Ein mutmaßlicher Täter wird zum Mensch: Freunde und Nachbarn erzählen vom Angeklagten
Der 13. Verhandlungstag ist geprägt von Menschen aus dem privaten Umfeld des Angeklagten. Diese kommen aus der jüngeren, aber auch aus der älteren Vergangenheit und erzählen vom Charakter des Mario K. Dies ermöglicht, hinter die kühle Maske zu blicken, die ihn während des Prozesses oft so teilnahmslos wirken lässt.
Doch zuerst kommt der Zeuge K. Dieser war Wachmann auf dem Gewerbehof Marzahner Chaussee in Berlin, wo die Decke, die bei der Entführung von Stefan T. zum Einsatz kam, gefunden wurde. Da dieser Zeuge von der Polizei zeitweise auch als Verdächtiger geführt wurde, ist es natürlich insbesondere für die Verteidiger des Angeklagten interessant, in diese Richtung nachzufragen. Allerdings werden jegliche Thesen der Anwälte, die diesen Weg eines möglichen weiteren Tatverdächtigen verfolgen, durch die Nebenklägervertreter widerlegt.
Aggressiv und ausländerfeindlich
Hiernach werden zwei frühere Nachbarn des Angeklagten befragt. Beide können von Situationen berichten, die den Angeklagten als unbeherrscht und aufbrausend bezeichnen. Die direkte Nachbarin L., eine geborene Vietnamesin, hat Mario K. sogar wegen Bedrohung angezeigt. Denn in der Annahme, dass sie und ihre Kinder im Haus lärmen würden, klopfte Mario K. heftig gegen die Zwischenwand der Wohnungen. Als Nachbarin L. daraufhin bei ihm klingelte, sagte er zu ihr: „Verpisst euch und geht nach Vietnam zurück. Wenn die Zeit reif ist, machen wir mit euch das gleiche, wie mit den Juden.“
Eine weitere Nachbarin, Angelika T., beschreibt eine Szene, in der Poststelle. Hier stand sie in der Schlange vor dem Postschalter. Eine Postangestellte fragte einen Kunden, ob er noch Geld abheben möchte, worauf dieser extrem aggressiv reagierte. Nachbarin Angelika T. schaute hoch und erkannte in dem aggressiven Kunden ihren Nachbarn Mario K. Auch berichtet sie, dass Mario K. oft aus seinem Fenster heraus die Kinder auf dem Spielplatz anschrie oder Hundebesitzer anbrüllte. Sie meint, er reagiere oft überempfindlich und weise andere Menschen zurecht. Ab und zu müsse er wohl Dampf ablassen. Mitunter verließ er das Haus mit einer Sporttasche am Abend und kam erst in der Frühe wieder.
Da Mario K. im fraglichen Zeitraum vor den Taten muskulöser und nahezu glatzköpfig war, erkannte die Zeugin den Angeklagten im Gerichtssaal nicht, der dieser Tage ein blaues Oberhemd trägt und einen Bart sowie längere Haare hat.
Guter Draht: Eltern der Ex-Freundin mögen Mario K.
Der Nachmittag stand im Zeichen der Familie K. aus Ahrensfelde. Die Tochter, Susanne K., war circa anderthalb Jahre (1996 bis 1997) mit Mario K. liiert. Das ist nun 17 Jahre her. Doch bis heute hatten die Eltern – die zuerst befragt werden – auch nach der Beendigung des Verhältnisses immer wieder Kontakt zu Mario K., etwa zwei bis dreimal im Jahr. Auch sein mehrjähriger Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt hielt die Eltern nicht davon ab, weiterhin mit Mario K. in Kontakt zu bleiben.
Der Angeklagte und die beiden Zeugen begrüßen sich jeweils zwar nur sehr kurz, aber trotzdem mit einem Anflug von Freundlichkeit. Das ist eindeutig neu bei Mario K.
Die Eltern beschreiben Mario K. als freundlich und hilfsbereit, teilweise sei er verträumt, manchmal auch dominant. Der Vater hat Mario K. aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten respektiert.
Auf dem Grundstück der Familie K. steht ein 40-Fuß-Container, etwa zwei bis drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt. Das Grundstück selbst ist mit einem einfachen Maschendrahtzaun von 1,20 Metern Höhe befriedet. Den Container benutzt die Familie als Abstellraum.
Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Containers deponierte auch der Angeklagte Mario K. Dinge aus seinem Besitz. Bei einer Durchsuchung durch die Polizei wurden zum Beispiel eine Tauchausrüstung, einige Chemikalien, ein Waffenholster mit zwei Magazinen sowie ein noch original verpackter Jogginganzug gefunden. Weiterhin wurden Briefmarken mit dem Themenaufdruck „Universitätsstadt Leipzig 500 Jahre“ gefunden. Briefmarken mit diesem Motiv waren auch auf den Erpressungsschreiben des Entführers von Stefan T. genutzt worden.
Es geht bei der Befragung der beiden Eltern unter anderem darum, inwieweit Mario K. die Möglichkeit hatte, an seine am oder im Container deponierten Sachen zu kommen. Das kann nicht eindeutig beantwortet werden. Allerdings kommt auch die naheliegende Frage nach einem möglichen Zweitschlüssel nicht auf. Jedoch: Circa sechs Wochen vor einer Durchsuchung des Grundstückes der Familie K. hat der Angeklagte Mario K. eine mittelgroße Reisetasche aus dem Container abgeholt.
Anschließend kommt die Tochter und ehemalige Freundin von Mario K., Susanne K. zur Anhörung. Sie erzählt, dass sie und Mario K. seinerzeit friedlich auseinandergegangen sind und es keinen bestimmten Grund zur Trennung gab. Seit der Trennung 1997 hat sie den Angeklagten nur einmal wiedergesehen. Sie wusste allerdings auch nicht, dass ihre Eltern regelmäßig Kontakt mit Mario K. hatten.
Susanne K. beantwortet ganz viele Fragen mit einem einfachen „Nein“, sodass ich mich frage, was die beiden in den circa anderthalb Jahren Beziehung überhaupt gemeinsam getan haben.
Zudem: Es scheinen sich Widersprüche im Charakter des Angeklagten aufzutun. Denn einerseits beschreiben seine Nachbarn Mario K. als aufbrausend und unbeherrscht. Andererseits schildert ihn die Familie K. als freundlich und hilfsbereit, eher ruhig und besonnen.
Für mich zeigt sich hier allerdings kein Widerspruch, weil diese Erlebnisse circa 15 bis 17 Jahre auseinander liegen. So sollte auch das damals junge Alter des Angeklagten berücksichtigt werden. Auch hat er sich mehrfach strafbar gemacht und war mehrere Jahre in der Justizvollzugsanstalt.
Das Verhältnis zu den Eltern seiner damaligen Freundin Susanne K. kann man sicherlich auch als eine Art Ersatzelternschaft betrachten, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte zu seiner leiblichen Mutter kein gutes Verhältnis hatte.
Halbschwester des Angeklagten verweigert Aussage
Des Weiteren soll heute die Zeugin Yvonne B. gehört werden, die Halbschwester des Angeklagten. Sie wird vom Vorsitzenden Richter über das Zeugenverweigerungsrecht belehrt, das ihr aus ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu Mario K. entsteht. Aufgrund der Belehrung macht sie von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch. Auch die Einsicht in ihre polizeilichen Vernehmungsakten bei Gericht verweigert sie.
All dies ist sicherlich ihr gutes Recht, doch wäre hier ein wenig mehr Zivilcourage im Sinne der Unterstützung der Opfer besser gewesen. Während der Zeit, in der Yvonne B. im Fokus steht, würdigt Mario K. seine Halbschwester übrigens keines Blickes.
Der Prozess wird am 7. Juli 2014 weitergeführt.
Bildquelle: twinlili / pixelio.de
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