Interne Polizei-Fehde vor Gericht?

Der 43. Verhandlungstag am 16. Januar 2015 beginnt mit der Anhörung der Zeugin Kerstin B., Kriminaloberkommissarin (KOKin). Sie und Kriminaloberrat Matthias Sch., der heute ebenfalls gehört wird, wurden aufgrund der Aussage des Zeugen KOK Lutz B. am letzten Verhandlungstag geladen.

KOKin Kerstin B. erscheint in blauer Polizeiuniform. Dies kann man nahezu als politisches Zeichen werten; da sie aber zurzeit auf dem Polizeirevier Fürstenwalde ihren normalen Polizeidienst verrichtet, ist es ihre ganz normale Dienstkleidung. In vielen Medien wurde spekuliert, dass sie dorthin strafversetzt wurde. Dies stellt die Zeugin während ihrer Aussage richtig. Sie selbst hatte um ein Praktikum dort gebeten.

Interne Polizei-Fehde vor Gericht?

Sie soll heute zu den Aussageumständen aufklären, die der Zeuge Lutz B. am letzten Verhandlungstag dem Gericht mitgeteilt hat. Er hatte damals berichtet, dass die Zeugin Ines B. von der Auswerteeinheit der heutigen Zeugin Kerstin B. mitgeteilt hätte, dass sie auf Veranlassung des K-Leiters Herrn K. bei einem Bericht über den Beschuldigten Mario K. entlastendes Material weglassen sollte. Daraufhin hätte diese den Bericht auch nicht unterschrieben.

KOKin Kerstin B. sagt heute wiederum aus, dass sie in diesem Zusammenhang ein nur sehr kurzes und ohne große Emotion geführtes Gespräch mit Ines B. in ihrem Dienstzimmer gehabt hätte. Im Prinzip handelte es sich um einen Satz, in dem ihr berichtet wurde, dass es einen Bericht gibt, der kein entlastendes Material enthält.

Der Nebenklägervertreter Jakob D. befragt die Zeugin zu diesem Gespräch. Er wundert sich, dass die Zeugin mit dieser Aussage weder zu ihrem Vorgesetzten gegangen ist, noch diesen Punkt in ihren Aussagen bei Gericht erwähnt hatte. Hierzu hat die Zeugin keinerlei Erklärung. Dies ist Jakob D. unverständlich, da sie ja einer Gruppe kritischer Kollegen angehörte, in der sich auch die Beamten Lutz B. und Matthias Sch. befanden. Wenn sie denn die Aussage der Zeugin Ines B. so verstanden hätte, dass es sich hier um ein bewusst angeordnetes, unkorrektes Weglassen von entlastendem Beweismaterial gehandelt hätte, wäre das doch sicherlich ein Fall für die Gruppe der Kritiker gewesen. Daher versteht Jakob D. nicht, dass man dieses Geschehen innerhalb dieser Gruppe nicht diskutiert, es den Vorgesetzten nicht gemeldet oder spätestens vor Gericht davon berichtet hat. Dieses Nichthandeln kann Kerstin B. nicht erklären.

Hiernach hält der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. ihr vor, dass der Zeuge KOK Lutz B. ausgesagt hat, diese Stellungnahme im Herbst 2014 von ihr erhalten zu haben. Sie wiederum entgegnet daraufhin, dass sie Lutz B. dies deutlich früher mitgeteilt hat. Die Zeugin Ines B. war allerdings nur bis Ende 2013 in der SOKO, somit gibt es hier eine Zeitdifferenz von über neun Monaten.

Dr. Panos P. stellt in den Raum, dass wenn Ines B. etwas Unkorrektes hätte machen sollen, sie dieses sicherlich aufgeregter und emotionaler an die heutige Zeugin weitererzählt hätte. Er stellt weiterhin fest, dass die Zeugin Kerstin B. das Gespräch mit Ines B. als nicht so relevant eingestuft hat, wie sie es heute glauben machen will.

Hiernach möchte der Beschuldigtenanwalt Axel W. von der Zeugin den genauen Umstand des Gespräches und der Situation wissen. Auch möchte er erfahren, warum sie nicht bei Ines B. nachgefragt hat. Sie antwortet, dass sie darüber nicht weiter nachgedacht hat.

Der Verteidiger Christian L. möchte nun von ihr über den genauen Informationslauf innerhalb der Dienststelle zu dem hier geführten Prozess wissen. Sie sagt aus, dass der K-Leiter sie einmal darauf angesprochen hatte. Er hatte einen Bericht über ihr Verhalten bei Gericht gelesen, und fand dieses Verhalten nicht gut. Weiterhin möchte Christian L. erfahren, ob Beamte auf ihre Aussage vor Gericht vorbereitet worden sind, worauf die Zeugin sagt, dass es eine Besprechung mit allen, die am Prozess teilnehmen sollten, gab. Diese Besprechung wurde auf Bitten der Beamten angesetzt. Sie selbst hat daran aber nicht teilgenommen. Weiter geht es noch um den eingesetzten Prozessbeobachter der Polizei.

Jakob D. lenkt die Aufmerksamkeit des Gerichts auf den Bd. 116. In diesem befindet sich der Sachstandsbericht vom 22. August 2013 zur Einschätzung der Täterschaft von Mario K. Unter den Anlagen ist auch eine Aufstellung von entlastendem Material sowie Argumente für die Täterschaft von Mario K. Hierzu wird der Verteidiger Axel W. später noch feststellen, dass sich auf dem Sachstandsbericht nicht die Unterschrift von Ines B. befindet.

Wurde eigentlich schon einmal recherchiert, warum Ines B. diesen Bericht nicht unterschrieben hat? War sie vielleicht krank, auf Fortbildung oder eventuell im Urlaub?

Anschließend wird der Zeuge KOR Matthias Sch. gehört. Er ist Leiter der Polizeidirektion und hat insgesamt vier Kommissariate unter sich, unter anderem das Kommissariat der Mordkommission, welches vom KHK Falk K. geführt wird. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, weil Kriminaloberrat Sch. damit Vorgesetzter des Kriminalhauptkommissars Falk K. ist. Diesen Umstand sollte man bei seinen Zeugenaussagen immer berücksichtigen.

Im Tatkomplex gegen das Opfer Stefan T. war er für die Dauer der besonderen Aufbauorganisation (BAO, circa vier Wochen) Leiter der B-Schicht. In der SOKO war er als fester Abwesenheits-Vertreter eingeteilt. Ansonsten hat Matthias Sch. weiter seine Aufgaben als Dezernatsleiter wahrgenommen.

Am Ende seiner Dienstschicht am 7. Oktober 2012 ist er unmittelbar auf das Opfer Stefan T. getroffen und hat auch das erste Gespräch mit ihm geführt. Somit hatte er nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Pflicht, alle notwendigen dienstlichen Belange zu veranlassen. Zum Beispiel auch ein gerichtsmedizinisches Gutachten über den Entführten Stefan T.

Dieses wurde bis heute nicht erstellt, obwohl es eine dienstliche Standardmaßnahme ist, beklagt sich der Zeuge KOR Matthias Sch. bei Gericht.

KOR Matthias Sch. hatte Zweifel an der Entführung von Stefan T., insbesondere wegen der fehlenden Unterkühlung. Er hat hierzu bereits am 11. Oktober 2012 mit dem Gerichtsmediziner V. darüber gesprochen. Doch obwohl er diese Zweifel hatte, hat er niemals mit seinem Leiter der SOKO, KHK Lutz B., darüber gesprochen. Warum nicht, kann er nicht erklären. Auch in einer Besprechung mit dem Polizeipräsidenten und seinen Vorgesetzten hat er sich hierzu nicht geäußert.

Warum hat er es nicht selbst veranlasst, als Vorgesetzter des SOKO-Leiters KHK Falk K.?

Dass entlastendes Material aus einem Sachstandsbericht entfernt werden sollte, hat er von der Zeugin KOKin Kerstin B. zwar gehört, sich aber auch nicht weiter darum gekümmert.

Die Befragung zieht sich sehr und verläuft nur schleppend. Dieses Mal liegt es allerdings nicht an der Verteidigung. Stattdessen nimmt sich der Zeuge enorm viel Zeit für die Beantwortung der Fragen. Auch antwortet er so, dass die Verteidigung einfach nachfragen muss.

Matthias Sch. moniert im Zeugenstand, dass er von KHK Falk K., dem Leiter der SOKO, der Matthias Sch. untersteht, nicht korrekt informiert worden ist. Daher sah er sich auch genötigt, mit dem KOK B. zum Oberstaatsanwalt S. zu gehen, um diesem die Widersprüche in der Ermittlung zu erklären. Ein vom Oberstaatsanwalt S. eingeforderter Bericht wurde allerdings bis heute nicht erstellt, hierzu gab es von Matthias Sch. keine Erklärung.

Da die Vernehmung des Zeugen heute nicht beendet werden kann, wird er für den nächsten Verhandlungstag erneut geladen.

Am heutigen Verhandlungstag merkt man deutlich, dass der Prozess durchaus auch für politische und polizeiinterne Querelen genutzt werden soll. In diesem Zusammenhang möchte ich allerdings nochmals alle Interessenvertreter darauf hinweisen, dass es allein um die Opfer geht, um nichts und niemanden anderes.

Weiterhin wird auch immer wieder das Fallgutachten der Dr. Bettina G. aus Magdeburg im Prozess erwähnt. Der Sachstand hierzu ist, dass die Gutachterin aus Besorgnis bzgl. möglicher Befangenheit und aufgrund höchster Inkompetenz vom Gericht abgelehnt worden ist. Im Weiteren gab es sogar eine Absichtserklärung, sie anzuzeigen, da sie die gesetzlich-formellen Voraussetzungen zur Erstellung eines solchen Gutachtens nicht vorweisen kann. Daher stellt sich mir die Frage, warum dieses Gutachten immer wieder in die Diskussion eingebracht wird? Juristische Gründe können es auf keinen Fall sein!

Bildquelle: © Peter Hebgen  / pixelio.de

Comments are Disabled