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Das Attentat auf Tochter Louisa P. und Personenschützer Torsten H.

Auch am vierten Prozesstag, am 15. Mai 2014, ist der Medienandrang verhältnismäßig hoch, wobei sich die Medienvertreter vor allem vor dem Saal aufhalten. Grund ist das Erscheinen des Zeugen Torsten H., der Opfer der Schussattacke des „Maskenmannes“ wurde und heute querschnittsgelähmt ist. Die Journalisten versuchen, noch vor Prozessbeginn Statements von ihm zu bekommen.

Torsten H. ist davon unbeeindruckt und wirkt insgesamt erstaunlich gefasst. Er versteckt sich weder bei seiner Ankunft noch im Gebäude selbst. Auch verzichtet er auf Sonnenbrille oder andere ihn verdeckende Utensilien. Er bewegt sich in seinem Rollstuhl schon vor Prozessbeginn offen im Gebäude, während die Journalisten sogar vor dem Behinderten-WC, welches sich direkt gegenüber dem Saal befindet, auf ihn warten. Doch der Begleiter von Torsten H. wimmelt sämtliche Presseanfragen ab.

Das Attentat auf Tochter Louisa P. und Personenschützer Torsten H.

Schon deutlich vor Prozessbeginn begibt sich Torsten H. dann in den Saal und wartet.

Zum Erscheinungsbild: Torsten H. ist sportlich gekleidet, in einer Jeans und einer Trainingsjacke. Aus beiden Ärmeln schauen riesige Tattoos hervor, die bis auf den Handrücken gestochen sind. Auch am Hals scheinen zwei Tattoos oberhalb der Jacke durch.

Auch die Zuschauer in der komplett belegten letzten Reihe sind stark tätowiert und muskulös gebaut, was die Annahme zulässt, dass es sich hier um Kollegen und Freunde von Torsten H. handelt. Wüsste ich es nicht besser, würde ich meinen, ich bin in einem Rocker-Prozess.

Auftakt in den Verhandlungstag

Um9:35 Uhr betreten die Prozessbeteiligten den Saal. Fünf Minuten später erscheint der Angeklagte, der wieder sein Gesicht mit einem Hefter schützt, denn noch sind Kameras im Saal. Nachdem sich diese entfernt haben, betreten auch die Opfer und Zeugen Petra P. und ihre Tochter Louisa P. den Saal. Erneut ist das Entführungsopfer Stefan T. heute nicht anwesend.

Der Richter beginnt den Prozess mit Formalien, die aufgrund der Bombendrohung vom Montag verlesen werden müssen.

Anschließend kommt Torsten H. in den Zeugenstand. Auf Anraten der Staatsanwaltschaft verlässt Louisa P. während der Befragung den Saal. Man möchte offensichtlich vermeiden, dass die Verteidigung den Vorwurf der Aussagenabsprache anbringen kann.

Angeschossener Personenschützer sagt aus

Torsten H. arbeitete – wie er berichtet – circa zwölf Jahre nebenberuflich in der Sicherheitsbranche. Er hat hier sowohl als Selbständiger, als auch für die Firma THE Security Company GmbH & Co. KG gearbeitet, vor allem an Türen von Clubs und Diskotheken in Berlin und Brandenburg. Im Übrigen hat er hier auch temporär und einsatzbedingt eine Schutzweste getragen. Im Auftrag bei der Familie P. sei dies nicht erforderlich gewesen, obschon er über eine verfügt.  

In der Befragung soll sich der heute 33-jährige Torsten H. zunächst zum eigentlichen Auftrag äußern. Außerdem will man wissen, wie man ausgerechnet auf das Unternehmen gekommen sei, für das er arbeitet.

Wie die THE Security Company GmbH & Co. KG den Auftrag erhalten habe, wisse er nicht. Allerdings sei es für ihn ein Auftrag wie jeder andere gewesen. Ziel des Auftrags war die Objektabsicherung und die Begleitung der Personen, wenn sie nicht im Objekt waren.

Eine Bewaffnung war nicht nötig, weil, so Torsten H., die Polizei die Lage andernfalls anders eingeschätzt hätte und selbst tätig geworden wäre.

Eine aus meiner Sicht interessante Aussage von Torsten H. Denn die Lageeinschätzung hat durch die Personenschützer zu erfolgen, die Einschätzung der Polizei ist nur ein weiteres Hilfsmittel. Dies gilt auch bei der Wahl der Einsatzmittel, in diesem Fall der Waffe.

Torsten H. berichtet weiterhin, dass das Unternehmen das Objekt jeden Tag 24 Stunden betreut hat, wobei die Schichten von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr und 20:00 Uhr bis 8:00 Uhr eingeteilt waren.

In besagter Nacht hat Torsten H. Dienst mit seinem Bruder versehen. Es gab keine Auffälligkeiten rund um den Tattag. Allerdings erinnert er sich, dass Louisa P. ihm sagte, sie hätte schon seit einer Woche kein Wild mehr auf dem Weg zur Koppel gesehen, was ungewöhnlich sei.

Das Attentat

Es beginnt mit dem Weg zur Koppel, den Louisa P. und Torsten H. gemeinsam gehen. Die Zeiten für die Verbringung der Pferde sind im Übrigen immer gleich gewesen, lediglich die Koppel änderte sich. Nachdem die Pferde auf der Koppel waren, machten sich beide auf den Rückweg. Davon, dass eines der Pferde weggelaufen war, wie Petra P. am ersten Tag geschildert hatte, war bei Torsten H. keine Rede.

Auf dem Rückweg haben beide eine Abkürzung durch den Wald genommen. Louisa P. ging etwas vor Torsten H. Plötzlich drehten sich beide aufgrund eines unguten Gefühls zeitgleich um. Das Gefühl, so beschreibt Torsten H., bestand darin, dass er sich beobachtet wähnte. Ein Geräusch oder Ähnliches sei allerdings nicht der Auslöser gewesen.

Sofort erblickten beide beim Umdrehen den Täter. Louisa P. stand zwei bis drei Meter hinter ihrem Personenschützer, abgewandt vom Täter. Der Täter wiederum war sieben bis neun Meter von Torsten H. entfernt und sagte: „Stehen bleiben oder ich schieße dir in den Kopf.“

Torsten H. verringerte dennoch den Abstand zum Täter und ging auf diesen zu. Anschließend forderte der Täter Louisa P. mit den Worten „Leg Dich hin Mädchen.“ auf, sich klein zu machen. Sie kniete sofort nieder. Torsten H. sah das und forderte sie wiederum auf, aufzustehen. Als Grund hierfür gibt er an, dass man mit einer liegenden Schutzperson nicht arbeiten könne.

Torsten H. versuchte weiter, auf den Täter einzuwirken, verringerte zunehmend den Abstand und redete auf den Täter ein, sagte Dinge wie „mach keinen Scheiß“, „beruhige Dich“. Torsten H. steht nun zwischen Louisa P. und dem Täter.

Plötzlich ruft der Personenschützer zu Louisa P.: „Lauf los!“, worauf der Täter die Waffe durchlädt und sofort auf Torsten H. schießt.

Torsten H. erinnert sich, dass der Täter in seinem Auftreten sehr sicher und wie ein geübter Schütze wirkte, so wie er mit der Waffe umgegangen ist. Insbesondere zwischen dem Fertigladen der Waffe – Torsten H. ist sich sicher, dass die Waffe teilgeladen war, sich also noch keine Patrone im Patronenlager befand – und dem Schuss gab es keinen Zeitverzug.

Torsten H. ist sich sicher in seiner Einschätzung, dass der Täter nicht zum ersten Mal auf Menschen geschossen hat.

An dieser Stelle der Anhörung wird es emotional: Torsten H. nennt den Täter eine „feige Sau“, weil er ihm in den Rücken geschossen habe. Er sei sich sicher, dass ein so geübter Schütze auch auf die Beine hätte schießen können. Diese Einlassung wiederholt Torsten H. mehrfach. Er glaubt, dass der Täter ihn lediglich „aus dem Weg“ schießen wollte.

Eine Reaktion des Angeklagten bleibt aus. Ohnehin stelle ich fest, dass der Angeklagte die Befragung ungerührt zur Kenntnis nimmt, aber auch keineswegs den Blickkontakt scheut.

Die grausame Bilanz der Tat

Torsten H. dachte zunächst, er sei von einem Taser – einer Elektroschockpistole – getroffen worden, weil es sich anfühlte wie ein Elektroschock. Er sackte sofort zusammen, nahm aber noch zwei weitere Schüsse wahr. Nachdem er am Boden lag, nahm er sein Handy und telefonierte zunächst mit dem Chef seines Sicherheitsunternehmens, dann mit der 110 und anschließend mit seinem Bruder.

Danach habe er sich selbst in die stabile Seitenlage gelegt, seine Mütze neben sich und darauf sein Handy platziert und mithilfe der Freisprechfunktion telefoniert, damit „die Lichter nicht ausgehen“. Circa zehn bis zwölf Minuten nach der Tat war sein Chef bei ihm. Wo der Täter in der Zeit verblieben ist, kann Torsten H. nicht sagen.

Torsten H. erlitt einen Lungendurchschuss, einen Lebertreffer und einen Treffer an der Wirbelsäule. An der Verletzung der Leber wäre Torsten H. beinahe gestorben.

Heute sind die physischen Einschränkungen offensichtlich, auch psychisch ist die Tat noch nicht überwunden.

Kritische Fragen an den Personenschützer

Unter den nun folgenden Fragen des Richters findet sich auch jene brisante, die klären soll, ob Torsten H. Mitglied in der „Brotherhood Kurmark“, einer Rockergruppe, war. Hierzu verweigert Torsten H. allerdings die Aussage, wenngleich er die Frage, ob die Tat damit zu tun haben könnte, mit einem klaren Nein beantwortet. Er begründet sein Veto damit, dass er am fraglichen Abend ursprünglich für den Einsatz an einer Tür in Neuruppin eingeplant war und der Auftrag bei Familie P. kurzfristig kam.

Die Frage der Staatsanwaltschaft, warum Torsten H. die Waffe so klar beschreiben kann, beantwortet dieser mit seiner Bundeswehrerfahrung sowie mit der Mitgliedschaft in einem Schützenverein. Zudem interessierte die Staatsanwaltschaft der Dialekt des Täters, den Torsten H. als einheimisch, also Berlinerisch / Brandenburgisch wahrgenommen hat.

Die konkrete Frage, ob der Angeklagte der Täter gewesen sein könnte, beantwortet Torsten H. mit den Worten: „Das ist nicht auszuschließen.“ Ein klares Ja gibt es nicht.

Nach dem Sachverständigen hat nun die Verteidigung die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Wie in den vorherigen Tagen versucht sie, Abweichungen zwischen den heutigen Aussagen und den Prozessakten aufzuzeigen. Und tatsächlich muss Torsten H. einräumen, dass er erst weit nach der Tat Mitglied in besagtem Schützenverein wurde.

Das Attentat aus Sicht der Louisa P.

Heute wird nun erstmals auch Louisa P. befragt. Schon nach den ersten Worten fragt der Richter, ob das Mikrofon an sei oder sie nur näher heranrücken müsse. Mein unmittelbarer Eindruck war, dass Louisa P. im Gegensatz zu ihrer Mutter Petra P. nur sehr schwer zu den Taten Stellung nehmen kann. Ohne Louisa P. zu kennen, behaupte ich, dass die psychischen Auswirkungen enorm sind. Ihre Stimme ist leise und gebrochen, die Körpersprache recht ängstlich.

Trotzdem äußert sie sich zum Tathergang, den sie wie folgt schildert:

Louisa P. bekräftigt zunächst die Aussage von Torsten H., dass sie circa eine Woche vor der Tat kein Wild auf den Koppeln gesehen hat, was ihr ungewöhnlich erschien. Auch bestätigt sie die Beschreibung des Hinwegs. Darüber hinaus gibt sie an, dass die Pferde auf dem Weg zur Koppel ungewöhnlich nervös waren, was sie allerdings nun doch wieder auf Wild zurückführt.

Bevor Louisa P. und Torsten H. zur Koppel gegangen sind, hat sie „den Jungs wie immer“ um 6:50 Uhr noch Kaffee gebracht. An dieser Stelle offenbart sich im Übrigen ein aus meiner Sicht unprofessionelles Verhalten: Denn dem Vernehmen nach hat also ein persönliches Verhältnis bestanden. Schutzperson und Personenschützer sind zu dicht beieinander was die Konzentration des Personenschützers beeinträchtigen kann.

An die von Torsten H. geschilderte Abkürzung beim Rückweg kann Louisa P. sich nicht erinnern. Auch weicht ihre den Rückweg betreffende Äußerung ab von der Version des Torsten H. So meint Louisa P., dass die beiden nebeneinander gegangen seien. Sie wisse sogar noch, dass ihr der Personenschützer von der anstehenden Gartenarbeit erzählt habe.

Sie berichtet des Weiteren, dass Torsten H. wohl plötzlich stehen geblieben sein muss, was sie erst zwei, drei Meter später bemerkte. Sie drehte sich um und erblickte den Täter, der sich auf beide zu bewegte.

In der weiteren Beschreibung des Tathergangs gibt es Abweichungen von der Version von Torsten H. Louise P. erzählt, dass Torsten H. sie nicht nach der Aufforderung des Täters „leg Dich hin, Mädchen“ zum Aufstehen bewegt habe. Vielmehr habe er sie sofort aufgefordert, wegzulaufen. (Auch ist sie der Meinung, der Täter hätte einen Helm aufgehabt sowie ein Netz, eine Gaze vor dem Gesicht.)

Im Weglaufen sah sie aber noch, wie Torsten H. nach dem ersten Schuss zusammensackte. Sie rannte weiter und hatte das Gefühl von dem zweiten Schuss getroffen worden zu sein, was sie mit einem lauten Knall und dem Spüren einer Druckwelle begründet. Einen dritten Schuss hörte sie nicht, allerdings sah sie gut einen Meter vor sich Sand aufspritzen, was von einem dritten Schuss hätte herrühren können. Sie lief weiter und wurde kurz vor dem Haus von dem Bruder von Torsten H. aufgenommen. Kurz danach fiel Louisa P. in Ohnmacht.

Im Anschluss an die Anhörung werden durch die Anwälte diverse Fragen an Louisa P. gestellt, wobei erneut das Bestreben der Verteidigung augenscheinlich wird, der Zeugin bezüglich der Aussagen in den Prozessakten Widersprüche nachzuweisen.

Schlussendlich offenbart Louisa P. auf die Frage, wie sich das Attentat auf sie ausgewirkt hat, dass die Familie über ein Jahr in Todesangst gelebt hätte. Sie persönlich müsse sich zudem vorwerfen, dass ihretwegen nun ein Mann im Rollstuhl sitzt.

Damit endet die Befragung von Louisa P., der weitere Nachmittag war der Befragung rund um die Erstellung der Phantomzeichnung vorbehalten. Dabei haben die verantwortlichen Behörden nicht sonderlich geglänzt, was allerdings noch im Verlaufe des Prozesses beleuchtet werden wird, sodass ich den Bericht an dieser Stelle für heute schließe.

Aus der Sicht des Personenschützers

Als Sachverständiger für Personenschutz erachte ich an diesem Prozesstag jedoch folgende Dinge als besonders erwähnenswert:

Als auch Louisa P. gefragt wird, warum das Unternehmen mit dem Schutz beauftragt wurde und wer dies getan hat, erläutert sie, dass diese Entscheidung durch ihren Bruder getroffen worden sei. Dieser habe sich aufgrund der Dringlichkeit nach der Tat gegen die gemeinsame Mutter bewusst für ein ortsansässiges Unternehmen entschieden. Hier muss ich darauf hinweisen, dass ein kleiner Ort wie Storkow, circa 30 Minuten mit dem Fahrzeug von Berlin entfernt, mangels entsprechenden Angebots und Wettbewerbs nicht die Personenschutz-Kompetenz an Firmen aufweisen kann wie etwa die benachbarte Großstadt.

Ebenso spannend ist die Antwort von Louisa P. auf eine Frage des Gerichts, dass die Schutzmaßnahmen eigentlich schon wieder eingestellt werden sollten. Die Maßnahme begann nach dem 22. August 2011, die zweite Tat ereignete sich am 2. Oktober 2011, zwischen beiden Ereignissen liegt also nur etwas mehr als ein Monat.

Als Grund für diese Überlegung erläutert Louisa P., dass Personenschutzmaßnahmen einen erheblichen Eingriff in die persönliche Freiheit bedeuten und ein normales Leben mit einer solchen Maßnahme nicht möglich sei. Diese Äußerung ist insofern verwunderlich, weil durch das Attentat ein noch ein viel schlimmerer Eingriff in die persönliche Freiheit vorgefallen ist. Louisa P. ist seit drei Jahren traumatisiert. Genau so etwas sollen Personenschutzmaßnahmen verhindern.

Der nächste Prozesstag ist der 19. Mai 2014, am 20. Mai geht es hier im Blog weiter.

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.de

Bombendrohung beendet „Maskenmann“-Prozess

Mit einer Bombendrohung endet auf spektakuläre Weise der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den „Maskenmann“. Zuvor ergibt eine Zeugenbefragung, dass der Täter wohl über den See auf das Grundstück der Familie P. gelangte.

Auftakt zum dritten Prozesstag

Der Saal wird geöffnet, die Zuschauer strömen hinein. Neben vier Print-Journalisten ist auch ein Kamerateam dabei. Von den Prozessbeteiligten fehlt einzig das Opfer Stefan T.

Der Beschuldigte Mario K. wird in Handschließen und in Begleitung von vier Justizbeamten vorgeführt. Er macht wieder einen gepflegten und ruhigen Eindruck und wirkt – wie auch den ganzen Prozess bisher – ziemlich teilnahmslos. Bis zu dem Moment, als er das Kamerateam bemerkt. In diesem Moment ergreift er schnell einen grünen Hefter und verdeckt damit sein Gesicht. Neben dem Ordner führt er außerdem einen Laptop mit sich und erhält von seinem Anwalt einen Speicher-Stick, auf dem wohl alle Dokumente gespeichert sind.

Kurz nach der Eröffnung der Verhandlung durch das Gericht betreten die Opfer Petra P. und ihre Tochter Louisa P. etwas verspätet den Gerichtssaal. Auch heute wirkt Petra P. selbstsicher, fast schon forsch, wohingegen Louisa P. wieder bedrückt erscheint.

Bombendrohung beendet „Maskenmann“-Prozess

Brutale Gewalt

Als erster Zeuge wird nochmals ein Rettungssanitäter befragt, der sich um die medizinische Versorgung des Opfers Petra P. gekümmert hat, aber zum Tathergang keine neuen Erkenntnisse beitragen kann. Anschließend wird der Sachverständige der Rechtsmedizin, Doktor K., gehört. Er beurteilt die Verletzungen, die er unmittelbar nach der chirurgischen Versorgung von Petra P. begutachtet hat.

Der Rechtsmediziner hat sieben große Verletzungen festgestellt, zusätzlich noch Abwehrverletzungen an Händen und Armen. Er bestätigt, dass die Schläge mit einer sehr hohen Schlagintensität durchgeführt worden sind. Akute Lebensgefahr bestand für das Opfer jedoch nicht.

Während dieser Schilderung ist Mario K. wie immer absolut teilnahmslos, während Petra P. ihn intensiv mustert. Louisa P. zeigt bei den Ausführungen zu den Verletzungen ihrer Mutter teilweise einen schmerzhaften Gesichtsausdruck. Und bei der Inaugenscheinnahme der Bilder am Richtertisch bleibt Louisa P. auf ihrem Platz, während alle anderen Beteiligten nach vorne gehen.

Daraufhin werden von allen Seiten durch die Anwälte erneut Fragen gestellt, wobei es um die eventuelle Lebensgefahr für das Opfer geht, um die Anzahl der Verletzungen und um das Schlagwerkzeug.

Der Täter näherte sich über den See

Im Anschluss werden drei Zeugen gehört, die ihren Wohnsitz ebenfalls am See haben, genau gegenüber dem Haus der Familie P. Diese berichten Folgendes vom Tatabend des 22. August 2011, ab etwa 23:00 Uhr:

Alle haben ihr Schlafzimmer zur Seeseite. Daher haben sie vor dem Zubettgehen auf dem See einen schnellen Schwimmer wahrgenommen. Dieser hätte sich sehr schnell paddelnd oder rudernd fortbewegt, schneller als ein Boot. Die Zeugen vermuten, dass er auf irgendetwas gelegen hat, eventuell auf einem Surfbrett oder auf einem Untersatz mit Motor, denn sein Oberkörper schien recht weit aus dem Wasser herauszuragen. Allerdings hörte wohl niemand ein Geräusch. Weil er aber so schnell erschien und sein Umriss so kräftig wirkte, muss er – wie die Zeugen mutmaßen – sehr gut trainiert gewesen sein.

Ein Zeuge nahm an, der Schatten auf dem See wäre ein Dieb, der die Motoren der anliegenden Boote stehlen wollte. Der Zeuge rief zwar die Polizei, welche aber nicht gekommen ist.

Des Weiteren hörte ein anderer Zeuge, wie sich zehn Minuten nach der Szenerie auf dem See ein Motorrad wegbewegte.

Der Rechtsanwalt von Mario K. versucht nun – wie auch bei der Befragung des Opfers Petra P. an den ersten Prozesstagen – alle drei Zeugen durch intensive Befragung und durch Veränderung des Wortlautes und der Wortstellung zu verunsichern. Auch fragt er diese, ob sie an jenem Abend Alkohol zu sich genommen hätten. Zwei der Zeugen reagieren sehr genervt auf diese Art der Befragung und der Richter versucht seinerseits zu vermitteln.

Akute Gefahr im Gerichtssaal

Plötzlich eilt um 11:15 Uhr ein Justizbeamter schnellen Schrittes zum Richtertisch und flüstert dem Vorsitzenden ins Ohr. Daraufhin unterbricht der Richter die Sitzung und bittet die Anwesenden, aus dem Saal zu gehen, was auch umgehend geschieht. Kurze Zeit müssen alle Personen auch das Gebäude vollständig verlassen. Um 11:45 Uhr beendet der Richter vor dem Gerichtsgebäude die Hauptverhandlung endgültig.

Eine Bombendrohung, die die Justizbeamten als ernst einstufen, ist eingegangen. Eine Verhandlungsfortführung ist an diesem Tage nicht mehr möglich. Somit geht es im Gericht weiter am Donnerstag, den 15. Mai 2014, hier im Blog am 16. Mai.

Bildquelle: I. Rasche / pixelio.de

Zweifel am Täter? Rechtsanwälte setzen Opfer unter Druck

Am zweiten Verhandlungstag, dem gestrigen Donnerstag, steht insbesondere die Befragung des Opfers durch die Anwälte des Täters im Vordergrund. Die vom mutmaßlichen Täter Mario K. brutal zusammengeschlagene Petra P. wird dabei stark unter Druck gesetzt. Das offenkundige Ziel der Anwälte ist, Zweifel an der Täterschaft zu evozieren. Doch Petra P. bleibt stark.

Tapfere Zeugen?

Circa 15 bis 20 Zuschauer, außerdem drei Print-Journalisten sowie ein Hörfunk-Reporter haben sich im Gerichtssaal eingefunden. Zudem sitzen zwei Justizbeamte im Saal, und in der letzten Reihe sind drei Sitzplätze für das Landeskriminalamt (LKA) reserviert. Diese werden später durch zwei Personenschützer des LKA besetzt.

Zweifel am Täter? Rechtsanwälte setzen Opfer unter Druck

Als um 10:00 Uhr die Nebenklägervertreter mit den Opfern Petra P. und ihrer Tochter Louisa P. eintreffen, fällt sofort auf, dass Petra P. einen sehr gepflegten und gefassten Eindruck macht. Louisa P. hingegen wirkt sehr müde und teilnahmslos. Das dritte Opfer, Stefan T., verbirgt sich erst hinter einer dunklen Sonnenbrille, redet sehr viel mit seinen Anwälten und dem psychologischen Gutachter. Er macht ebenfalls einen aufgeräumten Eindruck. Bald schon tauscht er die Sonnenbrille gegen eine normale Gleitsichtbrille.

Nachdem die Rechtsanwälte des Täters mit Verspätung eintreffen, kommt auch der vermeintliche Täter Mario K. hinzu, der mittlerweile einen Vollbart sowie eine Brille trägt und längst nicht mehr so sportlich erscheint wie zu seiner Festnahme.

Die erste Frage, die sich mir an diesem Tage stellt: Warum tun sich die (tapferen) Opfer die Präsenz in diesem Prozess an? Die psychische Belastung dürfte enorm hoch sein, regelmäßig und in kurzen Abständen auf den mutmaßlichen Peiniger zu treffen.

Verunsicherung durch Insistieren

Direkt zu Beginn fahren die Rechtsanwälte von Mario K. mit der Befragung von Petra P. fort. Der Rechtsanwalt tastet sich zunächst vorsichtig heran. Petra P. ist sehr ernst. Es geht um die Schlagfolge und um die Beschreibung des Täters sowie um mögliche Motive und die weißen Blitze, die das Opfer gesehen haben will.

Dabei ist schon jetzt deutlich zu spüren, dass der Rechtsanwalt Petra P. durch Wiederholung der gestellten Frage, auch in anderer Wortwahl und Reihenfolge, zu verunsichern versucht. Petra P. hält standhaft dagegen.

Der Beschuldigte Mario K. schreibt ab und zu mit und schaut die Opfer kaum an. Meistens blickt er zum Gericht.

Nun fragt der Rechtsanwalt Opfer und Zeugin Petra P. nach den Vernehmungen der Polizei im Klinikum und bei ihr zu Hause. Er will wissen, wann, wo und in welcher Reihenfolge ihr die einzelnen Täterfotos vorgelegt worden sind. An dieser Stelle wird offensichtlich: Er will Petra P. verunsichern. Das Gericht versucht zu vermitteln, doch Petra P. bleibt stark. Sie sagt absolut selbstsicher, dass sie den Täter auf dem Foto sofort erkannt hat.

Auch im Fortgang der Befragung bleibt es das Ziel der Anwaltschaft, Zweifel zu streuen. Jetzt geht es um mögliche Motive für die brutale Tat. Obwohl Petra P. sich weder eventuelle Feinde herleiten oder Motive erklären kann, versucht der Anwalt, mögliche Tatverdächtige zu benennen und so Zweifel an der Schuld seines Mandanten herbeizuführen. Neben einem ehemaligen Hausangestellten, etwaigen Bauarbeitern auf der Straße oder Handwerkern, die auf dem Grundstück etwas repariert haben, führt der Anwalt auch frühere Geschäftskontakte des Ehemannes von Petra P. als mögliche Täter ins Feld. Nach Meinung des Anwalts kommen offenbar alle möglichen Kontakte, die die Familie hatte – insbesondere Petra P. – als denkbare Täter in Frage.

Mario K. scheint währenddessen teilnahmslos. Er streicht sich mit dem Daumen durch seinen Bart, die Ellbogen sind auf den Tisch gestützt.

Jetzt beginnt der zweite Rechtsanwalt des Beschuldigten Mario K. seine Befragung, wirkt dabei allerdings deutlich weniger souverän und angriffslustig. Unter anderem möchte er erfahren, ob die Familie P. immer noch Personenschutzmaßnahmen erhält, was Petra P. bestätigt. Außerdem lebe sie, als weitere Sicherheitsmaßnahme, nicht mehr am früheren Wohnort. Zwischenzeitlich ist sie nach Berlin umgezogen.

Nach dem Auftritt der Rechtsanwälte von Mario K. am Vormittag des zweiten Verhandlungstages sind zwei Stoßrichtungen schon klar erkennbar: Erstens geht es ihnen darum, mögliche andere Tatverdächtige zu benennen, um somit die Täterschaft von Mario K. anzweifeln zu können. Zweitens zielen sie darauf ab, die Arbeit der Ermittlungsbeamten zu kritisieren.

Tapfere Zeugin!

Während der Rechtsbeistand des Täters Zweifel schüren will, bleibt Petra P. felsenfest bei ihrer Aussage. Diese bestätigt sie erneut, als auch der Richter noch einmal nachfragt. Er will von ihr wissen, warum sie Mario K. nach dem ersten Verhandlungstag so intensiv angeschaut habe. Petra P. antwortet – erneut sehr sicher –, dass sie Mario K. als Täter klar erkannt habe: an der Kopfform, an Augen und Mund sowie an seiner Statur. Um selbst nochmals ganz sicher zu gehen, habe sie ihn am ersten Prozesstag lange gemustert, um sich dann bestätigt zu sehen. Auch auf die Frage der Staatsanwalt zur Personenbeschreibung des Täters antwortet Petra P., dass sie den Täter zweifelsfrei erkannt hat.

Im Gegensatz zu der durchaus tapferen und selbstbewusst wirkenden Zeugin Petra P., fällt auf, dass deren Tochter Louisa P. mit den im Gerichtssaal besprochenen Angelegenheiten innerlich zu kämpfen hat. So ist bei einer Inaugenscheinnahme am Richtertisch, bei der Täterfotos betrachtet werden, auffällig, dass Luisa P. ganz allein und mit Abstand zur Gruppe steht. Ihre Arme sind verschränkt und sie beißt sich auf die Lippen. (Anmerkung: Der mutmaßliche Täter hatte in einem Anschlag gegen Louisa P. auf sie und ihren Personenschützer geschossen und Letzteren schwer verletzt. Louisa P. kam mit dem – bleibenden – Schrecken davon.)

„Knallzeugen“

Als „Knallzeugen“ werden Personen bezeichnet, die auf einen Tathergang akustisch aufmerksam werden, diesen aber nicht tatsächlich mitverfolgen, sondern erst nach der Tat vor Ort sind oder hinsehen. Nichtsdestoweniger können übrigens auch „Knallzeugen“ zu Opfern werden, da auch sie nach der Tat von Angst vor derlei Verbrechen geprägt sein können.

Eine „Knallzeugin“ ist die Haushälterin der Familie P., Frau E. Bei ihrer Befragung, sagt sie aus, dass sie sich zum Tatzeitpunkt in ihrem Haus direkt neben dem Haus der Familie P. befand. Sie wollte gerade ins Bett gehen, da habe sie die Hunde bellen und Schreie gehört. Unverzüglich lief sie zum Haus der Familie P. Auf dem Weg zum Haupteingang sah Frau E. an einer Ecke eine dunkle Gestalt weggehen, danach fand sie im Hausflur die verletzte Petra P. Zum Täter konnte sie kaum bis keine Angaben machen.

Louisa P. schaut die Zeugin bei ihrer Aussage gebannt und sehr intensiv an.

Es werden anschließend sechs weitere Zeugen aus der Nachbarschaft gehört, die die Aussagen von Petra P. im Wesentlichen bestätigen. Sie alle haben zwar nichts gesehen, sind aber durch die Schreie von Petra P. auf das Verbrechen aufmerksam geworden und sofort zum Haus der Familie P. gelaufen. Hier konnten sie jedoch nicht auf das Grundstück, da das Tor verschlossen war.

Nur eine Zeugin hat eine besondere Beobachtung gemacht: Auf dem Weg zum Haus der Familie P. nahm sie den Lichtkegel einer Taschenlampe war. Diese Beobachtung ziehen die Anwälte von Mario K. umgehend durch wiederholtes und mehrfaches Nachfragen in Zweifel.

Zündstoff

Kurz nach 16:00 Uhr endete der Verhandlungstag, und zurück bleibt der Eindruck, dass in diesem Prozess noch viel Zündstoff liegt. Die Rechtsanwälte des mutmaßlichen Täters geben alles daran, Mario K. zu entlasten, die Zeugin Petra P. hingegen ließ sich weder am ersten noch am zweiten Prozesstag in ihrer Aussage beirren.

Weitere Opfer und Zeugen werden in den nächsten Verhandlungstagen gehört werden. Spannend wird außerdem die noch zu besprechende Rolle des privaten Sicherheitsdienstes, der Familie P. und insbesondere Louisa P. zu schützen hatte.

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.de

Hohe Medienpräsenz beim Prozessauftakt | Opfer und Zeugin sagt aus

Der Andrang ist enorm: Neben N24, ZDF, BILD und DPA sind am 05. Mai 2014, beim Auftakt des Prozesses gegen den „Maskenmann“ viele weitere Medien vertreten. Die avisierten 28 Plätze für die Presse werden fast vollständig ausgeschöpft.

Der Angeklagte wird von zwei Anwälten und einer Anwaltsgehilfin begleitet. Auf Seiten der Anklage sitzen zwei Vertreter der Staatsanwaltschaft, die drei Opfer und Nebenkläger – Petra P., ihre Tochter Luisa P., und das Entführungsopfer Stefan T. – nebst ihren juristischen Vertretern und einem Gutachter.

Dem Angeklagten werden fünf Taten vorgeworfen: Die erste zum Nachteil von Petra P., drei Taten rund um den Fall Luisa P. und die fünfte zum Nachteil von Stefan T.

Nach Verlesung der Anklage hat der Angeklagte die Möglichkeit, sich zu äußern. Über seinen Anwalt lässt er verlauten: „Ich bin der Falsche, ich habe damit nichts zu tun.“

Nach einigem juristischem Austausch beginnt die Beweisaufnahme um 13:20 Uhr. Gehört wird die erste Zeugin, Frau Petra P.

Hohe Medienpräsenz beim Prozessauftakt | Opfer und Zeugin sagt aus

Der erste Tathergang am 22. August 2011

Richter: Bitte schildern Sie Ihren Tagesablauf am Tattag.

Zeugin Petra P.: Morgens hatte ich einen Handwerker im Haus, wegen des defekten Garagentores. Ich war den ganzen Tag allein mit meiner Haushälterin, Frau E., weil mein Hausmeister, Herr E. (Mann der Haushälterin), im Krankenhaus war. Nach Telefonaten mit einer Freundin und meinen Kindern wollte ich gegen 22:00 Uhr mit den Hunden raus.

Die Hunde rannten nach Öffnen der Tür sofort raus, allerdings in die falsche Richtung. Das Haus war dunkel. Es kann zwar beleuchtet werden, allerdings hatten wir ein Mückenproblem und haben deshalb auf die Fassadenbeleuchtung verzichtet.

Da die Hunde schon den ganzen Abend unruhig waren, dachte ich, die Wildschweine seien da und bin den Hunden hinterher. Plötzlich kam mir der Dackel wieder entgegen und ich dachte, dass ein Wildschwein hinter ihm sei. Da habe ich mich zum Haus umgedreht und bin mitgelaufen. Vor dem erleuchteten Küchenfenster blieb ich stehen und drehte mich um, um zu sehen, was da ist.

Plötzlich sprang der Täter hinter einem Busch hervor und kam in Zickzack-Schritten, tänzelnd wie ein Boxer, auf mich zu und schlug auf mich ein. Er schlug immer wieder mit einem scheinbar dunkelgrünen Schlagstock zu. Diesen habe ich zweimal zu fassen bekommen und ihm fast entrissen. Dabei bin ich ins Straucheln gekommen und gefallen, wobei ich mich am Täter festhielt. Dabei ist mir aufgefallen, wie glatt die Jacke war.

Er trug eine professionelle Sturmhaube, die dünn und sehr eng war. Die Nähte an den Augen und dem Mund waren weiß oder hellbeige abgenäht. Nach dem Fallen hatte ich seine Hand im Gesicht, diese roch nach Leder. Der Täter konnte mich wegen des Blutes nicht fassen und rutschte mit der Hand zum Hals. Ich schrie und konnte mich umdrehen und nach ihm treten, woraufhin er von mir abließ.

Nachdem ich das Blut aus den Augen gewischt hatte, bin ich in Richtung Haustür gekrochen. Der Täter stand an der Säule am Eingang. Zwischen mir und dem Täter waren die Hunde, die den Täter anbellten. Ich hörte die Stimme von Frau E. und antwortete. Frau E. machte die Beleuchtung an, der Täter floh.

Ich gelangte ins Haus, bemerkte aber, dass die Haustür noch offen war. Ich kroch zurück, um diese zu verschließen und hörte, dass Frau E. nicht telefonieren und Hilfe holen konnte. Sie wusste nicht, dass eine Null vorgewählt werden muss. Ich gelangte ins Bad und bin dort zusammengebrochen.

Richter: Gab es vor dem Tattag Auffälligkeiten?

Frau P.: Die Hunde waren schon drei Tage zuvor extrem unruhig, aber ich dachte es wäre wegen des Wildschweins oder des Igels.

Richter: Sind die Hunde abgerichtet, Schutzhunde?

Frau P.: Nein.

Richter: Leben Sie allein da?

Frau P.: Ja, meine Tochter ist nur am Wochenende im Haus.

Richter: War am Tattag etwas Besonderes?

Frau P.: Nur, dass der Handwerker für das Garagentor da war.

Richter: Gibt es Mauern oder Zäune?

Frau P.: Nein, man kann einfach auf das Grundstück.

Richter: Gehen Sie immer um 22:00 Uhr mit den Hunden raus?

Frau P.: Ja, immer um 22:00 Uhr.

Richter: Hat der Täter was gesagt?

Frau P.: „Halt die Schnauze!“, das kann aber auch dem Hund gegolten haben.

Richter: Was hatte der Täter an?

Frau P.: Dunkle Hose, dunkle Schuhe, feine Sturmhaube.

Außerdem beschreibt das Opfer Petra P. den Blick des Täters als voller Hass. Ihr war klar, er wollte sie töten.

Die Augen nahm sie als markant hell wahr, die Augenbrauen als gerade und den Bart um den Mund als rötlich. Auch die Augenbrauen waren nicht dunkel, sondern rotblond eingefärbt – der Angeklagte hat momentan schwarzes Haar.

Auf die Frage des Richters, ob der Angeklagte zu ihren Beobachtungen passe, antwortet Frau P. schnell und klar mit „Ja!“.

Während der Befragung schreibt der Angeklagte mit, schaut aber auch zur Zeugin und scheint unbeeindruckt zu sein.

Anschließend werden noch Fragen zur Einschätzung von Alter, Größe, Dialekt und Geruch gestellt.

Frau P. gibt an, dass der Täter über 170 Zentimeter groß sein müsse, da er ihr auf Augenhöhe gegenüberstand. Sie ist 166 Zentimeter groß, hatte aber Clogs an. Der Täter kam ihr nicht besonders groß vor. Er sprach deutsch, nicht gebrochen und ohne Dialekt. Sie stellte nichts Außergewöhnliches beim Geruch fest, obschon sie da sehr sensibel sei. Das Alter schätzte sie auf 28 bis 40 Jahre. Zur Dauer der Auseinandersetzung befragt, gibt sie drei bis vier Minuten an.

Der Richter fragt die Zeugin, ob sie einen Verdacht hat. Sie gibt an, es gebe einen entlassenen Stallarbeiter, der ein Alkoholproblem hatte.

Nach einer Inaugenscheinnahme der Tatortskizzen und -fotos werden die Verletzungen erörtert.

  • Schwere Platzwunden auf dem Kopf und im Gesicht
  • Gebrochene Nase
  • Einblutung im Glaskörper des Auges
  • Schmerzende Hände
  • Drehschwindel
  • Diverse Narben im Gesicht und auf dem Kopf

Dann fragt der Richter, was anschließend für ihre Sicherheit veranlasst wurde.

Die Zeugin gibt an, dass die Polizei wegen Personalmangels nicht unterstützen konnte und daher ein lokales Sicherheitsunternehmen, THE Security Company GmbH & Co. KG, beauftragt wurde. Der Kontakt kam über den Sohn zustande, nicht über den Mann, der eventuell – wie der Richter anmerkte – das Sicherheitsunternehmen hätte engagieren können, welches auch beim Berliner Europacenter für Sicherheit sorgt.

Während des Krankenhausaufenthalts von Frau P. waren am Tag zwei Mitarbeiter vor Ort, nachts einer. Später wurde das System gewechselt: ein Mitarbeiter am Tag, zwei in der Nacht.

Da es für Frau P. – entgegen der Aussagen der Polizei – keine Hinweise gab, dass der Täter wiederkommt, wollte sie die Maßnahmen reduzieren. Technisch wurden keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen.

Zweiter Tatvorgang am 02. Oktober 2011

Anschließend wird Frau P. zur Tat am 02.Oktober 2011 befragt.

An diesem Wochenende war die Tochter da. Frau P. frühstückte, die Tochter brachte den Mitarbeitern der Sicherheitsfirma, Torsten und Matthias H., Frühstück. Bis dahin spielten beide mit dem Hund. Anschließend ging die Tochter mit Torsten H. zu den Pferden. Der Hund war nicht dabei, weil er nach dem Spielen zu erschöpft war.

Frau P. hörte plötzlich Schreie, rannte raus und sah, wie ihre Tochter auf Matthias H. gestützt entgegenkam. Die Tochter rief: „Torsten ist erschossen und ich bin auch getroffen.“ Die Tochter war unverletzt.

Auf die Frage des Richters, ob es im Vorfeld der Tat Auffälligkeiten gegeben habe, antwortet Frau P.: „Nein, das war ein Wochenende wie immer. Der Tagesablauf ist jedes Wochenende gleich.“

Dann fragt der Richter, ob die Tochter immer von nur einem „Personenschützer“ begleitet wurde. Auch das bejahte Frau P. Es sei wie immer gewesen: einer begleitet, einer ist im Haus.

Der Richter will nun wissen, ob die Tochter ihr den Tathergang geschildert hat, was Frau P. abermals bejahte.

Die Tochter und Torsten H. hatten die Pferde auf die Südkoppel bringen wollen. Diese ist am weitesten entfernt. Dabei sei ein Pferd weggelaufen, was der Tochter Sorgen machte, weil sie Torsten H. bei der Rückholung aus den Augen verloren habe. Jedoch seien alle auf der Koppel angekommen.

Auf dem Weg zurück hörten beide ein Geräusch, drehten sich um und sahen den Täter mit gezogener Pistole. Daraufhin ging Torsten H. mit den Worten „Mach keinen Quatsch!“ auf den Täter zu. Dieser erwiderte: „Bleib stehen, oder ich schieß` dir in den Kopf!“, woraufhin Torsten H. die Tochter schreiend zum Wegrennen aufforderte.

Der Täter schoss sofort auf Torsten H. und zweimal auf die Tochter, die er verfehlte.

Die Tochter hatte Pfefferspray dabei, konnte dieses aber in der Aufregung nicht nutzen und verlor es dann. Matthias H. rannte der Tochter entgegen und brachte sie ins Haus.

Damit ist die Befragung durch das Gericht beendet. Die Staatsanwaltschaft stellt nun ihre Fragen. Dabei geht es um die Lichtverhältnisse am 22. August 2011 und um die Beeinträchtigung der Zeugin Petra P. durch ihre Brille.

Die Zeugin gibt an, dass das Licht durch den Mond gut war und es zu keinerlei Einschränkungen gekommen sei.

Danach fragt die Staatsanwaltschaft nach der Befriedung der Immobilie. Die Zeugin gibt an, dass im vorderen Bereich zwar ein Zaun vorhanden sei, dieser aber kein Hindernis darstelle, da er nur 110 Zentimeter hoch sei. Im Bereich des Wassers gebe es nichts, im rückwärtigen Bereich nur einen Schafszaun für die Hunde.

Anschließend erfolgt eine Befragung der Verteidigung, die sich im Wesentlichen um Widersprüche zwischen den heute getätigten Aussagen und den Aussagen in der ersten oder zweiten Vernehmung dreht. Themen sind hier die Anzahl der Schläge, das Alter des Täters, das Gewicht, die Größe sowie die Farbe der Wimpern, des Barts und der Augenbrauen.

Die Befragungen werden am nächsten Prozesstag, dem 8. Mai, fortgeführt. Dabei wird es unter anderem auch um den Tathergang der Entführung von Stefan T. gehen.

Hier im Blog geht es dann am 9. Mai weiter!

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Schwere Vorwürfe: Mordversuch und Entführung | Prozess gegen “Masken-Mann” beginnt

Ab dem 5. Mai 2014 wird am Landgericht Frankfurt (Oder) gegen den Angeklagten Mario K. verhandelt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) legt dem heute 46-Jährigen unter anderem versuchten Mord, versuchten Totschlag, schwere Körperverletzung und räuberische Erpressung zur Last. Geplant sind insgesamt 30 Verhandlungstermine bis zum 6. Oktober 2014.

Diesen Fall werde ich als Prozessbeobachter begleiten und hier im Blog aktuell kommentieren.

Was ist passiert?

Es begann am 22. August 2011. Petra P. (58) – Gattin des Bauunternehmers Christian P. – wurde vor ihrer Villa in Bad Saarow brutal vom mutmaßlichen Täter Mario K. zusammengeschlagen. Daraufhin wurde eine Sicherheitsmaßnahme eingerichtet.

Doch schon am 2. Oktober 2011 kehrte er zurück, und wollte die Tochter Louisa P. (23) entführen. Dabei schoss er mehrfach auf sie und ihre Schutzbegleitung.

Während Louisa P. unverletzt blieb, traf er den Personenschützer, der daraufhin ins Koma fiel und nun querschnittsgelähmt ist.

Schwere Vorwürfe: Mordversuch und Entführung | Prozess gegen “Masken-Mann” beginnt

Ein Jahr später, am 5.Oktober 2012, trat der mit einer Maske verkleidete Täter wieder in Erscheinung: Diesmal entführte er Investmentbanker Stefan T. aus seinem Wochenendhaus in Storkow und forderte anschließend ein Lösegeld von einer Million Euro. Doch das Entführungsopfer – zwei Tage auf einer Schilfinsel festgehalten – konnte unverletzt fliehen.

Die Verbrechen und die Suche nach dem Täter – aufgrund seiner Vermummung von der Presse als der “Maskenmann” bezeichnet – empfand der Leiter der Soko, Siegbert Klapsch, als einen der größten und schwierigsten Fälle der Brandenburger Polizei. Doch am 18. September 2013 gelang schließlich die Festnahme.

Der Prozess im Blog

Bei der Beobachtung des Prozesses geht es mir als Sachverständiger für Personenschutz vor allem darum, die genauen Umstände der Tat und die Motivation sowie die Vorgehensweise (Vortatverhalten) des Täters zu begutachten. Auf folgende Fragen und deren Auflösung werde ich mich hier im Blog konzentrieren:

– Welche Schwachstellen gab es bei der Familie P. und dem Entführungsopfer, die zu dieser Tat führen konnten?
– Welche Fehler hat der Täter gemacht?
– Welche Opfer gibt es noch, außer den direkt Betroffenen?

Los geht es direkt nach dem Prozessauftakt in der nächsten Woche.

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