Verletzungen und Todesgefahr bei Entführungsopfer Stefan T.

Im Prozess, der drei Gewaltverbrechen des „Maskenmannes“ behandelt, geht es heute um einige Begleitumstände der Entführung von Stefan T. Vor allem die Verletzungen von Stefan T. und die mögliche Todesgefahr, in der der Gekidnappte schwebte, sind Gegenstand eines zum Teil kontroversen Austauschs.

Verwirrung: Hundeführer verfolgten unterschiedliche Spuren

Am zehnten Verhandlungstag werden in der ersten halben Stunde zwei Hundeführer der Polizei als Zeugen gehört. Der erste Hundeführer, ein Beamter aus Fürstenwalde, hat einen normalen Fährtenhund. Der zweite Polizist aus Berlin arbeitet mit einem ausgebildeten Mantrailing-Hund. Dabei treten zwei wesentliche Unterschiede in den Aussagen auf.

Verletzungen und Todesgefahr bei Entführungsopfer Stefan T.

Der Hundeführer aus Fürstenwalde gibt an, dass sein Fährtenhund der Fährte von Opfer und Täter zunächst über das Grundstück und bis zu einem Jägerzaun nachging. Diese Spur hat das Tier hinter dem Zaun weiterverfolgt. Das würde bedeuten, dass der Fluchtweg von Täter und Opfer entgegen der Aussage von Stefan T. über den Jägerzaun ging, und nicht wie ausgesagt, durch ein Tor hindurch. Der Mantrailing-Hund aus Berlin jedoch hat in etwa den Weg verfolgt, den auch Stefan T. in seiner Aussage beschrieben hat.

Rentner leisten erste Hilfe – Polizei lässt auf sich warten

Danach wird für circa zwei Stunden das Ehepaar E. gehört, das Stefan T. nach seinem Entkommen von der Insel erste Zuflucht gab. Sie berichten beide ziemlich identisch, dass am Sonntagmorgen gegen sieben Uhr ein Mann dreckig und schlammig vor ihrer Tür stand und darum bat, die Polizei rufen zu dürfen. Rentner E. berichtet, wie Stefan T. ihm von seiner Entführung erzählte, allerdings nur bruchstückhaft. Sie baten ihn nach kurzer Pause in den Vorflur, wo er auf einem Stuhl Platz nahm. Er bekam Wasser und Kaffee und konnte sich auf der Gästetoilette Hände und Gesicht waschen. Dann telefonierte Stefan T., konnte seine Frau allerdings nicht erreichen. In dieser Situation bemerkte Herr E. Tränen in den Augen von Stefan T. Daraufhin rief er seine Schwiegereltern an. Es wurde außerdem umgehend die Polizei unter 110 informiert, deren Eintreffen allerdings derart lange dauerte, dass man nochmals unter 110 anrief.

Anschließend werden die Polizisten S. und G. mit jeweils den gleichen Fragen konfrontiert, die sie inhaltlich nahezu identisch beantworten. Sie berichten unter anderem, dass sie Stefan T. am 7. Oktober 2012 von Herrn und Frau E. abholten, wobei sie drauf achteten, dass Stefan T. einen weißen Overall zur Spurensicherung anzog. Anschließend brachte man ihn auf die Polizeiwache nach Frankfurt (Oder). Stefan T. erzählte von seiner Entführung eher lückenhaft. Ihn interessierte vor allem, wie es seiner Frau und seinem Kind ging und äußerte, froh zu sein, dass alles endlich vorbei war. Weiterhin gab er an, dass er vor der Tat ausspioniert worden sei.

Auch der Notarzt Dr. J., der Stefan T. unmittelbar nach seiner Ankunft in Frankfurt (Oder) untersucht hat, wird nun befragt. Ihm erzählte Stefan T., dass er keiner Gewalt ausgesetzt war. Er durfte nur eine Sichtprüfung der freien Stellen an Händen und Gesicht durchführen sowie eine Messung der Vitalwerte, da die Polizei darauf bestand, dass Stefan T. den Overall zur Spurensicherung anbehielt. Die Werte waren normal, eine Unterkühlung lag auch nicht vor. Stefan T. erschien ihm sehr euphorisch.

Weiterhin werden noch Nachbarn der Familie T., Herr G. und Frau J., gehört. Beide sagen aus, dass Stefan T. am Tag der Entführung anders als sonst gelaunt war. Er wirkte nicht so herzlich, sondern eher distanziert.

Lebensgefahr für Personenschützer Torsten H.

Am Nachmittag wird der sachverständige Rechtsmediziner Dr. V. befragt, der unter anderem das Opfer Torsten H. am 21. Oktober 2011 im Krankenhaus untersucht hat. Er stellte dabei fest, dass dem Verletzten durch einen Schuss u. a. der zwölfte Brustwirbel durchtrennt wurde. Es bestand akute Lebensgefahr. Torsten H. hatte dem Mediziner berichtet, dass er dem Täter zuerst frontal gegenüberstand. Doch er als merkte, dass der „Maskenmann“ schießen wollte, drehte sich der Personenschützer seitlich zum Schützen.

Die Verteidigerin von Torsten H. fragt nach den Ein- und Austrittswunden. Speziell interessiert sie, ob man den Wunden entnehmen könnte, welche Körperlänge der Täter hat und ob er denn größer oder kleiner als ihr Mandant sei. Der Sachverständige antwortete, dass eine solche Messung durchgeführt werden kann.

Bei diesem Wortwechsel beobachte ich, wie der Angeklagte Mario K. sehr ernst wird und die Hände vor sich faltet. Versucht der mutmaßliche Täter sich zur Ruhe zu zwingen?

Der medizinische Sachverständige wird des Weiteren zu den Verletzungen von Stefan T. befragt. Insbesondere steht die Frage im Fokus, mit welchen Verletzungen man bei diesem Tatverlauf hätte rechnen müssen.

Dr. V. gibt hierzu an, dass er Stefan T. nicht gesehen oder untersucht hat. Allerdings sei er bei der Vernehmung dabei gewesen. Darauf basierend und in Korrelation mit den Zusammenhängen der physikalischen Vorgänge im Körper hinsichtlich Nässe und Temperatur, die der Mediziner detailliert erklärt, kommt Dr. V zur Einschätzung, dass akute Lebensgefahr für Stefan T. bestand. Denn nach seinem Urteil ist es lediglich dem Zufall zu verdanken, dass es nicht zu einer tödlichen Unterkühlung gekommen ist.

Dr. V. berichtet, dass er mit Polizeibeamten und seiner Kollegin am 23. April 2013 eine Ortsbegehung im Sumpf durchgeführt hat. Seiner Meinung nach, ist es schwer vorstellbar, ohne Verletzung durch den Sumpf zu kommen. Er schlussfolgert daher, in einer solchen Situation ohne Unterkühlung davonzukommen, sei nicht ausgeschlossen, aber auf jeden Fall ungewöhnlich.

Der Richter fragt den Sachverständigen nun, ob denn vielleicht die besonders gute Fitness von Stefan T. Grund für seine relative Unversehrtheit gewesen sein könnte, was der Mediziner verneint. Eine gute Konstitution gibt zwar in einer solchen Extremsituation sicherlich einen „Vorschuss“, hält aber eine Unterkühlung nicht auf.

Nun will der Anwalt von Petra P. vom Sachverständigen erfahren, ob dieser sich bei der Ortsbegehung denn verletzt hätte. Dieser verneint das, seine Kollegin hätte aber ein paar kleine Kratzer abbekommen. Das bringt den Anwalt wiederum auf die Frage, wieso der Arzt denn der Auffassung sei, dass man sich unbedingt verletzen müsse und warum er beim Opfer Stefan T. damit gerechnet hat. Dr. V. entgegnet, dass er selbst am Tage und mit offenen Augen durch den Sumpf gegangen ist, also gute Sicht hatte und sich bei eventuellen Stürzen hätte kontrolliert abfangen können. Stefan T. hingegen musste sich bei Nacht und mit verbundenen Augen durch das Gelände bewegen, was ungleich schlechtere Bedingungen für eine verletzungsfreie Durchquerung waren.

Jetzt hakt auch der Anwalt von Stefan T., Dr. Panos P., nach. Insbesondere interessieren ihn die hinzugezogenen Quellen des Sachverständigen, anhand derer er die Auswirkungen von Temperatur und Nässe auf die Unterkühlung eines menschlichen Körpers begründet. Die Frage des Rechtsbeistandes beruht darauf, dass er selbst nämlich ganz andere Erkenntnisse gewonnen hat, basierend auf anderen Quellen neueren Datums.

Und so werden im weiteren Verlauf der Befragung des Sachverständigen mehr und mehr Details besprochen und vermeintliche Widersprüche aufgedeckt, worauf dieser zunehmend ungehalten reagiert. Bei Gutachten von Sachverständigen ist es immer so, dass die eine Partei dem Gutachter zustimmt, und die andere dagegen ist. Und natürlich gibt es auch Fragen, die er tatsächlich nicht beantworten kann, insbesondere, wenn diese nicht in sein Sachgebiet fallen. Eine endgültige Klärung kann Dr. V. letztlich nicht herbeiführen.

Mit dieser konfrontativen Befragung endet der 10. Prozesstag, der seine Fortsetzung am 26. Juni findet.

Bildquelle: Peter Hebgen / pixelio.de

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