Alle Artikel in Kategorie: Maskenmann-Prozess

“Medien wollten Einfluss auf das Gericht nehmen”

So wie im Titel äußerte sich der Präsident des Oberlandesgerichts Brandenburg, Klaus-Christoph Clavée, anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung mit Podiumsdiskussion am 16. März 2016 in Frankfurt (Oder). Veranstalter war die Juristische Gesellschaft Frankfurt (Oder) e. V.

Die Podiumsdiskussionen trug den Titel: „Der Maskenmannprozess – zum Verhältnis von Öffentlichkeit, Medien und Justiz.“ Als Gesprächsteilnehmer waren die Journalisten Beate Bias (Märkische Oderzeitung), Alexander Fröhlich (Potsdamer Neueste Nachrichten) und Andreas Oppermann vom rbb-Studio in Frankfurt (Oder) eingeladen. Weiterhin nahmen teil der Präsident des brandenburgischen Oberlandesgerichts sowie Prof. Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg. Die Moderation wurde von Frau Janine Nuyken, Vizepräsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) übernommen.

“Medien wollten Einfluss auf das Gericht nehmen”

Es waren über 300 Gäste und Zuhörer anwesend, unter ihnen viele mir bekannte Gesichter. An dieser großen Anzahl an Besuchern konnte man deutlich feststellen, dass der „Maskenmann“-Prozess insbesondere in Frankfurt (Oder) von hohem Interesse ist. Im Publikum waren auch sehr viele Behördenvertreter aus Staatsanwaltschaft und Polizei, unter anderem der Nebenkläger-Verteidiger von Louisa P. und der Bruder des durch den Maskenmann angeschossenen Sicherheitsmitarbeiters.

Da ich während meiner 59-tägigen Prozessbeobachtung auch hinreichend viel Erfahrung mit der Presse vor Ort bekommen habe, konnte ich mir diese Veranstaltung natürlich nicht entgehen lassen. Im Übrigen habe ich während des Prozesses nur Beate Bias des Öfteren im Saal gesehen, die beiden andern Journalisten waren nur zwei-, dreimal vor Ort.

Frau Nuyken führte in das Thema ein und forderte die Podiumsteilnehmer auf, doch in kurzen Worten ihre Ansicht zum Massenprozess mitzuteilen. Die Journalisten berichteten, dass sie über den geforderten Freispruch überrascht waren, und dass sie viele Zweifel hatten, insbesondere an der Polizeiarbeit. Der Präsident des brandenburgischen Oberlandesgerichts und der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hatten hingegen das spektakuläre Verbrechen, das dieser Prozess behandelt hat, im Fokus. Deren Eindruck war, dass die Journalisten Partei für den Angeklagten eingenommen haben und nur sie in der Lage wären, den wahren Täter zu präsentieren.

Die Diskussion über diese doch sehr gegensätzlichen Standpunkte ging eine Weile hin und her. Danach wurde das Wort den Zuhörern erteilt. Auch hier waren Wortmeldungen dabei, die die Berichtserstattung sehr einseitig empfunden haben. Unter anderem äußerte sich der Richter B. (Ehemann einer kritischen Polizeibeamtin). Ihm merkte man deutlich an, dass er eine betroffene Person ist. Als Erster sprach er die Namen der am Prozess Beteiligten mit Klarnamen aus. Auch klagte er die Polizeiarbeit – hier namentlich die der Beamten der Sonderkommission – an, die seiner Meinung nach schlechte Ermittlungsarbeit geleistet hatten. Dieser Beitrag war sehr persönlich gefärbt.

Um 18:00 Uhr hatte die Veranstaltung begonnen. Um 19:20 Uhr wurde mir das erste Mal das Wort erteilt. Zu Beginn meines Statements machte ich darauf aufmerksam, dass es eine Stunde und 20 Minuten gedauert hatte, bis wir erstmalig an die Opfer dachten. Das war eine Parallelität zum Prozess. Insbesondere auch durch die Verteidigung und die Journalisten wurde damals keine Rücksicht auf die Opfer genommen, ein Umstand, auf den ich in meinem Blog mehrmals hingewiesen habe.

Meine Fragen an die Journalisten gingen somit ebenfalls in diese Richtung. Mich interessierte zum einen, welche Wahrnehmung sie zu ihrer Berichterstattung hatten. Zum anderen wollte ich erfahren, was sie glauben, welche Folgen die Show des Beschuldigten-Verteidigers Axel W. für die Opfer gehabt haben könnte, denn jedem noch so abstrusen Zweifel der Verteidigung folgte die Presse. Sei es die Unterstellung, dass sich das Entführungsopfer selbst entführt hätte, oder dass die beiden Opferfamilien gemeinsame Sache gemacht hätten. Beide Storys nahm die Presse nahezu ungeprüft auf und verbreitete sie entsprechend. Wie also bewerten die Journalisten das im Nachhinein, mit einigem Abstand? Was glauben die Berichterstatter, hat das mit den Opfern gemacht, sich derartigen Anschuldigungen ausgesetzt sehen zu müssen?

Auf meine Frage antwortete nur Beate Bias mit einem einzigen Satz und sagte sinngemäß, die Opfer wären durch die Presse nicht unanständig behandelt worden.

Dass die Journalisten auf eine an sie gestellte Frage nicht antworten, ist für mich auch eine deutliche Antwort.

Ein im Publikum sitzender Journalist vom rbb trat hingegen erfrischend kritisch auf, stellte entsprechende Fragen an die Podiumsrunde und entwarf Thesen, die durchaus selbstkritisch waren.

Zum Ende der Podiumsdiskussion wartete der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg noch mit einer wichtigen, aber für mich nicht überraschenden Neuigkeit auf: Er hat die Revisionen der Verteidigung und einer Nebenklägerpartei geprüft und inzwischen beim Bundesgerichtshof beantragt, diese Revision vor dem Bundesgerichtshof zu verwerfen. Der Prozess in Frankfurt (Oder) sei korrekt abgelaufen. Diese Entscheidung wiederum obliegt letztendlich dem Bundesgerichtshof.

Auch diese Erklärung stellten einige Journalisten sofort in Frage. Sie avisierten mir, dass sie mich ja dann wieder im Gerichtsaal treffen werden – zur Revisionsverhandlung.

Ich bin gespannt (aber nur ein bisschen).

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.de

Das Urteil

Am 59. Verhandlungstag (12. Juni 2015) erfolgt nun endlich die Urteilsverkündung, der fünf Kamerateams und 25 Medienvertreter beiwohnen. Weiterhin sind circa 35 Zuschauer anwesend, sodass der Saal bis auf den letzten Sitzplatz belegt ist.

Der Vorsitzende Richter gibt das Urteil bekannt: Lebenslange Haftstrafe und 250.000 Euro Schmerzensgeld. Das ist die Strafe, zu der der Angeklagte Mario K. verurteilt wird.

Der Richter erläutert detailliert die einzelnen Tatgeschehnisse und die jeweilige individuelle Beteiligung des Verurteilten. Auch hat das Gericht die Prüfung unternommen, ob die Ereignisse tatsächlich so hätten stattfinden können.

Das Urteil

Beim ersten Tatgeschehen zum Nachteil von Petra P. bestehen seitens des Gerichts keinerlei Zweifel. Die Aussagen sind glaubhaft und passen ausnahmslos zum Spurenbild. Hinsichtlich des zweiten und dritten Tatgeschehens, zum Nachteil von Louisa P. und von Torsten H., verhält es sich gleichermaßen: Hier passen alle Aussagen zu den Spuren am Tatort. Auch beim vierten Tatgeschehen, zum Nachteil von Stefan T., sind alle Aspekte stimmig.

Die Mutmaßungen der Verteidigung, dass Stefan T. lügt, sind völlig unsinnig, so der Vorsitzende Richter. Es ist nicht anzunehmen, dass Stefan T. sich selbst entführt oder die gesamte Geschichte gar erfunden hätte. Es liegt auch keinerlei Motiv für diese Variante des Geschehens vor. Stefan T. brauchte weder Geld, noch ist er so veranlagt, dass er sich in der Öffentlichkeit oder in den Medien präsentieren wollte oder möchte. Ebenso gab es keinerlei Probleme in der Familie oder im Arbeitsumfeld. Des Weiteren hat sich durch die Tat das Leben des Opfers Stefan T. und das seiner Familie negativ verändert, die Folgeschäden sind gravierend.

Auch die forensische Analyse der Aussagen von Stefan T. hat klar ergeben, dass er die Wahrheit gesagt hat und die Aussagen stimmig waren. Der Richter erklärt nochmals, dass die Realkennzeichen in den Aussagen von Stefan T. in sich stimmig waren und es keine Brüche oder Widersprüche gab. Alles fasste sich logisch und es gab lebensnahe Ungewöhnlichkeiten. So etwa die Interaktion zwischen Stefan T. und Mario K., ein wichtiges Realkennzeichen, war nachvollziehbar.

Stefan T. hatte alle Sachverhalte sprunghaft geschildert. Lügengeschichten hingegen werden linear erzählt. Er hat auch keine Übertreibungen eingeflochten, stattdessen aber von Komplikationen bei seiner Entführung gesprochen, was bei einer Lügengeschichte nicht der Fall wäre. Auch die Originalität der Einzelerlebnisse spricht für die Glaubhaftigkeit der Aussagen, ebenso wie die geschilderten Emotionen zum jeweils Erlebten. Und selbst Erinnerungslücken hat Stefan T. eingestanden, auch dies ein wichtiges Realkennzeichen. Auch die überwachten Telefonate von Stefan T. haben untetstützt, was hier im Gericht geschildert worden ist. Nicht zuletzt wurde durch die Rekonstruktionen der Polizeibehörden der geschilderte Sachverhalt bestätigt, ebenso wie durch die Aussagen von Ehefrau, Sohn und den Sachverständigen Dr. V., der ausgesagt hatte, dass das Geschehen ungewöhnlich aber möglich und denkbar ist. Schließlich untermauerte auch Familie E., zu der Stefan T. unmittelbar nach seiner Flucht gekommen war, dass dieser schmutzig, nass und zitternd in ihrer Tür stand. All dies zusammengenommen schenkte das Gericht letztlich dem Zeugen Stefan T. uneingeschränkt Glauben.

Während der Verurteilung und der Erläuterung durch den Richter gibt es auf Seiten der Verteidigung, aber auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger unterschiedliche Reaktionen. Der Verurteilte rührt sich nur sehr wenig, er hält weiter seinen Stift in der rechten Hand, schreibt nun aber nicht mehr seitenweise mit, sondern bewegt sich mit seinem Stift nur am oberen Rand des vor ihm liegenden Blattes Papier. Die Verteidigung, die heute mit allen drei Verteidigern anwesend ist, wirkt zunehmend resigniert infolge des Gehörten, macht aber auch einen leicht angesäuerten Eindruck. Bei den Opfern, so sollte man meinen, müsste Zufriedenheit erkennbar sein. Doch bei diesem Tatkomplex und der Tortur bis zum heutigen Tag stellt sich eine Zufriedenheit natürlich nicht so schnell ein.

Das Gericht führt weiter aus, man sei überzeugt, dass bei allen Taten derselbe Täter am Werk war, denn das Schema war bei allen Taten ähnlich. Dafür sprechen mehrere Aspekte, unter anderem der Fakt, dass immer dieselben Geschosse an den Tatorten gefunden worden sind, aber auch, dass bei den Täterbeschreibungen unterschiedlicher Zeugen immer wieder markante Ähnlichkeiten ein und desselben Täters festgestellt wurden: Der Täter war immer maskiert und hatte Tarnkleidung an. Zudem fanden die Taten immer im Radius des gleichen Gebietes statt, allesamt innerhalb eines Jahres, und auch die Opfer kamen alle aus ähnlichen Verhältnissen. Das Motiv war Geldbeschaffung und Reichenhass.

Die Täterschaft von Mario K. ist über die Gesamtschau der Indizien eindeutig. Opfer und Zeugin Petra P. hat klar die besondere Kopfform von Mario K. erkannt und ebenso sein abstehendes linkes Ohr. Weiterhin hat sie die eigenartige Bewegung des Täters beschrieben, die aufgrund seines lädierten Beins besonders hervorstach.

Opfer und Zeuge Stefan T. wiederum hat in einem Audiovergleich die Stimme von Mario K. als die Stimme des Täters klar erkannt, wobei ihm sowohl Stimmlage als auch Stimmklang vertraut waren.

Viele Zeugen haben Mario K. gesehen: Einer im Juni 2012 im Tatortbereich, eine andere Zeugin am Tattag, gegen 17:00 Uhr, mit einem Kajak. Weitere Zeugen haben Mario K. in Ortsnähe wiedererkannt.

Ein zusätzliches wichtiges Indiz sind die ähnlich gelagerten Vorstrafen des früher schon mehrfach Verurteilten Mario K. Insbesondere bei seinen Verbrechen im Jahr 2004 lässt sich die Ähnlichkeit zu den heute verhandelten Straftaten erkennen. Wie zuletzt hat Mario K. auch 2004 wild in einem Sumpfgelände gelebt, ein Kajak sowie eine Luftmatratze, Frischhaltedosen, Schminke und eine LED-Lampe verwendet. Schon 2004 hat er eine Pistole benutzt wie sie auch bei den jüngsten Taten zum Einsatz kam, obgleich er seinerzeit während der Tatzeiträume nicht beim Schießtraining war.

Des Weiteren traut ihm auch sein soziales Umfeld die Tat zu und mehrere Widersprüche und Auffälligkeiten sprechen gegen die Unschuld des Verurteilten. So etwa, dass er sich für die Tatzeiten ein Alibi verschaffte, indem er angab, nach Griechenland auswandern zu wollen. Er besorgte sich im Juni 2011 auch einen Reisepass, so dass er ins außereuropäische Ausland reisen konnte. Allerdings gab es während dieser Zeit auf seinem Konto nur Abhebungen, die in Deutschland getätigt wurden.

Auf dem Grundstück der Familie K., den Eltern seiner Ex-Freundin, hatte er einen Container als Lager stehen. Dort fand sich Einsatzmaterial für eine Entführung, zum Beispiel ein Fernglas, ein Pistolenholster und eine Magazintasche sowie ein originalverpackter, billiger Jogginganzug in einer Grüße, die dem verurteilten Mario K. nicht passte.

Seiner jetzigen Lebensgefährtin H. gegenüber hat er verlauten lassen „wenn Du wüsstest, was ich gemacht habe“ und „das ist noch nicht verjährt“. Weiterhin äußerte er gegenüber dem Entführungsopfer, dass er ihm ins Knie schießen würde, eine sehr ungewöhnliche Formulierung; intuitiv hätte man wohl gesagt „ich schieß dir in die Beine“. Doch Mario K. wurde 1998 ins Knie geschossen, er hatte also speziell diesen Sachverhalt vor Augen.

Zusätzlich führte er täglich Spuren vernichtendes Verhalten durch und verhielt sich konspirativ. Auch am Festnahmetag zeigte er sich merkwürdig: er stellte sein Handy aus und wollte nach der Arbeit nicht nach Hause. Stattdessen fuhr er zu seiner Bank und räumte sein Konto leer.

Bei der Erläuterung der einzelnen Strafzumessung zu den jeweiligen Taten führt der Richter zum Tatkomplex Petra P. aus, dass hier eine gefährliche Körperverletzung vorliegt. Das Gericht hat keine Entführungs- oder Tötungsabsicht erkannt, daher wird diese Tat mit vier Jahren Freiheitsstrafe bemessen. Bei der Betrachtung des Tatkomplexes zu Louisa P. liegt eine geplante Entführung und versuchter erpresserischer Menschenraub vor, aber kein versuchter Mord. Der Tatkomplex zu Torsten H. hingegen ist ein versuchter Mord. Als Mordmerkmal nennt das Gericht die Ermöglichkeitsabsicht. Der versuchte Mord an Torsten H. wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bemessen. Der erpresserische Menschenraub zulasten des Opfers Stefan T. wird mit zehn Jahren Freiheitsstrafe aufgeführt.

So ergibt sich folgende Gesamtstrafe: lebenslange Freiheitsstrafe, die Sicherungsverwahrung wird nicht angeordnet. Die Parteien wurden belehrt, dass sie eine Woche Zeit haben, um eine Revision zu beantragen.

In den kommenden Tagen folgen in diesem Blog noch weitere Einträge, in denen Bewertungen und Stimmungen im Mittelpunkt stehen werden.

Bildquelle: I. Rasche / pixelio.de

Verteidigung offenbart den Einsatz von Taschenspielertricks

Heute, am 8. Juni, dem mittlerweile 58. Verhandlungstag, hat der zweite Anwalt der Verteidigung, Christian L., seinen großen Tag und hält sein Plädoyer.

Anfangs macht er einen aufgeregten Eindruck, seine Stimme zittert.

In seinem Vortrag arbeitet der Anwalt alle Indizien durch, die durch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter bereits dezidiert vorgetragen worden sind. Einzeln analysiert Christian L. die Verdachtsmomente und dividiert sie voneinander.

Anschließend jedoch trägt der Verteidiger wiederum ganze Indizienblöcke vor, beschreibt zu jedem von diesen allerdings nur ein einziges Verdachtsmoment – was natürlich immer ein positives ist, sodass es der Strategie der Verteidigung dient. Alle anderen Indizien, wie z. B. die angedachte Auswanderung nach Griechenland genau zu den Tatzeiten zum Erhalt eines vorgetäuschten Alibis, oder die unbedingte Beschaffung eines nicht nachverfolgbaren Handys über seine Verwandten, oder auch den Besitz sämtlicher Tatgegenstände in unterschiedlichen Lagern, die ebenfalls von Staatsanwaltschaft oder Nebenklägervertretern genannt worden sind, ersetzt Christian L. durch diverse, recht fantasiereiche Möglichkeiten, die er ungeprüft in den Raum stellt.

Verteidigung offenbart den Einsatz von Taschenspielertricks

Zum Beispiel stellt der Verteidiger erneut die These auf, dass bei der Tat gegen Petra P. zwei Täter vor Ort waren. Begründung: Beim nachträglichen Spürhundeeinsatz hat einer der Hunde auch eine Spur in eine andere Richtung verfolgt.

Der Staatsanwaltschaft hält er nun pauschal vor, nur Bruchstücke von Zeugenaussagen bewertet zu haben.

Kurios, dass die Verteidigung der Staatsanwaltschaft nun genau den Lapsus vorwirft, den sie sich selbst über den kompletten Prozessverlauf immer wieder geleistet hat: nur gewählte, vermeintlich geeignete Aspekte in den Mittelpunkt zu rücken.

Auch zum Schießtraining und zur Mitgliedschaft des Angeklagten in der Betriebssportgemeinschaft äußert sich Christian L. Er behauptet nämlich, dass es Mario K. niemals möglich war, über seinen Schießsportverein unberechtigterweise Munition zu beschaffen. Auch teilt er mit, dass Mario K. ja ein Anfängerschütze gewesen sei, was an dessen Fußstellung beim Schießen ersichtlich gewesen wäre: ein Fuß stand etwas weiter vorn, der andere schräg dahinter. Dies sei eine typische Anfängerposition, denn beim Schießen stünden beide Beine immer parallel.

Diese Aussage ist in vielerlei Hinsicht falsch, denn nur Sportschützen stehen so. Duellschützen etwa stehen genauso, wie Mario K. als er geschossen hat. Insofern wäre sein Training auch als eine mögliche Tatvorbereitungshandlung zu sehen.

Weiter führt Christian L. aus, bei den Verbrechen sei zwar dieselbe Waffe eingesetzt worden, aber es könne durchaus auch sein, dass diese zwischen den Taten den Besitzer gewechselt hat. Der Beschuldigte habe niemals eine Waffe besessen.

Der Verteidiger äußert sich des Weiteren zum Audio-Experiment, in dem Stefan T. die Stimme des Täters aus sieben Stimmenproben herausgehört hat. Stefan T. habe die Stimme nicht wirklich erkannt, das Experiment sei nicht geeignet gewesen und auch ein Erkennen des Täters anhand seiner nonverbalen Kommunikation stellt Christian L. in Abrede. Natürlich zweifelt der Anwalt auch die Sachkunde der Spezialisten des Landeskriminalamtes an.

Christian L. beschuldigt außerdem die gesamte Familie P., vor Gericht unwahre Aussagen getätigt zu haben. Auch habe die Entführung von Stefan T. nie stattgefunden, wiederholt er eine der Thesen der Verteidigung.

Die Reaktion der anwesenden Opfer ist dementsprechend.

Der Anwalt macht das unter anderem an der Einschätzung der Körpergröße des Täters fest, welche die Opfer vornehmen sollten. Hierzu berichtet er, dass er am Wochenende eine Ausgabe von Men’s Health gelesen hat. Er zitiert nun einen Artikel zum Thema Waffen und Männer, in dem auch der Kriminalpsychologe Prof. Dr. Heubrock mit diversen Aussagen erwähnt wird, der wiederum in der jüngeren Vergangenheit ebenfalls als Zeuge im „Maskenmann“-Prozess auftrat.

Den Artikel vor Augen zitiert Christian L. nun Prof. Dr. Heubrock zum Thema Waffen-Fokussierung mit der Aussage, dass ein Täter, der einen Überfall mit einer Waffe durchführt, auf die Opfer oft größer wirkt und in den anschließenden Aussagen oft auch größer beschrieben wird.

Was der Verteidiger bei dieser Ausführung jedoch unterschlägt, ist, dass sich das Zitat von Prof. Dr. Heubrock auf eine Pumpgun bezieht, die bekanntermaßen deutlich größer ist, als eine Pistole. Christian L. verschweigt ebenfalls die in diesem Artikel von Prof. Dr. Heubrock getätigten Aussagen, wonach Menschen die Benutzung einer Waffe mit Macht, Einfluss und Dominanz assoziieren, und, dass Waffen auf Fetischisten eine Art erotische Faszination ausüben können. Alle vier Attribute passen auf den Angeklagten.

Es ist nicht verwunderlich – denn wir haben es schon an sämtlichen vorherigen Verhandlungstagen so erlebt –, dass die Verteidigung nur einen Teil der vorhandenen Informationen auf den Tisch legt.

Des Weiteren beklagt Rechtsanwalt Christian L. eine schlechte Arbeit der Staatsanwaltschaft, auch die Polizei habe eklatant schlechte Ermittlungsarbeit geleistet.

Der Staatsanwaltschaft unterstellt der Verteidiger, dass die handelnden Personen aufgrund der exponierten Stellung der Opfer hohem Druck ausgesetzt gewesen wären, was deren Leistung erkläre.

Hiernach zählt Christian L. diverse Zeugen auf und geht deren Aussagen durch, die er allesamt mit einem „Beweiswert gleich Null“ einschätzt. Diese Zeugen – die zum Nachteil des Angeklagten ausgesagt haben – beschimpft Christian L. als „Wichtigmacher“, „Hilfssheriffs“ und „Hobbyzeugen“.

Nun aber geschieht schier Unglaubliches: Während der Anwalt sich ereifert, entfährt Christian L. eine sehr unbedachte und fahrlässige Einlassung: Er gibt nämlich offen zu, dass die Verteidigung die Zeugen mit Taschenspielertricks beeinflusst hat, um auf diese Weise ihre Glaubwürdigkeit in Abrede zu stellen.

Nach diesem Offenbarungseid geht der Anwalt ebenso offenherzig auf einen zentralen Vorwurf der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägervertreter ein, wonach die Verteidigung nichts zur Entlastung des Angeklagten beigetragen habe. Christian L.: „Die Verteidigung weiß nichts Entlastendes und der Angeklagte Mario K. kann sich an nichts erinnern.“

Den Spieß nun einfach umdrehend fragt Christian L.: „Was ist entlastend?“ und gibt umgehend die Antwort: „Es gibt nichts Belastendes.“

Insgesamt ist der der Vortrag von Christian L. nichts anderes als ein mehr oder weniger geschicktes Wechselspiel, das aus dem Weglassen wichtiger Teile des Sachverhalts und dem Hinzufügen möglicher, aber ungeprüfter Varianten besteht.

Der Verteidiger teilt im Gerichtssaal nun mit, dass er einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn habe und ihn daher die Ignoranz der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägervertreter erheblich störe. Zum Ende seines Plädoyers, das er rhetorisch besser und engagierter als sein Anwaltskollege Axel W. vorgetragen hat, stellt er einen Antrag auf Freispruch seines Mandanten.

Im Anschluss gibt der Verteidiger Axel W. eine kurze Zusammenfassung, wobei er heute wesentlich besser auf seinen Beitrag vorbereitet wirkt als bei seinem Plädoyer.

Axel W. betont, dass nicht er für glaubhaft befinden muss, ob die Entführung von Stefan T. stattgefunden hat oder nicht. Er ermahnt das Gericht allerdings dazu, die Entführung von Stefan T. zumindest in Frage zu stellen. Er müsse auch nicht darüber befinden, ob es andere Täter in diesem Verbrechenskomplex gegeben haben könnte. All dies muss einzig und allein das Gericht für sich prüfen.

Doch nun streut der Verteidiger erneut heftige Zweifel, in dem er wiederum ausschließlich ausgewählte Aspekte aus Zeugenaussagen oder aus den Tatgeschehen hervorhebt. Schlussendlich, gibt er zu, sei sein Mandant Mario K. zwar ein schwieriger Typ, der aber unschuldig sei.

Wäre ich nicht an jedem einzelnen Verhandlungstag bei Gericht gewesen, könnte ich anhand dieser „Weichzeichnung“ des Beschuldigten durch seine Verteidiger tatsächlich annehmen, hier säße ein komplett Unschuldiger.

Am Ende hat die Verteidigung zumindest in einem Punkt recht: allein das Gericht muss die endgültige Entscheidung treffen und zwar am nächsten Freitag, den 12. Juni 2015.

Das Gericht schließt diesen Verhandlungstag bereits um 11:30 Uhr, nachdem zuletzt auch der Beschuldigte Mario K. gefragt wurde, ob er sich äußern möchte. Wir hören vom Angeklagten ein kaum wahrnehmbares Nein. Auch an dieser letzten Stelle hat der Beschuldigte die Möglichkeit nicht wahrgenommen, etwas Entlastendes zu den Vorwürfen zu äußern oder sich den Opfern zuzuwenden.

Bildquelle: Michael Grabscheit / pixelio.de

Heiß erwartet und enttäuschend: Das erste Plädoyer der Maskenmann-Verteidigung

Am 57. Verhandlungstag, dem 4. Juni, haben 14 Medienvertreter und 15 Zuschauer den Weg in den Gerichtssaal gefunden, wo an diesem Tag erneut das Plädoyer der Verteidigung erwartet wird, welches eigentlich schon am letzten Verhandlungstag gehört werden sollte.

Und warten ist auch wieder das richtige Stichwort: Wiederum kommt die Verteidigung zehn Minuten zu spät. So beginnt der Prozess erst um 9:42 Uhr.

Da Verteidigeranwalt Christian L. heute nicht zum Prozess erscheinen kann, hat Axel W. die Drittverteidigerin Naila W. mitgebracht. Sie trägt neben ihrer Umhängetasche einen leeren Karton mit sich, der üblicherweise für Kopier- oder Druckerpapier genutzt wird. Die Leere dieses Kartons wird uns über den gesamten Prozesstag hin begleiten. Was das Stück Pappe jedoch über die Taktik der Verteidigung erzählen kann und zu welchem Zweck es heute benötigt wird, offenbart es uns erst gegen Ende dieses Prozesstages.

Heiß erwartet und enttäuschend: Das erste Plädoyer der Maskenmann-Verteidigung

Weitere Verzögerungsversuche der Verteidigung

Doch zu Beginn teilt das Gericht zunächst einen Beschluss mit, dass dem Antrag der Verteidigung vom 56. Verhandlungstag stattgegeben wird. Danach wird nun das DNA-Profil des neuen Verdächtigen Andreas K. (nachzulesen im letzten Blogbeitrag) und das seiner Frau, Margret K., mit den Spuren abgeglichen, die sich insbesondere auf der Decke vom Ablageort des Entführungsopfers Stefan T. sowie am Projektil der Geschosshülse befunden haben. Damit wird für diesen kleinen Ausschnitt der Verhandlung wieder in die Beweisaufnahme eingetreten. Hierzu hatte das Gericht der Polizei den Auftrag erteilt, bei Andreas und Margret K. DNA-Proben einzuholen.

Zu diesem Vorgang hat die Polizei einen Vermerk geschrieben, den das Gericht verlesen will. Doch bevor dies geschehen kann, erhebt die Verteidigerin Naila W. Einspruch. Die Verteidigung gibt bekannt, dass sie mit der Verlesung nicht einverstanden ist, sondern darauf drängt, die Personen Andreas K. und Margret K. sowie die zuständigen Polizeibeamten als Zeugen hören zu wollen. Dieser Einspruch bezieht sich nicht nur auf die Notizen aus der DNA-Beschaffung. Breit gefächert und ausschweifend werden außerdem viele andere Themen auf den Tisch gebracht.

Der Richter liest den polizeilichen Vermerk bzgl. der DNA-Beschaffung anschließend dennoch vor, wenn auch in Auszügen. Daraufhin wird deutlich, dass beide Personen freiwillig eine DNA-Probe abgegeben haben und außerdem eine Übereinstimmung mit einer offenen Spur völlig auszuschließen ist. Ein Fakt, den die nun zu hörende Zeugin bestätigen wird. Denn nach dem Widerspruch und der Verlesung der polizeilichen Notiz wird um 10:14 Uhr die Sachverständige Sabine S. vom Kriminaltechnischen Institut des LKA Brandenburg, Eberswalde gehört. Sie hat die DNA-Proben als Vergleichsmaterial mit den offenen Spuren abgeglichen und teilt nun nochmals mit, dass beide Personen als Täter auszuschließen sind. Das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter haben bei dieser Eindeutigkeit keine weiteren Fragen an die Zeugin. Nicht so die Verteidigung.

Die Anwesenden im Gerichtssaal erleben nun letztmalig die allseits bekannte Fragestunde. Die Rechtsanwältin Naila W. stellt Fragen zu Formalien rund um die Spurenüberprüfung und möchte Diverses zum Verfahren erfahren. Die Eindeutigkeit des Ausschlusses von Andreas und Margret K. wird jedoch nicht thematisiert.

Nach der Befragung teilt die Verteidigung mit, dass sie ihren Einspruch gegen das Verlesen des Vermerks weiterhin aufrecht erhält. Dazu nimmt nun der Nebenklägeranwalt Dr. Panos P. Stellung. Insbesondere hebt er hervor, dass die Verteidigung wohl vergessen hätte, dass in diesem Vermerk auch die Mitteilung von Margret K. steht, dass die Zeitung „Tagesspiegel“ ihre Aussage völlig falsch wiedergegeben hat.

Das ist natürlich ein brisantes Detail, weil ja gerade der „Tagesspiegel“ mit seiner Story vom 16. Mai 2015 einen erheblichen Wirbel veranstaltet und somit indirekt Einfluss auf die Verzögerung, ja Verschleppung des Prozesses genommen hat.

Ich bin auf die Durchführung und den Umfang der Richtigstellung im „Tagesspiegel“ gespannt.

Nach einer Beratung gibt das Gericht seinen Beschluss bekannt, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben wird. Auch Zeugen werden nicht mehr gehört, weil dies für die Beweisführung unerheblich ist.

Doch auch hierzu äußert die Verteidigung eine Widerspruchsbemerkung und fordert, dass die DNA der jetzigen Lebensgefährtin von Andreas K., Johanna M., und von deren Vater, Klaus H., eingeholt werden solle, um diese mit den Spuren zu vergleichen.

Der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. erwidert, dass dieser Antrag ebenfalls abzulehnen sei, denn eine Überprüfung dieser Personen sei für die Beweiserhebung unbedeutend. Wieder einmal stelle die Verteidigung Anträge „ins Blaue“. Eine Einschätzung, die auch Nebenklägervertreter Dr. Jakob D. teilt und unterstreicht, dass sich die Verteidigung ausschließlich im „luftleeren Raum“ bewege.

Weil das Gericht dies offenbar ähnlich sieht, wird nun auch dieser Antrag der Verteidigung abgelehnt, denn es sei keinerlei Tatzusammenhang zur jetzigen Freundin von Andreas K., mit der er seit Mitte 2013 liiert ist, zu erkennen. Auch aus diesem Grund sind die Persönlichkeitsrechte der jetzigen Lebensgefährtin und die ihres Vaters zu schützen. Es sei nicht hinnehmbar, so das Gericht, dass die Verteidigung verlangt, gegen jede beliebige Person solle ermittelt werden. Damit wird die Beweisaufnahme erneut geschlossen.

Das Plädoyer des Verteidigers Axel W.

Nach der Mittagspause ist es dann tatsächlich soweit, die Verteidigung in Person von Rechtsanwalt Axel W. beginnt ihr Plädoyer. Nun kommt auch der leere Pappkarton zum Einsatz – als Unterlage für das ausgedruckte Plädoyer.

Interessant ist, dass Axel W. diesen Karton am letzten Verhandlungstag nicht bei sich hatte, und das, obwohl die Verteidigung bereits an diesem Tag ihr Plädoyer hätte halten sollen. Damit scheint nun auch klar, dass Axel W. zuletzt tatsächlich nicht vorhatte, sein Plädoyer zu halten. Stattdessen provozierte er eine Verzögerung – erfolgreich, wie sich zeigte. Auch die plötzlichen Kopfschmerzen seines Mandanten erscheinen in diesem Zusammenhang als Farce.

Gleich zu Beginn seines Vortrages stellt der Verteidiger fest, dass Mario K. unschuldig sei, da kein Fingerabdruck und auch keine DNA-Spur als Direkt-Beweis gegen ihn vorlägen. Auch Zeugen hätten ihn nicht erkannt.

Dass unter anderem die Zeugin Petra P. den Beschuldigten Mario K. erkannt hat, und, dass auch das Entführungsopfer Stefan T. bei einem Audio-Experiment den Beschuldigten klar erkannt hat, wird nicht erwähnt.

Bevor Axel W. weiter sein Plädoyer ausführt, möchte er nun jedoch einige persönliche Bemerkungen machen.

Zunächst spricht er den Opfern Petra P., Louisa P. und Torsten H. sein Bedauern aus. Ausgeschlossen davon ist Stefan T., da Axel W. immer noch die Meinung vertritt, dass dessen Entführung nicht stattgefunden hat.

An dieser Stelle stellt sich mir die Frage, warum wir dann den gesamten Vormittag damit verbracht haben, DNA-Spuren von Andreas K. und Personen aus dessen Umfeld zu analysieren, um sie als mögliche Täter oder Tatbeteiligte zu entlarven? Warum hat die Verteidigung hierzu unzählige Anträge gestellt, wenn doch die Entführung nach Meinung von Axel W. gar nicht stattgefunden hat? Absolut unschlüssig.

Interessant ist auch, dass Axel W. zwar die verschiedenen Taten bedauert, er aber keinerlei Bedauern zeigt, was sein persönliches Verhalten gegenüber den Opfern während des Prozesses anbelangt. Mehrfach wurde seine mangelnde, nahezu nicht vorhandene Empathie angesprochen. Nun hatte er letztmalig die Chance sich für dieses Verhalten demütig zu zeigen. Genutzt hat Axel W. sie nicht!

Nach seinen Eingangsworten greift er unmittelbar die Arbeit der Staatsanwaltschaft an. Ihm erschien die Vollständigkeit der Akten und die Zuarbeit der Staatsanwaltschaft als nicht optimal. Unmittelbar danach nimmt er die Medien in Schutz, um wiederum sofort danach die Staatsanwaltschaft anzugreifen und ihr vorzuwerfen, Dinge weggelassen oder hinzugefügt zu haben. Anschließend lobt Axel W. wieder die Arbeit der kritischen Journalisten, die ihm in seiner Argumentation gefolgt sind.

Kritik ernten bei Axel W. auch die Polizeibeamten und deren Aussagen, denn diese hätten der Verteidigung geschadet. Wiederum erhalten die vier oppositionellen Polizisten (vier von siebzig Beamten) ausdrückliches Lob.

Dass diese vier Beamten jedoch einige Dienstvergehen begangen haben und dank ihres inkompetenten und unfachlichen Handelns vor Gericht eher dazu beigetragen haben, dass polizeiinterne Grabenkämpfe in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurden, lässt Axel W. unerwähnt. Einen nennenswerten Beitrag zur Erhellung der Sachlage haben die vier Polizisten jedenfalls nicht geleistet.

Im nächsten Komplex stehen nun die Nebenklägervertreter im Fokus.

Der Verteidiger versucht, sich anhand der Indizien, die alle ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter vorgetragen worden sind, durch sein Plädoyer zu hangeln. Das führt dazu, dass der Vortrag kein in sich geschlossener wird. Stattdessen greift Axel W. immer nur einzelne Indizien heraus und ereifert sich dann in der Wortklauberei hinsichtlich einzelner Sätze oder gar Wörter, die entweder von Staatsanwaltschaft oder Nebenklägervertreter verwendet worden sind. Alles wirkt wie aus dem Zusammenhang gerissen, unvollständig und einseitig.

Natürlich hält er auch sämtliche Rekonstruktionen der Polizei für unzureichend und stellt noch mal heraus, wie toll seine eigenen Rekonstruktionen waren, und dass er damit auch die Unmöglichkeit der Entführung von Stefan T. bewiesen hat. Allerdings: Dass seine Rekonstruktion des Wassertransportes des Entführungsopfers Stefan T. schon nach zehn Minuten abgebrochen werden musste, da sein Kajakfahrer – ein Kanu-Polo-Bundesligaspieler – erschöpft aufgeben musste, erwähnte Axel W. tunlichst nicht.

Immer wieder verwendet Axel W. Worte wie „wäre“, „wenn“ und „aber“. Und wie schon im gesamten Prozess trägt der Verteidiger auch in seinem Plädoyer nichts zur Entlastung des Beschuldigten Mario K. vor. Stattdessen folgt er weiterhin ausschließlich seiner bisherigen Strategie, Zweifel zu streuen. Viele seiner vorgetragenen Logiken erweisen sich zudem als absolut lebensfremd und können nur in seiner Fantasie funktionieren.

Drückte Axel W. noch zu Beginn seines Plädoyers Bedauern gegenüber den Opfern aus, stellt er nun am Ende sämtliche Aussagen aller vier Opfer komplett infrage.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Verteidigung hier einen schwachen Vortrag hält. Dass Plädoyer ist in sich unschlüssig und es werden nur aus dem Zusammenhang gerissene Details, die zudem die Sachverhalte nur lückenhaft oder falsch darstellen, vorgetragen.

Am Ende spricht Axel W. sowohl Gericht als auch Schöffen direkt an und erklärt insbesondere der Schöffengruppe, dass bei ihrer aktuellen Besetzung ein Stimmenverhältnis von vier zu eins erreicht werden muss, will man den Angeklagten schuldig sprechen. Man solle sich im Klaren darüber sein, dass zwei Stimmen für einen Freispruch genügen würden.

Hier nutzt Verteidiger Axel W. nun die einzige Möglichkeit, auf die Schöffen manipulativ einzuwirken, indem er die „Mitleidsnummer“ spielt.

Am Montag, den 8. Juni wird der Verteidiger Christian L. sein Plädoyer vortragen.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Auf Kosten der Opfer: Verteidigung zieht Prozess grotesk in die Länge

Der 56. Verhandlungstag am 22. Mai 2015 ist nicht der spektakulärste, wie hernach etwa eine Zeitung aus Berlin titelt, sondern einer der traurigsten. Grund für diese Einschätzung ist das erneut schon fast menschenunwürdige Gebaren des Verteidigers von Mario K., Rechtsanwalt Axel W., der wiederum keinerlei Bedenken hat, das Leiden der Opfer durch jedwedes Mittel unnötig zu verlängern.

Das Vorgeschehen: Schon am 55. Verhandlungstag (11. Mai 2015) werden auf Drängen und Veranlassung der Verteidigung drei Verhandlungstage gestrichen, nämlich jene am 13., am 18. und am 20. Mai. Genau in diesem Zeitraum, am 16. Mai 2015, erscheint in der Samstagsausgabe der Zeitung “Tagesspiegel” ein umfänglicher Bericht über neue Indizien und Widersprüche im „Maskenmann“-Prozess. Insbesondere möchte die Zeitung herausgefunden haben, dass es einen anderen Täter geben könnte, nämlich den ehemaligen Hubschrauberpiloten der Polizei Brandenburg, Andreas K.

Auf Kosten der Opfer: Verteidigung zieht Prozess grotesk in die Länge

In einem ungewöhnlich langen Bericht werden etliche mögliche Indizien, die für eine Täterschaft von Andreas K. sprechen, erläutert. Dass Andreas K. allerdings für die fragliche Zeit, in der das Opfer Stefan T. am 6. Oktober 2012 entführt worden ist, mehrere Alibis hat, wird darin nur am Rande erwähnt. Viel wichtiger ist der Redaktion stattdessen, den Fokus auf ein Detail zu lenken, das die damalige Ehefrau von Andreas K. nannte. Sie äußerte nämlich auf Nachfrage, dass ihr Mann in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober gegen 3:00 Uhr oder 4:00 Uhr zum Dienst herausgeklingelt wurde. Daran kann sie sich besonders gut erinnern, weil so etwas selten vorkommt. Ihr Mann hatte ihr beim Abschied erzählt, dass er wegen einer Entführung zum Dienst müsste. Diesen Fakt stellt weder die Zeitung noch Verteidiger Axel W. in Frage.

Dabei wäre es doch recht einfach, zu prüfen, was Andreas K. vor 3:00 Uhr oder 4:00 Uhr gemacht haben könnte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er nach seinem Dienst abends nach Hause gekommen ist und vielleicht etwas gemeinsam mit seiner Frau gegessen, dann noch ein wenig Fernsehen geschaut hat, um danach zu Bett zu gehen. Wäre der Ablauf anders gewesen oder wäre Andreas K. erst nachts um 1:00 Uhr oder 2:00 Uhr nach Hause gekommen, so hätte sich seine Ehefrau sicherlich auch an dieses Detail erinnert. Da sie Derartiges allerdings nicht mitteilt, bleibt es bei dem erwähnten, dem einzigen ungewöhnlichen Vorkommnis in der nämlichen Nacht vom 5. auf den 6. Oktober. Und wenn nun aber Andreas K. seinen Abend tatsächlich so ähnlich wie beschrieben verbracht hat, wie soll er dann gleichzeitig gegen 21:30 Uhr Stefan T. entführt haben? Allein durch dieses Alibi scheidet Andreas K. als Täter aus.

Leider wurde dieser Sachverhalt weder in dem Zeitungsartikel noch heute im Gerichtssaal thematisiert.

Geschrieben wurde der Zeitungsartikel von der Journalistin Renate Rost. Eine Person mit diesem Namen habe ich an keinem der 55 Prozesstage – und auch heute nicht – im Gerichtssaal gesehen. Daher sei die Frage erlaubt: Gibt es überhaupt eine Journalistin mit diesem Namen oder wird hier unter einem Synonym geschrieben? Aber unter welcher Motivation? Auch vom “Tagesspiegel” waren nicht an jedem Verhandlungstag Journalisten im Gerichtssaal anwesend. Viele der Informationen in diesem Artikel können auch nicht aus dem Prozess stammen, sondern müssen teilweise Wissen aus Ermittlungsakten oder sonstige interne Information sein.

Den Vorwurf der Nebenkläger, dass Axel W. mit der Presse zusammengearbeitet haben soll, wird durch diesen empört abgelehnt.

Großes Medieninteresse am – vermeintlich – letzten Prozesstag

Heute sind mehr als 20 Medienvertreter und über 20 Zuschauer im Gerichtssaal. Der für 9:30 Uhr angesetzte Prozesstag beginnt jedoch erst um 10:48 Uhr. Denn nachdem die Verteidiger des Beschuldigten Mario K. allesamt volle 30 Minuten zu spät kommen, suchen sie im Gerichtssaal unverzüglich ihren Mandanten auf, um, wie Axel W. später berichtet, ihren Mandanten über den oben genannten Zeitungsartikel zu informieren. Axel W. entschuldigt sich nachfolgend bei allen Prozessbeteiligten für die Verspätung mit der Begründung der „Wichtigkeit“.

Wenn es denn so wichtig gewesen wäre, hätte die Verteidigung etwa eine Woche Zeit gehabt, ihren Mandanten im Gefängnis aufzusuchen und diesen zu informieren, schließlich ist der Artikel bereits am 16. Mai erschienen. War es also wirklich die „Wichtigkeit“ oder doch eine erneute Verzögerung und Ablenkung von Axel W.?

Nachdem der Vorsitzende Richter den Prozesstag endlich eröffnen kann, stellt Axel W. umgehend einen Antrag. Er weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass es der besondere Wunsch seines Mandanten ist, keine Hilfsbeweisanträge, sondern Hauptbeweisanträge zu stellen. Dieses hätte die Konsequenz, dass das Beweisverfahren erneut eröffnet werden müsste.

Die Besonderheit an diesem Vorgehen ist, dass der Verteidiger hier explizit nicht erwähnt, dass dieser Antrag sein Wunsch ist. Stattdessen weist er – speziell und einmalig in diesem Prozess – darauf hin, dass es der Wunsch seines Mandanten sei. Doch was ist hierbei die Motivation von Axel W.? Denn, wenn er den wahren Schuldigen kennt, darf er natürlich keine unschuldige Person mit der Täterschaft belasten. Das wäre nicht standesgemäß.

Axel W. fordert in seinem 25-seitigen Antrag, den Hubschrauberpiloten Andreas K. als möglichen Täter in Betracht zu ziehen.

Wenn doch der Verteidiger gerade erst von seinem Mandanten diesen Wunsch erfahren hat, wie kann er dann so schnell einen 25-seitigen Antrag erstellen?

Der Antrag beinhaltet die Vernehmung weiterer Zeugen und listet eine Summe von Indizien auf. Beispielhaft soll hier kurz auf das Indiz eingegangen werden, dass die Handynummern von Andreas K. in den Funkzellen der Tatorte eingeloggt waren. Denn hierbei ist augenfällig, dass der Wohnort von Andreas K. genau in der Mitte zwischen den Tatorten Bad Saarow und Storkow liegt. Ein Umstand, den Verteidiger Axel W. geflissentlich außen vor lässt, der jedoch eine plausible Erklärung für das Einloggen in die Funkzellen darstellen könnte.

Nachdem Axel W. mit dem Verlesen seines Antrages am Ende angekommen ist, möchte der Rechtsanwalt des Opfers Stefan T., Dr. Panos P., eine Stellungnahme abgeben. Er fordert, den Antrag der Verteidigung abzulehnen, da es keinerlei Veranlassung dazu gibt, diesem zu folgen. Er sagt, dass gegen Andreas K. niemals ein Anfangsverdacht bestand, da er ein entsprechendes Alibi vorweisen kann. Des Weiteren gibt er zu bedenken, dass die Verteidigung diesen Antrag schon längst hätte stellen können. Doch das tat sie nicht, weil ihr Plan scheinbar dem Ziel folgt, den Prozessverlauf zu verzögern und durch diesen Antrag eine Verschleierung hinsichtlich des wahren Beschuldigten Mario K. zu bewirken. Dr. Panos P. schildert nochmals detailliert die Aussagen seines Mandanten Stefan T. zu einigen Passagen der Entführung. Dieses Raster belegt, dass die Anwesenheit von Andreas K. am Ablageort des Entführten durch die oben aufgeführten Alibis nicht möglich war.

Kurz vor 12 Uhr gibt der Rechtsanwalt Dr. Jakob D., Nebenklägervertreter von Petra P., seine Stellungnahme zu dem Antrag der Verteidigung ab. Auch er fordert, diesen abzulehnen. Er kritisiert das taktische Vorgehen der Verteidigung und unterstellt ihr, dass sie sich mit Teilen der Presse abgesprochen hat.

Des Weiteren weist Dr. Jakob D. auf die verwirrende Vorgehensweise der Verteidigung hin: Mal unterstellt sie dem Opfer Stefan T., dass die Tat gegen ihn nicht stattgefunden habe, mal werden immer wieder andere mögliche Täter in den Prozess eingeführt. Der Rechtsanwalt fragt daher, was denn nach Ansicht der Verteidigung eigentlich tatsächlich vorgefallen sein soll. Das Vorgehen der Verteidigung bezeichnet er als dreist und grenzwertig, weil bewusst falsche Angaben gemacht werden, etwa in Bezug auf den Einsatz der Wärmebildkamera. Dr. Jakob D. bewertet das Verhalten von Axel W. als großen PR-Gag, wie er das nur aus Amerika kennt.

Zu diesen Stellungnahmen möchte der Verteidiger Axel W. natürlich eine Gegenstellungnahme abgeben, wofür er um eine längere Pause bittet, die das Gericht ihm gewährt. 45 Minuten Zeit erhält der Anwalt des Beschuldigten Mario K.

Es wundert dann allerdings niemanden, dass der Prozess nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – um 12:45 Uhr fortgeführt wird, sondern erst fast zweieinhalb Stunden später!

Axel W. stellt in seiner Gegenstellungnahme schließlich fest, dass die Statements der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. und Dr. Jakob D absurd seien. Er verweist nochmals auf die Daten der Telefonfunkzellen – natürlich ohne darauf hinzuweisen, dass der Pilot Andreas K. mitten zwischen den Tatorten wohnt.

Zudem beantragt er, die Familie P. und Stefan T. als Zeugen zu diesem Sachverhalt zu hören. Dieses wiederum wird durch die Nebenkläger prompt abgelehnt.

Nach einer Beratungspause gibt das Gericht am frühen Nachmittag bekannt, dass sämtliche Anträge der Verteidigung abgelehnt werden. Das Gericht sieht keinerlei Anhaltspunkte zu einer möglichen Täterschaft von Andreas K. Hierauf bittet die Verteidigung nochmals um eine Pause, um diesen neuen Sachverhalt mit ihrem Mandanten Mario K. zu besprechen und die weitere Vorgehensweise festzulegen.

Nach einer fast einstündigen Pause gibt die Verteidigung bekannt, dass sie aus der Ablehnung der Anträge keine besonderen Konsequenzen ziehen möchte. Trotzdem beantragt man, die DNS-Spuren, die am Ablageort von Stefan T. festgestellt wurden, mit weiteren möglichen Personen abzugleichen. Hiernach fordert der Vorsitzende Richter den Verteidiger Axel W. auf, mit seinem Plädoyer zu beginnen.
Doch stattdessen teilt Axel W. überraschend mit, dass sein Mandant Kopfschmerzen habe und der Verhandlung nicht mehr folgen könne.

Wenn ein Mensch Schmerzen an einem bestimmten Körperteil hat, fasst er sicherlich automatisch an die schmerzende Stelle. Ich habe jedoch während des gesamten Verhandlungstages nicht einmal beobachten können, dass sich der Beschuldigte Mario K. an den Kopf gefasst hat.

Dennoch unterbricht das Gericht die Verhandlung und legt die Fortführung nun auf den 4. Juni 2015 fest, an dem Axel W. dann sein Plädoyer halten muss. Doch dieser teilt dem Gericht mit, dass sein Kollege Christian L. am 4. Juni keine Zeit habe und fragt, ob man diesen Tag nicht ausfallen lassen könne. Sichtlich nicht begeistert von diesem erneuten Verzögerungsantrag weist der Richter darauf hin, dass zum Halten eines Plädoyers die Anwesenheit lediglich eines Verteidigers vollkommen genüge.

Ich glaube nicht, dass Axel W. sein Plädoyer heute tatsächlich halten wollte. Denn erneut hat der Verteidiger bewiesen, dass er – auf Kosten der Opfer – ein Meister der Verzögerung und Verschleppung ist. Nicht allein inhaltlich, durch die fragwürdige Anwendung von Rechtsmitteln, sondern auch praktisch, denn die Liste der Verspätungen führt er mit Abstand an.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Affront: Verteidiger Axel W. zeigt Opfern kalte Schulter

Plädoyer von Jakob D., Anwalt des Opfers Petra P.

Am 11. Mai 2015 beginnt der 55. Verhandlungstag, den Rechtsanwalt Dr. Jakob D. mit seinem Plädoyer für seine Mandantin Petra P. einleitet. Er erläutert die Rolle der Nebenkläger in diesem Prozess und mahnt erneut an, dass die Medienberichte die Nebenkläger zu Opfern gemacht haben.

Dass der Angeklagte Mario K. zu allen Vorwürfen schweigt, bezeichnet er zwar als eine legitime Prozesstaktik. Er weist aber auch deutlich darauf hin, dass alle Opfer sich einig sind und Mario K. für den Schuldigen halten. Neben den vielen Indizien ist auch zu beachten, dass die Ermittlungsbehörden nichts Entlastendes gefunden haben.

Weiterhin sei auffällig, dass es keinen Menschen gibt – auch keinen aus seinem sozialen Umfeld – der für ihn eintritt und deutlich sagt: „Er ist es nicht.“ „Warum lügt der Angeklagte?“, fragt Jakob D. Er trägt bedächtig, einfühlsam, aber auch sehr engagiert vor.

Affront: Verteidiger Axel W. zeigt Opfern kalte Schulter

Der Verteidiger Axel W. hört dem Nebenklägervertreter nicht zu. Stattdessen liest er demonstrativ in seinem Laptop. Ein erneuter und leider immer wiederkehrender Affront gegenüber den Opfern und ihren Anwälten.

Jakob D. erläutert, dass seine Mandantin Petra P. und viele andere Zeugen den Angeklagten klar erkannt haben. Er beschreibt die Tatgeschehnisse und macht auf die Lügen des Angeklagten gegenüber Zeugen und Behörden aufmerksam. Auch lenkt er die Aufmerksamkeit des Gerichts auf die Fähigkeiten, Vorkenntnisse und Neigungen von Mario K., welche sich in den Taten gegenüber seiner Mandantin wiedergefunden haben.

Herauszustellen ist hier vor allem der unabdingbare Vernichtungswille von Mario K., denn dieser habe, so ist Jakob D. überzeugt, seiner Mandantin mit einem Gegenstand (Schlagstock) mehrfach gezielt auf den Kopf geschlagen und sie außerdem gewürgt.

Zwischendurch spricht Jakob D. den Angeklagten Mario K. mit lauter Stimme direkt an. Mario K. hat dazugelernt und lässt keine Reaktion zu – scheinbar, denn wenn er so angesprochen wird, nimmt er den Kugelschreiber in beide Hände und dreht ihn. Dies ist eine Ablenkungshandlung, um nicht auf die direkte Ansprache der Nebenklägervertreter reagieren zu müssen.

Auch die Indizienlage zum Tatvorgang gegen Louisa P. und Torsten H. wird nochmals vorgetragen. Dabei stellt Jakob D. klar fest, dass es sich hier um einen eindeutigen Mordversuch gehandelt hat. Und zur Frage der Täterschaft lässt der Rechtsanwalt verlauten, dass Louisa P. eine Brille unter der Maske erkennen konnte. Das weist einmal mehr auf Mario K. hin, denn auch der Schießleiter des Schießsportvereins sagte aus, dass Mario K. nur mit Brille schoss. Auch die jeweiligen Tätermuster von Mario K. werden erklärt.

Einige der Zeugenauftritte hier vor Gericht kommentiert Jacob D. als „dümmliche Kommentare und Borniertheit von teilnehmenden Personen, die in diesem Prozess viel zu lange ein Podium hatten“. Der Verteidigung unterstellt er fehlende Empathie und mangelnde Rechtskenntnis. Man habe nicht nur den Opferschutz außer Acht gelassen, sondern die Opfer auch noch verhöhnt und sie selbst zum Täter gemacht. Dies nur zum Zweck, eine erhöhte Aufmerksamkeit der Presse zu erlangen und vom eigentlichen Täter abzulenken.

Dabei sieht die Beweislage anders aus, so Jakob D.: Warum wurden in einem Containerlager des Angeklagten Dinge wie Gummistiefel, Schnüre, Plastikschläuche, Briefmarken und ein original verpackter Jogginganzug gefunden?

Dieser Jogginganzug war ein Billigprodukt in der Größe XXL. Der Angeklagte jedoch trug nachweislich nur hochwertige Markenjogginganzüge, auch die Größe XXL ist zu groß für seine Statur. Warum also hat er so einen Jogginganzug in seinem Lager? Die wahrscheinlichste Antwort darauf lautet, dass dieser Jogginganzug für das Entführungsopfer Stefan T. gedacht war.

Als Jakob D. beginnt, die Aussage der jetzigen Freundin von Mario K. zu erläutern, fragt der Angeklagte über seine Verteidigung prompt nach einer Pause. Ein Novum, denn das hat es während des gesamten Prozesses, der mittlerweile schon über ein Jahr andauert, noch nicht gegeben. Er scheint den Vortrag des Nebenklägers über seine Freundin schlichtweg nicht auszuhalten.

Jakob D. befindet des Weiteren, dass auch gekränkte Eitelkeiten einzelner Polizeibeamten im Zeugenstand keine Zweifel streuen konnten, denn objektiv betrachtet gibt es seiner Ansicht nach keine Zweifel.

Bei der Strafmaßzumessung fordert der Rechtsanwalt eine lebenslange Strafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Er stellt deutlich heraus, dass die Gesellschaft vor Mario K. geschützt werden muss. Hierzu wiederholt er unter anderem sämtliche früheren Verurteilungen des Beschuldigten. Er führt weiter aus, dass Mario K. nicht therapierbar ist und dissoziales Verhalten aufweist. Er habe einen Hang zum Verbrechen, sei gefährlich und uneinsichtig – eine verheerende Prognose.

Bei diesen Schlussworten nimmt Mario K. erneut den Kugelschreiber in die linke und rechte Hand und dreht diesen vor sich hin.

Plädoyer von Manuel O., Anwalt des Opfers Louisa P.

Hiernach hält der Rechtsanwalt und Nebenklägervertreter von Louisa P., Manuel O., sein Plädoyer. Er jedoch wiederholt nicht den gesamten Prozessverlauf, sondern nutzt die Gelegenheit, die Opfer aufmerksamkeitsstark in den Mittelpunkt zu rücken. Auch dankt er im Namen seiner Mandanten allen redlichen Helfern bei der Polizei, in der Justiz und an anderen Stellen.

Doch er beschreibt auch klar das Empfinden und Leben der Opfer. Ein Leben mit Personenschutz. Er kritisiert außerdem das zum Teil tendenziöse Verhalten der Medien. In diesem Zusammenhang kommt Manuel O. auf das unsägliche Verhalten von Angeklagtem und Verteidigung zu sprechen, die die Opfer durch selbstherrliche Darstellungen, abstruse Rekonstruktionen und abenteuerliche Beweisanträge erneut in einer Opferrolle gedrängt haben. Die deutlich fehlende Empathie bei der Verteidigung, habe unter anderem dazu geführt, dass seine Mandantin nicht in der Lage war, an jedem Verhandlungstag teilzunehmen. Sie hat es schlichtweg nicht ausgehalten, Rechtsanwalt Axel W. zu ertragen.

Des Weiteren zielt Manuel O. auf einzelne Polizeibeamte ab, die insbesondere auch durch ihr eitles Verhalten aufgefallen sind. Direkt benennt er den Kriminaloberrat Sch., Kriminaloberkommissar B., Kriminaloberkommissarin Be. und Kriminaloberkommissarin Bo. Auch vergisst der Anwalt den beschämenden Auftritt der Gutachterin G. aus Magdeburg nicht, die ihren Part in seinen Augen ahnungslos und inkompetent vorgetragen hat.

Dieses Plädoyer machte noch einmal das besondere und zusätzliche Leiden der Opfer deutlich, das durch einige merkwürdige Zeugen und das unangemessene Verhalten der Verteidigung hervorgerufen wurde.

Plädoyer von Dr. Panos P., Anwalt des Opfers Stefan T.

Nach der Mittagspause hält Dr. Panos P., der Nebenklägervertreter von Stefan T., sein Plädoyer. Zur Einführung gibt er einige Bemerkungen über die Länge des Prozesses ab. Nach seiner Meinung lag dies nicht an der Beweislage, sondern vielmehr am hinderlichen Vorgehen der Verteidigung. Insbesondere der stete Zweifel der Verteidigung an der Aussage von Stefan T. sowie das katastrophale Aussageverhalten einiger ahnungsloser Polizeibeamten, aber auch das der Gutachterin G. aus Magdeburg trugen dazu bei. Bemerkenswerterweise wurde dieses destruktive Verhalten von den Medien vorbehaltlos übernommen, nur, um eine Sensationsmeldung liefern zu können. Allerdings, so fügt der Anwalt hinzu, hat sich nur ein kleiner Kreis derartig verhalten. Es gab hingegen auch sehr viele äußerst professionelle Polizeibeamte.

In diesem Zusammenhang greift er nochmals den Vorwurf auf, es wäre einseitig ermittelt worden und weist diesen als falsch zurück. Vielmehr haben die wenigen ahnungslosen und eitlen Polizeibeamten hier im Prozess interne Polizeistreitigkeiten auf dem Rücken von Stefan T. ausgetragen.

Zur Beweiswürdigung wiederum stellt Dr. Panos P. fest: Mario K. ist der Täter aller Taten. Die Beweislage zur Anwesenheit von Mario K. zu den Tatzeiten am jeweiligen Tatort sei eindeutig. Um das zu verschleiern, habe die Verteidigung im Gerichtssaal Scheingefechte geführt, zum Beispiel bei den Themen Entführungsweg von Stefan T., Stefan T.s Schätzungen, Sachverhalt Brille, Fesselung von Stefan T. sowie bei den Themenbereichen Briefumschläge, Unterkühlung, Silikonschlauch, mögliche Verletzung durch die Flucht.

Auch konnte die Verteidigung, wie schon Dr. Panos P. schon mehrfach feststellte, keine Entlastungsgründe zugunsten ihres Mandanten vortragen.

Die Wiedererkennung des Täters in der Person von Mario K. durch seinen Mandanten Stefan T. und Petra P anhand der Ohren des mutmaßlichen Täters sowie anhand seiner Kopfform und seiner Stimme war eindeutig.

Die Indizienlage – exzessive Spurenvermeidung des mutmaßlichen Täters, Begegnungen mit Zeugen in der Tatregion, Sprache sowie Statur des mutmaßlichen Täters, Vorstrafen und Ähnliches – wird nochmals vorgetragen.

Zusätzlich gibt es, so Dr. Panos P., etliche weitere weiche Kriterien, die ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Beispielhaft sei hier die Wortwahl des Beschuldigten Mario K. genannt, der Formulierungen wie „ins Knie schießen“, „Mann zum Krüppel schießen“, „hässliche Bilder“, „das glaubst aber auch nur du“ verwendete. Alle diese Äußerungen sind sowohl nach Ansicht des Anwalts von Stefan T. sowohl dem Täter, als auch dem Beschuldigten zuzuordnen. Dr. Panos P. listet weiter auf, dass der mutmaßliche Täter Mario K. keine Furcht vor Hunden hat, er sich recht konspirativ verhielt und auch am Festnahmetag verdächtiges Verhalten an den Tag legte.

Als harte Indizien führt er auf, dass Mario K. eine komplette Tatausrüstung besaß, außerdem die Möglichkeit hatte, sich Munition zu besorgen, sich angebliche Alibis für die Tatzeiten verschaffte und daher schlussendlich auch nichts Entlastendes zu seiner Person zu ermitteln war.

Rechtliche Würdigung: Dr. Panos P. fordert eine lebenslange Haftstrafe plus Sicherungsverwahrung. Die formellen Gründe dafür sind gegeben: Mario K. ist eine Gefahr für die Allgemeinheit, da er bereits schwerste Straftaten begangen hat. Auch nach der Tat zu Lasten von Stefan T. spähte er weitere mögliche Opfer in der Tatregion aus. Es ist zu befürchten, dass es bei zukünftigen Straftaten des Mario K. Tote geben wird.

Plädoyer von Evelyn R., Anwältin von Opfer Torsten H.

Nach dem Plädoyer von Dr. Panos P. spricht die Rechtsanwältin Evelyn R. das Plädoyer  für ihren Mandanten Torsten H. Dieser hält für eindeutig, dass Mario K. der Schuldige ist. Daher schließt sich die Anwältin den Anträgen und Würdigungen der Staatsanwaltschaft und der anderen Nebenklägervertreter vollends an. Sie fügt hinzu, dass festzustellen sei, dass Mario K. erhebliche psychopathische Tendenzen hat. Der psychologische Gutachter habe hierzu die folgenden 22 von 40 Merkmalen bei Mario K. festgestellt:

1. Blender mit oberflächlichem Charme

2. übersteigertes Selbstwertgefühl

3. Arroganz

4. exzessiver Erlebnishunger

5.Lügner

6. manipulatives Verhalten

7. Fehlen von Reue

8. Fehlen von Schamgefühl

9. Unbarmherzigkeit

10. fehlendes Mitgefühl

11. fehlendes Einfühlungsvermögen

12. Bindungsschwäche

13. Einzelgänger

14. Emotionslosigkeit

15. häufig wechselnde Partnerinnen

16. Zwang zum Sex

17. parasitärer Lebensstil

18. Verantwortungslosigkeit

19. Verhaltenskontrolle

20. aufbrausend

21. schwerste Vorstrafe

22. hohe Rückfallquote

Die Rechtsanwältin Evelyn R. erklärt nun, dass eine Sicherungsverwahrung für Mario K. notwendig sei und weist auch darauf hin, dass Torsten H. kein Mitleid will, sondern es für dringend hält, den Täter zur Verantwortung zu ziehen. Schlussendlich fordert sie für ihren Mandanten ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 Euro.

Während die Nebenklägervertreter ihre Plädoyers vortragen, zeigt der Verteidiger Axel W. den Opfern demonstrativ die kalte Schulter. Er hat seinen Laptop halb nach links gedreht, abgewandt von den Opfern, und liest auf dem Bildschirm stundenlang Akten oder Sonstiges. Obwohl er mehrfach von den Nebenklägervertretern auf seine deutlich fehlende Empathie angesprochen wurde, kann er sich den Opfern nicht zuwenden. Ein von mir sehr geschätzter Psychologieprofessor würde jetzt wohl die Frage stellen: „Welches Trauma arbeitet Axel W. hier ab?“

Bildquelle: Gerhard Frassa / pixelio.de

Plädoyer des Staatsanwaltes

Am 54. Verhandlungstag, dem 29. April 2015, sind elf Pressevertreter vor Ort.

Staatsanwalt W. führt sein Plädoyer fort und gibt zunächst einen kurzen Rückblick auf den letzten Prozesstag. Es folgen einige Wiederholungen, auch zur Beweisführung, und nochmals der Hinweis auf die widerspruchsfreie und glaubwürdige Aussage des Zeugen Stefan T. Letzteres wird vor allem aufgrund des Vorhandenseins der Realkennzeichen untermauert, denn die Aussage steht im Einklang mit den Beweisen und anderen Zeugenaussagen. Zudem hat Stefan T. auch kein Motiv für eine Falschaussage.

Im Bereich der Täterbeweiswürdigung stellt der Staatsanwalt die Frage, wie viele Täter überhaupt gesucht werden, um gleich darauf die Antwort zu geben: Ein einziger Täter. Dies erklärt sich auch dadurch, dass der Tatkomplex 1 und 2 mit dem Tatkomplex 2 und 3 verbunden werden kann. Denn in beiden Tatkomplexen gab es gleiche Geschossteile und dieselbe Waffe. Zudem war der Tathergang teilweise ähnlich, es gab eine räumliche Nähe und die Opfer waren in beiden Fällen vermögende Familien.

Plädoyer des Staatsanwaltes

Obwohl bei einer Tat der Personenschützer Torsten H. zu Schaden kam, war er nicht Ziel der Attacke, sondern eigentlich Louisa P. Dass die Tochter der betuchten Familie im Fokus war und nicht der Personenschützer, wird auch dadurch untermauert, dass Torsten H. beim ersten Angriff auf die Familie gar nicht vor Ort war. Auch am Tag seiner schwerwiegenden Verletzung durch den Täter wurde er erst kurzfristig zum Dienst vor Ort gerufen. Dass Louisa P. das Opfer sein sollte, wird auch dadurch belegt, dass der Täter nach dem Schuss auf Torsten H. noch zwei weitere Schüsse auf die fliehende und wehrlose Louisa P. abgegeben hat – eine Handlung, die der Täter nicht hätte vollziehen müssen, wenn er Louisa P. nicht als eigentliches Opfer ins Visier genommen hätte. Letztlich spricht alles dafür, so der Staatsanwalt, dass es nur einen Täter gab – und zwar den Angeklagten Mario K.

Beweismittel und Indizien

Der BGH sagt eindeutig, dass Indizien in ihrer Gesamtheit zu bewerten sind. Es darf keine unzulässige Einzelbewertung geben.

Der Staatsanwalt W. zählt etliche Indizien auf, unter anderem die folgenden: Kopfform, Stimme, Statur, das markante linke Ohr, Kajak, frühere Straftaten, Straftaten im sozialen Umfeld angedeutet, Munitionsbeschaffung, am Festnahmetag konspiratives Verhalten, Alibi-Besorgung und so weiter.

Eine zufällige Anhäufung dieser vielen Einzelindizien gibt es nicht und der Staatsanwalt habe in seinen Ermittlungen auch nichts Entlastendes feststellen können. Polizei und Staatsanwaltschaft sind überzeugt, dass Mario K. der Täter ist. Unter anderem zeigt das Phantombild die besondere Kopfform (spitz zulaufend) und ein abknickendes linkes Ohr.

Des Weiteren hat Stefan T. Mario K. erkannt, etwa an der Statur und im Stimmenvergleich. Ebenso kann Louisa P. die Täterschaft von Mario K. nicht ausschließen, genauso wie Torsten H., der aussagte, es sei durchaus möglich, dass Mario K. der Täter ist. Darüber hinaus: Es gibt kein Motiv der Nebenkläger, den falschen Täter zu verurteilen.

Der Staatsanwalt zählt weitere Indizien auf: Rechtshänder, Brille, mittleres Alter, körperlich fit, Outdoor-Typ, frühere Knieverletzung, in Wald-Lagern gelebt, Seewasser getrunken, deutsche Sprache und Berliner Akzent, Kajakfahrer, Wandelbarkeit des Angeklagten im Aussehen, Zeugenaussagen zum Tatort und Tattag, frühere Verurteilungen, Ablageort von Stefan T., Schießtraining, Unterbrechung des Schießtrainings während der Taten 1 und 2, versuchte Alibibeschaffung zum Zeitpunkt der Tat 1 und Beschaffung eines zweiten Reisepasses, merkwürdiges Verhalten am Tag der Festnahme (17. September 2013), eigene Taten im sozialen Umfeld angedeutet, Lüge bei der polizeilichen Vernehmung (er hätte kein Handy besessen, er wäre seit 2004 nicht mehr Boot gefahren, er habe keine Tarnkleidung).

Weitere Indizien: Mario K. hat großen Aufwand zur Spurenvermeidung betrieben, nach seiner Zeugenvernehmung hat er sich über seine Verwandtschaft ein neues Handy besorgen lassen, er kaufte sich Luftmatratze und Nachtsichtgerät sowie Einweghandschuhe. Mario K. hatte keinen festen Wohnsitz, sondern lebte in ständig wechselnden Wald-Lagern. Sämtliche Tatmittel wurden in Mario K.s Besitz gefunden: Messer, Klebeband, Jogginganzüge, Plastikpinzette, Sturmhaube, Plastikschläuche, Mülltüten.

Seine Motive waren der Hass auf reiche Menschen und finanzielle Notwendigkeit. Auch seine Wortwahl und Ausdrucksweise ist identisch mit der des Täters. Weiterhin ist evident, dass es seit der Festnahme von Mario K. keine ähnlichen Taten gegeben hat.

Die Ermittlungsbehörden sind über 500 Hinweisen in 40 Verdachtsrichtungen nachgegangen, man führte aufwändige Telekommunikationsüberwachung durch, hat auch die Opfer durchleuchtet sowie auch die Wachschutzfirma. Der Fall wurde in der TV-Sendung “Aktenzeichen XY … ungelöst” präsentiert.

Das wohl deutlichste Merkmal für die Schuld Mario K.s ist sicherlich, dass von keiner Seite Entlastendes zugunsten von Mario K. angeführt wurde, auch in über 50 Verhandlungstagen von der eigenen Verteidigung nicht.

Nun benennt der Staatsanwalt die fünf Säulen der Verteidigung: 1.) Stefan T. lügt. 2.) Mario K. ist körperlich nicht in der Lage, die Tat zu begehen. 3.) Der Angeklagte Mario K. ist zu groß. 4.) Die Staatsanwaltschaft wurde der Rechtsbeugung beschuldigt. 5.) Die Zeugen wurden „madig“ gemacht.

Im Weiteren erklärt der Staatsanwalt das System der Täterpyramide. Dieses theoretisch-logische Prinzip funktioniert als Ausschlussverfahren folgendermaßen: Alle Verdächtigen stehen am unteren Ende einer Pyramide. Nun dürfen im ersten Schritt zum Beispiel alle Männer eine Stufe höher steigen, da der Täter eindeutig ein Mann ist, womit alle Frauen ausscheiden. Auf die nächste Stufe dürfen nur Männer mittleren Alters, danach steigen nur die Rechtshänder höher und so weiter. Nachdem auf diese Weise diverse Stufen erklommen worden sind, bleibt am Ende allein Mario K. an der Spitze der Pyramide übrig.

Rechtliche Würdigung

Bei der ersten Tat, jener zum Nachteil von Petra P., handelte es sich um gefährliche Körperverletzung mit einer Strafforderung von zwei Jahren und sechs Monaten Haft. Die Tat zum Nachteil von Louisa P. war eine versuchte Nötigung und ein versuchter Totschlag, wofür eine Strafe von bis zu acht Jahren Haft gefordert wird. Bei der Tat zum Nachteil von Torsten H. handelte es sich um versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und schwere Körperverletzung, wofür lebenslängliche Haft gefordert wird. Die Tat zum Nachteil von Stefan T. war eine versuchte schwere räuberische Erpressung sowie erpresserischer Menschenraub, worauf eine Strafzumessung von zehn Jahren Haft gefordert wird.

Als Gesamtstrafmaß fordert die Staatsanwaltschaft schlussendlich: Lebenslang, allerdings ohne Sicherungsverwahrung, weil die besondere Schwere nicht erkennbar ist. Das versuchte Tötungsdelikt sei spontan begangen wurde, lautete eine Begründung dazu.

Am nächsten Verhandlungstag halten die Nebenkläger ihr Plädoyer.

Bildquelle: GG-Berlin / pixelio.de

Ende der Beweisaufnahme, die Plädoyers beginnen –herbe Medienkritik des Staatsanwaltes

Am Vormittag des 53. Verhandlungstags am 17. April 2015 geht die Beweisaufnahme zunächst mit drei weiteren Beweisanträgen der Verteidigung weiter. Alle drei Beweisanträge werden jeweils nach Beratung durch das Gericht abgelehnt.

Der erste Antrag der Verteidigung betrifft den Zeugen Mohammed P. Hier unterstellt die Verteidigung, das Gericht hätte nicht genügend Aufwand betrieben, um den Zeugen ausfindig zu machen.

Der zweite Antrag beinhaltet die Inaugenscheinnahme der Videovernehmungen von Stefan T. Hierdurch möchte die Verteidigung anhand von nonverbalen Reaktionen des Zeugen seine Unglaubwürdigkeit beweisen. Dieser Antrag wird abgelehnt, da der Zeuge Stefan T. ausreichend in den Hauptverhandlungstagen gehört worden ist. Dadurch ist die Kammer in die Lage versetzt worden, die Glaubwürdigkeit von Stefan T. hinreichend zu prüfen und festzustellen.

Ende der Beweisaufnahme, die Plädoyers beginnen –herbe Medienkritik des Staatsanwaltes

Der dritte Antrag beinhaltet die Zeugenvernehmung des in Verdacht geratenen Polizeibeamten. Dieser Antrag wird ebenfalls abgelehnt, da es keinerlei Ansätze in den Akten gibt, die den Schluss zulassen, dass es zwischen diesem ehemaligen Polizeibeamten und dem Tatgeschehen einen Zusammenhang gibt.

Es ist allen Parteien, also auch der Verteidigung, bekannt, dass dieser Zeuge mindestens an einem Tattag (6. Oktober 2012) ein nachgewiesenes Alibi hat.

Danach wird die Beweisaufnahme endlich durch den Vorsitzenden Richter geschlossen. Anschließend fordert derselbe die Staatsanwaltschaft auf, ihr Plädoyer zu halten. Doch bevor Staatsanwalt W. sein Plädoyer beginnt, möchte er seine Entrüstung über das Verhalten der Medien in diesem Prozess in einigen persönlichen Bemerkungen vortragen.

Medienschelte

Die Medien haben seiner Auffassung nach schon recht früh ein Urteil gesprochen: „Der Angeklagte ist freizusprechen.“ Erstmalig, so der Staatsanwalt, ist ein Opfer / Zeuge (Stefan T.) einer solchen medialen Hetzjagd ausgesetzt worden. Initiiert wurde diese Hetzjagd durch die Verteidigung. Es gab keine objektive Berichterstattung der Medien mehr, wilde Theorien geisterten ohne genaue Kenntnis der Akten oder juristischen Hintergrund durch die Blätter und Kanäle. Der Staatsanwalt ruft die angesprochenen Medien auf, selbst zu überprüfen, in welcher Art und Weise sie die Behandlung der Opfer betreiben. Es sei durchweg ein respektloser und unwürdiger Umgang gewesen. Bevor er mit seinem echten Plädoyer beginnen könne, müsse er nun „Nebel und Dreck“ entfernen. Dieser ist durch Prozessbeteiligte und Medienvertreter, aber auch durch Zeugen und Sachverständige entstanden, nicht selten auch nur aus persönlicher Empfindlichkeit.

Abgelenkt vom Fokus wurde unter anderem dadurch, dass hunderte Fragen gestellt wurden; zum Beispiel, ob es in einem Dienstzimmer einen Safe gab oder nicht, welche Farbe dieser hatte oder wie lang ein Tisch in einem Besprechungsraum war. Dadurch sollte eindeutig abgelenkt und Zeit verschwendet werden.

Bei dieser Ansprache spricht er auch den Angeklagten Mario K. direkt an. Dieser bleibt ohne Reaktion und schaut teilnahmslos im Raum umher. Die beiden Verteidiger schreiben fleißig mit.

Der Staatsanwalt W. führt weiter aus, dass es keine einseitigen Ermittlungen gab, es wurde objektiv ermittelt, ohne Druck oder persönliche Empfindlichkeiten. Die Beweisführung zum Tatkomplex 3 beruht auf den Aussagen von Stefan T. Diese Aussagen sind absolut glaubwürdig.

Kritik an „kritischen“ Beamten

Leider kamen ein paar Polizeizeugen mangels Kenntnis der Aktenlage zu einer katastrophalen Fehleinschätzung. Formulierungen aus deren Mündern wie: „ich hätte“, „ich würde“, „ich könnte“ sind völliger Unsinn, da es nicht darum geht, was „ich“ mache, sondern um die Vorstellung, was andere Menschen, anderen Menschen antun können. Die Beurteilung liegt in dem eigenen Fähigkeit, sich in die Täter hineinversetzen zu können. Opfer- und Täterverhalten sind nicht rational und daher schwer oder nicht nachzuvollziehen. Deshalb müssen wir uns davon trennen, ob zum Beispiel eine Polizeibeamtin B. oder eine Sachverständige G. die Entführung so oder so durchgeführt hätte. Die Zeugenaussagen der vier kritischen Polizeibeamten müssen als frech und als Ohrfeige für die Opfer gewertet werden.

Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage von Stefan T.

Auch wurde der Zeuge Stefan T. im Gegensatz zum Angeklagten Mario K. nicht einmal beim Lügen erwischt. Alle Realkennzeichen waren eindeutig bei Stefan T. erkennbar. Der Ablauf ist sinnvoll und ohne Lücken im Verlauf geschildert worden. Natürlich gibt es Abweichungen in den Aussagen, das ist normal, zum Beispiel bei der Erinnerung des Ablaufs seiner Fesselung oder im Bereich der Wetterverhältnisse, zu den Komplexen Schlüssel oder Brille. Stefan T. hat logisch und widerspruchsfrei erzählt. Der Staatsanwalt W. führt weiter die Zeugenaussagen von Stefan T. aus und erklärt anhand derer, dass ein Lügner eine solche Story nicht erzählen würde, da es zu viele Details gab, zu viel wörtliche Rede, zu viele Komplikationen in der Einführung. Ein Lügner würde eher eine durchdachte, immer gleiche, aalglatte Story erzählen.

Es gibt keine Logik beim Täter. Logisch ist es, keine Straftaten zu begehen. Logisch, vielmehr noch typisch für den Angeklagten Mario K., ist z. B., dass er die Tat mit dem Kajak durchgeführt hat, da Mario K. keinen Führerschein und auch kein Auto besitzt.

Die Verteidiger des Angeklagten hören dem Staatsanwalt Kaugummi kauend, manchmal gähnend, aber doch andächtig zu und schreiben mit.

Aussagepsychologische Einschätzungen

Nach aussagepsychologischen Grundsätzen ist die Zeugenaussage von Stefan T. glaubhaft. Das wird auch durch die anderen Zeugen bestätigt. Staatsanwalt W. erklärt, warum der Vorwurf der Lüge an Stefan T. rechtlich unzulässig gewesen wäre. Das hätte nämlich dazu geführt, dass er als Beschuldigter hätte gelten müssen. Damit hätte man ihn erstens psychisch schwer belastet, zweitens hätte er belehrt werden müssen, dass er keine Aussage machen muss. Diese juristische Logik haben im Übrigen insbesondere auch die vier kritischen Polizeibeamten außer Acht gelassen. Auch zu den weiteren Tatkomplexen führte der Staatsanwalt W. aus und bestätigte nochmals, dass alle glaubhaft vorgetragen wurden und die Schilderungen der Zeugen der Spurenlage entsprachen.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Dubiose Methoden der Verteidigung und entlarvende Zeugenaussagen

Am 14. April erlebe ich einen der interessantesten und spannendsten Verhandlungstage (den 52.) überhaupt. Heute gibt es insbesondere Aufklärung über die Vorgehensweise der Verteidigung.

Nach Eröffnung des Verhandlungstages gibt der Vorsitzende Richter einen Beschluss der Kammer bekannt: Der Beweisantrag der Verteidigung vom letzten Verhandlungstag, den Zeugen Mohammed P. zu laden, wird abgelehnt, denn dieser Zeuge ist nicht auffindbar und unbekannt verzogen. Das Gericht hat bereits einen hohen Aufwand zur Feststellung des Aufenthaltsortes betrieben, weiterer Aufwand wäre allerdings angesichts der Aussagekraft dieses Zeugen nicht gerechtfertigt.

Dubiose Methoden der Verteidigung und entlarvende Zeugenaussagen

Vernehmung des Grundstücksnachbarn von Stefan T.

Hiernach wird der Zeuge Frank-Henning G. gehört. Er ist der Nachbar des Entführungsopfers Stefan T. und hat einen Bootssteg direkt am Grundstück der Familie T. Dieser Zeuge wird ebenfalls aufgrund eines Beweisantrages der Verteidigung gehört. Die Verteidigung hat in ihrem Beweisantrag erläutert, dass dieser Zeuge aussagen wird, sein Boot sei an jenem Steg, an dem das Opfer Stefan T. vorbeigeführt worden ist, so vertäut, dass man dort stolpern müsste.

Der Zeuge bestätigt, dass er dort zur Tatzeit der Entführung sein Boot liegen hatte. Er ist seit circa zehn Jahren ansässig und kennt sich in dem Gebiet gut aus. Das Boot wurde nur vorne und hinten vertäut, nicht an zusätzlichen Pfosten. Das Tau hinten wurde nur mit einem einfachen kleinen Karabinerhaken befestigt, dieser lässt sich mit zwei Fingern öffnen.

Das ist nicht die Aussage, die sich die Verteidigung durch ihren Beweisantrag erhofft hatte.

In der weiteren Zeugenvernehmung geht es auch um die Wassertiefe vor dem Steg. Stefan T. hatte sie mit „hüfthoch“ beschrieben. Ein Polizeizeuge hatte zunächst ebenfalls „hüfthoch“ zu Protokoll gegeben und erst nach Einsicht von Fotos mitgeteilt, dass das Wasser eher „kniehoch“ sein. Der Zeuge G. bestätigt und zeigt auch an seiner eigenen Person eine Tiefe über „hüfthoch“ an. Auch auf Nachfrage der Verteidigung wiederholt der Zeuge die Aussage, dass das Wasser an der Stelle, wo der Schlüssel vom Stefan T. gefunden wurde, etwa „hüfthoch“ sei.

Nachdem der Zeuge entlassen wurde, gibt der Nebenklägervertreter, Dr. Panos P., noch eine Erklärung zu dieser Zeugenaussage ab. Er stellt darin fest, dass die Seile von den Pfosten sehr leicht abnehmbar waren. Weiterhin merkt er an, dass der Zeuge die gleiche Wassertiefe angegeben hat wie sein Mandant Stefan T. Natürlich bleibt die Stellungnahme von Dr. Panos P. durch die Verteidiger nicht unbeantwortet.

Hierbei handelte es sich für die Verteidigung um einen typischen “Eigentor-Zeugen”.

Hubschrauberpilot entlarvt die Nachlässigkeit der „kritischen“ Beamten

Auf Veranlassung des Nebenklägervertreters Dr. Panos P. wird ein weiterer Zeuge gehört. Es handelt sich um den Zeugen Steve D., Hubschrauberpilot, Einsatzleiter und stellvertretender Staffelchef der Hubschrauberstaffel der Polizei Brandenburg. Dieser Zeuge flog am 6. und 7. Oktober 2012 die entsprechenden Einsätze im Suchgebiet der Entführung von Stefan T. Hierbei waren sowohl Tageslicht- als auch Wärmebildkameras im Einsatz.

An dieser Stelle muss nochmals erwähnt werden, dass die Zeugin Kriminaloberkommissarin (KOKin) Yvonne B. behauptet hat, erheblich an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Stefan T. zu zweifeln, da es an den besagten Entführungstagen einen Hubschrauberüberflug mit Wärmebildkamera gab und man dabei keinerlei Feststellungen treffen konnte. Diese Aussage hat sie in ihrer Funktion als “Mädchen für alles” und mit einem Kenntnisstand von nur zehn Prozent der Akten getroffen, so ihre eigene Angabe.

Die folgende Zeugenaussage des Hubschrauberpiloten wird die Ungeheuerlichkeit und Gefährlichkeit einer solch inkompetenten Aussage, wie der von KOKin Yvonne B., nochmals unterstreichen.

Der Zeuge Steve D. bestätigt in seiner Aussage seine Einsätze am 6. und 7. Oktober 2012. Sein Auftrag bestand darin, nach auffälligen, abgestellten Booten oder Sonstigem zu suchen beziehungsweise, eventuelle Fluchtwege aus der Luft heraus zu erkennen. Allerdings gab es bei seinen Einsätzen keine Auffälligkeiten.

Zum Einsatz der Wärmebildkamera sagte er aus, dass diese aufgrund eines Defektes nur sehr eingeschränkt in Betrieb war. Es gab durch Feuchtigkeit technische Probleme an dieser Kamera. Das könnte auch die Operaterin im Hubschrauber bezeugen.

Die Staatsanwaltschaft fragt nach, ob man denn den Entführer oder den Entführten hätte sehen müssen, wenn alles, auch die Wärmebildkamera, in Ordnung gewesen wäre. Die Aussage des Zeugen ist mit einem kräftigen „Nein“ mehr als eindeutig. Der Zeuge führt weiter aus, dass man Menschen, die sich unter einem dichten Blätterwald oder unter einer Plane aufhalten, auch mit einer Wärmebildkamera nicht lokalisieren kann.

Der wie immer nicht sonderlich interessiert wirkende Beschuldigte Mario K. schreibt bei den technischen Ausführungen zu den Möglichkeiten einer Wärmebildkamera fleißig mit.

Auch die Verteidigung hakt in ihrer bekannten Vorgehensweise nach. Der Zeuge antwortet souverän und ruhig.

Mit etwas Fleiß und Verstand hätten die Zeugin und Polizeibeamtin Yvonne B. sowie die drei weiteren kritischen Beamten ohne Weiteres diese Angaben den Akten entnehmen können – und müssen! Es ist beispiellos, wie die Opfer mit solchen unbedachten Aussagen derartig strapaziert werden.

Letzter Beweisantrag deckt dubiose Methoden der Verteidigung auf

Nachdem das Gericht nun zum wiederholten Mal den Versuch unternimmt, die Beweisaufnahme zu schließen, wartet die Verteidigung durch Rechtsanwalt Axel W. erneut mit einem weiteren Beweisantrag auf.

Sie möchte, dass Ronny H. als Zeuge vernommen wird. Ronny H. ist Schwimmbadtechniker bei der Firma R. und war dort als Servicetechniker eingesetzt. In dieser Funktion hat er auch das Schwimmbad der Familie Stefan T. in deren Haus in Berlin repariert und gewartet.

Der Zeuge wird aussagen, so Verteidiger Axel W., dass die Temperatur des Wassers im Schwimmbad etwa bei 25 Grad Celsius lag und nicht – wie Stefan T. ausgesagt hatte – bei 21 Grad. Dadurch möchte die Verteidigung beweisen, dass das Opfer Stefan T. nicht so abgehärtet war wie ausgesagt.

Daraufhin teilt Dr. Panos P. in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag mit, dass der Antrag abzulehnen sei, da die Beweislast dieser Aussage unerheblich ist.

Seiner Stellungnahme möchte der Anwalt von Stefan T. jedoch noch einen Bericht hinzufügen. Er hat durch seinen Mandanten erfahren, dass dieser vom Chef und Inhaber der nämlichen Firma für Schwimmbadtechnik angerufen wurde. Dieser hat sich in diesem Telefonat bei Stefan T. bitterlich über den Verteidiger Axel W. beklagt. Dieser wiederum hatte ihn unter fadenscheiniger Begründung und mit einer fragwürdigen Methode angesprochen. Der Geschäftsführer war bei Gesprächsbeginn zunächst der Annahme, dass Axel W. ein potentieller Kunde sei, der sich für die verschiedenen Möglichkeiten der Wartung und die Techniken eines Schwimmbads interessiert. Axel W. hätte ihn auch nach Kunden unter der Wohnanschrift von Stefan T. gefragt. Erst am Ende des Gesprächs outete sich Axel W. als Verteidiger von Mario K. und forderte nun den Chef der Schwimmbadtechnikfirma auf, eine Aussage gegen Stefan T. vor Gericht zu tätigen. Dieses Ansinnen lehnte der Firmeninhaber entrüstet ab.

Auch der potentielle Zeuge und Angestellte des Unternehmens für Schwimmbadtechnik, Ronny H., wurde durch den Verteidiger Axel W. persönlich aufgesucht und angegangen. Insbesondere irritierte Ronny H., dass Axel W. das Gespräch mit dem Hinweis angefangen habe, dass es doch Streit zwischen ihm und seinem Chef gebe und er nun doch eine Aussage gegen Stefan T. tätigen könne.

Dass diese durchaus fragwürdigen Zeugenansprachen nun hier im Gerichtssaal bekannt geworden sind, kann dem Verteidiger Axel W nicht gefallen, doch er ist tatsächlich darauf vorbereitet. Wie von Zauberhand holt er einen bereits vorgefertigten Vermerk über seine Gespräche mit dem Chef der Schwimmbadtechnikfirma und dem potentiellen Zeugen Ronny H. aus seinem Aktenordner. Diesen Vermerk liest er nun vor und wir hören, dass sich diese Geschichte natürlich ganz anders und total zufällig und harmlos abgespielt hat.

War es geniale Weitsicht von Axel W., diesen Vermerk bereits vorab zu fertigen, oder war ihm schon vorher klar, dass sein fragwürdiges Zeugenbeschaffungsprogramm durch die Nebenkläger nicht unentdeckt bleiben wird und er nun eine „schöne und harmlose Erklärung“ abgeben muss?

Nach kurzer Beratung gibt das Gericht den Beschluss bekannt, dass Ronny H. nicht als Zeuge gehört und damit der Beweisantrag der Verteidigung abgelehnt wird. Die potentielle Aussage zur Wassertemperatur ist für die Entscheidung des Gerichts unerheblich.

Hiernach werden die Parteien nochmals gefragt, ob es weitere Beweisanträge geben wird, da das Gericht beabsichtigt, am nächsten Verhandlungstag die Beweisaufnahme zu schließen. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertreter zeigen sich damit einverstanden.

Die Verteidigung äußert allerdings noch, dass sie noch nicht genau wisse, ob sie noch Anträge stellen wird, weil Axel W. erst darüber nachdenken muss, ob er sich mit dem heute Gehörten und Entschiedenen zufriedenstellt.

Die Zusammenfassung des heutigen Verhandlungstages:

1. Der Zeuge der Verteidigung hat die Angaben im Beweisantrag der Verteidigung nicht  bestätigt, sondern vielmehr die Aussagen des Entführten. Damit unterstützt er die Glaubwürdigkeit des Opfers Stefan T.

2. Die Aussage des Hubschrauberpiloten stellt in deutlichster und krasser Form die Aussagen der vier kritischen Polizeibeamten absolut in Frage. Hieran wird deutlich, wie fahrlässig und gefährlich es ist, wenn Polizeibeamte trotz Unkenntnis der Aktenlage den Gerichtssaal zu ihrem persönlichen Schauplatz machen und somit schädigend und respektlos auf die Opfer einwirken.

3. Das fadenscheinige Zeugenbeschaffungsprogramm der Verteidigung hinsichtlich der Schwimmbadtechnikfirma zeigt noch einmal klar und deutlich den fragwürdigen Methodeneinsatz der Verteidigung auf.

Bildquelle: twinlili  / pixelio.de

Weitere Indizien zur Täterschaft von Mario K., dem mutmaßlichen „Maskenmann“ (Teil 2)

Zahlreiche weitere Auffällig- und Merkwürdigkeiten, die die Täterschaft des Beschuldigten belegen könnten, wurden im Blog-Beitrag vom 20. März bereits vorgestellt und sollen nachfolgend weiter vervollständigt werden:

35. Beide, Täter und Angeklagter, sind keine Ausländer.

36. Beide haben einen ortsüblichen Dialekt.

37. Beide haben „unendliche Geduld“.

38. Fasern vom Pullover des Opfer Stefan T. sind auch am Kajak des Täters gefunden worden.

39. Stefan T. hat unter fünf verschiedenen Kajaks mit verbundenen Augen das richtige rausgefunden.

40. Der Zeuge Hendrik H. hat den Beschuldigten mehrfach in ungewöhnlichen Situationen in der Tatortregion angetroffen, obwohl Mario K. ausgesagt hat, er sei noch nie in dieser Region gewesen.

Weitere Indizien zur Täterschaft von Mario K., dem mutmaßlichen „Maskenmann“ (Teil 2)

41. Am Festnahmetag räumte der Angeklagte, nachdem er über Handy von der
_  _Durchsuchung seiner Wohnung erfahren hatte, sein Konto komplett leer. Er war sehr nervös. Er wollte sich
_  _auch nicht von einem Arbeitskollegen, wie sonst immer, zu Hause absetzen lassen.

42. Theaterschminke und Kunsthaarteile wurden an drei unterschiedlichen Aufenthaltsorten des Angeklagten
_  _aufgefunden und ihm zugeordnet.

43. Der Angeklagte wollte über seinen Schießverein keinen Sachkundenachweis beantragen. Das ist sehr ungewöhnlich,
_  _da es ein übliches Verfahren ist. Für den Angeklagten allerdings ergab diese Handlung einen Sinn, da er durch
_  _diesen Nachweis behördlich überprüft worden wäre.

44. Gegenüber der Zeugin Susanne H. (Lebensgefährten des Beschuldigten) hat er folgende Äußerungen getätigt:
_  _„Wenn du wüsstest, was ich gemacht habe … “ und „Es gibt etwas, das noch nicht verjährt ist …“.

45. Die bei der Zeugin Yvonne B. (Halbschwester des Beschuldigten) gefundene Plastikpinzette gehörte Mario K.
_  _Genau diese Art von Pinzette wurde ebenfalls bei der Entführung von Stefan T. vom Täter eingesetzt.

46. Der Entführer drohte Stefan T.: „Ich schieße dir ins Knie.“ Normal wäre wohl gewesen: „Ich schieße dir in
_  _die Beine.“ Da Mario K. schon mal ins Knie geschossen worden ist, lag für ihn diese Äußerung allerdings nahe.

47. Wie der Entführer von Stefan T. benutzte auch Mario K. bei seinen Straftaten aus den Jahren 2003/04
_  _verschließbare Behältnisse, wie zum Beispiel Tupperware oder Deckelgläser, um Gegenstände wie die Pinzette
_  _oder Briefumschläge aufzubewahren.

48. Das gesamte private Umfeld von Mario K. traut ihm die Taten aufgrund seiner charakterlichen Eigenschaften,
_  _seines Verhaltens, seiner Äußerungen, sowie seiner Lebensweise vorbehaltlos zu.

49. Die Verteidigung rät allen Familienangehörigen, die Aussage zu verweigern. Noch vor diesem Rat haben allerdings
_  _alle Familienangehörigen eine Aussage bei der Polizei getätigt. Warum wurde dieser Rat ausgesprochen?

50. Sowohl der Täter als auch der Angeklagte sind Rechtshänder.

51. Die Verteidigung versucht mit fragwürdigen Methoden, weitere Zeugen in den Prozess einzubinden.

52. Der Angeklagte hat zu keinem der zahlreichen Daten ein Alibi.

53. Die Verteidigung hat in 52 Verhandlungstagen nichts zur Entlastung ihres Angeklagten vorgetragen, sondern immer
_  _nur versucht Zweifel zu streuen.

Bildquelle: Michael Grabscheit / pixelio.de

Verzögerungstaktik der Verteidigung

Das Gericht gibt am heutigen 51. Verhandlungstag, dem 23. März 2015, bekannt, dass ein neuer Vermerk der Polizei vorliegt. In diesem Vermerk teilt der Zeuge K. mit, dass er im Wald in der Nähe der Gemeinde Wendisch Rietz am Samstag nach der Entführung von Stefan T. Pilze gesammelt hat. Hier sah er einen Radfahrer mit gestylten gelben Haaren und einem gelben Rucksack. Er gibt an, er habe sich den Angeklagten im Gerichtssaal angesehen und meint, die Gesichtszüge des Angeklagten seien identisch mit denen des Unbekannten im Wald. Der Vorsitzende Richter gibt bekannt, dass er diesen Zeugen nicht hören möchte, da die Beschreibung zu abweichend ist und es die Aufklärungspflicht nicht gebietet.

Nach einer Pause führt erneut der Vorsitzender Richter das Wort: Da nun keine weiteren Beweisanträge vorliegen, möchte er die Beweisaufnahme schließen. Als er seinen Satz beginnt mit den Worten: “Hiermit schließe ich die Beweis…” unterbricht ihn der Verteidiger Axel W. und teilt mit, dass er noch zwei weitere Beweisanträge stellen möchte.

Verzögerungstaktik der Verteidigung

Alle Teilnehmer des Prozesses hatten inzwischen gehofft, dass die Beweisaufnahme geschlossen werden kann. Doch wundert es niemanden wirklich, dass die Verteidigung doch noch weitere Beweisanträge stellt.

Der erste Beweisantrag beinhaltet die Vernehmung des Zeugen Mohammed P. Auf der geblümten Decke von der Opferinsel, auf der Stefan T. festgehalten wurde, hat die Kriminaltechnik (KTU) DNA-Spuren festgestellt. Eine DNA-Spur gehört zu diesem Zeugen. Dass die Verteidigung wissen möchte, in welchem Zusammenhang der Zeuge mit der Decke steht, ist durchaus verständlich, und die Polizei hätte dies sicherlich schon eher ermitteln können.

Dieser Umstand war auch der Verteidigung schon lange bekannt. Daher hätte man den Beweisantrag natürlich schon früher stellen können, um nun eine weitere Verzögerung zu vermeiden. Der Zeuge war zur Tatzeit circa 15-16 Jahre alt, ist von schmächtiger Gestalt, gebürtiger Libanese und spricht kein Deutsch.

Pikant ist, dass die Verteidigung diesem Zeugen schon einmal eine mögliche Mittäterschaft unterstellt hat. Doch ich kann mir nicht vorstellen und halte es für unwahrscheinlich, dass ein libanesischer Jugendlicher, der die deutsche Sprache nicht beherrscht und zudem noch recht jung ist, zusammen mit einem Deutschen eine solche Tat durchgeführt hätte.

Es bleibt also der Schluss, dass der Zeuge der Verteidigung heute als Vorwand dient, der Polizei den Vorwurf machen zu können, nicht gegen alle Verdächtigen ermittelt, sondern sich ausschließlich auf Mario K., ihren Mandanten, konzentriert zu haben. Der Antrag soll weitere Zweifel säen und den Prozess verzögern.

Der zweite Beweisantrag beinhaltet die Vernehmung eines Nachbarn von Stefan T. als Zeugen. Dieser Nachbar, Henrich G., war in der Zeit der Entführung vom 5. bis zum 9. Oktober 2012 in seinem Wochenendhaus. Des Weiteren hat er sein Ruderboot mit Außenbordmotor an dem Steg festgemacht, an dem der Täter mit dem Entführungsopfer Stefan T. ins Wasser gegangen sein soll.

Der Zeuge wird aussagen, so Axel W., dass das Boot mit zwei Tauen an zwei Pfosten angeleint war. Das Opfer Stefan T. hätte also über die Taue hinwegsteigen oder sogar darüber stolpern müssen, als er ins Wasser gehen musste. Wäre dem so gewesen, hätte Stefan T. dies sicherlich auch ausgesagt, doch letztlich ist nie etwas darüber berichtet worden. Da Stefan T. dieses Detail nicht erwähnt hatte, so argumentiert nun die Verteidigung, wäre die Zeugenaussage von Henrich G. ein objektiver Beweis, womit sich die Zeugenaussage von Stefan T. anzweifeln ließe.

Grundsätzlich unterstellt die Verteidigung dem Opfer Stefan T., dass seine Entführung gar nicht stattgefunden und er sie selbst inszeniert habe; ungeachtet der Tatsache, dass im Fall Louisa P. und Thorsten H. dieselbe Tatwaffe zum Einsatz kam und die Verteidigung die Verbindung von Stefan T. zu dieser Tat noch nicht erklären konnte.

Zu diesem Antrag muss man weiter bemerken, dass selbst die Verteidigung dem Opfer Stefan T. an einem früheren Verhandlungstag unterstellt hat, er habe seinen Hausschlüssel, der später durch Polizeitaucher gefunden wurde, nicht im Wasser fallen lassen, sondern vom Steg aus ins Wasser geworfen. Das beinhaltet wiederum die Annahme, dass Stefan T. das Ruderboot des Nachbarn, inklusive der Vertäuung, nicht bemerkt und sich dadurch ein Fehler in seinem, von Axel W. unterstellten, „Drehbuch“ geschlichen hat.

Wir haben hier insgesamt drei hochkomplexe Tatvorgänge über einen Zeitraum von eineinhalb bis zwei Jahren, inklusive Vortatverhalten. Der Täter hat sich nachweislich sehr pedantisch vorbereitet und eine mehrmonatige (mindestens fünf bis sechs Monate) Observation seiner jeweiligen Opfer durchgeführt. Genau diesem Täter traut die Verteidigung nun nicht zu, für den Zeitraum der Entführung von Stefan T. zwei einfache Taue von zwei Holzstangen abzunehmen und, nachdem das Opfer hier durchgeführt worden ist, wieder entsprechend an den Holzstangen anzubringen?

Ist es nicht eher so, dass es vom Täter sehr geschickt ist, sich einen Steg zu suchen, der von der Seeseite her schon als belegt (Boot des Nachbarn) anzusehen ist? Denn so ist gewährleistet, dass auch während der Zeit der Entführung kein Boot unbeabsichtigt an diesem Steg anlegt, was den Fortgang der Entführung erheblich stören würde.

Es bleibt am Ende festzustellen, dass die Verteidigung auch bei diesen Anträgen mal wieder versucht, Zweifel zu streuen, indem sie Beispiele anbringt, die jeder normale „Nicht-Täter“ einzeln zwar als selbstverständlich ansehen würde, die aber in diesem Kontext abwegig sind und sich selbst widersprechen.

Zu diesen Anträgen dürfen die Nebenklägervertreter natürlich eine Stellungnahme abgeben. Dr. Panos P. teilt hierzu mit, dass beide Anträge abzulehnen sind, weil sie beide ins Blaue zielen. Der erste Beweisantrag erfüllt seiner Meinung nach auch nicht die formalen Anforderungen. Der zweite Beweisantrag hingegen ist nicht nachvollziehbar, insbesondere deshalb, weil auch die Polizeitaucher das vorhandene Boot des Nachbarn und die entsprechende Vertäuung nicht bezeugt haben. Auch auf Fotos des Ortes ist dieses nicht zu sehen.

Der Nebenklägervertreter möchte noch wissen, warum dieser Beweisantrag erst jetzt gestellt wird. Daraufhin antwortet der Verteidiger Axel W., dass er jetzt erst neue Informationen zu dem Zeugen im ersten Beweisantrag erhalten hat. Welche das im Einzelnen sind, gibt er nicht Preis. Nach einer Beratungspause des Gerichts teilte der Vorsitzende Richter mit, dass beiden Beweisanträgen stattgegeben wird.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Indizien zur Täterschaft von Mario K., dem mutmaßlichen „Maskenmann“ (Teil 1)

Um Täterwahrscheinlichkeiten bei unklarer Beweislage zu bewerten oder zu beurteilen, sind einige Gesichtspunkte besonders wichtig. Als erstes ist die Grundsatzbetrachtung der Ursache in Zusammenhang mit der Wirkung notwendig. Nicht nur die Frage nach dem Warum, sondern auch nach dem Woher ist hier bedeutsam. Prof. Dr. Heubrock würde vielleicht diese Frage stellen: „An welchem Trauma arbeitet sich der Täter hier ab?“ Und der Gutachter Dr. H. aus Cottbus hat genau in diesem Zusammenhang die Frage gestellt: „Welcher Mensch würde so laufen und warum?”

Man könnte auch nach dem Ausschlussverfahren vorgehen: Ist der Täter ein Mann und der Beschuldigte auch, ist eine Täterschaft möglich, bei jeweils unterschiedlichen Geschlechtern wäre das nicht der Fall. Und bei der Betrachtung der Taten müsste man etwa die Überlegung anstellen, welche Fähigkeiten, Neigungen und Kenntnisse muss der Täter haben, um genau diese Taten so wie geschehen durchführen zu können. Je größer die Übereinstimmung zwischen Täter und Beschuldigtem, desto wahrscheinlicher ist die Täterschaft. Denn: Jeder Täter sucht eine für sich vertraute Umgebung, nutzt Kenntnisse aus seinem sozialen Umfeld und führt Taten entsprechend seiner Neigung aus.

Indizien zur Täterschaft von Mario K., dem mutmaßlichen „Maskenmann“ (Teil 1)

Vor dem Hintergrund dieser Herangehensweisen habe ich eine erste Indizienliste / Gemeinsamkeiten Täter – Beschuldigter, Auffällig- und Merkwürdigkeiten zusammengestellt, aus der man die Täterschaft des Beschuldigten Mario K. ableiten könnte.

  1. Frau Petra P. hat Mario K. am linken, abknickenden Ohr erkannt.
  2. Ein Zeuge trifft Mario K. zufällig vor der Tat in der Tatort-Region und fragt ihn, wo er herkommt. Antwort Mario K.: „Berlin-Marzahn.“
    Zeuge: „Meine Tochter auch, von woher denn genau?“
    Mario K.: „Ich komme aus Berlin-Köpenick.“
  3. Viele Zeugen haben Mario K. in den Regionen der Wohnorte der Opfer (Bad Saarow und Storkow) gesehen, obwohl er bei seiner Zeugenvernehmung am 22. Oktober 2012 aussagte, dass er nie da gewesen sei.
  4. Herr Stefan T. hat bei einem Akustik-Test unter sieben Sprechern, den fünften als Täter benannt. Dieser war der Beschuldigte.
  5. Mario K. kennt sich in der „Opfer-Region“ sehr gut aus – er zeigte den Polizeibeamten nach seiner Festnahme sogar den kürzesten Weg zur Wache – war aber angeblich nie da gewesen.
  6. Die Tat-Munition (9mm S&B Sellier & Bellot mit roter oder grüner Hülsenbodenmarkierung) ist die gleiche, die auch in dem Schießverein, in dem der Beschuldigte nachweislich trainiert hat, benutzt wird. Eine 1:1-Kontrolle der verbrauchten Munition wurde dort nicht durchgeführt.
  7. Mario K. hat schon bei einer früheren Tat auf einer Insel „wild“ gelebt, mit allen Umständen wie bei der Entführung von Stefan T.: Zelte, Folien, Tarnung usw.
  8. Der Beschuldigte hat mindesten fünf Waldlager unterhalten und lange Zeit darin gelebt.
  9. Bei der Tat zum Nachteil von Stefan T. wurde ein Kajak benutzt. Das ist extrem selten. Mario K. hat bei einer früheren Tat ebenso ein Kajak eingesetzt.
  10. Lösegeldstückelung: 100.000 Euro in 20-Euro-Scheinen. Genau 20 Euro verbraucht Mario K. jeden Tag.
  11. Mario K. wollte keine Spuren hinterlassen. Dafür spricht: die Ganzkörperrasur / er hat sein Fahrrad abgesaugt / dauerhaftes Handschuhtragen / die Wohnung war nach dem Auszug absolut „clean“ / nach Feierabend hat Mario K. als einziger Angestellter noch am Arbeitsplatz geduscht und so vermieden, dass Spurenträger der Arbeitsstelle an einen möglichen Tatort verbracht werden / er hatte eigenes Waffenputzzeug im Schießverein, obwohl der Verein kostenfrei welches zur Verfügung stellte und Mario K. sehr wenig Geld hatte.
  12. Mario K. hat sich über Sebastian L. ein Handy besorgen lassen, mit der dringenden Maßgabe, dass es nicht zu orten sein sollte
  13. Tatvorbereitung: Im Schießsportverein schoss Mario K. mit dem gleichen Waffenmodell (Ceska 75), das auch als Tatwaffe benutzt wurde. Ebenso hat der Beschuldigte dieses Waffenmodell bei mindestens einer seiner zahlreichen Vortaten eingesetzt. Außerdem betrieb Mario K. Kraftsporttraining.
  14. Der Beschuldigte hatte einen eigenen Aqua-Scooter, wie Zeugen im Fall der Verbrechen an der Familie P. beschrieben haben.
  15. Mario K. kannte sich – wie der Täter – sehr gut mit den (Über-)Lebensbedingungen in der Natur aus.
  16. Er spähte während der Observationsphase durch die Polizei weitere Opfer in der Region aus.
  17. Bei den Taten gegen Luisa P. und Thorsten H. sowie gegen Stefan T. wurde dieselbe Waffe benutzt.
  18. Der Täter zeigte sich in beiden Fällen von den Hunden unbeeindruckt.
  19. Der Täter erzählt Stefan T., dass er lebenslänglich bekommt, wenn er erwischt wird. Das ist nur bei Vorstrafen wahrscheinlich. Mario K. ist vorbestraft (fünf Taten, neun Jahre Gefängnis).
  20. Mario K. ist extrem fit. Er hält heute immer noch in seinem ehemaligen Box-Club einen Trainingsrekord! Insbesondere die Durchführung der Tat gegen Stefan T., aber auch jene gegen Petra P. bedurfte einer extremen Fitness.
  21. Der Beschuldigte hatte keinen festen Wohnsitz.
  22. Beschuldigter und Täter sind beide Rechtshänder.
  23. Es wurde das Ladekabel eines Samsung-Handys im Bereich des Tatortes Petra P. gefunden. Mario K. hatte ein Samsung-Handy.
  24. Briefmarken mit dem Aufdruck „600 Jahre Universitätsstadt Leipzig“ – wie auf dem Lösegeldbrief – wurden auch in diversen Lebensbereichen des Beschuldigten gefunden.
  25. Mario K. kann zu keinem Tattag ein Alibi geben.
  26. Mario K. hat ein falsches Alibi gegeben.
  27. Mario K. hat durch angebliche Auswanderung nach Griechenland „Alibi-Vorsorge“ betrieben.
  28. Der Beschuldigte ließ oft seinen „Reichen-Hass“ vernehmen.
  29. Der Sozialneid des Beschuldigten zeigte sich in den Straftaten und beispielsweise auch gegenüber seinen Arbeitskollegen.
  30. Täter-Wortlaut zur Frau des Opfers Stefan T., Sabine T.: „…sonst schieß ich Deinen Mann zum Krüppel.“. Das ist keine normale Opferansprache, es sei denn, der Täter hat eine solche Erfahrung bereits gemacht – wie bei der Tat gegen Louisa P. und Thorsten H.
  31. Äußerungen von Mario K. im Prozess gleichem dem Vokabular des Täters.
  32. Der Beschuldigte zeigt auf Opfer und Zeugen die nonverbale Reaktion eines Schuldigen.
  33. Das Gutachten von Bettina G. aus Magdeburg wurde durch das Gericht wegen Befangenheit und höchster Inkompetenz abgelehnt sowie durch den LKA-Kriminalpsychologen Jan-Gerrit K. widerlegt.
  34. Die Verteidigung hat kein einziges (!) Merkmal der Entlastung ihres Mandanten vorgetragen, sondern immer nur Belastendes in Zweifel gezogen.

Es wird sicherlich noch viele weitere Punkte geben und klar ist auch, dass jeder einzelne Punkt in Zweifel gezogen werden kann. Doch bei dieser Vielzahl von Parallelen zwischen Täter und Beschuldigtem ist es viel wichtiger, die Gesamtschau zu betrachten.

Letztendlich stellt sich noch eine einzige Frage: Gibt es noch einen zweiten Menschen, neben dem Beschuldigten Mario K., der auch diese Vielzahl an besonderen Merkmalen und gleichen Identitätspunkten aufweist, wie der Täter sie bei seinen Taten gezeigt hat?

Vergebliche Anträge

Am 11. März 2015 beginnt der 50. Verhandlungstag mit der Hörung des Zeugen Bastian M., einem Polizeitaucher aus Potsdam. Er war bei der Suche am Steg nach dem Hausschlüssel von Stefan T. im Einsatz. Der Zeuge berichtet, dass er mit seinem Kollegen W. und unter Verwendung eines Metallsuchgeräts einen vorgegebenen Bereich mit Schilfbewuchs und einem kleinen Steg in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses der Familie T. abgesucht hat.

Bei seinen Angaben zur Wassertiefe wechselt er von zuerst 80 bis 90 Zentimeter auf dann 60 bis 70 Zentimeter. Den Nebenklägervertretern gibt er auf Nachfrage zur Antwort, die Unterschiede lägen in der unterschiedlichen Sichtweite zum Grund, zum Schilfbewuchs sowie in der individuellen Absuche nach dem Schlüssel.

Vergebliche Anträge

Die Anwälte des Beschuldigten möchten ebenfalls Angaben zum Untergrund, etwa wie weit man dort eingesunken ist. Weiterhin interessiert, an wie vielen Suchen der Zeuge beteiligt war und, ob es noch weitere Aufträge außer der Suche nach dem Schlüssel gab.

Der Zeuge teilt mit, dass auch auftragsgemäß nach Verpackungsmaterial wie Dosenbecher oder Ähnlichem gesucht wurde. Doch bei der Absuche in der Nähe der Ablageortes des Entführungsopfers war der Zeuge wiederum nicht beteiligt.

Zu diesem Komplex gibt es noch eine Bildermappe, die der Zeuge, auf Antrag der Verteidigung, in Augenschein nehmen soll. Dazu tritt der jeweilige Zeuge normalerweise auf Aufforderung des Richters nach vorne. In diesem Fall nimmt der Verteidiger Axel W. das Geschehen in die Hand und sagt kurz und knapp zum Zeugen: „Kommen Sie mal nach vorne.“ Unterstrichen wird diese Aufforderung mit einer Bewegung der rechten Hand, die man üblicherweise Hundebesitzern zuordnet, die gerade ihren Hund rufen.

Nachdem der Zeuge entlassen worden ist, möchte das Gericht eigentlich die Beweisaufnahme schließen. Doch Axel W. trägt noch einen weiteren Beweisantrag vor. Er bezieht sich auf die Einträge in den Lageberichten, die über die Zeugenaussage der Kriminaloberkommissarin (KOKin) Yvonne B. in den Prozess eingeführt worden sind. Er möchte als weiteren Zeugen den Phantomzeichner R. aus dem Fall Petra P. noch einmal hören. Dieser soll bezeugen, dass es eine Ähnlichkeit zwischen den Bildern 320-12 und 317-12 gibt. Des Weiteren wurde eine Änderung an den Bildern durchgeführt, die der Zeichner aufgrund der Aussage des Zeugen Harald P. vornahm. Weiterhin soll er bezeugen, dass er durch den Kriminaldirektor (KD) K. angewiesen wurde, diese Änderung wieder aus den Bildern herauszunehmen. Axel W. will hierdurch einen Zusammenhang zur Aussage des KD K. vom 45. Verhandlungstag herstellen. Damals sagte dieser aus, dass er niemanden angewiesen hat, entlastende Umstände aus den Akten zu nehmen oder aber zu ändern.

Auch dieser Antrag dient der Irreführung, denn der KD K. hat an den Bildern nur eine Korrektur durchführen lassen, da der Phantomzeichner eine bereits durch einen anderen Zeugen bestehende Zeichnung 320-12 aufgrund der Aussage des Zeugen Harald P. ändern wollte. KD K. wies den Phantomzeichner an, die Zeichnung im Original zu belassen.

Auch Jakob D. gibt eine Stellungnahme ab, die mit meinem obigen Hinweis überwiegend im Einklang ist.

Nach einer Beratungspause wird der Beweisantrag durch einen Beschluss des Gerichts abgelehnt.

Doch auch nach diesem Antrag kann die Beweisaufnahme noch nicht geschlossen werden, da die Verteidigung erneut einen Beweisantrag stellt. In diesem Antrag wiederum wird gefordert, dass zumindest das Phantombild 317-12 in den Prozess eingeführt wird. Auch dieser Antrag wird nach kurzer Beratungspause durch das Gericht mit der Begründung „keine Relevanz“ abgelehnt.

Gegen diesen Beschluss stellt die Verteidigung jedoch einen Gegenantrag. Da dieser Antrag schriftlich eingereicht werden soll, gibt es eine einstündige Pause. Der Verteidiger Axel W. wiederholt in drei Sätzen seinen vorherigen Antrag mit dem Gebot der Aufklärungspflicht. Das Gericht zieht sich abermals zur Beratung zurück. Der Gegenantrag wird zurückgewiesen, da die Kammer keinen Tatzusammenhang erkennen kann, der zur Hinzuziehung der Bilder drängen würde. Damit findet der heutige Verhandlungstag sein Ende.

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

Die Beine des Täters

Am 49. Verhandlungstag, dem 10. März 2015, möchte als erstes der Nebenklägeranwalt Dr. Panos P. seine Stellungnahme zu den beiden Beweisanträgen der Verteidigung vom 6. März 2015 abgeben.

Zum ersten Beweisantrag bezüglich der Ladung des Zeugen Bastian M., einem Polizeitaucher, stellt er fest, dass allein schon die Behauptung der Verteidigung, sein Mandant Stefan T. hätte den Schlüssel vom Ufer aus in den See geworfen, als völlig abwegig und grotesk einzustufen ist. Selbst wenn sich sein Mandant bei der Wassertiefe verschätzt hätte, so ist das sicherlich verständlich, weil er diese Angaben in einer außerordentlichen Stresssituation, unmittelbar nach der Entführung, gemacht hat. Im Übrigen hat sich auch ein anderer Polizeitaucher, der Zeuge W., bei der Angabe der Wassertiefe geirrt und diese erst nach in Inaugenscheinnahme eines Fotos korrigiert. Daher sei dieser Antrag abzulehnen.

Die Beine des Täters

Der zweite Beweisantrag, den Prozessbeobachter, Blogger und öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Personenschutz Stefan Bisanz zu hören, ist ebenfalls abzulehnen, da der Zeuge in seinem Blog nur das wiedergegeben hat, was in dem Prozess gesagt worden ist. Er könne sich daher auch nur zu diesem Kontext äußern.

Über die Knie, Ober- und Unterschenkel des Beschuldigten

Hiernach wird der Zeuge Dr. H. aus Cottbus gehört. Er hatte den Auftrag, als Gutachter ein elektrophysiologisches Gutachten über die Beine des Beschuldigten zu erstellen. Hierzu hatte er zwei Termine mit dem Beschuldigten, einen ersten am 18. Februar 2015 in der JVA Cottbus, einen zweiten am 23. Februar 2015 in seiner Praxis im Klinikum Cottbus.

Doch vor der Befragung bittet der Richter noch einmal Petra P., die Laufbewegungen des Täters bei ihrem Tatkomplex vorzuführen. Hiervon verspricht der Richter sich, dass der Gutachter den Bewegungsablauf des Täters nachvollziehen kann. Petra P. erklärt sich dazu bereit.

Der Verteidiger Axel W. erhebt sofort heftigen Einspruch mit der Begründung, dass der Boden im Gerichtssaal viel zu glatt wäre, so dass Petra P. den Tätergang nicht nachvollziehen könnte.

Petra P. entgegnet ganz souverän, sie hätte heute rutschfestes Schuhwerk an, so dass die Vorführung des Täterganges durchgeführt werden könne.

Bei der Vorführung durch Petra P. ist zu beobachten, dass der Beschuldigte Mario K. dem Geschehen nicht einen einzigen Augenblick Aufmerksamkeit widmet. Er schaut nur auf die Tischplatte vor sich. Wie schon so häufig ist festzustellen, dass der Beschuldigte die Opfer nicht anschauen kann. Ich würde mir als unschuldig Beschuldigter die Vorführung ansehen, um vielleicht etwas Entlastendes für mich abzuleiten.

Der Gutachter stellt fest, dass der Beschuldigte Mario K. gelernt hat, mit den durch den Gang verursachten Schmerzen umzugehen. Er hat gelernt, bestimmte Bewegungen nicht mehr durchzuführen. Schwimmen und Radfahren wurden ihm von seinen früheren Ärzten als Reha-Maßnahmen empfohlen.

Das Knie rechts kann er nur bis zu einem Winkel von 90 Grad beugen. Diese Feststellung ist allerdings nicht absolut, da der Patient und Beschuldigte Mario K. von sich aus bei 90 Grad aufhört. Der Gutachter wollte, um das Knie nicht möglicherweise zu schädigen die 90 Grad von außen nicht überschreiten. Insofern kann man nur feststellen, dass der Beschuldigte Mario K. bei diesem Versuch bis 90 Grad gebeugt hat – ob es ihm möglich ist, darüber hinaus eine Beugung durchzuführen, kann nicht sicher gesagt werden.

Das rechte Bein von Mario K. ist etwas schlanker, circa zwei bis drei Zentimeter. Doch Mario K. hat gelernt, sich so zu bewegen, dass er schmerzfrei bleibt. Sein linkes Bein ist völlig schadlos.

Rechts hat er bei einer Übung vier von fünf Punkten erreicht und bei einer Übung zur Zehenbewegung drei von fünf. Bei Übungen zum Stand und Gang hat er von sich aus Übungen abgebrochen, da er Angst vor Schmerzen hatte.

Der Arzt hat bei einer Untersuchung außerdem festgestellt, dass ein einziger Nerv – und zwar der Ischias zum Schienbein – geschädigt ist. Alle anderen waren intakt, auch der rechte Nerv in der Wade.

Acht Muskeln hatten einen normalen Befund, doch auf der rechten Seite war nicht alles funktionstüchtig. Ob Mario K. nicht konnte oder nicht wollte, kann Dr. H. nicht beurteilen. Bei einer Übung hatte er jedoch den verstärkten Eindruck, dass Mario K. in bestimmter Absicht handelte.

In dem zusammenfassenden Endbericht teilt er mit, dass er keine Kraftangaben in Kilojoule machen kann und somit im Ergebnis auch nichts beitragen kann.

Auch der Gutachter hat den möglichen Tätergang vorgeführt. Hierbei schaut Mario K. allerdings sehr interessiert zu, im Gegensatz zu der Vorführung von Petra P.

Das Gericht fragt den Gutachter nun, ob Mario K. gehen kann und, ob er so gehen kann, wie Petra P. das vorgeführt hat. Der Dr. antwortet auf die erste Frage mit einem Ja, auf die zweite Frage mit „Ja, könnte er, wahrscheinlich, allerdings mit Schmerzen.“.

Dr. Jakob D. hält dem Gutachter die Aussage des ehemaligen Boxtrainers des Beschuldigten, F., vor. Dieser hatte berichtet, dass er sowohl das Boxtraining, als auch die dazugehörige Gymnastik mit den anderen Trainierenden mitgemacht habe. Des Weiteren hält der Beschuldigte nach wie vor den Vereinsrekord bei der Übung „Sit-ups in Schräglage mit Schlagandeutungen links-rechts“. Hierbei steht sein Rekord bei 136 Mal in drei Minuten. Dieses findet Gutachter Dr. H. sehr erstaunlich, denn auch Steigungen könnte der Beschuldigte eigentlich nicht bewältigen.

Dann wird ihm ein Observationsfoto vorgelegt, worauf der Beschuldigte zu sehen ist, wie er einen Hang hinab geht. Hierzu sagt Dr. H., dass man diese Bewegungen am Hang bei einem Befund wie ihn Mario K. hatte, eher meiden würde. Auch bei der Festnahme des Beschuldigten am 19. März 2004 durch die Wasserschutzpolizei ist der Beschuldigte bei seiner Flucht vor der Festnahme eine Böschung herunter gelaufen.

Der Rechtsanwalt Manuel O. möchte vom Sachverständigen nochmals wissen, inwieweit er die mögliche Beugung von 90 Grad am rechten Bein des Beschuldigten festgestellt hat. Hierauf antwortet der Doktor, dass Mario K. bei 90 Grad einfach angehalten hat und er, als Arzt, den Probanden Mario K. nicht weiter zwingen wollte.

Der Verteidiger Axel W. stellt nun fest, dass der Boxtrainer F. den Boxstil seines Mandanten Mario K. eher als statisch bezeichnet hat. Hierzu fragt er den Sachverständigen nach verschiedenen möglichen Bewegungsabläufen seines Mandanten. Dr. H. teilt nun mit, dass vieles möglich sei, je nach Motivation des Menschen.

In den weiteren Ausführungen äußert der Sachverständige einen entscheidenden Gedanken: Wenn er sich die Bewegungen des Täters anschaut, fragt er sich, welcher Mensch bewegt sich überhaupt so und warum? Das ist dahingehend interessant, weil sie Bezug nimmt auf Ursache und Wirkung.

Der Täter muss also ein Mensch mit einer Beinverletzung sein, genauso wie sie der Angeklagte hat. Jeder gesunde Mensch wäre sonst gerade auf sein Opfer zugelaufen, und nicht schräg tänzelnd wie es Petra P. vorgeführt hat.

Weiter wurde der Sachverständige gefragt, ob eine Beugung über 90 Grad durch seinen Mandanten möglich sei. Dieses kann der Doktor nicht ausschließen. Zudem wird er gefragt, ob er bei der körperlichen Untersuchung eine Simulation festgestellt hätte. Grundsätzlich verneint er das; bei der elektrophysiologischen Untersuchung hat er jedoch gemerkt, dass der Beschuldigte bei seinem gesunden linken Bein aktiv mitgemacht hat, bei seinem kranken rechten Bein jedoch mit deutlicher „Handbremse“ agiert hat.

Gerichtsbeschlüsse

Damit ist der Zeuge entlassen und das Gericht gibt noch einen Beschluss zu den Beweisanträgen der Verteidigung bekannt. Der Zeuge Bastian M., Polizeitaucher, wird als Zeuge geladen. Der Zeuge Stefan Bisanz, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Personenschutz, wird nicht gehört, da das Gericht den Sachverhalt auch ohne Kenntnis des Blogs und der Zeugenaussage hinreichend beurteilen kann.

Eine weise Entscheidung, wie ich finde. Zwar wäre es sicherlich ein interessantes Rededuell zwischen uns dreien, den Verteidigern Axel W. und Christian L. sowie mir, geworden, allerdings bin ich der Meinung, dass ich keine Rolle in den „Festspielen“ von Axel W. auf der Bühne des Gerichtssaals innehaben sollte. In diesem Prozess geht es einzig und allein um die abscheulichen und brutalen Taten an den Opfern. Jedes Schauspiel oder weiteres Ablenkungsmanöver seitens der Verteidigung verbietet sich!

Bildquelle: Radka Schöne  / pixelio.de

Weitere Befragung der Kriminaloberkommissarin – Blogger soll in den Zeugenstand

Heute, am 6. März 2015 – dem 48. Prozesstag – ist erneut die Zeugin Kriminaloberkommissarin (KOKin) Yvonne B. geladen. Sie trägt einen dezenten, schicken grauen Hosenanzug und bringt eine große Flasche Wasser mit.

Der Verteidiger Axel W. führt seine Befragung vom letzten Verhandlungstag fort und fragt erneut nach der Mediation, in der K-Leiter K. mitgeteilt haben soll, dass Stefan T. eine Person des öffentlichen Lebens ist und daher nicht gegen ihn vorgegangen werden soll.

Hierauf antwortet die Zeugin vorab, dass sie beim Stab Recht ihrer Polizeidienststelle nachgefragt hat, inwieweit ihre Aussagegenehmigung zu diesem Komplex das Antworten erlaubt. Es wurde eindeutig festgestellt, dass sie keine Angaben zu dem Thema Mediation machen darf, da dieses eine rein innerpolizeiliche Angelegenheit ist.

Eigentlich wäre jetzt alles gesagt. Doch die Zeugin bietet an, eine veröffentlichte Presseantwort des damaligen Polizeipräsidenten Feurig vorzulesen.

Weitere Befragung der Kriminaloberkommissarin – Blogger soll in den Zeugenstand

Eigentlich wäre jetzt alles gesagt. Doch die Zeugin bietet an, eine veröffentlichte Presseantwort des damaligen Polizeipräsidenten Feurig vorzulesen.

Obwohl die Zeugin mitgeteilt hat, dass sie zu diesem Komplex keine Antworten geben darf, hat der Verteidiger Axel W. fünf weitere Nachfragen. Diese werden nicht von der Zeugin beantwortet.

Hiernach beginnt der Beschuldigtenanwalt Christian L. seine Fragen und befragt die Zeugin zunächst zu Einträgen im Lagebericht. Hier gibt es Unterschiede zwischen dem Inhalt des Lageberichts und verschiedener Zeugenaussagen. Die Zeugin teilt wiederum mit, dass sie sich zu diesem Komplex, insbesondere zu dem Lagebericht, nicht äußern darf. Doch auch Christian L. fragt trotz dieser deutlichen Hinweise weiter nach. Axel W. fragt nun ebenfalls zu diesem Komplex nach und äußert sein Unverständnis darüber, dass die Inhalte der Lageberichte hier nicht vorgetragen werden dürfen.

Die einfache Aussage der Zeugin „ich darf dazu nichts sagen“ würde Klarheit schaffen und der Zeugin helfen. Doch die KOKin Yvonne B. lässt sich durch die geschickte Fragestellung der Verteidigung immer wieder dazu verleiten, weitere Bruchstücke mitzuteilen.

Mich wundert, dass sich nun herausstellt, dass die Zeugin die kompletten Lageberichte in Kopie mit dabei hat. Warum bringt man Schriftstücke mit ins Gericht, zu denen man keine Aussagegenehmigung hat?

Die Verteidigung möchte nun, dass die Zeugin aus den mitgebrachten Lageberichten vom 6. bis 18. Oktober 2012 zum Tatkomplex Stefan T. vorliest. Auch der Vorsitzende Richter fragt jetzt zu den ermittlungsrelevanten Punkten nach. Die Zeugin bietet an, nochmals bei ihrer Dienststelle und dem Stab Recht telefonisch nachzufragen, was sie zu diesem Komplex aussagen darf. Daraufhin unterbricht der Vorsitzende Richter den Prozess, um der Zeugin Gelegenheit für ein Telefonat zu geben.

Nach 20 Minuten Pause teilt die Zeugin als Ergebnis ihres Anrufes mit, dass sie nicht aus den Lageberichten vorlesen darf. Daraufhin zieht sich das Gericht zur Beratung zurück.

Dann gibt das Gericht folgenden Beschluss bekannt: Der komplette Lagebericht der Polizei, der sich in den Händen der Zeugin KOKin Yvonne B. befindet, wird als Beweismittel beschlagnahmt. Der Lagebericht soll dann als Beweismittel verlesen werden, weil er Auskunft über polizeiliche Ermittlungsergebnisse und Erkenntnisse zum 7. Oktober 2012 geben soll.

Daraufhin übergibt die Zeugin dem Gericht den Lagebericht.

Beim Rückkehren vom Richtertisch zum Zeugenplatz kann sie ein „Gewinnerlächeln“ nicht unterdrücken.

Nachdem der Bericht zehnmal kopiert wurde und auch der Beschuldigte ein Exemplar erhalten hat, liest das Gericht Eintrag für Eintrag vor. Nach circa 40 Minuten ist der Vorsitzende Richter damit fertig. Danach beginnt Axel W. mit der weiteren Befragung.

Die Zeugin wird gefragt, ob jemand von ihrer Dienststelle zwischen dem letzten Verhandlungstag und dem heutigen auf sie zu gekommen sei. Dieses wird verneint. Des Weiteren fragt der Verteidiger nach dem Auswertesystem, wiederum mit der genauen Bezeichnung. Hierauf bestreitet die Zeugin KOKin Yvonne B., dass sie dieses System genannt hat. Dies ist insofern richtig, als dass die genaue Nennung des Systems durch den Rechtsanwalt Axel W. vorgenommen wurde und die Zeugin Yvonne B. diese Namen bestätigt hat. Auch das war schon verboten. Die Zeugin gibt an, dass es ihre Aussagegenehmigung nicht gestattet, sich zu diesem System zu äußern.

Weiter möchte Axel W. von der Zeugin wissen, ob sie in den Vernehmungen zum Tatkomplex Petra P. in der Aussage von Petra P. gelesen hätte, dass sie bei dem Täter ein abgeknicktes Ohr gesehen hat. Dies ist ihr nicht bekannt.

Axel W. fragt, ob in den Tatkomplexen Luisa P. und Thorsten H. auch gegen andere Verdächtige und in andere Verdachtsrichtungen ermittelt wurde. Dies wird von der Zeugin bestätigt und auf die Frage, welche Verdächtigen und welche anderen Richtungen in Augenschein genommen worden sind antwortet sie, dass zum Beispiel gegen einen Pferdepfleger, einen Rohrbauer, einen Metallbauer und auch in Richtung des sozialen Umfelds von Torsten H. ermittelt wurde sowie gegen einen ehemaligen Polizeibeamten.

Diese anderen Verdachtsrichtungen wurden nach und nach aufgegeben, da zum Beispiel der ehemalige Polizeibeamte ein Alibi hatte und andere Richtungen sich als nicht tragbar erwiesen.

Durch die Verteidigung werden noch einige Bereiche durchstochert. Die Zeugin hat zu allen keine klare Antwort, aber immer eine Erklärung, allerdings jedes Mal mit der Einschränkung „aber ich weiß es ja nicht“.

Kurz vor Mittag ist die Vernehmung der Zeugin beendet.

Nun macht das Gericht noch eine Bekanntgabe: Die richterlichen Kammermitglieder werden am 8. und 9. April 2015 in der Justizakademie des Landes Brandenburg an einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema Kindstötung teilnehmen. An dieser Tagung werden auch Staatsanwälte und Polizeibeamte aus dem Bereich Frankfurt (Oder) teilnehmen. Das Gericht weist darauf hin, dass untereinander keinerlei Gespräche geführt werden.

Bevor nun der Verhandlungstag geschlossen werden kann, trägt der Rechtsanwalt Christian L. noch zwei Beweisanträge vor.

Als erstes möchte er noch einen weiteren Polizeitaucher als Zeugen hören. Dieser ist innerhalb des Tatkomplexes Stefan T. bei der Absuche nach dem Hausschlüssel, den das Opfer Stefan T. bei seiner Entführung nahe des Steges hat ins Wasser fallen lassen, dabei gewesen.

Insbesondere geht es um die Aussage des Zeugen Stefan T. bezüglich der Wassertiefe an dieser Stelle. Er hatte als Höhe „hüfthoch“ genannt. Der noch zu ladende Zeuge soll aussagen, dass es hier etwas über „kniehoch“ war.

Der zweite Beweisantrag beinhaltet den Wunsch, den ö.b.u.v. Sachverständigen für Personenschutz Stefan Bisanz als Zeugen zu vernehmen.

Hier geht es insbesondere um seinen Blogeintrag zum sechsten Verhandlungstag am 5. Juni 2014. In diesem Blog wird die wörtliche Rede des Beschuldigten zitiert. Christian L. sieht hier ein Zusammenhang zu weiteren Aussagen des Opfers Stefan T.

Zu beiden Anträgen möchte die Partei der Nebenkläger eine Stellungnahme an einem der nächsten Verhandlungstage abgeben.

Welchen Beitrag ich an dieser Stelle zur Wahrheitsfindung beitragen kann, ist mir in diesem Moment auch noch nicht klar.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Allerlei Merkwürdigkeiten und dreister Verrat von Dienstgeheimnissen

Noch bevor die ersten Zeugen am 47. Verhandlungstag vernommen werden, gibt das Gericht bekannt, dass ein elektrophysiologisches Gutachten betreffend des Angeklagten Mario K. durch einen Spezialisten aus dem Klinikum Cottbus erstellt wird.

Zeugenbeschreibung des Sumpfgeländes – Ein unerwartetes Ergebnis für die Verteidigung

Hiernach wird der erste Zeuge, Oberkommissar Fred D. von der Polizeifachdirektion Besondere Dienste, dort Leiter Technische Gruppe und Polizeitaucher, gehört. Er war allerdings im Oktober 2012 bei der Schlüsselsuche am Steg vom Grundstück von Stefan T. nicht dabei. Daher kann der Zeuge hierzu, entgegen der Annahme der Verteidigung, nicht befragt werden. Jedoch war er am 5. November 2012 bei der Suche im Sumpfgebiet rings um den Ablageort von Stefan T. dabei.

Allerlei Merkwürdigkeiten und dreister Verrat von Dienstgeheimnissen

Er beschreibt das Gelände als schwierig zu begehen. Die Gruppe war zehn Mann stark, wobei fünf durch das Sumpfgebiet gewatet sind und die Absuche durchgeführt haben. Die anderen fünf haben gemäß den gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften die fünf Suchbeamten mit Seilen gesichert.

Die Beamten sind mehrmals in den Sumpflöchern eingesunken. Die maximale Tiefe würde er bis zu 1,50 Meter schätzen. Es ist möglich, aus eigener Kraft wieder hinauszukommen. Der Boden in den Sumpflöchern ist mit Schlamm bedeckt, auf dem die Beamten auch stehen konnten. Die Sumpflöcher hatten einen Durchmesser von circa 60 bis 150 Zentimeter. Völlig versunken, also bis über den Kopf, ist keiner der Polizeitaucher. Spurenträger wurden bei der Suche nicht gefunden, die von 9:00 Uhr bis 16:30 Uhr andauerte. Ein 100-prozentiges geräuschloses Vorgehen hält der Zeuge für nicht möglich, es sei denn, man betreibt einen größeren Zeitaufwand.

Der Zeuge antwortet präzise und macht klare Angaben.

Der Verteidiger Axel W. fragt den Zeugen nun, ob er sich vorstellen könnte, mit verbundenen Augen durch den Sumpf zu gehen. „Es ist alles möglich, wenn man muss und unter Adrenalin steht“, sagt der Zeuge Oberkommissar Fred D.

Hiernach kommt ein weiterer Polizeitaucher in den Zeugenstand, Ronny B., von derselben Dienststelle wie sein Vorgänger. Er hat bei der Schlüsselsuche am Steg im Oktober denselben gefunden. Der Schlüssel lag circa drei bis vier Meter vom Steg entfernt, das Wasser ging ihm an dieser Stelle bis etwa 80 Zentimeter Beinlänge. Zu der Absuche im Sumpfgebiet am Ablageort sagt er in etwa identisch zum Zeugen Fred D. aus. Auch Ronny B. bestätigte noch mal, dass kein Kollege bis über den Kopf hinaus versunken ist. Außerdem teilt er mit, dass sich auch keiner verletzt hat.

Diese beiden Zeugen wurden aufgrund eines Beweisantrages der Verteidigung gehört. Hierdurch sollte bewiesen werden, dass es nicht möglich ist, alleine aus den Sumpflöchern wieder hinauszukommen. Beide Zeugen konnten dieses jedoch nicht bestätigen.

Vernehmung der KOKin Yvonne B.: Verrat und viele Merkwürdigkeiten

Ab 12:40 Uhr wird die Vernehmung der Kriminaloberkommissarin (KOKin) Yvonne B. fortgesetzt. Die Staatsanwältin befragt sie zur Morgenbesprechung am 8. August 2013. Als Hinweis teilt die Staatsanwältin den Sachverhalt mit, dass ein Gutachten der Magdeburger Sachverständigen G. beim Leiter der SOKO eingesehen werden sollte. Die Zeugin sagt aus, dass der KOK, Lutz B., nach diesem Gutachten gefragt hat und der Leiter der SOKO, Kriminalhauptkommissar (KHK) Falk K., berichtet hat, dass es dieses Gutachten gibt. Die Beamten der SOKO hatten die Möglichkeit, dieses Gutachten beim Leiter der SOKO zu lesen. Allerdings hat die Leitung der Polizei entschieden, dass dieses keine Fallrelevanz hat. Diese Entscheidung und Einschätzung wurde während des Prozesses durch die Ablehnung aus Befangenheitsgründen der Sachverständigen durch das Gericht bestätigt.

Der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. befragt die Zeugin nach ihrer Aufgabe in der SOKO. Hier berichtet sie, dass sie zuerst in der sogenannten B-Schicht war und danach in der Führungsgruppe der SOKO. Hier war sie insbesondere mit dem Eingeben von Daten beauftragt. Auf die Frage, wo sie jetzt eingesetzt sei, antwortet die Zeugin, dass sie nun im Dezernat 1 Schwere Kriminalität tätig und dort „Mädchen für alles“ sei.

Es wird ihr vorgehalten, dass sie aufgrund der Dauer ihrer Zugehörigkeit zur SOKO ja nur circa zehn Prozent der Hauptakte, der Neben- und weiteren Fallakten kennen kann. Dies wird durch die Zeugin bestätigt.

Hiernach beginnt die Verteidigung mit ihren Fragen. Die Zeugin äußert, dass der Leiter der SOKO, KHK Falk K., zuerst ebenfalls Zweifel an der möglichen Entführung von Stefan T. geäußert hat. Später hatte er keine Zweifel mehr. Dies fand die Zeugin Yvonne B. merkwürdig.

Dr. Panos P. kommentierte diese Sinneswandlung damit, dass es vielleicht daran gelegen haben könnte, dass Falk K. nicht nur zehn Prozent der Akten kannte, sondern hundert Prozent.

Die Zeugin sagte gegenüber Falk K.: „Haste mal den Quatsch gelesen. Das geht so nicht.“ Näher begründet hat sie das nicht. Sie wies allerdings den Leiter der SOKO auch darauf hin, dass sie an die Beschriftung der ersten Vernehmung von Stefan T. Randnotizen und Witze notiert hätte.

Es sagt schon einiges über die Zeugin aus, wenn sie bei einem so schweren Verbrechen wie Entführung witzige Notizen an eine Vernehmung schreibt.

Weiterhin bestätigt sie, die Video-Vernehmung von Stefan T. nur in Sequenzen gesehen zu haben, die 1:1-Verschriftlichung dessen hat sie ebenfalls nicht gelesen.

Auch Verteidiger Axel W. möchte nun wissen, warum die Zeugin nicht mehr mit dem Leiter der SOKO über seine nicht mehr vorhandenen Zweifel gesprochen hat. Sie begründet dies damit, dass sie einmal durch diesen angebrüllt worden und daraufhin zehn Tage krank gewesen sei. Danach gab es keine Gelegenheit mehr und sie traute sich auch nicht.

Da die Zeugin KOKin Yvonne B. auch an dem Erstgespräch am 7. Oktober 2012 mit Stefan T. teilgenommen hat, hätte auch sie einen Vermerk schreiben können. Warum sie keinen Vermerk geschrieben hat, kann sie heute nicht mehr beantworten. Sie sagt nur, dass das ja auch niemand von ihr gefordert hätte. Während des Gespräches saß sie am Rechner, verfolgte die Lage und bediente ebenfalls das Telefon.

Ist die Zeugin mit dieser dienstlichen Funktion überhaupt für die inhaltliche Beurteilung der Vernehmung von Stefan T. zuständig?

Die Zeugin wird an den Richtertisch gebeten und soll eine Raumskizze mit dem Mobiliar und den Positionen der anwesenden Personen zum Zeitpunkt des ersten Gesprächs mit Stefan T. aufzeichnen. Danach berichtet sie, dass kritische Fragen in Richtung Stefan T. nicht gestellt werden durften, da der K-Leiter keinen zweiten Fall „Bögerl“ haben wollte. In jenem Fall, als es um die entführte und ermordete Ehefrau eines Sparkassendirektors ging, wurde unter anderem auch gegen den Ehemann ermittelt. Dieser führte einige Zeit später einen Suizid durch.

Sie berichtet dass sie auch im Fall Petra P. mit der Auswertung beauftragt war. Im Tatgeschehen zum Nachteil von Luisa P. und Thorsten H. hingegen wurde die Abteilung der Auswertung mit zwei weiteren Kollegen bestückt.

Nun fragt die Verteidigung nach dem Namen des Auswertungsprogramms. Die Bekanntgabe des Namens dieses Auswertungsprogramms ist eine innerdienstliche Angelegenheit und „VS NfD“, also als eine „Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Eine Relevanz für den Prozess hat das allerdings nicht. Die Zeugin ist sich des Status „VS NfD“ bewusst, nennt aber trotzdem die Bezeichnung des Programms.

Für Täter und Verbrecher kann dies eine sehr interessante und entscheidende Information sein. Daher ist es den Beamten natürlich nicht gestattet, diese Bezeichnung in der Öffentlichkeit zu nennen. Warum die Zeugin hier gegen ihre Dienstpflicht verstößt, bleibt unklar.

Da es im Tatgeschehen zum Nachteil von Petra P. zunächst Unklarheiten bzgl. des Tatmotivs gab und der zeitliche Ablauf unklar war (es gab einen einfachen Ablesefehler der Uhrzeit), formuliert die Zeugin hier im Beisein des Opfers Frau Petra P. auch den ungeheuerlichen Vorwurf, dass sie eine Selbstbeibringung der Verletzungen bei Frau Petra P. ebenfalls überprüft hat.

Wenn ich hier den Gesichtsausdruck von Petra P. im Moment dieser merkwürdigen Aussage mit Bestürzung und Entrüstung beschreiben würde, hielte ich das für zu milde ausgedrückt.

Da die Zeugin in diesem Fall mit der Auswertung beauftragt war, hat sie auch sicher die Fotos und die Aufstellung der Ärzte zu den mannigfaltigen Verletzungen gelesen. Dass sie es mit diesem Wissen dennoch für notwendig zu halten scheint, eine kriminalistische Überprüfung der Selbstbeibringung der Verletzungen durchzuführen, spricht für das „Know-how“ der KOKin Yvonne B.

Nun folgt das nächste Dienstgeheimnis, welches die Zeugin munter ausplaudert. Der Verteidiger Axel W. fragt nach der Verschwiegenheitspflicht der Beamten innerhalb der SOKO. Hierauf berichtet die Zeugin, dass es eine besondere Verschwiegenheitspflicht innerhalb der SOKO geben sollte. Diese ist allerdings als „VS NfD“ eingestuft, also eine innerdienstliche Angelegenheit, die wahrscheinlich nicht durch ihre Aussagegenehmigung abgedeckt ist. Die Zeugin fragt den Richter dazu, der ihr sagt, dass sie das selbst beurteilen muss. Er kann nicht ermessen, ob durch ihre Aussagegenehmigung der Inhalt der Verschwiegenheitspflicht abgedeckt ist. Die Verteidigung ermuntert die Zeugin, die Verschwiegenheitserklärung, die sie in Kopie dabei hat, doch dem Gericht zur Verfügung zu stellen oder zumindest daraus vorzulesen. Obwohl die Zeugin selbst noch mal darauf hingewiesen hat, dass es sich um eine dienstliche, vertrauliche Information handelt und der Richter ihr die goldene Brücke gebaut hat, dass sie selbst entscheiden kann, ob sie hierzu aussagt, entscheidet sich die Zeugin dafür, über diese innerdienstliche Angelegenheit umfangreich auszusagen.

Dass die Zeugin Yvonne B. denkt, dass die Verteidiger ihre Freunde sind, und dass diese sie aufmunternd in ein Dienstvergehen führen, ist mehr als verwunderlich!

Nach der umfangreichen Erläuterung der Verschwiegenheitserklärung und des Umgangs damit, stellt der Verteidiger Axel W. fest, dass die vier kritischen Beamten, KOR Mathias Sch., KOK Lutz B., KOKin Kerstin B. und die Zeugin, diese Erklärung nicht unterschreiben mussten. Diese Feststellung wird mit einem Fragezeichen versehen.

Der Verteidiger Christian L. fragt nun nach, ob es normal sei, eine solche Verschwiegenheitserklärung zu erstellen. Die Zeugin bestätigt, dass man normalerweise mündlich auf die Verschwiegenheit nochmals hingewiesen wird, schriftlich eher nicht. An dieser Stelle spricht die Zeugin erneut ausdrücklich darüber, dass die Verschwiegenheitserklärung „VS NfD“ eingestuft ist, und sie hierüber eigentlich nicht aussagen möchte.

Diese Zweifel kommen reichlich spät!

Trotzdem liest sie auf Nachfragen der Verteidigung aus der Verschwiegenheitserklärung weiter munter vor.

Danach möchte sie eine Liste mit ihren festgestellten „Merkwürdigkeiten“ vorbringen:

Merkwürdig fand sie etwa, dass der K-Leiter kritische Fragen an Herrn Stefan T. verboten hat, da Stefan T. die Polizei mit Hilfe seines starken finanziellen Hintergrunds „schlecht machen“ könne.

Merkwürdig fand sie auch, dass KOKin B. aus der Auswerteeinheit ihr mitgeteilt hat, dass Mario K. nicht der Täter sei.

Merkwürdig war, dass Stefan T. keine Verletzungen hatte und ebenso nicht traumatisiert war.

Die Zeugin ist weder Gerichtsmedizinerin noch Psychologin.

Merkwürdig fand sie, dass sie keinen Schmutz an Stefan T. gesehen hat.

Es waren nur Gesichtsfeld, Kopf und Hände sichtbar, da Stefan T. einen weißen Ganzkörperoverall der Polizei übergezogen hatte.

Merkwürdig fand sie, dass die Jogginghose an den entsprechenden Stellen nicht nass genug war.
Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. den ersten Erpresserbrief dabei hatte.
Merkwürdig fand sie, dass der erste Brief durch den Täter nicht akzeptiert wurde, da die Schrift zu zittrig war und der Täter daher annahm, dass die Polizei dadurch feststellen konnte, dass das Opfer sich im Freien aufhält. Aber der zweite und dritte Brief waren nicht mehr zittrig.
Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. seine Uhr und seine Brille behalten konnte.

Die Brille benötige Stefan T. ja zum Schreiben des Erpresserbriefes. Da der Täter das Opfer monatelang ausgespäht hatte, wusste er, wofür das Opfer eine Brille braucht.

Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. bei der Suche nach seinem Ablageort selbst mit dabei war und dieses Versteck auch wiederfinden konnte.
Merkwürdig fand sie, dass beim Einsatz der Suchhunde keine Spur am Steg gefunden wurde.
Merkwürdig fand sie, dass ein Überflug mit einer Wärmebildkamera am 6. Oktober 2012 ohne Befund war.

Dieses Verfahren ist noch nicht ausgereift.

Merkwürdig fand sie, dass seine Fluchtkleidung nicht beschädigt war.

Merkwürdig fand sie, dass die Marke der Ohrstöpsel des Täters die gleiche ist wie die, die Stefan T. benutzt.

Dass der Täter das Opfer nahezu sechs Monate ausgespäht, dabei wie üblich sicherlich auch im Müll der Familie T. gestöbert hat und somit höchstwahrscheinlich auf eine Ohrstöpselverpackung dieser Marke gestoßen ist, scheint mehr als klar.

Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. über ein Konto mit einem siebenstelligen Betrag verfügt.

Merkwürdig fand sie, dass bei einem Firmen-Event eine GPS-Schnitzeljagd durchgeführt worden ist.
Merkwürdig fand sie die Fesselung und das Klebeband.

Merkwürdig fand sie, dass das Opfer Stefan T. trotz Fesselung zweimal in ein Marmeladenglas Wasser gelassen hat.

Diese Situation fand statt, als Stefan T. sich noch nicht in der kompletten Fesselung befunden hat.

Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. in der Situation der Entführung noch seinen Pullover angezogen hat.
Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. nicht unterkühlt war.

Wir haben Zeugen gehört, die durchaus eine Unterkühlung festgestellt haben.

Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. aussagte, der Täter sei mit einem GPS-Gerät unterwegs gewesen. Wie konnte Stefan T. dieses mit verbundenen Augen wahrnehmen?

In seiner Zeugenaussage schilderte Stefan T., dass der Täter während des Weges zum Ablageort fluchte, weil er mit den Koordinaten Probleme hatte. Daraus schlussfolgerte Stefan T., dass der Täter ein GPS-Gerät dabei hatte.

Merkwürdig fand sie, dass Stefan T. Angaben zu seinen Socken machen konnte.

Weiterhin berichtet die Zeugin von einer Mediation, die durch zwei Mediatoren der Uni Frankfurt (Oder) und einen Vertreter der Polizei mit Teilnehmern der SOKO durchgeführt wurde. Auch zu diesem Komplex stellt die Zeugin fest, dass sie nicht weiß, ob es sich hierbei um eine innerdienstliche Angelegenheit handelte, die nicht durch ihre Aussagegenehmigung abgedeckt ist. Obwohl sie nicht weiß, ob sie Angaben machen darf, gibt sie dennoch allgemeine Auskünfte über Teilnehmer und zur Durchführung der Mediation.

Mit dem Hinweis des Vorsitzenden Richters an die Zeugin, dass sie doch bitte auf ihrer Dienststelle klären möchte, ob ihre Aussagegenehmigung ausreichend ist, um über diese Mediation Aussagen vortragen zu dürfen, endet der heutige Verhandlungstag.

Bei so vielen Merkwürdigkeiten finde ich es wiederum merkwürdig, dass eine Beamtin, die als „Mädchen für alles“, so ihre eigenen Worte, eingesetzt war und wird, nun hier vor Gericht so vorträgt und aussagt, als ob sie den Fall geklärt hätte.

Weiterhin wäre es sicherlich ihre Pflicht gewesen, nicht nur Zweifel an der Zeugenaussage von Stefan T. aufzuwerfen, sondern auch Punkte darzustellen, die für eine Entführung sprechen.

Im gleichen Maße hätte sie sowohl Belastendes als auch Entlastendes gegenüber dem Beschuldigten vortragen können. All dies ist nicht geschehen, sondern es hat ein einseitiger Vortrag stattgefunden.

Die drei größten und maßgeblichen Merkwürdigkeiten sind allerdings der Verrat von innerdienstlichen, ja sogar als „VS NfD“ eingestuften Dienstgeheimnissen (Nennung der genauen Bezeichnung des Auswertesystems, Erläuterung und Vorlesen der Verschwiegenheitspflicht, Nennung der Teilnehmer und Beschreibung der Durchführung einer Meditation).

Als Resümee für diesen Verhandlungstag kann ich feststellen, dass zwei Parteien (Verteidigung und Zeugin KOKin Yvonne B.), die beide mit der Absicht, sich gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu profitieren, in den Verhandlungstag gegangen sind, sich nun erheblich geschadet haben.

Die Aussage der Zeugin in ihrer überzogenen Einseitigkeit ist kaum nachzuvollziehen und somit für die Verteidigung nicht nutzbar. Und mit dem aufmunternden Hineinlotsen der Zeugin in mehrere Dienstvergehen durch die Verteidigung, hat dieselbe der Zeugin einen Bärendienst erwiesen.

Da die Zeugin zum nächsten Verhandlungstag am 6. März 2015 wieder geladen ist, erwartet uns eine spannende Fortsetzung.

Bildquelle: Georg Sander / pixelio.de

Sachverständiger Professor sorgt für erhebliche Verwirrung

Am 46. Verhandlungstag, 12. Februar 2015, waren im Zuschauerraum circa 15 Zuschauer und zehn Medienvertreter anwesend.

Bevor der erste Zeuge aufgerufen wird, gibt die Kammer bekannt, dass sie nach der Aussage des Kriminaldirektors K. nicht mehr in Betracht zieht, den sogenannten Prozessbeobachter der Polizei, Candy Sch., als Zeugen zu vernehmen. Zum Hintergrund: Die Verteidigung des Beschuldigten hat versucht, Candy Sch. aus dem Zuschauerraum zu verbannen, indem man ihn zu einer Vernehmung bestellen wollte. Doch nachdem keine der anwesenden Parteien einen Beweisantrag zur Vernehmung des Zeugen gestellt hat, ordnet das Gericht nun an, dass der Polizeibeobachter wieder als Zuschauer am Prozess teilnehmen darf.

Um 10:05 Uhr wird der erste und einzige Zeuge des heutigen Verhandlungstages aufgerufen. Es ist der Sachverständige Prof. Dr. Bodo P., Facharzt für Orthopädie aus Berlin. Er hatte die Aufgabe, den Beschuldigten Mario K. an seinem durch einen Schuss verletzten Knie zu untersuchen. Durch diese Schussverletzung hat Mario K. eine Arthrose in rechten Knie. Die Verteidigung stellte hierzu folgenden Beweisantrag, zu dem der Sachverständige dann Stellung nimmt.

Sachverständiger Professor sorgt für erhebliche Verwirrung

Erstens kann der Beschuldigte einen gewissen Weg auf dem Grundstück der Familie P. zurücklegen. Zweitens kann Mario K. ebenfalls einen Weg im Sumpfgelände zügig hinter sich bringen.

Prof. Dr. Bodo P. gibt zunächst grundsätzliche Einblicke zum Thema Arthrose. Schließlich beschreibt er, dass der Beschuldigte Mario K. bei seiner Untersuchung nicht abspringen konnte; die Kraft im rechten Bein ist durch einen geringeren Muskelumfang eingeschränkt. Auch für den Aufsprung ist die verminderte Muskulatur in der Wade störend. Allerdings wurde seine Arthrose mustergültig behandelt. Seine Oberschenkelmuskulatur ist mithin so stark, dass sie die Leistungsminderung durch die Arthrose kompensiert. Auch sein Gang ist normal und uneingeschränkt. Die Beinverkürzung von circa einem Zentimeter durch die frühere Schussverletzung spielt für das Gangbild keine Rolle. Er hat keinerlei Schmerzen oder Einschränkungen im Knie, auch auf unebenen Böden kann er schnelle Schritte gehen. Dies wird ebenfalls durch seine sehr ausgeprägte Oberschenkelmuskulatur ermöglicht.

Auch Stefan T. sagte aus, dass er bei einem kurzen Blick von hinten auf den Täter eine sehr ausgeprägte Oberschenkelmuskulatur gesehen hat.

Zusammenfassend erklärt der Sachverständige, dass die rechte Unterschenkelmuskulatur eingeschränkt ist. Diese Einschränkung wurde jedoch durch anderes Gewebe kompensiert.

Es ist sicherlich schwer, den heutigen Zustand der Muskulatur mit dem jeweiligen Zustand der Muskulatur zu den Tatzeiten in den Jahren 2011 und 2012 zu vergleichen. Insbesondere gibt es keine Kenntnis darüber, wie sehr die Muskeln bis zum heutigen Tage trainiert worden sind. Auch ein einseitiges Beintraining würde die Fakten verfälschen.

Damit der Sachverständige eine noch etwas differenziertere Aussage machen kann, wird Petra P. durch das Gericht in den Zeugenstand gerufen. Sie soll den Gang des Täters beschreiben. Hierzu führt Petra P. den Tätergang praktisch vor.

Der Beschuldigte Mario K., der bis zu diesem Zeitpunkt dem Geschehen im Gericht gefolgt ist, schaut sich diesen praktischen Vorgang von Petra P. nicht an. Er starrt auf die Tischplatte vor sich und schreibt hin und wieder etwas. Wie im bisherigen Prozessverlauf bereits mehrfach gesehen, kann er die Zeugin einfach nicht anschauen.

Der Sachverständige Prof. Dr. Bodo P. aus Berlin teilt daraufhin mit, dass die Aussage und die Vorführung von Petra P. seine gutachterliche Einschätzung noch unterstützt, da durch das „Tänzeln“ oder „Skaten“ sogar das rechte Bein noch entlastet werden kann. Um die genaue Kraftaufwendung des Muskels beim Beschuldigten Mario K. zu bestimmen, rät der Sachverständige dringend zu einer weiteren neurophysiologischen (Funktion des Nervensystems und der Muskulatur) Untersuchung. So wie Petra P. den Gang des Täters beschrieben hat, ist dies dem Beschuldigten Mario K. sicher möglich.

Die Staatsanwaltschaft möchte nun wissen, ob Mario K. rennen könne. Dies wird mit einem klaren „Ja“ beantwortet. Betrachtet man lediglich den Muskelaufbau, so ist Mario K. sogar ein Modellathlet. „Skaten“, also Laufen im Schlittschuhschritt, ist für Mario K. eine Alternative zum Rennen.

Für eine gutachterliche Stellungnahme ist es enorm wichtig, sich ganz genau an den gestellten Auftrag (hier der Beweisantrag des Verteidigers Axel W.) zu halten. Dieser Beweisantrag und die genaue Formulierung daraus sind die einzige Grundlage und die jeweilige Eingrenzung der Aussagekraft und Tätigkeit des Sachverständigen. Hieran hat sich jeder Sachverständige genauestens zu halten.

Der Nebenklägervertreter, Dr. Jakob D., stellt nochmals fest, dass beide Fragen des Beweisantrages von Axel W. damit beantwortet sind. Dieses bestätigt der Sachverständige.

Weiterhin wird nun festgestellt, dass der Beschuldigte Mario K. am 20. Februar 2012 wegen Knieschmerzen nach einem Tennisspiel bei einer Ärztin vorstellig war. Der Sachverständige sagt hierzu aus, dass er den Beschuldigten so einschätzt, dass dieser womöglich sehr interessiert daran gewesen war, körperlich aktiv zu sein und deswegen auch nicht davor Halt machte, Tennis zu spielen – eine Sportart, die Arthrosepatienten grundsätzlich nicht empfohlen wird.

Das Gericht fragt noch nach dem Zustand der Muskulatur des Beschuldigten zu den Tatzeiten 2011 und 2012. Doch hierzu kann der Sachverständige keine Angaben machen, da es aus diesem Zeitraum kaum Daten gibt.

Jetzt beginnt der Verteidiger Axel W., den Zeugen zu vernehmen. Er möchte wissen, ob beide Beine untersucht worden sind, was durch den Sachverständigen bestätigt wird. Axel W. stellt fest, dass das sogenannte „Skaten“, wie es Petra P. demonstriert hat, nichts mit einem alpinen Skaten zu tun hat.

Kann sich denn der Beschuldigte in jeglicher Situation auf sein Knie verlassen? Auch diese Frage wird mit einem klaren „Ja“ durch den Sachverständigen beantwortet, es gäbe keinerlei Anzeichen einer Instabilität. Prof. Dr. Bodo P. unterstreicht nochmals, dass Mario K. durch einen Sumpf gehen kann. Selbst schweres Gelände könnte Mario K. gut durchqueren.

Mit diesen klaren Aussagen, die der Verteidigung eher schaden als nutzen, hat Axel W. nicht gerechnet. Das Erstaunen ist ihm ins Gesicht geschrieben. Nun beantragt Axel W., dass der Sachverständige sich das Video der polizeilichen Rekonstruktion des Weges, den das Opfer Stefan T. vom Ablageort zum Knüppeldamm zurückgelegt hat, anschaut. Axel W. ist der Meinung, dass der Sachverständige im Video die genaue Beschaffenheit des Sumpfes vor Ort erkennen sollte. Nach der Wiedergabe des Videos möchte er eine neue Stellungnahme vom Sachverständigen haben.

Mit diesem Antrag, der durch das Gericht genehmigt wird, beginnt ein Zeugenaussageverlauf, der im Allgemeinen und auch im Speziellen zu erheblichen Verwirrungen führt. Der grundsätzliche Fehler ist – das sei hier vorweg genommen –, dass sich der Sachverständige auf diese Ansicht des Videos mit einer erneuten Stellungnahme einlässt. Denn der gutachterliche Auftrag, der wie oben beschrieben durch einen Beweisantrag gestellt wurde, ist bereits hinreichend beantwortet worden! Es ist also die oberste Pflicht eines Sachverständigen, sich weiterhin an diesen Auftrag zu halten, er darf ihn nicht eigenmächtig erweitern. Doch leider lässt sich Prof. Dr. Bodo P. genau darauf ein. Bisher hatte er als Sachverständiger einen sehr kompetenten und souveränen  Eindruck hinterlassen. Dies wird sich im Laufe des Nachmittages ändern.

Das Gericht hatte angeordnet, dass der Sachverständige sich die polizeiliche Rekonstruktion anschauen sollte, was auf einem Laptop der Verteidigung in der Mittagspause geschah. Zusätzlich – und ohne gerichtlichen Auftrag! – hat die Verteidigung die Gelegenheit genutzt, dem Sachverständigen die Videoaufnahmen ihrer eigenen Rekonstruktion zu zeigen. Natürlich ist hierauf zu sehen, dass der Verteidiger Christian L. in einem Sumpfloch einbricht.

Nach Ansicht der Videos führt der Verteidiger Axel W. seine Vernehmung des gutachterlichen Zeugen fort. Er fordert den Sachverständigen auf, dem Gericht seine Eindrücke aus dem Video mitzuteilen. Der Sachverständige teilte nun mit, dass sich ein Patient, der an Arthrose erkrankt ist, dieses Sumpfgelände nicht freiwillig aussuchen würde.

Genau das hat der Täter auch nicht getan! Denn exakt diesen Weg, den der Sachverständige auf dem Video gesehen hat, ist er nicht gegangen und wollte diesen auch nie gehen. Der Täter ist dieses Sumpfgelände von der Wasserseite her angegangen. Von der Wasserkante bis zum Ablageplatz waren es knapp zehn Meter. Der Weg des Opfers Stefan T. vom Ablageort bis zum Knüppeldamm betrug ein Mehrfaches. Als der Täter sich bei Verbringung des Opfers Stefan T. an den Ablageort verlaufen hat, und somit die Strecke länger als zehn Meter wurde, war er es, der lauthals darüber geflucht hat, und nicht das Opfer. Auch bei der Verfolgung des Opfers bei dessen Flucht konnte der Täter dem Opfer trotz Taschenlampe nicht folgen und brach somit die Verfolgung ab. Beide Punkte sprechen dafür, dass sich der Täter dieses Gelände zwar ausgesucht hat, dies aber nicht tat, um es zu durchschreiten, sondern um unentdeckt zu bleiben.

Der Nebenklägervertreter Dr. Jakob D. wirft ein, dass Mario K. bereits 2004 in gleicher Sumpfumgebung gelebt hat, zu diesem Zeitpunkt hatte er die Arthrose aber schon. Er hatte hier sein Lager aufgeschlagen, was rundherum von Wasser und schwer begehbarem Sumpfgelände umgeben war, und beging von hier aus seine Verbrechen.

Der Sachverständige teilt mit, dass er die Situation des Jahres 2004 nicht berücksichtigt hat und dies auch nicht tun möchte. Er stellt wiederum fest, dass das Gelände, in dem Stefan T. festgehalten wurde, nicht für Mario K. begehbar wäre.

Es wäre nochmals interessant, genau zu erfahren, welche Übungen der Beschuldigte in seinem Box-Club durchgeführt hat. Der Trainer sagte vor Gericht aus, dass es eine Art Zirkeltraining gab, in dem der Beschuldigte Mario K. noch bis heute den Vereinsrekord hält.

Dr. Panos P. fragt erneut nach der Sprungfähigkeit des Beschuldigten und weist zugleich darauf hin, dass diese beim Gang durch den Sumpf nicht benötigt worden wäre. Auf dem Video ist keiner der Polizisten dabei zu sehen, wie er springt. Vielmehr hangeln die Beamten durch das Gelände, halten sich an umliegenden Sträuchern und Bäumen fest, um so ihre Standfestigkeit zu sichern. Auch die Nebenklägervertreterin von Thorsten H., Evelyn R., möchte vom Sachverständigen wissen, warum er sich so eindeutig festlegt, dass sich der Beschuldigte Mario K. für dieses Sumpfgelände nicht entschieden hätte, wenn er es doch schon, wie auch gerichtlich dokumentiert, im Jahr 2004 getan hat. Der Sachverständige möchte diesen Sachverhalt nicht beurteilen.

Dr. Panos P. hebt nochmals die Aussage des Sachverständigen hervor, wonach der Beschuldigte nach dessen OP infolge einer Schussverletzung sein Bein nicht mehr über 90 Grad hinaus beugen kann, und dass sich dieser Zustand auch nicht verbessern wird. Er merkt allerdings auch an, dass der Beschuldigte ja bereits 2004 in einem schwer zugänglichen Sumpfgebiet ein Versteck hatte, dort lebte und von dort aus seine Verbrechen beging.

Seine Frage an den Sachverständigen ist nun, ob man die Sportarten Tennis und Boxen Patienten empfehlen würde, die ein Krankheitsbild aufweisen, wie es der Beschuldigte hat. Dies verneint der Sachverständige, stellte jedoch fest, dass Mario K. in der Lage ist, Schmerzen zu tolerieren.

Die Anwältin Evelyn R. möchte vom Sachverständigen erfahren, in welchen Situationen man eine Beugung über 90 Grad benötigt. Hierzu gibt der Sachverständige keine konkreten Angaben. Er hält das Gelände für den Beschuldigten für ungünstig, ja sogar für unmöglich begehbar, weil die jeweilige Trittunterlage für den Beschuldigten nicht berechenbar ist.

Der Sachverständige ist fachlich für den Bereich Orthopädie zuständig, für den Bereich der Tätermotivation und Tatdurchführung ist er kein Sachverständiger. Natürlich kann man davon ausgehen, dass der Täter die Opfer-Insel hinreichend ausgekundschaftet und observiert hat. Der Täter hat in seiner Lösegeldforderung an das Opfer Stefan T. verlangt, dass das Lösegeld durch die Ehefrau und einen Gast der Familie, der innerhalb der letzten sechs Monate zu Besuch war, überbracht wird. Dies bedeutet, dass der Täter die Familie T. mindestens sechs Monate observiert hat. Daher ist auch davon auszugehen, dass die Opfer-Insel hinreichend vorbereitet worden ist. Die Erfahrung aus anderen Fällen zeigt, dass Täter hier auch entsprechende Generalproben durchführen. In diesem Fall hat der Täter eine mögliche Flucht des Opfers in seinen Planungen nicht vorgesehen und somit auch nicht die möglichen Fluchtwege entsprechend abgeklärt.

Die Nebenklägervertreter möchten nochmals wissen, in welcher Situation der Beschuldigte auf dem Fluchtweg des Opfers sein Bein über 90 Grad hätte beugen müssen. Der Sachverständige vertritt die Auffassung, dass es solche Situation gegeben hätte, kann sich aber aus der Erinnerung nach Ansicht des Videos an keine bestimmte erinnern. Der Verteidiger Axel W. unterstützt den Sachverständigen darin, sich nicht mehr an das vor zwei Stunden gesehene Video so detailliert erinnern zu können. Daher beanstandet er die Vorgehensweise der Nebenkläger.

Den Nebenklägern wiederum ist es insgesamt nicht plausibel, dass Mario K. Sportarten wie Tennis und Boxen durchführen, dass er auch seinen Beruf als Dachdecker ausüben, dass er nahezu täglich 100 bis 200 Kilometer mit dem Fahrrad fahren konnte, und dass er 2004 im nahezu tatgleichen unzugänglichen Sumpfgelände gelebt hat – aber, dass er ausgerechnet genau jene Strecke, die das Opfer vom Ablageort zum Knüppeldamm gegangen ist, nicht hätte gehen können. Ganz abgesehen davon, dass dieser Punkt ohnehin nicht für die Beurteilung wichtig ist, da der Täter diese Strecke sowieso nie gegangen ist.

Nach langem Hin und Her zwischen den drei Parteien (Verteidigung, Zeuge und Nebenkläger) stellt der Vorsitzende Richter dem Sachverständigen nun die entscheidende Frage: Wäre es dem Beschuldigten Mario K. möglich, in dem auf dem Video gesehenen Sumpfgelände eine Strecke über 100 Meter zu gehen, ohne dabei zu sterben? „Ja, das ist möglich“, antwortet der Sachverständige. Weiter fragt der Vorsitzende Richter den Sachverständigen, ob er dem Beschuldigten Mario K. empfehlen würde, den Beruf des Dachdeckers auch über mehrere Wochen hinweg auszuüben, was Prof. Dr. Bodo P. eindeutig verneint.

Der Sachverständige relativiert nun seine stundenlang vorgetragene Aussage, wonach das zu 100 Prozent nicht möglich gewesen wäre: „Natürlich ist es Mario K. irgendwie möglich, durch diesen Sumpf zu gehen.“

Auch auf die Frage, ob Mario K. aus einem Wasserloch, in dem er bis zum Bauch im Wasser steht, hinauskommen könnte, antwortet der Sachverständige mit „Ja“.

„Ist es überhaupt machbar?“ wird weiter gefragt. „Ja“, lautet die Antwort. Weiterhin fragt der Richter, welche Folgen für den Angeklagten nach einem 100 Meter langen Gang durch den Sumpf entstehen. Der Sachverständige teilt mit, dass der Beschuldigte Schmerzen bekommen, das Knie sich erwärmen und anschwellen würde. Weiterhin würde er in den nächsten Tagen eine Bewegungseinschränkung haben, was in etwa fünf Tage dauern könnte.

Nun möchte die Verteidigung, dass der Sachverständige eine Ortsbesichtigung an der Opfer-Insel durchführt. Hierzu stellt das Gericht eindeutig fest, dass der Sachverständige sich an den Beweisantrag gehalten, und die Fragen dieses Antrages eindeutig beantwortet hat. Damit wird der Zeuge am Nachmittag entlassen.

Das Gericht gibt schließlich noch zu Protokoll, dass ein neurophysiologisches Gutachten betreffend der Beine des Angeklagten Mario K. einzuholen ist. Der Beschuldigte erklärt sich damit einverstanden.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Befragung des Kriminaldirektors

Der nunmehr 45. Verhandlungstag startet mit dem Verlesen eines Aktenvermerkes der Mordkommission Eberswalde vom 23. Januar 2013. Hierin wird dargestellt, wie die Schlüssel des Opfers Stefan T. aufgefunden wurden. Dieser hat das Schlüsselbund bei seiner Entführung circa vier Meter hinter dem Steg ins Wasser fallen lassen. Am Schlüsselbund hingen sechs Schlüssel.

Befragung des Kriminaldirektors

Stellungnahme der Nebenklägervertreter zum aktuellen Antrag der Verteidigung

Hiernach verliest der Nebenklägervertreter, Rechtsanwalt Manuel O., eine Stellungnahme zum Beweisantrag der Verteidigung vom 22. Januar 2015. Dabei ging es um die weitere Vernehmung zweier Polizisten der Polizeitauchgruppe. Der Rechtsanwalt Manuel O. hält darin fest, dass der Antrag der Verteidigung insgesamt abzuweisen ist. Hierfür hat er den Beweisantrag der Verteidigung in neun Teile seziert. Er stellt unter anderem deutlich klar, dass dieser Antrag keinerlei neuerliche Beweise erbringen wird. Weiterhin wertet er es als Versuch der Verteidigung zur Verzögerung des Prozesses. Es wird wiederholt darauf hingewiesen, dass Tatsachen massiv mit Verteidigerwünschen verwischt werden. Am schwerwiegendsten ist jedoch, dass diese erneute Verlängerung des Prozesses die traumatisierten Opfer unangemessen belasten wird. Die Behauptung der Verteidigung, dass diese Zeugen für die Entscheidung des Gerichts und den Ausgang des Prozesses unerlässlich seien, hält der Nebenklägervertreter für schlichtweg nicht gegeben.

Natürlich mokiert der Verteidiger Axel W. die Stellungnahme der Nebenkläger und besteht weiterhin auf seinem Antrag. Im weiteren Verlaufe des Tages wird das Gericht seinem Antrag stattgegeben.

Hörung des Zeugen Siegbert K., Kriminaldirektor und K-Leiter PD Ost

Der erste und einzige Zeuge des heutigen Tages ist Kriminaldirektor (KD) Siegbert K. Er ist K-Leiter bei der Polizeidirektion Ost in Frankfurt (Oder). Zur Zeit des Bestehens der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) war er der dortige Einsatzleiter. Auf Aufforderung des Gerichts beschreibt er seine Tätigkeiten beim Strafverfahren, die hier vor Gericht verhandelt werden.

Er war beim ersten Treffen mit Stefan T. dabei. Es wurden dabei allerdings nur wenige Fragen zum Täter und zum Ablageort gestellt, da Stefan T. hiernach umfänglich vernommen werden sollte. Stefan T. machte auf Siegbert K. einen euphorischen Eindruck. Während Stefan T. redete, zog er blitzartig Falzumschläge aus seiner Hose. Diese waren notdürftig gefaltet, leicht geknüllt und auch feucht. Da es sich hierbei um Spurenträger hätte handeln können, wurden die Briefe nicht weiter angeschaut oder angefasst, da sie von der KTU noch nicht behandelt worden waren. Stefan T. hatte weiterhin etwas Restklebeband in der Hand.

Da er keinen Satz ordentlich zu Ende führen konnte, stufte der Zeuge Stefan T. als schwer traumatisiert ein. Bei der Schilderung der Tat zeigte er starke emotionale Schwankungen. Weiterhin beschreibt Siegbert K., dass Stefan T. stolz war, sich selbst befreit zu haben. Eine totale Erschöpfung konnte er an Stefan T. nicht feststellen, wohl aber ein immer wieder auftretendes Zittern.

Im Weiteren möchte das Gericht vom Zeugen wissen, ob er die Beamtin B. angewiesen hat, aus dem Bericht entlastende Fakten zum Beschuldigten Mario K. herauszustreichen. Der Zeuge weist diese Behauptung mit aller Entschiedenheit zurück und bemerkt dazu, dass er von diesem Vorwurf bereits aus den Medien und aus diesem Blog erfahren hat. Hierzu nickt der Verteidigeranwalt Christian L. zustimmend. Der Zeuge empfindet diese Behauptung als Ehrverletzung. Die Beamtin B. hatte ebenfalls ausgesagt, dass dieser Sachverhalt nicht existiert. (Dieser Vorwurf wurde über die kritischen vier Beamten in den Prozess eingebracht: Kriminaloberkommissar (KOK) Lutz B. hat es vorgetragen und KOKin Kerstin B. hatte es angeblich von der Beamtin B. gehört.) Der Zeuge berichtet, dass sich die Beamtin B., als der besagte Bericht erstellt wurde, im Urlaub befand.

Die Vermutung einer möglichen Abwesenheit der Beamtin hatte ich bereits in einem früheren Blogbeitrag angestellt. Nun wird diese durch den heutigen Zeugen bestätigt.

Der Nebenklägerrechtsanwalt Dr. Panos P. teilt anschließend mit, dass der Notarzt als Ergebnis seiner Untersuchung einen leichten Schock und eine leichte Unterkühlung festgestellt hat.

Der Verteidiger Axel W. fragt heute wieder einmal sehr viel. Der Zeuge beantwortet heute bis zu 300 Fragen. Der bisherige Prozessverlauf hat gezeigt, dass die Verteidigung immer dann derart viele Fragen stellt, wenn sie einen Zeugen als gefährlich für ihre Strategie einstuft. Daher wird versucht, den Zeugen durch viele Fragen – oftmals Wiederholungsfragen in einer anderen Wortzusammenstellung – in Widersprüche zu verwickeln. Dieses gelingt bei dem heutigen Zeugen nur sehr eingeschränkt. Der Zeuge KD K. antwortet klar, ruhig und besonnen.

Auf die Frage nach der Notwendigkeit der gerichtsmedizinischen Untersuchung von Stefan T. antwortet der Zeuge, dass dieses Verfahren gemäß einer Dienstvorschrift eine optionale Maßnahme ist und kein Muss. Warum er, KD K., der Meinung sei, dass Stefan T. vielleicht unterkühlt gewesen sein muss, will nun die Verteidigung wissen. Dieses habe er durch das Zittern des Opfers festgestellt.

Nun wird der Zeuge durch die Verteidigung nach seiner beruflichen Qualifikation befragt. Auch die Qualifikationsfrage gehört inzwischen zum Standardprozedere der Verteidigung. Sie wird immer dann gestellt, wenn es sonst keine Fragen mehr gibt und dient der Ablenkung und der Verunsicherung des jeweiligen Zeugen. Heute kann ich feststellen, dass die Strategie bei diesem Zeugen nicht greift.

Im Übrigen sitzt heute ebenfalls der Polizeibeamte und Zeuge KOK Lutz B. im Zuschauerraum und schreibt fleißig mit.

Des Weiteren geht es um die Erstellung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens. Dazu stellt der Zeuge KD K. fest, dass Polizeioberrat (POR) Sch. in seiner Funktion auf der Dienststelle alle erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens selbst hätte anordnen können. Warum er dieses nicht getan hat und sich im Nachhinein darüber beklagt, warum das gerichtsmedizinische Gutachten nicht erstellt worden ist, kann sich der Zeuge auch nicht erklären. KD K. hat erst im März 2013 erfahren, dass ein gerichtsmedizinisches Gutachten oder eine gerichtsmedizinische Untersuchung nicht erfolgte. Der POR Sch. hatte ihm hingegen bereits eine Woche nach der Tat zum Nachteil des Opfers Stefan T. eindeutig mitgeteilt, dass er an eine Vortäuschung der Entführungstat glaubt. Diesen Standpunkt teilte wiederum der heutige Zeuge, auch nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft, nicht, denn es gab eine klare Spurenlage zu wesentlichen Teilen der Entführung. Auch konnte der POR Sch. keine echten Ansatzpunkte, Kritik oder Vorschläge zu seinem Vorhalt äußern.

Der Zeuge KD K. wird mehrfach bei seinen Antworten durch den Verteidiger Axel W. unterbrochen. Weiterhin versucht der Anwalt den Zeugen durch die Formulierung seiner weiteren Fragen zu einer von ihm gewünschten Antwort zu führen. Seine Fragen stellt der Verteidiger nicht in Themenblöcken, sondern er wechselt diese häufig.

Anschließend geht es um den Hausschlüssel, den Stefan T. bei seiner Einführung am Steg ins Wasser hat fallen lassen. Da auch hier der Verteidigung die Antwort des Zeugen nicht gefällt, zweifelt der Rechtsanwalt Axel W. sogar die kriminalistische Erfahrung des Zeugen an. Der Zeuge zeigt sich jedoch unbeeindruckt und erklärt klar und deutlich die strukturierte Polizeiarbeit. Axel W. seinerseits sucht sich jeweils ein Wort aus der Zeugenantwort heraus und legt dieses auf die Goldwaage. Diese hat heute viel zu tun.

Nochmals geht es nun um das gerichtsmedizinische Gutachten. Der Zeuge teilt dazu mit, dass POR Sch. jederzeit in einer Lagebesprechung, an der im Übrigen auch öfter die Staatsanwaltschaft teilgenommen hat, diese Untersuchung hätte anordnen können; auch dieses hatte er versäumt. Rechtlich hätte er das gedurft.

Der Zeuge wird erneut befragt, woher er seine Informationen zum laufenden Prozess erhält. Hierauf antwortet Kriminaldirektor K., dass er diesen Blog liest und dieser für ihn sehr aufschlussreich ist. Diese Antwort wird von der Verteidigung mit „Begeisterung“ entgegengenommen.

Nun geht es um Berichte des von der Polizei entsandten Prozessbeobachters (Prozessbeobachtung dient der Einsatz- und Prozessnachbereitung), insbesondere um einen Bericht über die Zeugin KOK B. Der Zeuge stellt dazu fest, dass der Bericht keinerlei Aussageinhalte, sondern ausschließlich die dienstrechtliche Verhaltensweise der Beamtin vor Gericht beschreibt. In diesem Zusammenhang muss auf Verlangen der Verteidigung der im Zuschauerraum sitzende Prozessbeobachter der Polizei den Saal verlassen. Die Verteidigung behält sich vor, diesen als Zeugen zu hören.

Immer wieder gibt es aus den Reihen der Nebenkläger Beanstandungen hinsichtlich der Fragen der Verteidigung. Hierauf reagiert insbesondere Axel W., der wie erwähnt gegenüber dem Zeugen jedes einzelne Wort ganz genau nimmt, allergisch. In seiner Antwort an die Nebenkläger wirft Axel W. diesen vor, alles viel zu wörtlich zu nehmen. Komisch!

Axel W. fragt weiter zu den Themenblöcken „Gespräch mit Polizeipräsident“, „Gutachten der Magdeburger Sachverständigen“, „Verdachtsrichtung gegen einen Polizeibeamten“. Letzteres hat sich übrigens erledigt, da dieser Beamte zur Tatzeit im Dienst war und somit ein Alibi vorweisen kann.

Am Nachmittag beginnt der zweite Verteidigeranwalt Christian L. den Zeugen zu befragen. Insbesondere geht es ihm um einen abschließbaren Schrank im Dienstzimmer von Kriminalhauptkommissar (KHK) K. Ihn interessiert, in welcher Art und Weise hier Verschlusssachen auf der Dienststelle verwahrt wurden. Auch die „wichtige“ Frage, ob der Safe im Dienstzimmer eine Schiebetür hatte, wird durch Christian L. gestellt.

Außerdem wird in der Befragung offenbar, dass KD K. von der gemeinsamen Besprechung jener Polizeibeamten, die Zeugen im Prozess sein werden, aus diesem Blog erfahren hat. So eine Besprechung muss aber nicht unüblich sein, wenn Polizeibeamten das wünschen, so wie es in diesem Fall war.

Es wird weiter zur Unterstützung durch die Beamten der Mordkommission Potsdam gefragt und zum Auslandsaufenthalt von Stefan T. direkt nach der Tat. Hierzu bemerkt der Zeuge, dass sich Vor- und Nachteile die Waage hielten. Weiterhin möchte der Rechtsanwalt Christian L. wissen, wer in diesem Fall der Vorgesetzte von KD K. war – selbstverständlich die Staatsanwaltschaft, so der Zeuge.

Zum Schluss dieses Verhandlungstages gibt das Gericht noch weitere mögliche Termine zur Fortführung des Prozesses bekannt.

Bildquelle: Georg Sander / pixelio.de

Befindlichkeiten vs. Professionalität

Der heutige Prozesstag beginnt mit zwei Bekanntgaben des Richters. Zum einen: Dem Beweisantrag der Verteidigung vom 16. Januar 2015 zur Vernehmung eines medizinischen, insbesondere orthopädischen Sachverständigen wird stattgegeben. Hierbei soll die Beweglichkeit des Angeklagten festgestellt werden. Beauftragt wird hiermit ein Professor aus Berlin, der den Angeklagten sehr zeitnah in der JVA Cottbus begutachten wird und sich schon jetzt vorbehält, anschließend ein MRT durchzuführen.

Die dafür notwendige Entbindung des Sachverständigen von der Schweigepflicht unterschrieb der Angeklagte heute im Gerichtssaal. Der Sachverständige ist für den 12. Februar 2015 geladen.

Befindlichkeiten vs. Professionalität

emerkenswert sind hier zwei Dinge. Mit der Unterzeichnung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht trägt der Angeklagte zum ersten Mal von sich aus etwas zum Prozess bei! Besser wäre allerdings, er würde sein Opfer verachtendes Verhalten aufgeben und sich endlich zu den Vorwürfen äußern! Er müsste zu diversen Terminen nur ein Alibi benennen können, und schon wäre der Prozess vorbei. So oder so!

Darüber hinaus frage ich mich, wie viele Nebelbomben die Verteidigung durch Herrn Axel W. noch zünden möchte? Der Angeklagte war nach seiner Knieverletzung ja nun nachweislich in der Lage, weitere Straftaten zu begehen, für die er auch verurteilt wurde – darunter auch Verbrechen, die eine nahezu gleiche Täterinfrastruktur hatten wie die hier verhandelten Fälle. Zufall?

Auch die Aussage des Boxtrainers vom 2. Oktober 2014 (vgl. Blog vom 8. Oktober 2014) lässt keineswegs den Schluss zu, dass der Angeklagte in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist. Er konnte zwei bis drei Mal in der Woche einer der intensivsten Sportarten nachgehen, und hält nach Aussage des Trainers noch heute einen Vereinsrekord in der Durchführung unterschiedlicher Übungen! Darüber hinaus: Boxtraining geht auch auf die Knie und jeder weiß, dass Boxer einen „tänzelnden Gang“ im Ring haben. Was also soll dieses Gutachten bewirken, außer, dass somit auf Zeit gespielt oder weitere Verwirrung gestiftet wird?

Anschließend wird ein Aktenvermerk zweier Polizisten verlesen, die ebenfalls auf Antrag der Verteidigung im Rahmen der Beweisführung gehört werden sollen. Die Polizisten haben den Angeklagten seinerzeit zu Hause aufgesucht, um ihn nach einer DNA-Probe zu befragen. In einem Vermerk im Nachgang des Besuchs stellten sie fest, dass der Angeklagte ca. 185 Zentimeter groß sei und über eine sportliche Figur verfügt. Dies wollte die Verteidigung persönlich im Prozess festgestellt wissen. Trotz der Eindeutigkeit des Vermerks zieht die Verteidigung den Beweisantrag nicht zurück, will sich aber bis zum Ende des heutigen Tages hierzu äußern.

Vernehmung des Kriminaloberrates Sch.

Nach diesen zwei richterlichen Erklärungen geht es weiter mit der Befragung des Kriminaloberrates (KOR) Sch., wobei zunächst die Verteidigung an der Reihe ist.

Als erstes ging es um den Komplex der nicht umgehend eingeleiteten rechtsmedizinischen Untersuchung des Opfers Stefan T. nach der Selbstbefreiung. Sch. gibt an, dass er seit 20 Jahren Sporttaucher sei und daher Erfahrung mit der Auskühlung des Körpers in Gewässern habe. Er habe dies auch sehr zeitnah mit dem Rechtsmediziner, Dr. V., besprochen: Beide hätten daran gezweifelt, dass sich der Tathergang so, wie vom Opfer geschildert, abgespielt haben kann. Sch. ist der Meinung, dass das Gutachten von Dr. V. dies ausdrücklich belege.

Das Gutachten wurde zwar erst später erstellt, allerdings hat Sch. Kenntnis davon. Laut Aussage von Sch. wollte er dieses Gutachten schon früher erwirken, jedoch wurde dieses seinerzeit von Herrn Kl., Leiter der Kriminalpolizei, abgelehnt. Seine Zweifel teilte er mit diversen Kollegen der Besonderen Aufbauorganisation (BAO).

Direkt nach Bekanntwerden solcher Taten wird bei der Polizei eine BAO gebildet, um die wichtigsten Ressourcen zu bündeln und den Betrieb rund um die Uhr sicherzustellen. Nach Anlauf der Ermittlungen wird hieraus eine Sonderkommission (SoKo). In diesem Fall bestand die BAO einen Monat, bevor sie zu der SoKo Imker wurde.

Verwundert war Sch. außerdem darüber, dass die Prozedur der rechtsmedizinischen Begutachtung von Opfern – eigentlich eine Standardmaßnahme nach Kapitalverbrechen – in diesem Fall nicht zur Ausübung gekommen ist. Dass es in dem Haus des Opfers zu rechtswidrigen Handlungen gekommen ist, zweifelt Sch. nicht an; allerdings kann sich nach seiner Überzeugung die Verbringung, die Ablage und das Freikommen des Opfers nicht so abgespielt haben, wie es das Opfer geschildert hat.

Das von Sch. geforderte rechtsmedizinische Gutachten sollte daher lediglich die Plausibilität der Schilderungen prüfen, nicht den Zustand des Opfers nach der Selbstbefreiung. Diese Informationen teilte er mit einigen Beamten. Der Leiter der SoKo, Kriminalhauptkommissar (KHK) Falk K., sprach in seiner Vernehmung hierzu von einem „oppositionellen Grüppchen“. Auf dieses „Grüppchen“ angesprochen gibt Sch. an, dass es sich keineswegs um ein solches handelte – es waren viele Beamte und außerdem gab es Unterstützung aus der Rechtsmedizin.

Nun ist die Staatsanwaltschaft an der Reihe, die zunächst fragt, ob Sch. wisse, warum das Gutachten erst so spät eingeholt wurde. Sch. verneint das. Es wird Sch. nun vorgehalten, einen Aktenvermerk noch nicht erstellt zu haben, den er und Kriminaloberkommissar (KOK) B. (jener Beamter, der sich selbst anzeigte) für den Oberstaatsanwalt anfertigen sollten. Darin sollten alle unplausibel erscheinenden Punkte erfasst sein, um der Rechtsmedizin einen klaren Arbeitsauftrag erteilen zu können.

Die beisitzende Staatsanwältin führt nun die Befragung fort und fragt nach dem Sinn einer sofortigen Begutachtung des Opfers, zumal es ja augenscheinlich keinerlei Verletzungen gab. Hierauf erwidert Sch., dass „auch das Fehlen von Verletzungen ja gutachterlich hätte festgestellt werden können“.

Fest steht, dass die sofortige Begutachtung des Opfers dem Prozess, vor allem aber dem Opfer geholfen hätte. Das Infragestellen des Ablaufes ist auch der fehlenden Begutachtung geschuldet und bedeutet für das Opfer nun unerträgliche Anschuldigungen.

Bei der weiteren Befragung durch die Nebenklagevertreter, warum er denn das Gutachten nicht beantragt habe, ist nach wie vor seltsam, dass sich Kriminaloberrat Sch., also ein Beamter in Führungsposition und mit entsprechender Besoldung, immer wieder darauf beruft, dass er nur die B-Schicht war, andere Beamte diese Entscheidung also hätten treffen müssen. Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass diverse Zeugen in diesem Verfahren – und in diesem Falle auch Sch. – ihre Zweifel immer wieder auch auf die Fallanalyse der Magdeburger Gutachterin stützen, welche inzwischen mehr als deutlich abgeschmettert wurde.

Alles in allem: Natürlich hätte KOR Sch. das Gutachten der Gerichtmedizin einfach anordnen können. Warum hat es nicht getan?

Der Vertreter des Opfers, Dr. Panos P., hält dem Zeugen Sch. einen Vermerk vor, welchen er und der sich selbst anzeigende Beamte unterzeichnet haben. Aus dem Vermerk geht klar hervor, dass bei einem Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt S. keinerlei Zweifel an der Tat erörtert wurden.

Übrigens war Sch. nach Erteilung des Auftrages durch den Oberstaatsanwalt erstmal im Urlaub. Weiterhin wurde deutlich, dass Sch. nur bis zum 17. März 2013 der BAO / SoKo angehörte. Davor war er bereits krankgeschrieben und hatte seinen Wiedereinstieg über das Hamburger Modell – ein Einstieg über Teilzeitlösungen. Wegen einer anhängigen Personalsache wurde er versetzt. Worum es in der Personalsache ging, wollte er nicht sagen.

Allerdings ist interessant, dass Sch. danach auch nicht geprüft hat, ob die weiteren Ermittlungen seine Zweifel zerstreuten.

Man hat außerdem das Gefühl, der Zeuge beharrt schon aus Prinzip auf seinen Aussagen und weicht genau deshalb nicht von diesen ab.

Die Vernehmung von Sch. dauert bis nach der Mittagspause an, wobei Sch. es nicht versäumt, seine Kollegen nach der Pause mit einem breiten Lächeln zu grüßen. Viele seiner Kollegen saßen heute auf den Zuschauerplätzen. Mein Eindruck war, dass hier vielen nicht klar wurde, wie sehr die Verhaltensweisen der Beamten der Polizei schaden.

Man hat als Beobachter weiterhin das Gefühl, dass hier persönliche Konflikte auf dem Rücken der Opfer ausgetragen werden.

Vernehmung des Beamten Z.

Der nächste Zeuge ist der Polizeibeamte Z., seine Vernehmung dauert zwei Stunden. Z. war Leiter der Führungsgruppe und als solcher verantwortlich für den organisatorischen Ablauf der BAO. Somit war er dabei, als das Opfer, Stefan T., am 7. Oktober 2012 nach seiner Selbstbefreiung im Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) befragt wurde.

Z. erinnert sich, dass Stefan T. den Raum in einem Polizeioverall betrat und direkt nach Betreten des Raumes aus seiner Kleidung ein Knäuel weißen Papiers auf den Tisch warf, mit dem Hinweis: „Das sind die Briefe, die ich im Auftrag des Entführers an meine Frau schreiben musste.“ Der Zeuge Z. identifizierte das Knäuel klar als Briefe, die feucht waren. Auch auf spätere mehrfache Nachfrage ist sich der Zeuge sicher, dass es Briefe waren, die das Opfer auf den Tisch legte. Selbst als klar war, dass bei der kriminaltechnischen Untersuchung (KTU) nur Umschläge vorlagen, bleibt der Zeuge bei seiner Aussage, Stefan T. hätte zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anzeichen von Erschöpfung gezeigt. Das Opfer hätte den Tatverlauf schnell und ungefragt geschildert, habe wie aufgezogen, ja fast euphorisch gewirkt. Seinen damaligen Eindruck bewertet der Zeuge heute nicht.

Mir sei als Beobachter an dieser Stelle allerdings ein Einwurf gestattet: Ist dieses geschilderte Verhalten ein typisches Opferverhalten?

Nein, ist es nicht.

Aber Stefan T. war auch kein typisches Opfer. Er hatte sich nach einem Martyrium selbst befreit und saß nun bei der Polizei; er wusste also, ihm kann nichts mehr passieren. Was das in einem Körper auslöst, ist nur schwer nachzuvollziehen. Aber es ist leicht nachzuvollziehen, dass diese Glücksgefühle alles andere verdrängt haben: Müdigkeit, Erschöpfung, ja selbst die Nässe seiner Kleidung hat Stefan T. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr wahrgenommen. Stefan T. wollte einfach nur noch das Erlebte schildern, und es wäre Aufgabe erfahrener Beamter gewesen, dieses zu kanalisieren.

Die Erstbefragung wurde durch das Erscheinen des Notarztes unterbrochen. Der Beamte Z. selbst führte das Opfer zu diesem. Die Untersuchung dauerte ca. fünf Minuten. Zu beachten ist hierbei, dass der Notarzt das Opfer nur an den frei zugänglichen Stellen untersuchen konnte. Es war dem Opfer nicht möglich, Kleidungsstücke abzulegen, da diese Spurenträger waren. Der Notarzt musste also bei seiner Untersuchung darauf achten, nichts zu kontaminieren. Die Empfehlung des Notarztes, das Opfer rechtsmedizinisch begutachten zu lassen, hat der Zeuge in einer Software dokumentiert und alle Beteiligten darauf hingewiesen. Diese Software ist eine Art Falltagebuch, das allen Beteiligten mit dem Stand der Abarbeitung zur Verfügung steht. Darüber hinaus wird diese im Raum des Führungsstabes per Beamer an die Wand projiziert. Auf die Frage, warum die Untersuchung dennoch nicht durchgeführt wurde, gab der Zeuge an, dass zunächst Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Vordergrund standen und Maßnahmen zur Strafverfolgung daher in den Hintergrund rückten.

Was bedeutet das? An diesem Tag war der Täter frei und musste erkennen, dass sein Tatziel gescheitert war. Sollte er also sein Entführungsopfer aufsuchen, würde er feststellen, dass es geflohen ist. Nun galt es also, das Augenmerk darauf zu richten, dass der Täter der ohnehin schon ausgespähten Familie nicht noch Schaden zufügt, oder sich andere Opfer zur Kompensation der gescheiterten Entführung sucht.

Wie nebenbei erwähnt der Zeuge nun, dass der Notarzt auch einen leichten Schock und eine leichte Unterkühlung diagnostiziert hatte. Das ist insofern interessant, als dass diese Aussage nicht dokumentiert ist. Um es vorweg zu nehmen: Selbst auf mehrfache Nachfrage durch alle Prozessbeteiligten, auch der Verteidigung, bleibt der Zeuge bei dieser Aussage.

Auch Z. gibt nun zu Protokoll, dass er sich nicht erklären könne, warum das Opfer nicht der Rechtsmedizin vorgestellt wurde, es gehöre ganz klar zu einer Standardprozedur.

Die hier geschilderte Erstbefragung fand im Übrigen nicht in einem Vernehmungsraum, sondern im Raum der Führungsgruppe statt. Das heißt, in diesem Raum waren ständig klingelnde Telefone und Personenverkehr. Letzterer wurde auf Anweisung des Leiters der BAO, Herrn Kl., eingeschränkt.

Der nächste Fragenkomplex sollte die Urlaubsreise des Opfers mit seiner Familie kurz nach der Tat erörtern.

Stefan T. wurde nach seiner Selbstbefreiung am 7. Oktober 2012 befragt und reiste am Folgetag mit seiner Familie aus Deutschland ab.

Z. gibt an, noch vor der Reise hierüber informiert worden zu sein. Darüber hinaus sagt Z., dass die Staatsanwaltschaft vor der Abreise gebeten wurde, zu prüfen, ob man die Reise verhindern könne. Fakt ist, man konnte es nicht verhindern. Jedoch kam es am Tag der Abreise zu einer weiteren Vernehmung des Opfers in Berlin. Diese musste allerdings abgebrochen werden, damit die Familie von Stefan T. rechtzeitig das Flugzeug erreichen konnte. Keiner der ermittelnden Beamten war über diesen Umstand glücklich.

Das Aussageverhalten des Beamten Z. ist im Vergleich zu dem vieler anderer Kollegen sehr gut. Er beantwortet die Fragen zügig und äußerst klar.

Vernehmung der Beamtin B.

Gegen 15:00 Uhr erscheint die letzte Zeugin des heutigen Tages. B. ist Polizeibeamtin und war ebenfalls am 7. Oktober 2012 bei der Erstbefragung des Opfers, Stefan T., vor Ort. Nach ihrer Einschätzung war das bereits vom letzten Zeugen beschriebene Papierknäuel nicht nass, sondern trocken und sauber gewesen. Außerdem ist sie sich sicher, dass es Umschläge und keine Briefe waren.

Die nun folgenden Aussagen sorgten für allgemeines Kopfschütteln im Saal.

Die Zeugin gibt an, dass das Opfer einen sehr coolen Eindruck auf sie gemacht hat. Trotz einer leichten Aufgeregtheit von Stefan T. stellt sie sich ein Entführungsopfer anders vor. Er habe sich darüber hinaus als Held dargestellt und dies auch in dem Telefonat mit seiner Familie so artikuliert. Außerdem ist sie verwundert, dass Stefan T. bei dem Telefonat wiederholt sagte, jetzt wird alles anders. Auch das passe nicht zu einem Entführungsopfer. Klar äußerte sie, dass sie nicht den Eindruck hatte, dass das Opfer wie geschildert 33 Stunden im Sumpf gefangen gewesen war.

Das Opfer, Stefan T., war heute nicht anwesend, was wohl in diesem Fall die richtige Entscheidung war. Das gesamte Aussageverhalten der Zeugin lässt auf eine persönliche Aversion der Zeugin gegen Stefan T. schließen. Selbst wenn sie zu diesen Eindrücken gekommen ist, so sind die Wortwahl und ihr Verhalten bei der Aussage respektlos gegenüber dem Opfer.

Auch sein Verhalten in der Erstvernehmung passt nach Meinung der Zeugin nicht zu den geschilderten Vorgängen. Dem Leiter der SoKo, KHK Falk K., sagte sie wörtlich: „Hast du den Quatsch mal gelesen?“ und bezog sich auf die Protokolle der Befragung.

Auf Fragen der Staatsanwaltschaft, ob denn nun am Ende der Ermittlungen alle Zweifel zerstreut seien, gibt die Zeugin an, dass sie nach der BAO nicht der SoKo angehörte und somit die Ermittlungsergebnisse nicht kennt. Sie bezieht sich also lediglich auf ihre Erkenntnisse.

Bemerkenswert und auffällig ist, dass es schon mehrere Polizeibeamte gab, die nur über Halbwissen verfügen, aber der Meinung sind, sie könnten den Fall lösen. Neben dieser Zeugin, der Beamtin B., gehört unter anderem auch KOR Sch. dazu.

Auf die Frage, wie viele Entführungsfälle sie schon bearbeitet hat und wie sich ihrer Meinung nach ein Opfer verhält, gibt sie zu Protokoll, dass sie bisher lediglich einen solchen Fall bearbeitet hat. Bei diesem hat sie die Gegenüberstellung koordiniert und Tätervernehmungen durchgeführt.

Später räumt sie außerdem ein, dass sie in ständigem Kontakt mit KOR Sch. steht – er sei ja ihr Vorgesetzter – und auch über den Prozess mit ihm redet. Sinngemäß sagt sie: „Wir sind uns einig und bleiben bei unseren Aussagen“, was für große Augen auf der Klägerseite sorgte. Sie relativierte schnell, dass sie bei „ihrer Aussage“ bleibe. Bei der nachfolgenden Befragung durch einen Nebenklagevertreter wirkt sie nun sehr patzig, fordert schroff, ausreden zu dürfen und stellt zynische Gegenfragen. Am Ende wird die Befragung unterbrochen und die Zeugin erneut geladen.

Die Verteidigung hat nun die Chance, sich zu dem eingangs erwähnten Beweisantrag zu äußern und lässt diesen offen. Das Gericht lehnt ihn nach kurzer Beratung ab.

Jetzt bekommt Verteidiger Axel W. auf sein Bitten das Wort und verliest einen neuerlichen Beweisantrag. Er möchte zwei Polizisten der Polizeitauchgruppe laden. Diese sollen aussagen, dass sie die Schlüssel des Opfers gefunden haben – das Opfer hatte angegeben, diese in einem unbemerkten Moment ins Wasser fallengelassen zu haben, damit der Täter sie nicht bekommt. Des Weiteren sind die Beamten die Wege im Sumpf abgegangen und haben dabei Erkenntnisse gewonnen, die dem Gericht zugänglich gemacht werden sollten.

Dass diese Ergebnisse den Prozessbeteiligten nicht vorliegen, wirft kein gutes Licht auf die Staatsanwaltschaft, die mehrfach betonte, dass alle Ermittlungsergebnisse vorliegen.

Weiter geht es am kommenden Dienstag, den 27. Januar 2015.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Interne Polizei-Fehde vor Gericht?

Der 43. Verhandlungstag am 16. Januar 2015 beginnt mit der Anhörung der Zeugin Kerstin B., Kriminaloberkommissarin (KOKin). Sie und Kriminaloberrat Matthias Sch., der heute ebenfalls gehört wird, wurden aufgrund der Aussage des Zeugen KOK Lutz B. am letzten Verhandlungstag geladen.

KOKin Kerstin B. erscheint in blauer Polizeiuniform. Dies kann man nahezu als politisches Zeichen werten; da sie aber zurzeit auf dem Polizeirevier Fürstenwalde ihren normalen Polizeidienst verrichtet, ist es ihre ganz normale Dienstkleidung. In vielen Medien wurde spekuliert, dass sie dorthin strafversetzt wurde. Dies stellt die Zeugin während ihrer Aussage richtig. Sie selbst hatte um ein Praktikum dort gebeten.

Interne Polizei-Fehde vor Gericht?

Sie soll heute zu den Aussageumständen aufklären, die der Zeuge Lutz B. am letzten Verhandlungstag dem Gericht mitgeteilt hat. Er hatte damals berichtet, dass die Zeugin Ines B. von der Auswerteeinheit der heutigen Zeugin Kerstin B. mitgeteilt hätte, dass sie auf Veranlassung des K-Leiters Herrn K. bei einem Bericht über den Beschuldigten Mario K. entlastendes Material weglassen sollte. Daraufhin hätte diese den Bericht auch nicht unterschrieben.

KOKin Kerstin B. sagt heute wiederum aus, dass sie in diesem Zusammenhang ein nur sehr kurzes und ohne große Emotion geführtes Gespräch mit Ines B. in ihrem Dienstzimmer gehabt hätte. Im Prinzip handelte es sich um einen Satz, in dem ihr berichtet wurde, dass es einen Bericht gibt, der kein entlastendes Material enthält.

Der Nebenklägervertreter Jakob D. befragt die Zeugin zu diesem Gespräch. Er wundert sich, dass die Zeugin mit dieser Aussage weder zu ihrem Vorgesetzten gegangen ist, noch diesen Punkt in ihren Aussagen bei Gericht erwähnt hatte. Hierzu hat die Zeugin keinerlei Erklärung. Dies ist Jakob D. unverständlich, da sie ja einer Gruppe kritischer Kollegen angehörte, in der sich auch die Beamten Lutz B. und Matthias Sch. befanden. Wenn sie denn die Aussage der Zeugin Ines B. so verstanden hätte, dass es sich hier um ein bewusst angeordnetes, unkorrektes Weglassen von entlastendem Beweismaterial gehandelt hätte, wäre das doch sicherlich ein Fall für die Gruppe der Kritiker gewesen. Daher versteht Jakob D. nicht, dass man dieses Geschehen innerhalb dieser Gruppe nicht diskutiert, es den Vorgesetzten nicht gemeldet oder spätestens vor Gericht davon berichtet hat. Dieses Nichthandeln kann Kerstin B. nicht erklären.

Hiernach hält der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. ihr vor, dass der Zeuge KOK Lutz B. ausgesagt hat, diese Stellungnahme im Herbst 2014 von ihr erhalten zu haben. Sie wiederum entgegnet daraufhin, dass sie Lutz B. dies deutlich früher mitgeteilt hat. Die Zeugin Ines B. war allerdings nur bis Ende 2013 in der SOKO, somit gibt es hier eine Zeitdifferenz von über neun Monaten.

Dr. Panos P. stellt in den Raum, dass wenn Ines B. etwas Unkorrektes hätte machen sollen, sie dieses sicherlich aufgeregter und emotionaler an die heutige Zeugin weitererzählt hätte. Er stellt weiterhin fest, dass die Zeugin Kerstin B. das Gespräch mit Ines B. als nicht so relevant eingestuft hat, wie sie es heute glauben machen will.

Hiernach möchte der Beschuldigtenanwalt Axel W. von der Zeugin den genauen Umstand des Gespräches und der Situation wissen. Auch möchte er erfahren, warum sie nicht bei Ines B. nachgefragt hat. Sie antwortet, dass sie darüber nicht weiter nachgedacht hat.

Der Verteidiger Christian L. möchte nun von ihr über den genauen Informationslauf innerhalb der Dienststelle zu dem hier geführten Prozess wissen. Sie sagt aus, dass der K-Leiter sie einmal darauf angesprochen hatte. Er hatte einen Bericht über ihr Verhalten bei Gericht gelesen, und fand dieses Verhalten nicht gut. Weiterhin möchte Christian L. erfahren, ob Beamte auf ihre Aussage vor Gericht vorbereitet worden sind, worauf die Zeugin sagt, dass es eine Besprechung mit allen, die am Prozess teilnehmen sollten, gab. Diese Besprechung wurde auf Bitten der Beamten angesetzt. Sie selbst hat daran aber nicht teilgenommen. Weiter geht es noch um den eingesetzten Prozessbeobachter der Polizei.

Jakob D. lenkt die Aufmerksamkeit des Gerichts auf den Bd. 116. In diesem befindet sich der Sachstandsbericht vom 22. August 2013 zur Einschätzung der Täterschaft von Mario K. Unter den Anlagen ist auch eine Aufstellung von entlastendem Material sowie Argumente für die Täterschaft von Mario K. Hierzu wird der Verteidiger Axel W. später noch feststellen, dass sich auf dem Sachstandsbericht nicht die Unterschrift von Ines B. befindet.

Wurde eigentlich schon einmal recherchiert, warum Ines B. diesen Bericht nicht unterschrieben hat? War sie vielleicht krank, auf Fortbildung oder eventuell im Urlaub?

Anschließend wird der Zeuge KOR Matthias Sch. gehört. Er ist Leiter der Polizeidirektion und hat insgesamt vier Kommissariate unter sich, unter anderem das Kommissariat der Mordkommission, welches vom KHK Falk K. geführt wird. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, weil Kriminaloberrat Sch. damit Vorgesetzter des Kriminalhauptkommissars Falk K. ist. Diesen Umstand sollte man bei seinen Zeugenaussagen immer berücksichtigen.

Im Tatkomplex gegen das Opfer Stefan T. war er für die Dauer der besonderen Aufbauorganisation (BAO, circa vier Wochen) Leiter der B-Schicht. In der SOKO war er als fester Abwesenheits-Vertreter eingeteilt. Ansonsten hat Matthias Sch. weiter seine Aufgaben als Dezernatsleiter wahrgenommen.

Am Ende seiner Dienstschicht am 7. Oktober 2012 ist er unmittelbar auf das Opfer Stefan T. getroffen und hat auch das erste Gespräch mit ihm geführt. Somit hatte er nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht, alle notwendigen dienstlichen Belange zu veranlassen. Zum Beispiel auch ein gerichtsmedizinisches Gutachten über den Entführten Stefan T.

Dieses wurde bis heute nicht erstellt, obwohl es eine dienstliche Standardmaßnahme ist, beklagt sich der Zeuge KOR Matthias Sch. bei Gericht.

KOR Matthias Sch. hatte Zweifel an der Entführung von Stefan T., insbesondere wegen der fehlenden Unterkühlung. Er hat hierzu bereits am 11. Oktober 2012 mit dem Gerichtsmediziner V. darüber gesprochen. Doch obwohl er diese Zweifel hatte, hat er niemals mit seinem Leiter der SOKO, KHK Lutz B., darüber gesprochen. Warum nicht, kann er nicht erklären. Auch in einer Besprechung mit dem Polizeipräsidenten und seinen Vorgesetzten hat er sich hierzu nicht geäußert.

Warum hat er es nicht selbst veranlasst, als Vorgesetzter des SOKO-Leiters KHK Falk K.?

Dass entlastendes Material aus einem Sachstandsbericht entfernt werden sollte, hat er von der Zeugin KOKin Kerstin B. zwar gehört, sich aber auch nicht weiter darum gekümmert.

Die Befragung zieht sich sehr und verläuft nur schleppend. Dieses Mal liegt es allerdings nicht an der Verteidigung. Stattdessen nimmt sich der Zeuge enorm viel Zeit für die Beantwortung der Fragen. Auch antwortet er so, dass die Verteidigung einfach nachfragen muss.

Matthias Sch. moniert im Zeugenstand, dass er von KHK Falk K., dem Leiter der SOKO, der Matthias Sch. untersteht, nicht korrekt informiert worden ist. Daher sah er sich auch genötigt, mit dem KOK B. zum Oberstaatsanwalt S. zu gehen, um diesem die Widersprüche in der Ermittlung zu erklären. Ein vom Oberstaatsanwalt S. eingeforderter Bericht wurde allerdings bis heute nicht erstellt, hierzu gab es von Matthias Sch. keine Erklärung.

Da die Vernehmung des Zeugen heute nicht beendet werden kann, wird er für den nächsten Verhandlungstag erneut geladen.

Am heutigen Verhandlungstag merkt man deutlich, dass der Prozess durchaus auch für politische und polizeiinterne Querelen genutzt werden soll. In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings nochmals alle Interessenvertreter darauf hinweisen, dass es allein um die Opfer geht, um nichts und niemanden anderes.

Weiterhin wird auch immer wieder das Fallgutachten der Dr. Bettina G. aus Magdeburg im Prozess erwähnt. Der Sachstand hierzu ist, dass die Gutachterin aus Besorgnis bzgl. möglicher Befangenheit und aufgrund höchster Inkompetenz vom Gericht abgelehnt worden ist. Im Weiteren gab es sogar eine Absichtserklärung, sie anzuzeigen, da sie die gesetzlich-formellen Voraussetzungen zur Erstellung eines solchen Gutachtens nicht vorweisen kann. Daher stellt sich mir die Frage, warum dieses Gutachten immer wieder in die Diskussion eingebracht wird? Juristische Gründe können es auf keinen Fall sein!

Bildquelle: © Peter Hebgen  / pixelio.de