“Medien wollten Einfluss auf das Gericht nehmen”

So wie im Titel äußerte sich der Präsident des Oberlandesgerichts Brandenburg, Klaus-Christoph Clavée, anlässlich einer öffentlichen Veranstaltung mit Podiumsdiskussion am 16. März 2016 in Frankfurt (Oder). Veranstalter war die Juristische Gesellschaft Frankfurt (Oder) e. V.

Die Podiumsdiskussionen trug den Titel: „Der Maskenmannprozess – zum Verhältnis von Öffentlichkeit, Medien und Justiz.“ Als Gesprächsteilnehmer waren die Journalisten Beate Bias (Märkische Oderzeitung), Alexander Fröhlich (Potsdamer Neueste Nachrichten) und Andreas Oppermann vom rbb-Studio in Frankfurt (Oder) eingeladen. Weiterhin nahmen teil der Präsident des brandenburgischen Oberlandesgerichts sowie Prof. Dr. Erardo Cristoforo Rautenberg, Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg. Die Moderation wurde von Frau Janine Nuyken, Vizepräsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) übernommen.

“Medien wollten Einfluss auf das Gericht nehmen”

Es waren über 300 Gäste und Zuhörer anwesend, unter ihnen viele mir bekannte Gesichter. An dieser großen Anzahl an Besuchern konnte man deutlich feststellen, dass der „Maskenmann“-Prozess insbesondere in Frankfurt (Oder) von hohem Interesse ist. Im Publikum waren auch sehr viele Behördenvertreter aus Staatsanwaltschaft und Polizei, unter anderem der Nebenkläger-Verteidiger von Louisa P. und der Bruder des durch den Maskenmann angeschossenen Sicherheitsmitarbeiters.

Da ich während meiner 59-tägigen Prozessbeobachtung auch hinreichend viel Erfahrung mit der Presse vor Ort bekommen habe, konnte ich mir diese Veranstaltung natürlich nicht entgehen lassen. Im Übrigen habe ich während des Prozesses nur Beate Bias des Öfteren im Saal gesehen, die beiden andern Journalisten waren nur zwei-, dreimal vor Ort.

Frau Nuyken führte in das Thema ein und forderte die Podiumsteilnehmer auf, doch in kurzen Worten ihre Ansicht zum Massenprozess mitzuteilen. Die Journalisten berichteten, dass sie über den geforderten Freispruch überrascht waren, und dass sie viele Zweifel hatten, insbesondere an der Polizeiarbeit. Der Präsident des brandenburgischen Oberlandesgerichts und der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hatten hingegen das spektakuläre Verbrechen, das dieser Prozess behandelt hat, im Fokus. Deren Eindruck war, dass die Journalisten Partei für den Angeklagten eingenommen haben und nur sie in der Lage wären, den wahren Täter zu präsentieren.

Die Diskussion über diese doch sehr gegensätzlichen Standpunkte ging eine Weile hin und her. Danach wurde das Wort den Zuhörern erteilt. Auch hier waren Wortmeldungen dabei, die die Berichtserstattung sehr einseitig empfunden haben. Unter anderem äußerte sich der Richter B. (Ehemann einer kritischen Polizeibeamtin). Ihm merkte man deutlich an, dass er eine betroffene Person ist. Als Erster sprach er die Namen der am Prozess Beteiligten mit Klarnamen aus. Auch klagte er die Polizeiarbeit – hier namentlich die der Beamten der Sonderkommission – an, die seiner Meinung nach schlechte Ermittlungsarbeit geleistet hatten. Dieser Beitrag war sehr persönlich gefärbt.

Um 18:00 Uhr hatte die Veranstaltung begonnen. Um 19:20 Uhr wurde mir das erste Mal das Wort erteilt. Zu Beginn meines Statements machte ich darauf aufmerksam, dass es eine Stunde und 20 Minuten gedauert hatte, bis wir erstmalig an die Opfer dachten. Das war eine Parallelität zum Prozess. Insbesondere auch durch die Verteidigung und die Journalisten wurde damals keine Rücksicht auf die Opfer genommen, ein Umstand, auf den ich in meinem Blog mehrmals hingewiesen habe.

Meine Fragen an die Journalisten gingen somit ebenfalls in diese Richtung. Mich interessierte zum einen, welche Wahrnehmung sie zu ihrer Berichterstattung hatten. Zum anderen wollte ich erfahren, was sie glauben, welche Folgen die Show des Beschuldigten-Verteidigers Axel W. für die Opfer gehabt haben könnte, denn jedem noch so abstrusen Zweifel der Verteidigung folgte die Presse. Sei es die Unterstellung, dass sich das Entführungsopfer selbst entführt hätte, oder dass die beiden Opferfamilien gemeinsame Sache gemacht hätten. Beide Storys nahm die Presse nahezu ungeprüft auf und verbreitete sie entsprechend. Wie also bewerten die Journalisten das im Nachhinein, mit einigem Abstand? Was glauben die Berichterstatter, hat das mit den Opfern gemacht, sich derartigen Anschuldigungen ausgesetzt sehen zu müssen?

Auf meine Frage antwortete nur Beate Bias mit einem einzigen Satz und sagte sinngemäß, die Opfer wären durch die Presse nicht unanständig behandelt worden.

Dass die Journalisten auf eine an sie gestellte Frage nicht antworten, ist für mich auch eine deutliche Antwort.

Ein im Publikum sitzender Journalist vom rbb trat hingegen erfrischend kritisch auf, stellte entsprechende Fragen an die Podiumsrunde und entwarf Thesen, die durchaus selbstkritisch waren.

Zum Ende der Podiumsdiskussion wartete der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg noch mit einer wichtigen, aber für mich nicht überraschenden Neuigkeit auf: Er hat die Revisionen der Verteidigung und einer Nebenklägerpartei geprüft und inzwischen beim Bundesgerichtshof beantragt, diese Revision vor dem Bundesgerichtshof zu verwerfen. Der Prozess in Frankfurt (Oder) sei korrekt abgelaufen. Diese Entscheidung wiederum obliegt letztendlich dem Bundesgerichtshof.

Auch diese Erklärung stellten einige Journalisten sofort in Frage. Sie avisierten mir, dass sie mich ja dann wieder im Gerichtsaal treffen werden – zur Revisionsverhandlung.

Ich bin gespannt (aber nur ein bisschen).

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.de

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