eines Albtraums: Stefan T. berichtet über Entführung und Flucht

Heute, am siebten Verhandlungstag, sind wesentlich mehr Zuschauer – über 20 – im Zuschauerraum und auch circa zehn Medienvertreter. Der Grund liegt mit Sicherheit in der für heute angekündigten Aussage von Entführungsopfer Stefan T., der am 5. Oktober 2012 aus seiner Ferienwohnung auf dramatische Weise entführt worden ist.

Alle Nebenkläger mit ihren Anwälten sowie der psychologische Gutachter sind heute ebenfalls anwesend, wie auch der Beklagte Mario K. und seine Anwälte. Wie gehabt betreten die drei Opfer Stefan T., Petra P. und Louise P. den Gerichtssaal erst, nachdem die TV-Kameras den Gerichtssaal verlassen haben. Stefan T. sucht sofort Blickkontakt zum Beklagten, den dieser jedoch nicht erwidert.

Protokoll eines Albtraums: Stefan T. berichtet über Entführung und Flucht

Nachtrag zum Vortag

Gleich zu Beginn gibt der Anwalt von Petra P. eine Stellungnahme ab, die sich als Antwort auf den Antrag des Beklagtenanwalts Axel W. vom letzten Prozesstag versteht. Dieser wollte ein Glaubwürdigkeitsgutachten über den Zeugen und das gleichzeitige Opfer Stefan T. erwirken. Der Rechtsvertreter von Petra P. lehnt den Antrag in Gänze ab und begründet dies insbesondere mit dem Opferschutz.

Axel W. wiederum entgegnet, dass er den Antrag noch nicht gestellt hätte. Vielmehr befände sich dieser noch in der Vorbereitung und wird eventuell später eingereicht. Dazu hätte er das entsprechende Material einer audiovisuellen Aufzeichnung gebraucht. Den direkten Hinweis auf den Opferschutz habe er ebenfalls verstanden und bestätigt seinerseits, dass der Opferschutz ein hohes Gut ist.

Anschließend nimmt auch der Vorsitzende Richter Stellung – und lehnt den Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten des Zeugen Stefan T. ab. Insbesondere, weil es die ureigenste Aufgabe des Gerichts ist, die Glaubwürdigkeit von Zeugen zu prüfen und festzustellen. Anschließend werden allerdings zwei DVDs der polizeilichen Zeugenvernehmungen des Stefan T. an die Parteien verteilt.

Entführungsopfer Stefan T. im Zeugenstand

Ab 9:57 Uhr beginnt die mit großer Spannung erwartete Hörung des Zeugen Stefan T. Er macht einen klar strukturierten und aufgeräumten Eindruck. Er erklärt, dass er seine Zeugenaussage in unterschiedliche Blöcke aufgeteilt hat, damit der gesamte Verlauf der Tat sehr gut nachvollziehbar ist.

Zuerst erklärt Stefan T., dass er einen normalen Bürotag hatte, aber den Arbeitstag früher beenden wollte, um mit seinem Sohn, der Ferien hatte, den späten Nachmittag gemeinsam im Ferienhaus in Storkow zu verbringen. Am Abend des Tattages saß man zusammen vor dem Fernseher und schaute einen Film. Seine Ehefrau wollte etwas eher zu Bett gehen und hat vorher wie üblich den Hund durch die Terrassentür in den Garten gelassen. Die Terrassentür blieb so lange geöffnet. Der Hund bellte ungewöhnlich laut. Seine Frau ging zur Tür und schaute nach draußen. Stefan T. selbst sah jemanden sehr schnell und dynamisch durch den Garten zur Terrassentür laufen, doch seine Frau konnte diese nicht mehr rechtzeitig verschließen.

Als der Täter im Türrahmen stand, rief Stefan T. „Was willst du?“, und er warf eine halbvolle Rotweinflasche nach ihm, der der Täter jedoch ausweichen konnte. Als Stefan T. ihn mit einem Stuhl attackieren wollte, zog der Täter plötzlich eine vorher versteckte Waffe und schoss einmal in die Decke. Nachdem der Schuss gefallen war, sah die Familie T., dass weiterer Widerstand sinnlos wäre und eher für mehr Gefahr sorgen würde.

Stefan T. erinnert sich, dass der Täter die Waffe vor dem Schuss nicht durchgeladen hat. Er musste sie also schon vorher schussbereit gemacht haben.

Der Täter rief „Es geht nur um Geld. Sofort auf den Boden legen!“ Am Anfang hatte Stefan T. den Eindruck, dass der Täter etwas nervös war, später verhielt er sich dann jedoch sehr souverän.

Die Frau von Stefan T. musste ihren Mann fesseln. Da er ahnte, dass es nach draußen geht, bat er, sich vorher noch einen Pullover anziehen zu dürfen, was der Täter erlaubte. Als die Frau ihren Mann nun fesseln sollte, war sie zu nervös und zu entsetzt, um dies zu tun. Deswegen nahm der elfjährige Sohn die Fesselung vor. Beim Augenverbinden steckte der Junge die Brille seines Vaters in dessen linke Hosentasche. Kurz vor dem Gehen warnte der Täter Stefan T.s Frau, keine Polizei zu rufen, „sonst schieße ich deinen Mann zum Krüppel“.

Diese Aussage sollte besonders bewertet werden, da der Täter ja beim Anschlag auf Louisa P. etwa ein Jahr zuvor auf den Sicherheitsmitarbeiter schoss, der nun querschnittsgelähmt ist. War die Warnung also zugleich ein Hinweis und Bezug zu dieser vorangegangenen Tat?

Dazu passen würde auch folgende Äußerung des Täters: „Tun Sie, was ich Ihnen sage. Wenn das hier schief geht, kriege ich lebenslänglich.“

Danach wurde Stefan T. zum Abtransport an den See geführt, wobei er dankbar war, dass nicht sein Sohn oder seine Frau entführt worden waren. Er bemerkte, dass der Täter sich auf dem Grundstück sehr gut auskannte. Sie erreichten ein Kajak, an dessen äußerster Spitze er sich mit den gefesselten Händen einhängen musste. Der Täter ruderte mit ihm circa 15 bis 20 Minuten durch den See. Dann hielt das Kajak und der Täter begann – scheinbar ohne große Anstrengung – eine Luftmatratze aufzublasen. Das beeindruckte das Entführungsopfer sehr.

Zusätzlich musste Stefan T. sich einer sehr professionellen Leibesvisitation unterziehen, auch seine Genitalien wurden abgetastet. Er wurde nach Ortungsgeräten, die eventuell im Körper eingepflanzt waren, oder nach einem Herzschrittmacher gefragt. Nun wurde ein Seil um seinen Thorax geschlagen und er musste sich auf die Luftmatratze legen. Diese wurde sodann über ein Seil mit dem Kajak verbunden und hinter dem Boot hergezogen. Die Fahrt dauerte circa 30 Minuten.

Nach der Ankunft gingen sie durch den Sumpf, was sehr beschwerlich war. Stefan T. kroch mehr, als dass er ging. Der Täter dirigierte ihn mit einem GPS-Gerät. Am Ziel angekommen gab es zwei kleine Inseln. Eine, die so genannte Opferinsel, war circa zwei Quadratmeter groß, die andere Insel, Täterinsel genannt, vier Quadratmeter. Der Täter hatte die Opferinsel mit Plastikfolien, wahrscheinlich aus Müllbeuteln, abgedeckt. Stefan T. musste sich komplett ausziehen und bekam ein frisches neues Sweatshirt und zwei Jogginghosen sowie fünf Paar Socken. Auch hier empfand er Dankbarkeit, diesmal für die trockenen Sachen.

Der Täter fragte, wie intelligent seine Frau sei und ob sie den Anweisungen des Entführers folgen und nicht die Polizei rufen würde. Stefan T. antwortete, seine Frau sei intelligent, sie hätte Mathematik als Leistungskurs besucht und würde den Anweisungen folgen. Der Täter sagte daraufhin, dass er das Haus noch lange nach der Tat beobachtet hätte und er wäre sich sicher, dass keine Polizei mehr gerufen würde. Denn, wenn innerhalb der ersten Stunde keine Polizei gerufen wird, wird sie auch danach nicht mehr gerufen.

Danach befragte er den Entführten zu dessen Nettoverdienst und Vermögen. Zu letzterem antwortete er dem Täter, dass er eine Million Euro hätte. Der Täter zeigte sich sehr verwundert und sagte Stefan T., dass er ihn stärker eingeschätzt hätte, woraus man sicher schließen kann, dass der Entführer ursprünglich mehr als eine Million Lösegeld wollte.

Hier zeigt sich, dass es, um Opfer zu werden, nicht wichtig ist, was man tatsächlich an Vermögen besitzt. Entscheidendes Kriterium ist, was der Täter glaubt, wie viel Reichtum vorhanden ist. Das ist bei der Opferauswahl sehr wichtig.

Es wurden weitere Fragen vom Täter gestellt, unter anderem betreffend den Beruf, was er dort genau macht, aber auch, wie schnell Stefan T.s Frau das Geld beschaffen könnte. Der Entführte rechnete mit mindestens zwei Tagen. Außerdem wollte der Täter wissen, wie fit Stefan T. ist. Nach dieser Befragung ergab sich eine offene Unterhaltung, in der sich Stefan. T. dem Täter als Mensch zeigte und ein bisschen aus seinem Leben berichtete.

Natürlich wollte Stefan T. erfahren, warum er vom Täter als Opfer ausgesucht worden war. Der Täter entgegnete, dass er das Opfer über sechs Monate observiert und darüber genaueste Aufzeichnungen geführt hatte. Er wusste über jeden einzelnen Besucher Bescheid. Er kannte auch die Absicherungsmaßnahmen am Haus. Der Entführer eröffnete Stefan T. schließlich, dass er ihn auch ausgewählt hatte, weil es keine Sicherheitsmaßnahmen wie Zaun, Grundstücksalarmanlage oder Licht hab. Auch sind die Schlüssel der abschließbaren Fenstergriffe immer im Schloss.

Erst sollte die Entführung in der Zeit zwischen zwei und vier Uhr morgens stattfinden, das wäre die beste Zeit dafür. Doch nach einiger Zeit hatte der Täter klar erkannt, dass die größte Schwachstelle das Hinauslassen des Hundes und die dadurch offen gelassene Tür war. Als er das erkannte, entschied er sich für diese Variante.

Im weiteren Gespräch meinte der Entführer zu Stefan T., dass sich in dessen Haus hässliche Kunst befände. Dies war ein Thema, bei dem der Täter mitreden konnte, was eventuell daran lag, dass seine frühere Lebensgefährtin eine bekannte Künstlerin war. Stefan T. antwortete, dass der Künstler noch groß raus komme. Die Äußerung des Täters daraufhin ist auffällig und daher höchst interessant, er sagte: „Das glaubst auch nur du!“

Diese Wortwahl ist deshalb von Interesse, da der Täter am letzten Verhandlungstag in gleicher Diktion auf eine Äußerung des Zeugen Jan J. geantwortet hat. Ist das ein Zeichen für die tatsächliche Täterschaft Mario K.s?

Das Gespräch endete und Stefan T. blieb gefesselt. Er sollte den Täter auch nicht anschauen, dennoch hat er einmal kurz hochgeschaut. Dabei bemerkte er die kräftige Bein- und Gesäßmuskulatur des Entführers. Der Täter trug eine Neopren-Badehose.

Nun ging es an den Erpresserbrief mit der Lösegeldforderung, den Stefan T. selbst schreiben musste. Dafür bekam er Papierumschläge und einen Bleistift, mit dem sich beim damals feuchten Wetter allerdings nur schwer schreiben ließ. Der Täter diktierte ihm frei den Lösegeldbrief. Da der erste Brief zu zittrig geschrieben war, musste er einen neuen schreiben. Der Täter hatte die Befürchtung, dass der Polizei durch die zittrige Schrift aufgehen könnte, dass sich Opfer und Täter in freier Natur befanden. Stefan T. konnte sich den ersten Entwurf unbemerkt in seine Hose stecken, das sonstige Restmaterial musste er dem Täter zurückgeben.

Der Ablauf der Freilassung war vom Täter so gedacht, dass Stefan T.s Frau Briefe mit zehn Koordinaten bekommen sollte, wobei die letzte Koordinate diejenige war, wo sich Stefan T. nach erfolgreicher Übergabe des Lösegeldes befinden würde.

Nachdem alle Briefe geschrieben waren, wurde Stefan T. am frühen Samstagabend, dem 6. Oktober 2012, ein Silikonschlauch in den Mund geschoben und mit Klebeband fixiert. So konnte er Wasser aus dem Sumpf trinken. Der Grund sei, so sagte der Täter, dass er noch einige Erledigungen machen müsse und erst am Sonntagnachmittag wieder nach ihm, Stefan T., sehen könne. Er band das Entführungsopfer an zwei jungen Bäumen fest.

Stefan T. hatte Todesangst. Doch er lenkte sich damit ab, sich gedanklich eine DVD mit bewegenden Momenten aus seinem Leben anzusehen. Doch auch jede DVD hat einmal ein Ende und die Panikattacken setzten immer wieder ein. Daraufhin beschloss er, sich zu befreien.

Bevor ihm der Täter die Hände wie ein Boxer verklebt hatte, hatte er in die Handmulden je eine Klebekugel gelegt, so dass Stefan T. seine Hände kaum bewegen und mit den Fingern wenig greifen konnte. Die Hände selbst waren diagonal über Kreuz gefesselt. Doch wie sich herausstellte, war die Fessel nicht stark genug, Stefan T. konnte an einer Stelle das Band einreißen.

Nach wie vor konnte Stefan T. nichts sehen. Da er auch Stopfen in die Ohren bekommen hatte, war es unmöglich, zu hören. Stefan T. hatte Angst, dass der Täter noch in der Nähe war und ihn dabei erwischen könnte, wie er sich befreit. Doch nach und nach kam er voran, konnte die Fesselung etwas lösen und schließlich einen kleinen Stock greifen. Damit stach er ein Loch in das Klebeband am Ohr, um wieder hören zu können. Diese Errungenschaft feierte er innerlich. Nach und nach konnte er sich ganz befreien. Nun begann die Flucht durch den Sumpf, die wiederum sehr beschwerlich war.

Stefan T. bemerkte nach circa 30 Minuten einen Taschenlampenkegel hinter sich. Er nahm natürlich an, dass es sich hierbei um den Täter handelte, und so entschied er, sich dem Boden gleich zu machen und sich zu verstecken. Der Täter suchte ihn fast eine Stunde lang und kam ihm dreimal sehr, sehr nahe, auf etwa drei bis vier Meter.

Interessant war für Stefan T., wie sein Körper in dieser Situation reagierte. Da er sehr fror, klapperten seine Zähne sehr laut. Aber immer wenn der Täter nahe bei ihm war, hörte das Zähneklappern auf. Das war überlebenswichtig für Stefan T.

Stefan T. beschloss, nicht nach Hause zu laufen, da er Angst hatte, dass der Täter damit rechnen und ihm den Weg abschneiden würde. Und so lief er in die andere Richtung und kam nach einiger Zeit in eine kleine Ortschaft. Er klingelte am ersten Haus, wo noch Licht brannte. Eine ältere Dame, die ihn durch das Fenster ansah, öffnete die Tür nicht und wollte auch nicht die Polizei rufen. Er ging sofort zum nächsten Haus mit Licht. Dort wurde ihm geholfen und die Polizei gerufen. Diese benötigte allerdings eine Stunde, bis sie tatsächlich da war.

Stefan T. versuchte nun, seine Familie zu erreichen, was aber erfolglos blieb. Darüber ärgerte er sich sehr. Zusätzlich verfuhr sich die Polizeistreife auch noch auf dem Rückweg zum Kommissariat nach Frankfurt (Oder), was ebenfalls an den Nerven zerrte. Dort angekommen wurde er in einen Raum geführt, in dem circa 30 Polizeibeamte saßen. Hier wurde er zunächst ausschließlich nach dem Lösegeld gefragt (eine Million Euro).

Nach der ärztlichen Untersuchung und dem Duschen wurde er immer wieder kurz durch Beamte befragt. Danach wurde eine Ortsbesichtigung durchgeführt, da er in der Lage war, die Opferinsel wiederzufinden. Seine Familie konnte er erst um 21:30 Uhr wiedersehen, alle waren gekommen. Auch seine erwachsenen Kinder, die verteilt auf der ganzen Welt ihren Lebensmittelpunkt haben. Am Montag stand er der Polizei noch ganztägig zur Verfügung, danach begab sich die ganze Familie in den Urlaub. Hier schließt Stefan T. vorerst seine Ausführungen.

Nun beginnt der Vorsitzende Richter seine Befragung. Unter anderem will dieser erfahren, ob Stefan T. den Täter hat sehen können. Der Befragte entgegnet, dass er den Täter nur im Gegenlicht gesehen hat, als einen schwarzen Mann mit imkerartigem Netz, das bis auf die Schultern reichte, und einer Kopfbedeckung, die wie ein altmodischer Motorradhelm ausgesehen hat. Auf weitere Fragen des Richters, wann genau schossen worden ist, und ob es dem Täter nur ums Geld ging (Antwort: „Ja!“), antwortet Stefan T. unter anderem, dass direkt nach dem Flaschenwurf geschossen wurde und der Täter ihm später erzählte, er habe Stefan T. eigentlich ins Knie schießen wollen.

Weiter erzählt das Entführungsopfer auf Nachfragen des Richters, dass er seine Brille behalten durfte. Er vermutet, der Täter hätte dies zugelassen, weil auch er selbst Brillenträger ist und daher wüsste, dass Stefan T. seine Brille zum Schreiben des Erpresserbriefes benötigen würde. Die Brille verblieb am Ort seiner Gefangenschaft in einer Astgabel hängen. Doch nachdem er sich befreien konnte, nahm er sie wieder an sich.

Zum Abtransport aus dem Ferienhaus wählte der Täter nicht den Steg von Stefan T., sondern jenen des Nachbarn. Dieser war von keiner Seite einsehbar, und so konnte der Täter dort sein Kajak gut verstecken.

Bei einer Rekonstruktion der Tat musste Stefan T. unter anderem mit verbundenen Augen unter vier Modellen das richtige Kajak erfühlen – dies gelang ihm auf Anhieb. Auch wurden an diesem Kajak blaue Kaschmirfasern vom Pullover Stefan T.s gefunden.

Während der ganzen Zeit der Wiedergabe der Ereignisse durch Stefan T. gab es im Übrigen wieder keinen Blickkontakt zwischen Beklagtem und Opfer im Zeugenstand, wie schon die Tage zuvor. Zugleich fällt auf, dass der Richter Stefan T. besonders detailliert befragt. Hängt es damit zusammen, dass er vorbeugen möchte, weil der Anwalt des Beklagten, Axel W., ein Glaubwürdigkeitsgutachten beantragen möchte?

Eine der vielen weiteren Fragen des Richters ist, ob Stefan T. in seiner Unterhaltung mit dem Täter Details über diesen und sein Leben herausbekommen hat. Stefan T. erzählt daraufhin, dass der Täter extrem viel über ihn wusste, über seine Frau, sein Vermögen, sein Auto, sein Ferienhaus und über das Leben der Familie. Er wusste, dass sie gerne Wein trinken, viele Besucher haben und hatte sie als “feierndes Völkchen” wahrgenommen.

Die Lösegeldübergabe sollte ebenfalls durch Stefan T.s Ehefrau durchgeführt werden, zusammen mit einer zweiten Person, die während den letzten sechs Monaten bei Familie T. zu Besuch gewesen war. Diese und andere Personen kennt der Täter durch seine genaue Observation. Dafür habe er sich viele Nächte um die Ohren geschlagen. Auch über die Situation am Tatort wusste der Täter genau Bescheid. Und er hat speziell Stefan T. als Entführungsopfer und nicht das Kind oder die Frau gewählt, weil „Kinder einen Schaden bekommen können und Frauen zu irrational sind“.

Als Stefan T. auf die Frage des Richters nach Details zum Entführer genauer eingeht, beschreibt er den Täter als sehr konzeptionell: er habe ausschließlich das Überraschungsmoment für seine Tat als entscheidend empfunden und danach gehandelt. Im Grunde sei er eher rational, nicht emotional. Doch zuweilen sei er auch sehr schnell ungehalten und aggressiv geworden.

In dieser Beschreibung der Persönlichkeit des Täters meine ich die aufbrausende Reaktion des Beklagten während der Zeugenaussage von Jan J. wiederzuerkennen.

Stefan T. glaubt des Weiteren, der Täter habe einen Bildungskomplex. Beispiel: Als Stefan T. das Wort Klaustrophobie mit dem Wort Platzangst erklärte, wurde der Täter sofort laut und sagte, er wüsste was Klaustrophobie ist.

Auch zur Stimme des Täters kann der Zeuge Erhellendes beitragen. Sie habe einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Er hat sie bei einem Vergleichstest bei der Polizei unter sieben Stimmen sehr leicht und sehr genau erkannt. Stefan T. beschreibt sie als sehr monoton und rauchig, sie wurde vermutlich auf natürliche Art verstellt. Auch bemerkte Stefan T. einen leichten brandenburgischen Dialekt. Der Täter sei außerdem zynisch und ironisch.

Nun geht es dem Richter nochmals um das Lösegeld und die Übergabe. Dazu berichtet Stefan T., dass er den Text der Lösegeldforderung mit einem Bleistift auf die Außenseite von Briefumschlägen schreiben musste. Stefan T. hatte in dem Brief ganz leicht Buchstaben unterstrichen, die die Worte Sumpf und Ufer ergaben, in der Hoffnung, dass die Polizei dies erkennen und damit einen deutlichen Hinweis auf den Ort seiner Gefangenschaft erhalten würde.

Die Befreiung des Opfers und die Übergabe des Lösegeldes sollten wiederum über ein Wortspiel mit anschließender Schnitzeljagd über sieben bis acht Koordinaten laufen. Die letzte Koordinate wäre dann der Auffindeort Stefan T.s gewesen.

Die Stückelung des Lösegeldes bestand aus sehr vielen Zwanzigern und der Rest nur aus 500-Euro-Scheinen. Über diese Stückelung hat sich interessanterweise auch Stefan T. Gedanken gemacht. Er nimmt an, die vielen Zwanziger entspringen dem Umstand, dass der Täter mit nur 20 Euro pro Tag auskommen könnte.

Stefan T. erzählt, dass er den Täter fragte, was denn passiert wäre, wenn er ihn am Tag des 05. Oktober 2012 nicht hätte entführen können. Darauf entgegnete der Täter salopp, er hätte ihn dann an einem späteren Tag entführt.

Letztlich sei klar, so Stefan T., dass, wenn es mit ihm als Entführungsopfer nicht gelungen wäre, der Täter sich ein anderes Opfer gesucht hätte-, da sei der Täter sehr zielstrebig. Dessen logistischer Aufwand sei sicherlich sehr hoch, sein materieller und finanzieller allerdings nicht.

Diese Aussage weist eindeutig auf die stark ausgeprägte Zielorientierung des Täters hin. Andererseits macht sie deutlich, dass Täter es immer mehrmals versuchen, ganz nach dem alten, zynischen Spruch der IRA: „Wir haben 1.000 Chancen, Euch zu entführen, aber Ihr habt nur eine, uns abzuwehren.“

Anschließend fragt der Richter noch nach Folgen der Entführung für ihn, Stefan T., und seine Familie. Stefan T. führt aus, dass er seine Häuser in Storkow und am Wannsee verkauft und seine Segelyacht verschenkt hat. Seine Bilder hat er inzwischen dem Künstler zurückgegeben und Spaß an seinem Auto hat er auch nicht mehr. Sein Sohn hat nach wie vor Konzentrationsschwierigkeiten und kann immer noch nicht alleine schlafen. An seinem neuen Wohnort sind entsprechende Sicherheitsmaßnahmen eingerichtet.

Eine der letzten Fragen des Richters lautet, warum sich Stefan T. am ersten Verhandlungstag so dicht vor den Beklagten Mario K. gestellt hat. Stefan T. antwortet, dass er die Aura spüren wollte, und er sei sich nun absolut sicher, Mario K. als Täter identifizieren zu können. Er führt weiter aus, Mario K. sei ein Verwandlungskünstler, wie ein Chamäleon. Jetzt würde er nicht mehr trainieren und gleichzeitig zunehmen, sodass er etwas dicker wirkt und nicht mehr so leicht zu erkennen ist.

Danach liest der Richter das Lösegeldschreiben vor. Hier sind sehr detaillierte und komplizierte Angaben gemacht.

Ich nehme an, dass betroffene Personen, wie zum Beispiel die Ehefrau von Stefan T., diese einzelnen Bedingungen nicht hätten durchführen können. Dadurch wäre eventuell eine Lösegeldübergabe gescheitert.

Nachdem der Richter seine Befragung beendet hat, darf nun die Staatsanwaltschaft Antworten einholen. Der Staatsanwalt fragt nochmal nach dem Berufsbild von Stefan T., was dieser ausführlich erläutert. Des Weiteren sagt Stefan T., er sei nach der Tat noch nicht wieder der Alte. Im Weiteren geht es um Sicherheitsmaßnahmen. Von denen weiß Stefan T. zu sagen, dass er vor der Tat keine ergriffen hatte, dies nachher aber umgehend in Angriff nahm.

Befremdlicherweise findet es der Staatsanwalt in seiner Befragung lustig, dass Stefan T. während seiner Gefangenschaft in ein Marmeladenglas urinieren musste. Was an dieser Opferrolle lustig sein soll, erschließt sich mir nicht.

Eine der letzten interessanten Informationen des heutigen Verhandlungstages ist die Äußerung des Täters gegenüber Stefan T., dass er ihn eigentlich schon zwei bis drei Wochen früher hatte einführen wollen. Was dies verhinderte, wurde allerdings nicht bekannt.

Damit endet der heutige Prozesstag, am 16. Juni geht es im Gerichtssaal weiter.

Bildquelle: I. Rasche / pixelio.de

Duell im Gerichtssaal: Angeklagter reagiert auf Provokation

Nach einigen Tagen Pause beginnt am 5. Juni 2014 der nächste Verhandlungstag im „Maskenmann“-Prozess.

Eines kann diesem Bericht gleich vorweggenommen werden: Der sechste Prozesstag wird ungeahnte und ungewöhnliche Umstände und Ereignisse zu Tage bringen, die im nachfolgenden geschildert und kommentiert werden. Der besseren Lesbarkeit halber werde ich persönliche Einschätzungen kursiv setzen.

Routine. Routine?

Als um 9:15 Uhr der Saal aufgeschlossen wird, treten Zuschauer sowie Medienvertreter und ein TV-Team des RBB ein. Auch die Verhandlungsparteien kommen nach und nach in den Gerichtssaal. Man begrüßt sich höflich, aber mit entsprechender Distanz.

Duell im Gerichtssaal: Angeklagter reagiert auf Provokation

Ich erwische mich dabei, wie ich das gesamte Prozedere als Routine empfinde. Doch Routine heißt Normalität und an diesem Prozess ist nichts normal – für die Opfer erst recht nicht. Ihnen sollte jeglicher Respekt entgegengebracht werden, über die lange Zeit des Prozesses und darüber hinaus.

Kurz nach halb zehn wird der Angeklagte Mario K. in den Saal geführt. Er wird von drei Justizbeamten begleitet und hat wie immer seinen Laptop mit Verlängerungskabel dabei.

Die Anschlagsopfer Petra und Luisa P. wiederum warten in einem kleinen Raum hinter dem Zuschauerbereich, bis das TV-Team den Gerichtssaal verlassen hat. Petra P. macht einen strengeren Eindruck als sonst, doch vielleicht liegt das an ihrer veränderten Frisur oder an der dunkel umrandeten Brille. Sie schaut selbstbewusst zum Angeklagten. Ihre Tochter Louisa P. macht auch heute wieder einen etwas teilnahmslosen, abwesenden Eindruck. Trotzdem gehört Stärke dazu, sich immer wieder dem Angeklagten gegenüberzusetzen.

Dem Angeklagten auf der Fährte

Als erste Zeugin wird eine Nachbarin gehört, die zwar Petra P.s „gruselige Hilfeschreie“ hörte, sonst aber nichts zum Sachverhalt beitragen kann. Danach wird als Zeuge der Spürhundeführer der Polizei befragt. Am Tatort des Attentats auf Louisa P. begutachtete er zwei Hülsen und ein Projektil, was er ausführlich erläutert.

Während der Hundeführer und anschließend zwei weitere Polizeibeamte gehört werden – ohne Erhellendes beizutragen – kommt Torsten H. in den Saal, der angeschossen worden war. Wie auch Petra P. blickt er den Angeklagten fest an. Doch dieser würdigt die Opfer keines Blickes. Stattdessen lässt er seinen Blick im Saal kreisen, mustert verschiedene Personen. Nebenbei macht er sich Notizen oder liest in seinem Laptop.

Nun kommt der Polizist Sven S. in die Befragung. Er ist Führer eines Fährtenhundes und erläutert zunächst Grundsätzliches zur Arbeit mit derart speziell ausgebildeten Tieren. So klärt er auf, dass ein Hund einen Geruchsinn hat, der eine Million Mal intensiver und ausgeprägter ist, als der des Menschen. Die Hunde sind in der Lage, einen individuellen Geruchsstoff aufzunehmen. Sven S. erklärt, dass seine Hündin Spuren über Blut, Schweiß oder Adrenalin aufnimmt.

Die Anwälte von Mario K. fragen dezidiert und spitzfindig nach. Man möchte wissen, wie lange der Polizist schon Herr seiner Hündin ist, welche Ausbildung das Tier genossen hat, wie oft es eingesetzt wurde und zu welcher Art Einsätze. Wie schon bei den vergangenen Prozesstagen stellen die Verteidiger ihre Fragen immer und immer wieder, bedienen sich aber jedes Mal einer neuen Wortwahl, um den Befragten zu zermürben. Der Zeuge schlägt sich zwar tapfer, ist dem rhetorisch aber nicht gewachsen.

In der anschließenden Pause beobachte ich, wie Petra P. und Louisa P. ihren ehemaligen Personenschützer Torsten H. auf dem Weg zum Pausenraum sehr herzlich begrüßen. Die Mutter legt ihre eine Hand auf dessen Schulter, Louisa P. grinst sogar.

Zurück im Gerichtssaal wird der Prozess mit der Befragung des Zeugen Helmut Peter B.-C. weitergeführt. Dieser ist ein anerkannter Hundeführer im Bereich Mantrailing (Personensuche), seit 35 Jahren im Hundewesen tätig und seit 15 Jahren im Spezialgebiet Mantrailing. Die Tiere, mit denen der Zeuge arbeitet, sind besondere Hunde mit einem hervorragenden Geruchssinn. Sie sind in der Lage, verschiedene menschliche Gerüche voneinander zu unterscheiden. Sie richten sich nach den Duftmolekülen der Zielperson und nicht nach den Bodenspuren wie etwa normale Fährtenhunde.

Im Fall der Familie P. wurden drei Spürhund-Einsätze durchgeführt. Während die ersten beiden auf Kosten der Polizei erfolgten, hat den dritten die Familie P. finanziell übernommen, da die Polizei keine Kosten für diesen Bereich mehr zur Verfügung hatte. Der erste Einsatz wurde vier Wochen nach dem nächtlichen Attentat auf Mutter Petra P. durchgeführt.

Spurenträger der ersten Tat an Petra P. ist eine Kette von einem Handy, welche am Tatort. gefunden wurde. Vom zweiten Überfall dienen Patronen als Spurenträger. Mittels der eingesetzten Hunde konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass alle Objekte von einer Person stammen, es sich bei beiden Übergriffen also um ein und denselben Täter gehandelt hat.

Nach der erneut peinlich genauen Nachfragerunde der Angeklagtenanwälte bleibt diesen am Ende jedoch nur, festzustellen, dass der rhetorisch sehr versierte und selbstsichere Zeuge kein Kriminalist ist. Das ist zwar richtig, für den Prozess aber wohl völlig unerheblich.

Im Laufe des sehr interessanten Vormittags stelle ich fest, dass Louisa P. immer interessierter am Prozess teilnimmt. Sie schaut sich viel mehr um als bisher, das werte ich als ein gutes Zeichen.

Befragung des Bauunternehmers Christian P.

Der Nachmittag beginnt mit dem Zeugen Christian P., Bauunternehmer aus Berlin. Bereits zum Zeitpunkt des Angriffs auf Petra P. lebt er von ihr – seiner Frau – getrennt, was auch nach wie vor der Fall ist. Im Gerichtssaal macht er einen leicht unsicheren Eindruck. Christian P. schaut direkt zum Täter und versucht, Blickkontakt herzustellen. Doch Mario K. schaut – wie immer – nicht zurück.

Der Richter will von Christian P. wissen, welche möglichen Motive er für die Tat sieht. Doch Christian P. hat keine Erklärung. Auch keinen seiner Kontakte hält er für fähig, etwas solch Abscheuliches durchzuführen. Petra P. schaut ihren Mann erwartungsvoll und ernst an.

Christian P. berichtet, dass er sich zum Tatzeitpunkt in Amerika befand, zwei Tage später aber bei seiner Frau im Krankenhaus war. Zwischenzeitlich hat sein Sohn einen Wachschutz beauftragt und dabei besonders Wert darauf gelegt, dass das Unternehmen in der Nähe angesiedelt ist.

Anschließend geht es um die Mitgliedschaften von Christian P. in diversen Vereinen, vor allem die Schützenvereine sind von Interesse. So berichtet Christian P., dass er seinen Verein wechselte, weil sich im neuen Club die Trainingsmöglichkeiten besser ausnahmen. Zweimal hatte er außerdem in Schützenvereinen in Wannsee und Tempelhof geschossen.

Während seiner Anhörung macht Christian P. einen sehr angestrengten Eindruck.

Auch die Verteidiger erhalten nun Gelegenheit, den Vater von Louisa P. zu befragen. Obwohl er und auch alle anderen Familienmitglieder immer wieder ausgesagt haben, dass sie vor den Taten keinen Kontakt mit dem dritten Opfer Stefan T. hatten, haken die Angeklagtenanwälte beim Vater – und später auch beim Sohn Patrick P. – besonders nach.

So kommt zutage, dass Stefan T. im gleichen Schützenverein wie Christian P. Mitglied war. Trotzdem kennen sich beide nicht, was tatsächlich der Fall sein kann, denn Christian P. hat nach eigener Aussage niemals an Meisterschaften oder Mitgliedsfeiern teilgenommen.

Worauf all diese Fragen zielen, ist unklar, auch Christian P. ist irritiert. Es scheint, als wollten die Anwälte von Mario K. Zweifel streuen, so auch bei der nächsten Frage. Darin geht es um Bernd W., Sohn des Halbbruders von Petra P. Dieser habe mal ein Event für das Opfer Stefan T. mit vorbereitet. Christian P. kann hierzu überhaupt nichts sagen.

Nun wird Christian P. zu seiner Lebensgefährtin Kirsten O. befragt. Mario K.s Anwalt, Axel W., möchte wissen, ob Christian P. Postkarten erhalten hat, die ihn vor Kirsten O. gewarnt haben. Der Befragte kann sich an nichts Derartiges erinnern und schaut bezeichnenderweise seine von ihm getrennt lebende Frau fragend an.

Nun will man wissen, ob Christian P. Motorrad fährt, was er mit der Aussage, zwei Harley-Davidsons zu besitzen, bestätigt. Es werden auch das Arbeitsumfeld und besondere Entlassungen aus diesem abgefragt. Anschließend geht es um Christian P.s Teilnahme an der Personensuche durch die Spürhunde, die er bestätigt – nicht zuletzt aus dem Grund, da er die dritte Suche aus eigener Tasche finanziert hat.

Je mehr Nachfragen seitens der Verteidigung kommen, umso mehr scheint Christian P. genervt zu sein. Seine Stimme drückt das deutlich aus.

Die Familie P. hat während der Fahndung nach dem Täter eine Belohnung von 50.000 Euro ausgesetzt. Hierzu wird bei Christian P. durch die Anwaltschaft nachgefasst. Die Frage, ob innerhalb der Familie auch über eine Erhöhung der Summe gesprochen wurde, beantwortet Christian P. nur zögerlich. Auch, warum die Summe von 50.000 Euro nicht auf 100.000 Euro oder gar 200.000 Euro erhöht wurde, lässt Christian P. im Dunkeln. Es folgen weitere Nachfragen, schließlich endet die Anhörung. Christian P. macht keinen zufriedenen Eindruck. Er setzt sich mit verschränkten Armen in die vorletzte Reihe.

Im Zeugenstand: Sohn und Bruder Patrick P.

Gegen 14:00 Uhr kommt Patrick P., Sohn von Petra und Christian P. und älterer Bruder von Louisa P. in den Zeugenstand. Er macht einen sehr gepflegten Eindruck und ist seinem Alter entsprechend schick gekleidet.

Schon bei der Beantwortung der ersten richterlichen Fragen wird deutlich, wie redegewandt und selbstsicher Patrick P. ist. Wenn ich intensiv zuhöre, spüre ich eine gewisse Überheblichkeit. Man darf gespannt sein, ob ihm diese erhalten bleibt, oder ihn im Laufe des Prozesses einholt.

Von dem Angriff auf seine Mutter erfuhr er erst am nächsten Tag, vormittags im Büro, durch eine Angestellte seiner Firma. Daraufhin fuhr er unverzüglich ins Krankenhaus. Patrick P. schildert den Tathergang, den seine Mutter ihm erzählt hat. Dieser unterscheidet sich kaum vom bereits Gehörten. Patrick P. beschreibt sehr detailliert und rhetorisch sehr sicher.

Er verweist unter anderem auf das abstehende Ohr des Täters und berichtet außerdem über den Termin beim Phantomzeichner. Dieser konnte die Angaben der Mutter Petra P. nicht genau umsetzen. Dass Patrick P. die Angaben seiner Mutter bestätigt, ist sehr wichtig, weil er der Erste ist, der deren Aussagen nochmals unterstützt.

Zum Anschlag auf seine Schwester Louisa P. berichtet Patrick P. ebenfalls sehr detailliert. Als er über die Tat und den Täter spricht, schaut der Angeklagte Mario K. auf sein Papier auf dem Tisch, blickt den Zeugen nur ganz kurz an.

Nach den Anschlägen auf seine Mutter und seine Schwester, entschloss sich Patrick P., Personenschutz zu beauftragen, da er Angst hatte, dass sich diese Vorfälle wiederholen. Insbesondere die massive Gewalt gegenüber seiner Mutter hat ihn sehr schockiert und verwundert.

Fragen, die mir an dieser Stelle wichtig erscheinen, sind: Was genau wurde beauftragt? Der Auftraggeber fordert Personenschutz, doch was bestätigen die Auftragnehmer? Die Antworten folgen dann tatsächlich im weiteren Verlauf des Tages.

Außerdem möchte das Gericht wissen, warum genau das am Ende beauftragte Unternehmen den Zuschlag bekommen habe. Patrick P. sagt daraufhin aus, dass ihm seine Assistentin drei Vorschläge gemacht hat. Bei der ersten Firma hat niemand das Telefon abgenommen, bei der zweiten überzeugte der Internetauftritt nicht, weswegen die Entscheidung klar auf das dritte Unternehmen gefallen ist. Mit den Chefs der Sicherheitsfirma, Anne L. und Björn B., wurde umgehend ein Gespräch geführt und anschließend gab es eine Soforthilfemaßnahme: Zwei Sicherheitsmitarbeiter für den Nachteinsatz und einen Sicherheitsmitarbeiter am Tag.

Später wird dieses Thema auch von den Angeklagtenanwälten aufgegriffen. Dabei erklärt Patrick P., dass er unbedingt ein Unternehmen vor Ort beauftragen wollte, keines aus Berlin. Wichtig sei ihm zudem gewesen, dass die Sicherheitsmitarbeiter „etwas mehr hermachten“ und abschreckend wirkten.

Die Beauftragung der Storkower Firma könnte auch dadurch zustande gekommen sein, dass Patrick P. dieses Unternehmen bereits aus seiner Jugendzeit kennt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Firma aus der Clubszene in Berlin bekannt war, da ihre Sicherheitsmitarbeiter auch dort eingesetzt werden. Logisch ist sein Entscheidungsverhalten allerdings nicht. Für den erfahrenen Auftraggeber war die Nähe zum Erfüllungsort sicherlich noch nie das entscheidende Kriterium gewesen. Man hätte auch einen Sicherheitsberater einbinden können.

Dann geht es um die Täterschaft, zu der Patrick P. zwar nichts sagen kann. Doch der Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Dr. Panos P. befragt den Zeugen zum Termin beim Phantomzeichner, und, ob er sich erinnern könne, dass seine Mutter Petra P. dem Zeichner vom abstehenden linken Ohr berichtet hat. Dies bestätigt der Befragte. Der Anwalt des Angeklagten, Axel W., hakt in diesem Punkt ebenfalls genau nach und will wissen, ob die Zeichnung tatsächlich frei angefertigt worden ist, was Patrick P. bestätigt. Nach vielen weiteren Fragen hebt Verteidiger Axel W. schließlich hervor, es sei auffällig, dass sich sonst weder ein anderer Zeuge, noch irgendein Polizeibeamter an das abstehende Ohr erinnern kann.

Nun übernimmt Christian L., der zweite Verteidiger von Mario K. Er möchte sich erneut mit dem Komplex der Bekanntschaft zwischen den beiden Opferfamilien beschäftigen. Patrick P. wird sehr intensiv befragt zu überwachten Telefonaten mit Stefan T., was rasch dazu führt, dass dem Zeugen seine oben beschriebene Überheblichkeit nun doch völlig entgleitet und er nur noch sehr stockend und mit leiserer Stimme antwortet. Auf diese Art und Weise rüttelt die Verteidigung natürlich an der Glaubwürdigkeit des Zeugen. Dieser wird zunehmend unter Druck gesetzt, was der Rechtsbeistand von Stefan T. bemerkt und Patrick P. zur Seite springt.

Bei der weiteren Befragung stellt sich außerdem heraus, dass sich der Arbeitsplatz von Louisa P. in demselben Bürohaus befand wie auch der von Stefan T. Getroffen haben sie sich wohl jedoch nie. Nach dieser sehr intensiven Befragung, die eine knappe Stunde dauert, wird Patrick P. entlassen. Mario K. hat wieder keinen Blickkontakt zum Zeugen aufgenommen.

Widersprüche im Schutzauftrag

Der nächste Zeugenbefragungskomplex umfasst drei Sicherheitsmitarbeiter, die alle als selbstständige Subunternehmer für das Storkower Wachunternehmen im Auftrag Familie P. gearbeitet haben.

Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist sehr auffällig und höchst interessant, dass alle drei Personen auf die Frage des Verteidigers Christian L., wie denn der konkrete Auftrag lautete, antworteten, dass es sich um Objektschutz bzw. Objektbewachung gehandelt habe. Interessant ist diese Aussage deshalb, da kurz zuvor Sohn und Bruder Patrick P. ausführte, dass er einen Personenschutzauftrag erteilt hat.

Dieser Widerspruch zieht sich durch den gesamten Fall. Die Zeugen Christian und Patrick P. sitzen in der vorletzten Reihe im Zuschauerraum und zeigen bei diesen Aussagen keinerlei Reaktion.

Später wird genau das nochmals in der Befragung eingehend thematisiert, wenn auf die neuerliche Frage, ob es denn nicht doch ein Personenschutzauftrag war, seitens der Befragten dagegengehalten wird: Es gab keine Waffen oder Schutzwesten, weil es kein Personenschutzauftrag war. Zudem wäre Personenschutz teurer abgerechnet worden, etwa zum doppelten Stundenverrechnungssatz. Allerdings haben die drei Zeugen mit der Familie P. nicht direkt über den Auftragsinhalt gesprochen, denn das hat der Chef der Storkower Sicherheitsfirma, Björn B., getan.

Nun fragt Anwalt Axel W. nach der Sinnhaftigkeit des Auftrages, wenn es nur ein Objektschutzauftrag gewesen sei. Immerhin wurde eine Person massiv angegriffen. Auf die nächste Frage, ob es eine Gefährdungsanalyse gab, wird einhellig mit Nein beantwortet.

Die weitere Befragung der Sicherheitskräfte ergibt wiederholt, dass der Einsatz von Torsten H. an diesem Tag Zufall war. Sie beschreiben, was auch schon früher im Prozess zur Sprache kam: Der normale Tagesablauf innerhalb der Familie P. – und auch am Tattag des Attentats auf Louisa P. – verlief dergestalt, dass Louisa P. sich regelmäßig morgens um die Pferde auf der Koppel kümmerte, wobei sie immer begleitet wurde.

An diesem Punkt stelle ich eine typische Schwachstelle fest: Die Regelmäßigkeit!

Zu den Tatmotiven oder dem Tathergang können alle drei Männer keine Sachverhaltsschilderung abgeben. Doch Zeuge Jan J. war am Freitag vor dem Tattag aufgefallen, dass der Hund Paul lange in eine Richtung gestarrt hat; jene Richtung, aus der am Tattag der Täter aus dem Wald kam. Es ist daher anzunehmen, dass der Täter schon zu dieser Zeit vor Ort war und seine Chancen entsprechend ausgelotet hat.

Auch hier kann ich typisches Täterverhalten erkennen. Alle Täter führen (meist mehrere) Generalproben durch. Der sachliche Beweggrund scheint die professionelle Vorbereitung zu sein. Der wahre Grund ist Feigheit!

High Noon im Gerichtssaal: Der Täter rührt sich und spricht erstmals

Der Staatsanwalt fragt den Zeugen Jan J. nun, ob er den Angeklagten kennen würde, was dieser verneint. Diese Nachfrage begründet der Staatsanwalt damit, dass ihm ein intensiver Blickkontakt zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen aufgefallen sei. Sicherheitsmann Jan J. erklärt allerdings, er wolle sich den Täter nur genau anschauen, „der so einen Scheiß“ gemacht hat. Dem folgt eine Premiere: Erstmals lässt sich der Angeklagte am sechsten Verhandlungstag zu einer Äußerung hinreißen: „Das denkst auch nur du!“

Beide Männer starren sich lange an es, scheinbar minutenlang. Doch Christian L., der Anwalt des Angeklagten, versucht seinen Mandanten Mario K. zu beruhigen. Auch der Vorsitzende Richter greift in die Situation ein. Er wendet sich direkt an den Zeugen Jan J. und bittet diesen, den Blick von Mario K. abzuwenden und ihn, den Richter, anzuschauen.

Der Angeklagte Mario K. hat erstmals reagiert und sogar gesprochen. Die letzten fünfeinhalb Verhandlungstage saß er absolut still, nahezu regungslos und teilnahmslos auf seinem Stuhl. Warum reagiert er nur in dieser Situation?

Bis zum Verlassen des Gerichtssaals knistert es zwischen Jan J. und Mario K. Beide schauen sich fest und finster an.

Gewissensbisse: Wichtiger Zeuge zeigt sich unsicher

Nach diesem heißen Duell wird nun die ehemalige Freundin des Opfers Torsten H. befragt, jedoch ohne wesentlichen Wissensgewinn. Hiernach wird am Nachmittag ein Zeuge des Tatabends des Attentats auf Petra P. in den Zeugenstand gerufen. Es ist Michael S., ein älterer Mann, der regelmäßig in Storkow spazieren ging. Er hatte sich an diesem Tag schon mit seiner Frau vom Parkplatz entfernt, um seinen Spaziergang zu beginnen. Doch eine dringende Notdurft führte ihn auf einem anderen Wege zum Parkplatz zurück.

Im Gebüsch stehend blickte er kurz hoch und sah etwa zweieinhalb Meter vor ihm einen Mann im Tarnanzug stehen. Dessen Gesicht war kurzzeitig unbedeckt, doch der Mann zog sofort einen Schleier oder eine Maske vor das Gesicht. Der Zeuge lief sofort davon. Auf seinem nun folgenden Spaziergang sah er diesen Mann nochmals, und zwar ohne Tarnanzug.

Es folgt eine in Augenscheinname der Phantomzeichnungen am Richtertisch. Dabei möchte der Vorsitzende Richter wissen, ob Michael S. den Angeklagten als Täter identifizieren kann. Der Zeuge windet sich, da er niemandem etwas Unrechtes tun will. Einerseits erkenne er ihn nicht definitiv. Andererseits ist er der Meinung, dass es viele Ähnlichkeiten zu dem Mann im Tarnanzug gibt.

Der Nebenklägervertreter von Stefan T., Anwalt Dr. Panos P., fragt den Zeugen nach der Statur des Täters, woraufhin der Beklagte aufgefordert wird, sich hinzustellen, so dass ihn der Zeuge genau mustern kann. Erneut sagt der Zeuge nun, dass die Person Mario K. im Gerichtssaal mehr Ähnlichkeit mit dem Mann im Tarnanzug vom Parkplatz hat, als es die Phantomzeichnung zeige.

Verteidiger Axel W. beanstandet diese Aussage von Michael S., da der Zeuge sich zu diesem Sachverhalt schon geäußert habe, allerdings anderslautend. Doch der Richter greift umgehend ein und stellt richtig.

Natürlich fragen nun beide Beklagtenanwälte beim Zeugen intensiv nach, um ihn zu verstricken. Doch nach 50 Minuten wird er entlassen und man merkt ihm den Gewissenskonflikt an; er hat sich schwer getan, mit hundertprozentiger Sicherheit einen Schuldigen zu benennen.

Skandalverdächtig: Verteidiger düpieren Opfer

Der Prozesstag ist seinem Ende nahe, als die Verteidigung ein weiteres Ausrufezeichen setzt, ganz so, als ob der Tag nicht schon spannend genug gewesen wäre. Axel W. stellt den Antrag, ein Glaubwürdigkeitsgutachten über das Opfer Stefan T. erstellen zu lassen.

Da das Entführungsopfer allerdings bereits am nächsten Prozesstag erstmals aussagen wird, und ein Gutachter so schnell vermutlich nicht zu bestellen ist, sollen die Schilderungen von Stefan T. audio-visuell aufgezeichnet werden. So kann ein Gutachter im Nachhinein die Äußerungen beurteilen.

Angesichts der Tatsache, dass Stefan T. und seine Familie Todesängste haben ausstehen müssen, ist dieser Antrag auf ein Glaubwürdigkeitsgutachten ein echter, fast unverschämter Kracher.

Auf den Antrag reagiert auch die Anwaltschaft von Stefan T. prompt und stellt diesen in Abrede. Man hätte auch die heutige Äußerung des Beklagten Mario K. audio-visuell aufzeichnen sollen. Damit hätte diese ebenfalls gutachterlich auf die Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Täters analysiert werden können.

Mit dieser Aktion wird der sechste Prozesstag beendet, die Fortsetzung folgt am 12. Juni.

Ein Prozesstag, der es in sich hat: Widersprüche und Emotionen

Gleich mehrere bedeutungsvolle Punkte können resümiert werden:

Erstens bestätigt Patrick P., Sohn des ersten Attentatopfers Petra P., deren Aussage, der Täter hätte ein abstehendes linkes Ohr.

Zweitens fördert seine Aussage einen krassen Widerspruch zutage: Patrick gibt eindeutig an, einen Personenschutzauftrag erteilt zu haben. Die Sicherheitsmitarbeiter hingegen teilen in ihrer heutigen Aussage ebenso eindeutig mit, dass sie ausschließlich einen Objektschutzauftrag hatten.

Drittens ging aus den Schilderungen des Tages erneut hervor, dass eine Regelmäßigkeit im Verhalten der Schutzperson Louisa P. als Schwachstelle durch den Täter ausgenutzt worden ist: Das morgendliche Versorgen der Pferde auf der Koppel gegenüber dem Haus. Hierin zeigt sich eine fast schon grobe Fahrlässigkeit innerhalb der Schutzmaßnahmen, die wiederum durch die widersprüchliche Auftragsdefinition zustande gekommen sein kann.

Viertens hat sich nun endlich auch einmal der mutmaßliche Täter hinreißen lassen, zu sprechen. Vom Zeugen Jan J. hat er sich derartig provozieren lassen, dass er sich erstmals äußerte und dabei emotionale Regungen zeigte.

Fünftens kann sich Zeuge Michael S. nicht zu einer eindeutigen Aussage durchringen. Er scheint den Täter zu kennen, bleibt eine klare Antwort aber schuldig.

Sechstens leistet sich die Verteidigung eine fast schon dreist zu nennende Aktion und fordert ein Glaubwürdigkeitsgutachten über Opfer und Zeuge Stefan T.

Festzuhalten ist außerdem, dass dieser sechste Verhandlungstag aus Sicht des Personenschützers spannende Erkenntnisse hinsichtlich einer konstruktiven Fehleranalyse erbracht hat (siehe zweitens und drittens). Bleibt abzuwarten, wie erhellend und vielleicht auch spektakulär die kommenden Prozesstage verlaufen werden.

Bildquelle: Peter Hebgen  / pixelio.de

Spannende Erkenntnisse: Personenschutz-Mitarbeiter sagen aus

Auch der fünfte Verhandlungstag am 19. Mai 2014 beginnt offiziell um 9:30 Uhr. Die Zuschauer kommen in den Saal und es begegnen sich einander mittlerweile bekannte Gesichter. Es sind die Stammgäste des Prozesses.

Nachdem auch die Prozessbeteiligten eingetroffen sind und sich eingerichtet haben, hört man auf dem Flur vor dem Gerichtssaal einen Justizbeamten laut rufen: „Wer kümmert sich um den Rolli?“. Gemeint ist Torsten H., der angeschossene und seitdem querschnittsgelähmte Sicherheitsmitarbeiter von Louisa P. Auch wenn es scheint, die Frage des Beamten sei despektierlich, so ist das der falsche Eindruck. Alle Justizbeamten behandeln den 33-Jährigen sehr respektvoll.

Spannende Erkenntnisse: Personenschutz-Mitarbeiter sagen aus

Als um 9:29 Uhr der Beschuldigte Mario K. vorgeführt wird, studieren die Opfer Petra und Louisa P. ihre Akten auf dem Tisch, weswegen es zunächst keinen Blickkontakt gibt. Kurze Zeit später schauen beide dann doch flüchtig und beinahe gleichzeitig zum Angeklagten. Und nachdem die Staatsanwaltschaft eine Erklärung verlesen hat, in der ein Missverständnis bezüglich der vermeintlich eingeschränkten Aussagegenehmigung eines Zeugen aufgeklärt wurde, wird ein unter Personenschutz-Aspekten sehr interessanter Zeuge aufgerufen.

Das Attentat aus Sicht des Bruders des Opfers

Es handelt sich um Matthias H., den Bruder des verletzten Sicherheitsmitarbeiters Torsten H. Dieser arbeitet ebenfalls in der Sicherheitsfirma, die von Familie P. beauftragt wurde. Insgesamt war Matthias H. in drei Nächten bei Familie P. im Einsatz. Am Tattag hatten die Brüder gemeinsam Dienst. Während Torsten H. Louisa P. vom Grundstück durch ein kleines Waldstück zur nahe liegenden Koppel begleitete, war Matthias H. am Haus verblieben.

Zur Tatzeit hörte er einen Schuss. Er nahm seinen Schlagstock und lief in die Richtung, aus der er den Schuss gehört hatte. Nach einer kurzen Strecke kam ihm Louisa P. entgegen und sagte ihm, dass sein Bruder verletzt sei und auf sie zweimal geschossen wurde. Er packte Louisa an der Schulter und verbrachte sie schnellstmöglich ins Haus. Dort sagte er ihr, sie solle sich in die Küche begeben, Türen und Fenster schließen, auch die Rollläden. So sollte vermieden werden, dass ein möglicher Täter, der sich vielleicht noch in der Umgebung aufhielt, Einblick ins Haus bekommen könnte.

Er benachrichtigte seinen Chef Björn B., der Matthias H. anwies, im Haus bei Louisa P. zu bleiben. Er selbst wolle sich um Torsten H. kümmern. Diese Order war sicherlich eine große Herausforderung für Matthias H.: Zu wissen, dass der eigene Bruder angeschossen und verletzt irgendwo liegt, er sich jedoch um die Schutzperson kümmern muss. Auch diese Vorgehensweise verdient Anerkennung. Währenddessen erreicht Björn B. als Erster den Tatort.

Matthias H. wird nach diesem Bericht durch den Richter zum weiteren Tatgeschehen, Täter und Motiv gefragt, kann hierzu jedoch keinerlei Angaben machen. Der Rechtsanwalt des Beschuldigten fragt nach Bewegungsmeldern am Grundstück, doch auch hierzu weiß der Zeuge keine näheren Angaben zu machen.

Chef der Sicherheitsfirma sagt aus – und überrascht

Um 10:05 Uhr kommt Zeuge Björn B. zur Befragung. Er ist Chef der Sicherheitsfirma THE Security Company GmbH & Co. KG, die den Auftrag zur Bewachung der Familie P. und ihres Grundstücks hatte. Der Auftrag war unbefristet angelegt.

Am Tattag war tagsüber für zwölf Stunden ein Sicherheitsmitarbeiter anwesend, in der Nacht waren es zwei. Die Einsatzzeiten waren immer gleich, das Personal hat jedoch gewechselt, wie Björn B. berichtet. Es gab keine Bewaffnung der Mitarbeiter und es wurden keine Schutzwesten getragen.

Am 2. Oktober 2011 (Tattag) bekam er einen Anruf, dass auf Torsten H. geschossen worden und dieser verletzt sei. Da er als Ablösung für Torsten H. ohnehin auf dem Weg zum Einsatzort war, konnte er schnell vor Ort sein. Mittels des Anrufs von Torsten H. konnte Björn B. diesen schnell lokalisieren und sich mit taktischer Eigensicherung zu ihm bewegen. Dort als Erster angekommen, konnte Torsten H. ihm den Tathergang sehr klar wiedergeben.

Während der Schilderung von Björn B. beobachte ich den Beschuldigten Mario K., der diese Zeugenaussagen und die Situation im Gerichtssaal völlig teilnahmslos hinzunehmen scheint. Louisa P. & Torsten H. hingegen sind sehr interessiert und hören genau zu.

Die Aussagen von Björn B. sind sehr klar und fest formuliert. Er spricht in klaren, knappen Sätzen, faktisch sind seine Aussagen alle nachvollziehbar. Auch bei der in Inaugenscheinnahme einer Gebäude- oder Geländeskizze am Richtertisch gibt er einen klaren, sachlich fundierten Lagevortrag ab.

Die Frage, die sich mir persönlich nun stellt, ist: Würde ein Vorgesetzter, der vor Gericht so klar, sachlich und korrekt formuliert und dem man abnimmt, dass er weiß, wovon und worüber er spricht, seine Mitarbeiter so schlecht in einen Einsatz führen? Hier gibt es einen deutlichen Widerspruch, den ich so nicht erwartet habe, und der noch aufzuklären ist. Dass er seine Kollegen unzureichend vorbereitet hat, ist mit meinem jetzigen Kenntnisstand am Nachmittag des 5. Verhandlungstages schwer nachzuvollziehen. Denn beobachtet man den Umgang der Mitarbeiter untereinander, so spürt man die fraglos freundschaftliche Fürsorge. Allen merkt man deutlich an, dass sie Torsten H. großen Respekt zollen. Und das sicherlich mit Recht.

Tatmotiv: Streit unter Rockern?

Nach Björn B. sagt ein weiterer Mitarbeiter der Sicherheitsfirma aus, Timo H., der auch zum Einsatzteam bei Familie P. gehörte. Er berichtet jedoch, am Tattag bei einem Auftrag in Berlin gewesen zu sein und sich auf der Rückfahrt nach Storkow befunden zu haben, als ihn der Anruf des verletzten Torsten H. auf seinem Handy erreichte. Torsten H. berichtete ihm das Geschehene. Timo H. war bestürzt und versuchte Torsten H. durch viel Reden wach zu halten. Das Telefonat selbst dauerte etwa zehn Minuten.

Der Richter fragt detaillierter nach:

Richter: Gab es eine Handlungsanweisung zum Verhalten bei Angriff?

Zeuge Timo H.: Nein, denn damit hatten wir nicht gerechnet.

Richter: Torsten H. ist auf den Täter zugegangen, ist das eine Anweisung gewesen?

Zeuge Timo H.: Nein, eher eine spontane Reaktion.

Richter: Gab es eine Anweisung zum Tragen von Schutzwesten?

Zeuge Timo H.: Nein.

Anschließend erhält der Anwalt des Beschuldigten, Axel W., Gelegenheit, Fragen zu stellen. Er will Details zu verschiedenen Rockergruppen wissen, in denen der Zeuge Timo H. eventuell Mitglied war. Unter anderem fragt Axel W. nach der Brigade 81 und ob Timo H. erklären könne, wofür die Acht und die Eins stehen. Der Verteidiger will zudem erfahren, ob es Stress zwischen den Vereinigungen geben hätte oder ob insbesondere Torsten H. mit einem Mitglied der Brigade 81 in Konflikt geraten sei. Auf all diese Fragen antwortet der Zeuge Timo H. zurückhaltend.

Dem Widerspruch auf den Grund gehen

Aus der Sicht des Personenschützers ist der fünfte Prozesstag äußerst interessant verlaufen, was vor allem den Aussagen der Sicherheitsmitarbeiter zuzuschreiben ist. Denn bisher herrschte in der Öffentlichkeit und insbesondere in Fachkreisen des Personenschutzes der starke Eindruck vor, dass die Auftragsdurchführung der Sicherheitsfirma bei Familie P. dilettantisch vonstattengegangen ist. Genau dieser Eindruck muss nach dem professionellen Auftritt von Zeuge Björn B. deutlich hinterfragt werden und kann nicht unreflektiert stehen bleiben. Mein Wunsch an den weiteren Prozessverlauf wäre dahingehend, dass nähere Details zur Auftragsvergabe an die Sicherheitsfirma und zu den Absprachen der konkreten Auftragsdurchführung bekannt würden.

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