Auf Kosten der Opfer: Verteidigung zieht Prozess grotesk in die Länge

Der 56. Verhandlungstag am 22. Mai 2015 ist nicht der spektakulärste, wie hernach etwa eine Zeitung aus Berlin titelt, sondern einer der traurigsten. Grund für diese Einschätzung ist das erneut schon fast menschenunwürdige Gebaren des Verteidigers von Mario K., Rechtsanwalt Axel W., der wiederum keinerlei Bedenken hat, das Leiden der Opfer durch jedwedes Mittel unnötig zu verlängern.

Das Vorgeschehen: Schon am 55. Verhandlungstag (11. Mai 2015) werden auf Drängen und Veranlassung der Verteidigung drei Verhandlungstage gestrichen, nämlich jene am 13., am 18. und am 20. Mai. Genau in diesem Zeitraum, am 16. Mai 2015, erscheint in der Samstagsausgabe der Zeitung “Tagesspiegel” ein umfänglicher Bericht über neue Indizien und Widersprüche im „Maskenmann“-Prozess. Insbesondere möchte die Zeitung herausgefunden haben, dass es einen anderen Täter geben könnte, nämlich den ehemaligen Hubschrauberpiloten der Polizei Brandenburg, Andreas K.

Auf Kosten der Opfer: Verteidigung zieht Prozess grotesk in die Länge

In einem ungewöhnlich langen Bericht werden etliche mögliche Indizien, die für eine Täterschaft von Andreas K. sprechen, erläutert. Dass Andreas K. allerdings für die fragliche Zeit, in der das Opfer Stefan T. am 6. Oktober 2012 entführt worden ist, mehrere Alibis hat, wird darin nur am Rande erwähnt. Viel wichtiger ist der Redaktion stattdessen, den Fokus auf ein Detail zu lenken, das die damalige Ehefrau von Andreas K. nannte. Sie äußerte nämlich auf Nachfrage, dass ihr Mann in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober gegen 3:00 Uhr oder 4:00 Uhr zum Dienst herausgeklingelt wurde. Daran kann sie sich besonders gut erinnern, weil so etwas selten vorkommt. Ihr Mann hatte ihr beim Abschied erzählt, dass er wegen einer Entführung zum Dienst müsste. Diesen Fakt stellt weder die Zeitung noch Verteidiger Axel W. in Frage.

Dabei wäre es doch recht einfach, zu prüfen, was Andreas K. vor 3:00 Uhr oder 4:00 Uhr gemacht haben könnte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er nach seinem Dienst abends nach Hause gekommen ist und vielleicht etwas gemeinsam mit seiner Frau gegessen, dann noch ein wenig Fernsehen geschaut hat, um danach zu Bett zu gehen. Wäre der Ablauf anders gewesen oder wäre Andreas K. erst nachts um 1:00 Uhr oder 2:00 Uhr nach Hause gekommen, so hätte sich seine Ehefrau sicherlich auch an dieses Detail erinnert. Da sie Derartiges allerdings nicht mitteilt, bleibt es bei dem erwähnten, dem einzigen ungewöhnlichen Vorkommnis in der nämlichen Nacht vom 5. auf den 6. Oktober. Und wenn nun aber Andreas K. seinen Abend tatsächlich so ähnlich wie beschrieben verbracht hat, wie soll er dann gleichzeitig gegen 21:30 Uhr Stefan T. entführt haben? Allein durch dieses Alibi scheidet Andreas K. als Täter aus.

Leider wurde dieser Sachverhalt weder in dem Zeitungsartikel noch heute im Gerichtssaal thematisiert.

Geschrieben wurde der Zeitungsartikel von der Journalistin Renate Rost. Eine Person mit diesem Namen habe ich an keinem der 55 Prozesstage – und auch heute nicht – im Gerichtssaal gesehen. Daher sei die Frage erlaubt: Gibt es überhaupt eine Journalistin mit diesem Namen oder wird hier unter einem Synonym geschrieben? Aber unter welcher Motivation? Auch vom “Tagesspiegel” waren nicht an jedem Verhandlungstag Journalisten im Gerichtssaal anwesend. Viele der Informationen in diesem Artikel können auch nicht aus dem Prozess stammen, sondern müssen teilweise Wissen aus Ermittlungsakten oder sonstige interne Information sein.

Den Vorwurf der Nebenkläger, dass Axel W. mit der Presse zusammengearbeitet haben soll, wird durch diesen empört abgelehnt.

Großes Medieninteresse am – vermeintlich – letzten Prozesstag

Heute sind mehr als 20 Medienvertreter und über 20 Zuschauer im Gerichtssaal. Der für 9:30 Uhr angesetzte Prozesstag beginnt jedoch erst um 10:48 Uhr. Denn nachdem die Verteidiger des Beschuldigten Mario K. allesamt volle 30 Minuten zu spät kommen, suchen sie im Gerichtssaal unverzüglich ihren Mandanten auf, um, wie Axel W. später berichtet, ihren Mandanten über den oben genannten Zeitungsartikel zu informieren. Axel W. entschuldigt sich nachfolgend bei allen Prozessbeteiligten für die Verspätung mit der Begründung der „Wichtigkeit“.

Wenn es denn so wichtig gewesen wäre, hätte die Verteidigung etwa eine Woche Zeit gehabt, ihren Mandanten im Gefängnis aufzusuchen und diesen zu informieren, schließlich ist der Artikel bereits am 16. Mai erschienen. War es also wirklich die „Wichtigkeit“ oder doch eine erneute Verzögerung und Ablenkung von Axel W.?

Nachdem der Vorsitzende Richter den Prozesstag endlich eröffnen kann, stellt Axel W. umgehend einen Antrag. Er weist bei dieser Gelegenheit darauf hin, dass es der besondere Wunsch seines Mandanten ist, keine Hilfsbeweisanträge, sondern Hauptbeweisanträge zu stellen. Dieses hätte die Konsequenz, dass das Beweisverfahren erneut eröffnet werden müsste.

Die Besonderheit an diesem Vorgehen ist, dass der Verteidiger hier explizit nicht erwähnt, dass dieser Antrag sein Wunsch ist. Stattdessen weist er – speziell und einmalig in diesem Prozess – darauf hin, dass es der Wunsch seines Mandanten sei. Doch was ist hierbei die Motivation von Axel W.? Denn, wenn er den wahren Schuldigen kennt, darf er natürlich keine unschuldige Person mit der Täterschaft belasten. Das wäre nicht standesgemäß.

Axel W. fordert in seinem 25-seitigen Antrag, den Hubschrauberpiloten Andreas K. als möglichen Täter in Betracht zu ziehen.

Wenn doch der Verteidiger gerade erst von seinem Mandanten diesen Wunsch erfahren hat, wie kann er dann so schnell einen 25-seitigen Antrag erstellen?

Der Antrag beinhaltet die Vernehmung weiterer Zeugen und listet eine Summe von Indizien auf. Beispielhaft soll hier kurz auf das Indiz eingegangen werden, dass die Handynummern von Andreas K. in den Funkzellen der Tatorte eingeloggt waren. Denn hierbei ist augenfällig, dass der Wohnort von Andreas K. genau in der Mitte zwischen den Tatorten Bad Saarow und Storkow liegt. Ein Umstand, den Verteidiger Axel W. geflissentlich außen vor lässt, der jedoch eine plausible Erklärung für das Einloggen in die Funkzellen darstellen könnte.

Nachdem Axel W. mit dem Verlesen seines Antrages am Ende angekommen ist, möchte der Rechtsanwalt des Opfers Stefan T., Dr. Panos P., eine Stellungnahme abgeben. Er fordert, den Antrag der Verteidigung abzulehnen, da es keinerlei Veranlassung dazu gibt, diesem zu folgen. Er sagt, dass gegen Andreas K. niemals ein Anfangsverdacht bestand, da er ein entsprechendes Alibi vorweisen kann. Des Weiteren gibt er zu bedenken, dass die Verteidigung diesen Antrag schon längst hätte stellen können. Doch das tat sie nicht, weil ihr Plan scheinbar dem Ziel folgt, den Prozessverlauf zu verzögern und durch diesen Antrag eine Verschleierung hinsichtlich des wahren Beschuldigten Mario K. zu bewirken. Dr. Panos P. schildert nochmals detailliert die Aussagen seines Mandanten Stefan T. zu einigen Passagen der Entführung. Dieses Raster belegt, dass die Anwesenheit von Andreas K. am Ablageort des Entführten durch die oben aufgeführten Alibis nicht möglich war.

Kurz vor 12 Uhr gibt der Rechtsanwalt Dr. Jakob D., Nebenklägervertreter von Petra P., seine Stellungnahme zu dem Antrag der Verteidigung ab. Auch er fordert, diesen abzulehnen. Er kritisiert das taktische Vorgehen der Verteidigung und unterstellt ihr, dass sie sich mit Teilen der Presse abgesprochen hat.

Des Weiteren weist Dr. Jakob D. auf die verwirrende Vorgehensweise der Verteidigung hin: Mal unterstellt sie dem Opfer Stefan T., dass die Tat gegen ihn nicht stattgefunden habe, mal werden immer wieder andere mögliche Täter in den Prozess eingeführt. Der Rechtsanwalt fragt daher, was denn nach Ansicht der Verteidigung eigentlich tatsächlich vorgefallen sein soll. Das Vorgehen der Verteidigung bezeichnet er als dreist und grenzwertig, weil bewusst falsche Angaben gemacht werden, etwa in Bezug auf den Einsatz der Wärmebildkamera. Dr. Jakob D. bewertet das Verhalten von Axel W. als großen PR-Gag, wie er das nur aus Amerika kennt.

Zu diesen Stellungnahmen möchte der Verteidiger Axel W. natürlich eine Gegenstellungnahme abgeben, wofür er um eine längere Pause bittet, die das Gericht ihm gewährt. 45 Minuten Zeit erhält der Anwalt des Beschuldigten Mario K.

Es wundert dann allerdings niemanden, dass der Prozess nicht – wie zu erwarten gewesen wäre – um 12:45 Uhr fortgeführt wird, sondern erst fast zweieinhalb Stunden später!

Axel W. stellt in seiner Gegenstellungnahme schließlich fest, dass die Statements der Nebenklägervertreter Dr. Panos P. und Dr. Jakob D absurd seien. Er verweist nochmals auf die Daten der Telefonfunkzellen – natürlich ohne darauf hinzuweisen, dass der Pilot Andreas K. mitten zwischen den Tatorten wohnt.

Zudem beantragt er, die Familie P. und Stefan T. als Zeugen zu diesem Sachverhalt zu hören. Dieses wiederum wird durch die Nebenkläger prompt abgelehnt.

Nach einer Beratungspause gibt das Gericht am frühen Nachmittag bekannt, dass sämtliche Anträge der Verteidigung abgelehnt werden. Das Gericht sieht keinerlei Anhaltspunkte zu einer möglichen Täterschaft von Andreas K. Hierauf bittet die Verteidigung nochmals um eine Pause, um diesen neuen Sachverhalt mit ihrem Mandanten Mario K. zu besprechen und die weitere Vorgehensweise festzulegen.

Nach einer fast einstündigen Pause gibt die Verteidigung bekannt, dass sie aus der Ablehnung der Anträge keine besonderen Konsequenzen ziehen möchte. Trotzdem beantragt man, die DNS-Spuren, die am Ablageort von Stefan T. festgestellt wurden, mit weiteren möglichen Personen abzugleichen. Hiernach fordert der Vorsitzende Richter den Verteidiger Axel W. auf, mit seinem Plädoyer zu beginnen.
Doch stattdessen teilt Axel W. überraschend mit, dass sein Mandant Kopfschmerzen habe und der Verhandlung nicht mehr folgen könne.

Wenn ein Mensch Schmerzen an einem bestimmten Körperteil hat, fasst er sicherlich automatisch an die schmerzende Stelle. Ich habe jedoch während des gesamten Verhandlungstages nicht einmal beobachten können, dass sich der Beschuldigte Mario K. an den Kopf gefasst hat.

Dennoch unterbricht das Gericht die Verhandlung und legt die Fortführung nun auf den 4. Juni 2015 fest, an dem Axel W. dann sein Plädoyer halten muss. Doch dieser teilt dem Gericht mit, dass sein Kollege Christian L. am 4. Juni keine Zeit habe und fragt, ob man diesen Tag nicht ausfallen lassen könne. Sichtlich nicht begeistert von diesem erneuten Verzögerungsantrag weist der Richter darauf hin, dass zum Halten eines Plädoyers die Anwesenheit lediglich eines Verteidigers vollkommen genüge.

Ich glaube nicht, dass Axel W. sein Plädoyer heute tatsächlich halten wollte. Denn erneut hat der Verteidiger bewiesen, dass er – auf Kosten der Opfer – ein Meister der Verzögerung und Verschleppung ist. Nicht allein inhaltlich, durch die fragwürdige Anwendung von Rechtsmitteln, sondern auch praktisch, denn die Liste der Verspätungen führt er mit Abstand an.

Bildquelle: Stefan Bisanz

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