Firma Gegenbauer aus Berlin stellt mehrfach vorbestraften Gewalttäter Mario K. ein
Zum 15. Verhandlungstag sind fünf Medienvertreter und fünf Zuschauer in den Gerichtssaal gekommen.
Mit einem schon fast anekdotischen Hinweis eröffnet das Gericht den Prozesstag: Es wird darauf hingewiesen, dass der Arzt von Stefan T., der ihn nach dessen Flucht auch wegen eines Beinbruchs behandelt hatte, derzeit leider nicht erreichbar ist. Denn zurzeit weilt der Arzt in Brasilien und wird demnächst auch noch im Fernsehen zu sehen sein, da er an der Sendung „Die Bachelorette“ teilnimmt.
Nichts Neues aus dem Jobcenter
Nach dieser Information wird der Zeuge A., Abteilungsleiter im Jobcenter Berlin, weiter vernommen. Es ist bereits der zweite Termin. Hierbei werden verschiedene Termine zwischen 2010 und Ende 2012 durchgesprochen, die der Angeklagte im Jobcenter wahrgenommen hat.
Es offenbart sich dabei schnell ein Widerspruch dahingehend, welche Termine der Angeklagte persönlich wahrgenommen, und wann er nur schriftlich etwas eingereicht hat. Der Zeuge A. kann darauf zwar zunächst nicht Sinn gebend antworten und erklärt sogar, dass er sich eventuell geirrt habe. Er besteht allerdings darauf, dass seine heutige Aussage, entgegen der damaligen Vernehmung bei der Polizei, die richtige sei. Der Anwalt des Beklagten fragt zwar weiter beharrlich nach, aber der Zeuge hält sich stur an seine Aktenlage.
Hier prallt nun Beamtentum auf Anwaltschaft.
Letztendlich teilt die Kammer ihren Beschluss mit: Es sollen die Leistungsakte vom Jobcenter Berlin-Lichtenberg sowie PC-Ausdrucke und Nachweise zur Krankschreibung des Angeklagten Mario K. angefordert werden.
Danach werden zwei weitere Zeugen gehört: Eine Verkäuferin und ein Zeuge aus Strausberg, der einen Campingladen hat und dem Angeklagten eine Luftmatratze verkaufte.
Zum Verhalten der Polizei bei der Vernehmung der Verkäuferin bemängelt der Anwalt von Mario K., Axel W., dass der Zeugin zuerst eine Fotoserie ausschließlich mit Bildern des Angeklagten vorgelegt wurde. Erst mit der zweiten Fotoserie wurden ihr Bilder mit unterschiedlichen Menschen gezeigt, auf denen sie eine bestimmte Person erkennen sollte. Dass sie den Angeklagten nach Vorlage der ersten Fotoserie erkennt, ist laut Axel W. nur zu logisch. Diese Vorgehensweise der Polizei befremdet den Anwalt sehr.
Im Zeugenstand: Die Bewährungshelferin von Mario K.
Auch die Bewährungshelferin von Mario K. wird als Zeugin gehört. Seit Februar 2010 war er bei ihr unter Führungsaufsicht. Sie berichtet, dass er alle Auflagen des Gerichts erfüllt, aber mit ihr nie über persönliche Dinge gesprochen hat. Er hatte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem Staat. Ihr gegenüber war er korrekt, freundlich, aber zurückhaltend, weil er nichts preisgeben wollte. Sie berichtet vom System der Führungsaufsicht. Einmal im Monat muss sich der Entlassene bei ihr persönlich melden.
Was alle Anwesenden verwundert, ist, dass man sich unter Führungsaufsicht mit einer Anschrift im Ausland abmelden kann und dann auch die monatliche Meldung bei der Bewährungshilfe entfällt. Die Anschrift, die der Proband angibt, wird nicht überprüft. Es kann auch ein Brief- oder E-Mailkontakt vereinbart werden.
Firma Gegenbauer stellt Gewalttäter Mario K. ein – und missachtet eigene Regeln
Der nächste Zeugenblock ist insbesondere für Sicherheitsbeauftragte und Sicherheitsfirmen interessant.
Hierbei handelt es sich um drei Zeugen der Firma Gegenbauer aus Berlin, die unter anderem Dienstleistungen in den Bereichen Sicherheit und Reinigung anbietet. Für diese Firma hat der Angeklagte vom November 2012 bis März 2013 im so genannten Winterdienst gearbeitet. Die Niederlassungsleiterin aus Berlin, Sabine P., erinnert sich daran, dass zu dieser Zeit eine hohe Nachfrage herrschte und die Einstellungen von Mitarbeitern sehr zügig durchgeführt wurden.
Der Angeklagte Mario K. war zu dieser Zeit aufgrund mehrfacher Verurteilungen schon mehrere Jahre in der JVA gewesen und darüber hinaus – wie oben aufgeführt – unter Führungsaufsicht. Eine Überprüfung der Mitarbeiter fand in der Firma Gegenbauer nicht statt. Das ist insbesondere erwähnenswert, weil die Firma Gegenbauer eine Sicherheits-Tochterfirma hat und somit die Standards bei Einstellungen unbedingt kennen sollte. Hier werden Grundsätze in der eigenen Firma nicht beachtet, die aber den Kunden der Firma Gegenbauer empfohlen werden.
Es wird nun der Service Manager der Firma Gegenbauer, Herr K. gehört. Er hatte sich seinerzeit unter anderem mit Mario K. unterhalten und erinnert sich noch heute an eine Aussage. Damals sagte ihm Mario K. „dass die Reichen zu reich sind und man denen mal alles wegnehmen sollte, um deren Geld dann unter allen aufzuteilen.“
Diese Ausspruch ist, im Hinblick auf einen anderen Entführungsfall aus dem März 2006 in Köln, bei dem der Enkel von Herrn B., Eigentümer des Sicherheitsunternehmens W. I. S., entführt wurde, bemerkenswert und vielsagend. Wie sich herausstellte, waren die Entführer bei einer Reinigungsfirma angestellt, die als Subunternehmer für die W. I.S. arbeitete. Über diese Arbeit haben sie entsprechende Informationen über die Inhaberfamilie erlangt.
Auch in diesem Fall wäre es dem Angeklagten Mario K. möglich gewesen, mehr Informationen über die Familie Gegenbauer zu erlangen. Deshalb ist eine Überprüfung von Mitarbeitern unbedingt notwendig und, wie ich meine, bei Sicherheitsfirmen unabdingbar. Hieraus entsteht eine unmittelbare Gefahr für die Eigentümer, Familie Gegenbauer. Ich bin gespannt, ob Herr Gegenbauer über diese Vorgehensweise Bescheid weiß.
Zu diesem Zeugenkomplex gibt der Anwalt des Beklagten, Axel W., noch einen Hinweis an das Gericht. Er teilt mit, dass der Angeklagte Mario K. am 24. Oktober 2012 ein Bewerbungsgespräch bei der Firma Gegenbauer hatte. Zwei Tage vorher, am 22. Oktober 2012, wurde er durch die Polizei zu Sachverhalten, die hier im Prozess verhandelt werden, vernommen.
Mit diesem Hinweis möchte der Anwalt Zweifel dahingehend streuen, dass ein wirklicher Schuldiger, der erst am 22. Oktober zu Taten vernommen wird, die er angeblich begangen haben soll, sich niemals zwei Tage später bei einem Arbeitgeber vorstellt – und das auch noch in Tarnhose. Wenn man diesen „Zweifeln“ folgen wollte, bedeutet das, dass man dem Täter, beziehungsweise dem Beschuldigten, eine Logik unterstellt. Jedoch: Es gibt keine Täterlogik!
Denn gäbe es eine Täterlogik, würde der Beschuldigte diese Taten erst gar nicht begehen! Ich stelle immer wieder fest, dass Nicht-Beschuldigte ihr eigenes Logikermessen Tätern und Beschuldigten überstülpen wollen. Das ist einfach nicht möglich!
Hiernach wird das Vorstrafenregister des Beklagten ausführlich vorgetragen. Ich möchte es kurz zusammenfassen:
- 1992: verurteilt wegen unerlaubten Schusswaffen- und Munitionsbesitzes
- 1992: versuchter Diebstahl und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung; Gesamtstrafe der zwei Delikte: Ein Jahr und drei Monate auf zwei Jahre und sechs Monate Bewährungszeit
- 1998: gefährliche Körperverletzung in vier Fällen im Zusammenhang mit unerlaubtem Waffenbesitz. Hier wurde er durch eines seiner Opfer mit seiner eigenen Waffe dreimal angeschossen, jeweils links und rechts in den Oberschenkel und ins rechte Knie. Strafmaß: drei Jahre und neun Monate
- 2003 / 2004: Brandstiftung und Diebstahl in mehreren Fällen; Strafmaß: fünf Jahre und drei Monate
- März 2012: wegen Bedrohung 120 Tagessätze zu 15 Euro
Erinnern wir uns an dieser Stelle an eine frühere Aussage des Opfers Stefan T. im Prozess: Stefan T. berichtete, dass der Täter, der ihn entführt hatte, einmal sagte, wenn die Entführung nicht klappen und er erwischt würde, ginge er lebenslang in den Knast. Bei einem Täter mit dem oben aufgeführten Vorstrafenregister wäre das so.
Erfolgloser Womanizer
Als weiterer Zeugenblock werden jetzt vier Damen gehört. Alle vier hatten Verabredungen mit Mario K. Die Vorgehensweise seitens Mario K. war bei allen vier Frauen nahezu identisch: Er sprach alle vier Frauen von sich aus und sehr spontan, „rein zufällig“ an. Er war in der Lage, mit den Frauen sehr schnell Handynummern auszutauschen und sich auch sehr schnell, oftmals noch für denselben oder für den nächsten Tag, zu verabreden. Man trank gemeinsam einen Kaffee oder ein Glas Wein, manchmal bei den Frauen zuhause, manchmal in einem Restaurant oder im Bistro. Mitunter gab es Annäherungsversuche, die in unterschiedlichen Maßen erwidert wurden. Doch bei allen vier Damen gab es kein weiteres Treffen, da sie alle ein ungutes Gefühl hatten.
Es lässt sich also durchaus ein Muster im Anspracheverhalten des Angeklagten Mario K. gegenüber Frauen erkennen. Auch ein bestimmter Frauentyp ist erkennbar, denn alle wirken eher unscheinbar.
Welches Kindheitstrauma der Angeklagte Mario K. hier verarbeitet, wird sicher noch der psychologische Sachverständige in seiner Beurteilung gegen Ende des Prozesses erläutern.
Der nächste Verhandlungstag findet am 31. Juli 2014 statt.
Bildquelle: Stefan Bisanz
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