Weitere Befragung der Kriminaloberkommissarin – Blogger soll in den Zeugenstand
Heute, am 6. März 2015 – dem 48. Prozesstag – ist erneut die Zeugin Kriminaloberkommissarin (KOKin) Yvonne B. geladen. Sie trägt einen dezenten, schicken grauen Hosenanzug und bringt eine große Flasche Wasser mit.
Der Verteidiger Axel W. führt seine Befragung vom letzten Verhandlungstag fort und fragt erneut nach der Mediation, in der K-Leiter K. mitgeteilt haben soll, dass Stefan T. eine Person des öffentlichen Lebens ist und daher nicht gegen ihn vorgegangen werden soll.
Hierauf antwortet die Zeugin vorab, dass sie beim Stab Recht ihrer Polizeidienststelle nachgefragt hat, inwieweit ihre Aussagegenehmigung zu diesem Komplex das Antworten erlaubt. Es wurde eindeutig festgestellt, dass sie keine Angaben zu dem Thema Mediation machen darf, da dieses eine rein innerpolizeiliche Angelegenheit ist.
Eigentlich wäre jetzt alles gesagt. Doch die Zeugin bietet an, eine veröffentlichte Presseantwort des damaligen Polizeipräsidenten Feurig vorzulesen.
Eigentlich wäre jetzt alles gesagt. Doch die Zeugin bietet an, eine veröffentlichte Presseantwort des damaligen Polizeipräsidenten Feurig vorzulesen.
Obwohl die Zeugin mitgeteilt hat, dass sie zu diesem Komplex keine Antworten geben darf, hat der Verteidiger Axel W. fünf weitere Nachfragen. Diese werden nicht von der Zeugin beantwortet.
Hiernach beginnt der Beschuldigtenanwalt Christian L. seine Fragen und befragt die Zeugin zunächst zu Einträgen im Lagebericht. Hier gibt es Unterschiede zwischen dem Inhalt des Lageberichts und verschiedener Zeugenaussagen. Die Zeugin teilt wiederum mit, dass sie sich zu diesem Komplex, insbesondere zu dem Lagebericht, nicht äußern darf. Doch auch Christian L. fragt trotz dieser deutlichen Hinweise weiter nach. Axel W. fragt nun ebenfalls zu diesem Komplex nach und äußert sein Unverständnis darüber, dass die Inhalte der Lageberichte hier nicht vorgetragen werden dürfen.
Die einfache Aussage der Zeugin „ich darf dazu nichts sagen“ würde Klarheit schaffen und der Zeugin helfen. Doch die KOKin Yvonne B. lässt sich durch die geschickte Fragestellung der Verteidigung immer wieder dazu verleiten, weitere Bruchstücke mitzuteilen.
Mich wundert, dass sich nun herausstellt, dass die Zeugin die kompletten Lageberichte in Kopie mit dabei hat. Warum bringt man Schriftstücke mit ins Gericht, zu denen man keine Aussagegenehmigung hat?
Die Verteidigung möchte nun, dass die Zeugin aus den mitgebrachten Lageberichten vom 6. bis 18. Oktober 2012 zum Tatkomplex Stefan T. vorliest. Auch der Vorsitzende Richter fragt jetzt zu den ermittlungsrelevanten Punkten nach. Die Zeugin bietet an, nochmals bei ihrer Dienststelle und dem Stab Recht telefonisch nachzufragen, was sie zu diesem Komplex aussagen darf. Daraufhin unterbricht der Vorsitzende Richter den Prozess, um der Zeugin Gelegenheit für ein Telefonat zu geben.
Nach 20 Minuten Pause teilt die Zeugin als Ergebnis ihres Anrufes mit, dass sie nicht aus den Lageberichten vorlesen darf. Daraufhin zieht sich das Gericht zur Beratung zurück.
Dann gibt das Gericht folgenden Beschluss bekannt: Der komplette Lagebericht der Polizei, der sich in den Händen der Zeugin KOKin Yvonne B. befindet, wird als Beweismittel beschlagnahmt. Der Lagebericht soll dann als Beweismittel verlesen werden, weil er Auskunft über polizeiliche Ermittlungsergebnisse und Erkenntnisse zum 7. Oktober 2012 geben soll.
Daraufhin übergibt die Zeugin dem Gericht den Lagebericht.
Beim Rückkehren vom Richtertisch zum Zeugenplatz kann sie ein „Gewinnerlächeln“ nicht unterdrücken.
Nachdem der Bericht zehnmal kopiert wurde und auch der Beschuldigte ein Exemplar erhalten hat, liest das Gericht Eintrag für Eintrag vor. Nach circa 40 Minuten ist der Vorsitzende Richter damit fertig. Danach beginnt Axel W. mit der weiteren Befragung.
Die Zeugin wird gefragt, ob jemand von ihrer Dienststelle zwischen dem letzten Verhandlungstag und dem heutigen auf sie zu gekommen sei. Dieses wird verneint. Des Weiteren fragt der Verteidiger nach dem Auswertesystem, wiederum mit der genauen Bezeichnung. Hierauf bestreitet die Zeugin KOKin Yvonne B., dass sie dieses System genannt hat. Dies ist insofern richtig, als dass die genaue Nennung des Systems durch den Rechtsanwalt Axel W. vorgenommen wurde und die Zeugin Yvonne B. diese Namen bestätigt hat. Auch das war schon verboten. Die Zeugin gibt an, dass es ihre Aussagegenehmigung nicht gestattet, sich zu diesem System zu äußern.
Weiter möchte Axel W. von der Zeugin wissen, ob sie in den Vernehmungen zum Tatkomplex Petra P. in der Aussage von Petra P. gelesen hätte, dass sie bei dem Täter ein abgeknicktes Ohr gesehen hat. Dies ist ihr nicht bekannt.
Axel W. fragt, ob in den Tatkomplexen Luisa P. und Thorsten H. auch gegen andere Verdächtige und in andere Verdachtsrichtungen ermittelt wurde. Dies wird von der Zeugin bestätigt und auf die Frage, welche Verdächtigen und welche anderen Richtungen in Augenschein genommen worden sind antwortet sie, dass zum Beispiel gegen einen Pferdepfleger, einen Rohrbauer, einen Metallbauer und auch in Richtung des sozialen Umfelds von Torsten H. ermittelt wurde sowie gegen einen ehemaligen Polizeibeamten.
Diese anderen Verdachtsrichtungen wurden nach und nach aufgegeben, da zum Beispiel der ehemalige Polizeibeamte ein Alibi hatte und andere Richtungen sich als nicht tragbar erwiesen.
Durch die Verteidigung werden noch einige Bereiche durchstochert. Die Zeugin hat zu allen keine klare Antwort, aber immer eine Erklärung, allerdings jedes Mal mit der Einschränkung „aber ich weiß es ja nicht“.
Kurz vor Mittag ist die Vernehmung der Zeugin beendet.
Nun macht das Gericht noch eine Bekanntgabe: Die richterlichen Kammermitglieder werden am 8. und 9. April 2015 in der Justizakademie des Landes Brandenburg an einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema Kindstötung teilnehmen. An dieser Tagung werden auch Staatsanwälte und Polizeibeamte aus dem Bereich Frankfurt (Oder) teilnehmen. Das Gericht weist darauf hin, dass untereinander keinerlei Gespräche geführt werden.
Bevor nun der Verhandlungstag geschlossen werden kann, trägt der Rechtsanwalt Christian L. noch zwei Beweisanträge vor.
Als erstes möchte er noch einen weiteren Polizeitaucher als Zeugen hören. Dieser ist innerhalb des Tatkomplexes Stefan T. bei der Absuche nach dem Hausschlüssel, den das Opfer Stefan T. bei seiner Entführung nahe des Steges hat ins Wasser fallen lassen, dabei gewesen.
Insbesondere geht es um die Aussage des Zeugen Stefan T. bezüglich der Wassertiefe an dieser Stelle. Er hatte als Höhe „hüfthoch“ genannt. Der noch zu ladende Zeuge soll aussagen, dass es hier etwas über „kniehoch“ war.
Der zweite Beweisantrag beinhaltet den Wunsch, den ö.b.u.v. Sachverständigen für Personenschutz Stefan Bisanz als Zeugen zu vernehmen.
Hier geht es insbesondere um seinen Blogeintrag zum sechsten Verhandlungstag am 5. Juni 2014. In diesem Blog wird die wörtliche Rede des Beschuldigten zitiert. Christian L. sieht hier ein Zusammenhang zu weiteren Aussagen des Opfers Stefan T.
Zu beiden Anträgen möchte die Partei der Nebenkläger eine Stellungnahme an einem der nächsten Verhandlungstage abgeben.
Welchen Beitrag ich an dieser Stelle zur Wahrheitsfindung beitragen kann, ist mir in diesem Moment auch noch nicht klar.
Bildquelle: Stefan Bisanz
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