Posts By Stefan Bisanz

Lübcke-Prozess: 1. Verhandlungstag – Befangenheitsanträge usw.

Angesichts der Corona-Schutzmaßnahmen können bei weitem nicht alle Journalisten, die über den Prozess berichten wollen, einen Platz auf der Pressetribüne finden. Es gab ein ausführliches Akkreditierungsverfahren für die Medienvertreter. 200 Journalisten haben sich angemeldet. 19 davon haben einen Platz im Gerichtssaal erhalten! Sie sitzen auf einer Empore oberhalb des Gerichtssaals und der Öffentlichkeit. Für Medienvertreter, die keinen Platz auf der Pressetribüne bekommen haben, steht ein Raum mit insgesamt 41 Plätzen zur Verfügung. Dort können sie dank einer Tonübertragung der Verhandlung folgen.

Das Foto zeigt den Gerichtssaal. Im hinteren Bereich - an der Wand sitzen die fünf Richter des 5. Strafsenats (Staatsschutz), links davon die zwei Vertretungsrichter, rechts außen sitzt der Protokollführer.

In der ersten Reihe sitzen – von links nach rechts: der Angeklagte Stephan E. mit seinen beiden Verteidigern K. und H. und zusätzlich ein Justizwachtmeister. Die zweite Reihe von links ist leer. Die dritte Reihe wird belegt durch den Angeklagten Markus H. mit seinen beiden Verteidigern Sch. und Dr. C. und einem Angestellten der Justizwachtmeisterei. In der Mitte befindet sich der Zeugentisch. In der zweiten Reihe von rechts sitzt Familie Lübcke (die Ehefrau mit den beiden Söhnen) und der Nebenklägerverteidiger Prof Dr. M., zusätzlich sitzt dort der psychologische Sachverständige. Ganz rechts sitzen vorne die beiden Staatsanwälte der Bundesgeneralstaatsanwaltschaft, daneben der Nebenklägerverteidiger und der irakische Nebenkläger E., sowie der Dolmetscher.

Zuerst betritt der psychologische Sachverständige den Saal. Es folgen die beiden Staatsanwälte der Generalbundesanwaltschaft. Beide tragen ihre karmesinroten Roben. Dann betritt den Saal der Verteidiger K. des Angeklagten Stephan E., danach kommt Familie Lübcke mit ihrem Nebenklägeranwalt Prof. Dr. M. Die Familie ist fast komplett in schwarz gekleidet. Sie schreitet bedächtig wie bei einem Trauermarsch mit ernstem Gesichtsausdruck durch den Saal. Die Richter betreten den Gerichtssaal um sich an ihrem Arbeitsplatz einzurichten. Zunächst werden Bücher ausgepackt und Laptops eingerichtet.

Um 10:08 Uhr betritt Markus H. in Handschellen den Saal - begleitet durch zwei Justizwachtmeister. Markus H. ist ca. 178 cm groß, glatzköpfig, trägt einen Kinnbart, hat eine bullige Gestalt und macht einen übergewichtigen Eindruck. Er trägt eine braune Cordhose und ein graues Poloshirt (welches schon mehrfach getragen worden ist) sowie einen Hoodie. Die Kapuze ist über den Kopf gezogen. Später nimmt er die Kapuze ab, so dass seine helle Hautfarbe zu sehen ist. Zum Schutz vor den Fotografen hält er sich einen DIN-A4-Ordner vor das Gesicht. Die Handschellen werden ihm kurz vor Prozessbeginn abgenommen. 2 Minuten später betritt Stephan E. den Saal. Er ist eine stattliche Gestalt, trägt einen schwarzen Blazer, welcher am untersten Knopf zugeknöpft ist; ein weißes Hemd ohne Krawatte, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Seine Haare sind kurz und gepflegt. Er versteckt sein Gesicht nicht und auch bei ihm ist die helle Hautfarbe zu sehen. Die Kleidung wirkt insgesamt eine Nummer zu groß; entweder hat er in Untersuchungshaft abgenommen oder in der Anstaltskleiderkammer ist etwas bei der Bestellung schief gelaufen.

Nachdem der Vorsitzende Richter S. den Prozess eröffnet hat werden zuallererst die Personalien der beiden Angeklagten aufgenommen. Danach möchte der Senat den Prozess beginnen. Dies wird unterbrochen weil der Rechtsanwalt K. von Stefan E. Anträge stellt. Der erste Antrag ist ein Ablehnungsantrag des Vorsitzenden Richters S. wegen Befangenheit. Im zweiten beantragt er, das die Rechtsanwältin Sch. des Angeklagten H. als Pflichtverteidigerin auszuschließen ist. Ebenso ist der zweite Verteidiger Dr. C. auszuschließen. Im vierten Antrag fordert er eine Aussetzung der Hauptverhandlung.

Sein Mandant E. hegt Zweifel am Vorsitzenden Richter S., weil er die Rechtsanwältin Sch. als Verteidigerin des Angeklagten H. zugelassen hat. Die Verteidigerin war schon vorher in diesen Fall involviert und hätte deshalb nicht als Pflichtverteidigerin bestellt werden dürfen. Er hält den Vorsitzenden Richter für voreingenommen. Als weiteren Grund gibt er an, dass nur 32 Hauptverhandlungstage angesetzt sind. Dies hält die Verteidigung und der Angeklagte E. für zu wenig. H. beantragt, dass ihm ein dritter Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird. Der Generalbundesanwalt hatte diesen Antrag bereits abgelehnt. Das Gericht hat hier das Ermessen wie viele Pflichtverteidiger dem Angeklagten beigestellt werden. Auch diesen Antrag hat das Gericht bereits am 4.6.2020 abgelehnt.

Anmerkung: Familie L. hört bedächtig zu. Der Angeklagte H. versucht zu folgen, der Angeklagte E. ist konzentriert.

Die vorläufige Festnahme von Stephan E. war am 15. Juni 2020.

Anmerkung: Der Strafsenat ist von der Fülle der Anträge nicht begeistert, die Gesichtsausdrücke zeigen dies deutlich, es hören aber alle konzentriert zu.

Um 10:43 Uhr stellt Rechtsanwalt H. (Verteidiger von E.) einen weiteren Aussetzungsantrag der Hauptverhandlung. Er begründet diesen mit dem ungenügenden Infektionsschutz vor und während der Hauptverhandlung. Hierzu schlägt er die Auswahl eines größeren Raumes vor. Er hält die Behandlung der Presse und der Zuschauer für eine Teilnahme an diesem Prozess für unwürdig. (Während der Ausführungen hustet der Anwalt plakativ) Weiterhin beantragt er bei Gericht die Einsetzung einer Hilfsperson zur Aktendurchsicht, auch während des laufenden Verhandlungstages. Auch dieser Antrag wurde schon einmal wegen Corona abgelehnt. Desweiteren bemängelt er die Weitergabe von Informationen. Seine Erkenntnisse erhält er überwiegend von den Medien und nicht vom Gericht.

Pause: 10:59 Uhr bis 11:16 Uhr. Familie L. verlässt den Saal, die Angeklagten nicht. E. bespricht sich, wie auch H., mit seinen Anwälten.

Anmerkung: H. missbilligt die o.a. Anträge von E..

Nach der Pause stellt die Verteidigerin Sch. den Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung oder auf eine dreiwöchige Pause, weil ihr eine komplette Akteneinsicht erst ab 20. Mai möglich war. Sie wurde erst am 14. Mai beigeordnet. In der Kürze der Zeit war es ihr nicht möglich sich vorzubereiten. Rechtsanwalt Dr. C. schließt sich ihrem Antrag an. Auch ihm war es nicht möglich sich ordentlich vorzubereiten. Desweiteren teilt er mit, dass es in der Nacht vor diesem Prozesstag einen Farbanschlag mit Bezug auf diesen Prozess auf sein Büro gegeben hat. Er beantragt, dass er vor jedem Prozesstag von Mitternacht bis 6:00 Uhr durch das Polizeipräsidium Düsseldorf geschützt wird. Er hält es für ausgeschlossen, dass das Verfahren unter diesen Umständen fortgesetzt werden kann. Verteidigerin Sch. beantragt weiter, dass das gesamte Verfahren in Ton und Bild aufgezeichnet wird. Sie möchte mindestens ein wörtliches Protokoll. Rechtsanwalt Dr. C. beantragt das Verfahren gegen H. einzustellen und daher erst gar nicht die Anklage gegen seinen Mandanten zu verlesen. Der Haftbefehl ist unverzüglich auszusetzen. Es kann kein faires Verfahren geben, da es suggestive Ermittlungen, zum Beispiel Fragen an E. in Bezug auf H., gegeben hat. Die Presse habe seinen Angeklagten schon vorab verurteilt. Weiterhin sind Teile der Akten durch die Generalbundesanwaltschaft öffentlich gemacht worden.

Anmerkung: Die Anklageschrift beinhaltet ca. 322 Seiten, das gesamte Volumen beläuft sich auf ca. 90.000 Seiten/232 Aktenordner.

Unter anderem wurde ebenfalls bekannt dass Frau D., die Mutter der gemeinsamen Tochter des Angeklagten E. ihn politisch schwer belastet. Sie bezeichnet ihn als "gefühlslosen Nazi". Um die Tochter gibt es einen Kinderrechtsstreit. Der Verteidiger bemängelt auch, dass der Haftbeschluss der Generalbundesanwaltschaft auf deren Internetseite eingesehen werden konnte. Dort gibt es eine Entscheidungsdatenbank. Es waren ca. 30 Seiten einsehbar.

Anmerkung: Bei der Beobachtung der beiden Angeklagten stellt sich mir die Frage: Wer ist wer? Es mutet an, dass nicht E. der Haupttäter ist, sondern eher H. Er scheint der "radikale Denker" und der "geistige Vater" der Tat zu sein. Das wird im Laufe des Prozesses sicher noch ausführlich beleuchtet. Klar ist, dass mutmaßlich E. geschossen haben soll. Weiterhin bedenklich ist, dass diese lang geplante Tat über mehrere Jahre, ohne dass es die Sicherheitsbehörden bemerkt haben, durchgeführt werden konnte. Im Prozess selbst macht H. den entspannteren Eindruck. E. ist hoch konzentriert und angestrengt. H. hat seine Gewieftheit schon bei der Verlängerung seiner Waffenbesitzkarte bewiesen.

Pause: 12:35 Uhr bis 12:49 Uhr. Familie L. verlässt den Saal. E. sitzt ohne seine Anwälte auf dem Stuhl. H. spricht entspannt mit seiner Verteidigerin Sch. E. macht das Verfahren zu schaffen. Er wirkt unentspannt und stiert nachdenklich und orientierungslos in den Saal.

11:50 Uhr Nach der Pause gibt Oberstaatsanwalt K. eine Stellungnahme zu den gestellten Anträgen der Verteidigung ab. Alle Anträge werden abzulehnen. Er führt dazu weiter aus (Prof. Dr. M. Nebenklägervertreter der Familie Lübcke nickt zustimmend). Der Oberstaatsanwalt stellt fest, dass die vorliegende Aktenfülle bei einem Staatsschutzverfahren nicht ungewöhnlich ist. Auch das Corona-Argument zählt nicht, da Maßnahmen getroffen wurden, die einen höheren Schutz erwirken und er festgestellt hat, dass die Verteidigerpartei selber Vorsichtsmaßnahmen außerhalb des Gerichts außer Acht lässt. Eine Vorverurteilung sieht er nicht, da der Senat damit professionell umgehen kann. Zumal dem Senat jegliche Inhalte auch über die Akten vorliegen. Auch der Nebenklägerverteidiger Rechtsanwalt H. lehnt die Anträge ab, obwohl er sich einen größeren Saal gewünscht hätte. Der Nebenklägerverteidiger Prof. Dr. M. für die Familie L., erklärt, dass es für die Familienangehörigen schwer zu ertragen ist, in dieser Situation solch haltlose Anträge hören zu müssen. Sie sind alle abzulehnen und das wüßten die Verteidiger auch. Er unterstellt ihnen Absicht.

Anmerkung: E. folgt dem emotionslos, H. folgt aufmerksam und verzieht mehrfach das Gesicht. Rechtsanwältin Sch. ebenfalls.

Pause: 13:12 Uhr - 14:38 Uhr.

Nach der Pause gibt der Vorsitzende Richter S. bekannt, dass der Befangenheitsantrag gegen ihn später entschieden wird. Andere Anträge wurden abgelehnt oder die Entscheidung dazu vertagt. Gegen 15:05 Uhr kann nun endlich die Anklage durch die Generalbundesanwaltschaft verlesen werden.

E. wird wegen Verstoß gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz, sowie Mord und versuchten Mordes angeklagt. Ihm wird eine rassistische Grundhaltung unterstellt. Er zeigt eine Bereitschaft zur schweren Gewalt. E. hat seine Waffen, unter anderem die Lübcke Waffe, von H. gekauft.

H. wird wegen Verstoß gegen das Waffengesetz und Beihilfe zum Mord, hier psychische Beihilfe zum Mord angeklagt.

Anmerkung: H. liest die Anklage mit und reagiert je nach Lage. E. ist quasi bewegungslos. Es gibt keinerlei Kontakt zwischen den beiden, nicht einmal Augenkontakt.

Der Tatort war in Wolfhagen–Istha. Die Ausspähung des Tatortes erfolgte ab 2017, unter anderem mit einer Wärmebildkamera. Der Tag der Tat war Samstag der 1. Juni 2019 zwischen 22:30 Uhr und 22:50 Uhr. Das Opfer Dr. Walter Lübcke saß, eine Zigarette rauchend, auf seiner Terrasse. Er hantierte mit seinem Handy. Der Täter wollte schon gehen, da er dachte Dr. Lübcke würde an diesem Abend nicht auf die Terrasse kommen, sah aber dann doch noch den Lichtschein vom Display des Handys. Er benutzte einem 38er Revolver Rossi und schoss dem Opfer mit einem Schuss in den Kopf. Der Todeszeitpunkt war am 2. Juni 2019 um 2:45 Uhr. Bevor E. den Tatort verließ berührte er Dr. Lübcke noch kurz. Zu Hause löschte er alle Computerdateien die einen Zusammenhang zum Opfer belegen konnten, duschte und legte sich schlafen. E. informierte H. nicht konkret über die Tat, ließ ihn aber wissen, dass etwas gegen Dr. Lübcke getan werden müsse. H. nahm das billigend in Kauf und bestärkte E. in seinem Vorhaben mit Zuspruch. Beide besuchten gemeinsam rechtsorientierte Veranstaltungen. Auch gingen sie mehrfach gemeinsam zum Schießtraining. E. trat auf Geheiß von H. in dessen Schützenverein ein.

Die Generalbundesanwaltschaft gibt bekannt, dass alle Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung von E. vorliegen.

Der Vorsitzende Richter S. teilt mit, dass die Anklageschrift zugelassen wurde. Verständigungsgespräche haben nicht stattgefunden. E. wurde am 15. Juni 2019 festgenommen und ist seit dem 16.6.2019 in Untersuchungshaft. H. wurde am 26. Juni 2019 festgenommen und befindet sich seit dem 27.6.2019 in Untersuchungshaft. Der Vorsitzende Richter S. belehrt beide Angeklagten, das sich ein in Reue geprägtes Geständnis immer positiv auswirkt und sie in dieser Sache nicht auf ihre Anwälte, sondern auf ihn hören sollten.

Um 15:25 Uhr gibt Rechtsanwalt Dr. C. ein Eingangsstatement ab. Er missbilligt die Formulierungen der Generalbundesanwaltschaft in der Anklageschrift, insbesondere, dass die politische Einstellung von H. erwähnt wird. Das psychologische Gutachten hat ergeben, dass H. für E. eher ein Kollege ist und dass E. ein Einzelgänger sei.

Ende des 1. Verhandlungstages um 15:45 Uhr.


Bildquelle: OLG Frankfurt am Main; Bericht: Stefan Bisanz

Sicherheitspräsenz – für eine „Sichere Stadt“

Es gibt keinen ernsthaften Zweifel daran, dass die Präsenz von Sicherheitskräften im öffentlichen Raum eine präventive Wirkung hat – egal, ob es sich dabei um Polizeikräfte, die städtischen Ordnungsämter oder um private Sicherheitsunternehmen handelt. Deshalb sind hier in Köln und in der Region die Mitarbeiter der Ordnungsdienste inzwischen flächendeckend in der ganzen Stadt unterwegs; zum Teil bilden diese Kräfte sogar gemischte Doppelstreifen mit Kollegen der Polizei. Das Präsenz-Konzept stärkt das Sicherheitsgefühl der Bürger, und das nicht nur in der City, sondern auch in den Stadtteilen. Beispielsweise hilft dieser Ansatz gegen aggressives Betteln. Auch qualifizierte private Sicherheitsunternehmen sind ein wichtiger Baustein eines Modells „Sichere Stadt“ sein.

Es ist nicht zu unterschätzen, welche Bedeutung das Thema Sicherheit auch als Standort-Faktor für die Wirtschaft im Kammerbezirk der IHK Köln hat. Seit 2017 gibt es dazu sogar einen eigenen Arbeitskreis „Wirtschaft und Sicherheit“, in dem Fachleute aus Unternehmen sich darüber abstimmen, wie hier positive Akzente aus der Wirtschaft gesetzt werden können.

Sicherheit – nah am Bürger

Doch letztlich ist es natürlich eine ordnungspolitische Aufgabe, für mehr Präsenz von Sicherheitskräften im Stadtbild zu sorgen. Wir begrüßen es daher als Vertreter der Wirtschaft, dass in unserer Region das Konzept des „Community Policing“ umgesetzt wird. Kernthese dieses Ansatzes: Je näher behördliche oder private Sicherheitskräfte am Bürger ist, um so mehr fühlen die Menschen sich und ihre Sorgen ernst genommen. Das schafft Vertrauen. Das schafft Glaubwürdigkeit. Das wirkt deeskalierend. Das nützt damit auch der Wirtschaft im IHK-Bezirk Köln.

Ins Personal investieren

Um diese Aufgaben flächendeckend umsetzen zu können, bedarf es jedoch einer ausreichenden Personalstärke. Darum war es in den vergangenen Jahren leider schlecht bestellt. Doch zum Glück ist inzwischen von den Verantwortlichen erkannt worden, dass die Polizei sich nicht aus der Fläche verabschieden darf und dafür eine entsprechende personelle Ausstattung vorhanden sein muss. Wir als Wirtschaft fordern daher, noch stärker in diesem Bereich zu investieren.

Schließlich geht es um Langfristigkeit und Konsequenz. Denn nur durch konsequente, kontinuierliche und glaubwürdige Sicherheitspolitik lässt sich der Traum von einer „Sicheren Stadt“ auch verwirklichen. Das umzusetzen, ist eine Aufgabe der Politik. Doch es scheint inzwischen auch dort angekommen zu sein, dass der Erfolg solcher Maßnahmen davon abhängig ist, dass man sie langfristig anlegt. Wir als NewKammer Initiative bleiben an diesem Thema dran. Versprochen!

Verantwortungsgefühl für den Stadtteil zeigen

Wer die gesellschaftspolitischen Umfragen bundesweit verfolgt, wird leider feststellen müssen, dass es einen deutlichen Anstieg der Klagen über den Verlust des subjektiven Sicherheitsgefühls vieler Menschen gibt. In Bussen genauso wie in Parks und bestimmten Stadtbezirken. Oft deckt sich das zwar nicht mit den Kriminalitätsstatistiken. Jedoch müssen wir solche Bedenken und Sorgen viel ernster nehmen als bisher. Das gilt für die Städte Köln und Leverkusen, die Region und auch für den Rest der Republik.

Bei der Gründung des Arbeitskreises Wirtschaft und Sicherheit der IHK Köln im Jahr 2017 hatten wir genau das im Blick. Denn wir wissen: Sicherheit ist ein nicht zu unterschätzender Standort-Faktor für die Wirtschaft in unserer Region. Und wir möchten dieses wichtige Thema auch in die Vollversammlung der IHK Köln bringen, damit sich die politisch Verantwortlichen dieses Themas in Zukunft deutlich stärker annehmen, als das bisher der Fall ist!

Bildung sozialer Brennpunkte stoppen

Fortschritte ließen sich schon im Kleinen erzielen. Das subjektive Sicherheitsgefühl jedes Einzelnen ließe sich bereits dann verbessern, wenn Verantwortlichkeit für das persönliche Umfeld bei jedem Bürger einen höheren Stellenwert genießen würde. Denn soziale Kontrolle im positiven Sinne setzt voraus, dass die Anwohner sich für ihr Umfeld auch mitverantwortlich fühlen – und im Fall des Falles die Zivilcourage aufbringen, dafür einzustehen. Wir glauben: Die Förderung der persönlichen Identifikation mit dem Lebensgebiet fördert die Bereitschaft zur Verantwortung. Dabei müssen wir aber die soziale Balance wahren. Wer die Gettoisierung und Isolation sozialer Gruppen nicht stoppt, fördert, dass sich dort soziale Brennpunkte ausbilden.

In der Soziologie gibt es zu dieser Problemlage seit den 1980er-Jahren die Theorie der „zerbrochenen Fenster“. Kernthese: Wird eine zerbrochene Fensterscheibe in einem Stadtviertel nicht umgehend repariert, kann das weitere Zerstörungen und letztlich einen Verfall der Sitten zur Folge haben – mit dem Ergebnis, dass die Menschen sich in ihr engstes Umfeld zurückziehen und dem Mob den öffentlichen Raum überlassen. Räumliche und soziale Verwahrlosung sind somit Symptome für den Zusammenbruch grundlegender Standards zwischenmenschlichen Verhaltens. Studien haben zudem ergeben, dass instand- und reingehaltene Flächen und Gebäude von den Menschen als sichere Orte empfunden werden.

Auch die Wirtschaft in der Region will mithelfen

Es liegt also an jedem Einzelnen, etwas für das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen zu tun. Es bedarf dazu schlichtweg mehr Verantwortungsgefühl. Auch die Wirtschaft in der Region will und muss bei diesem Prozess mitarbeiten. In unserem Arbeitskreis beraten Sicherheitsverantwortliche aus Wirtschaftsunternehmen und Vertreter der Sicherheitswirtschaft, wie sich Sicherheits- und Ordnungsprobleme in unserem Kammerbezirk beheben lassen. Zurzeit erarbeiten wir Hilfestellungen für den Handel und die Wirtschaft und bieten uns als kompetente Ansprechpartner zu allen Facetten des Themas an. Doch das soll und kann im Interesse unserer Region nur ein Anfang sein, und im Rahmen der NewKammer Initiative können wir das so relevante Thema für unsere Region noch stärker forcieren. Deshalb: Wählen Sie uns!

BVB-Attentat: Fünfter Verhandlungstag | Aussage des BVB-Profis Marc Bartra

Am heutigen 29. Januar 2018 ist das Interesse der Öffentlichkeit besonders groß, 40 Journalisten und 20 Zuschauer befinden sich im Saal. Grund dafür sind die angekündigten Aussagen der BVB-Spieler Marc Bartra und Pierre-Emerick Aubameyang.

Befragung von Marc Bartra

Zunächst wird Marc Bartra befragt, der von seinem Anwalt und einer Dolmetscherin begleitet wird. Sein Rechtsanwalt erklärt jedoch vorab, dass sein Mandant ursprünglich nicht zum Prozess erscheinen wollte, als er erfuhr, dass auch der Täter anwesend sein sollte.

Weil dies für ihn ein echter Schock gewesen sei und der Prozess eine hohe psychische Belastung darstelle, bittet der Rechtsanwalt, ob man auf eine Befragung des Spieles verzichten und er eine schriftliche Erklärung abgeben könne. Der Verlesung stimmen alle Parteien zu, Fragen wird der Fußballprofi später dennoch beantworten.

BVB-Attentat: Fünfter Verhandlungstag | Aussage des BVB-Profis Marc Bartra

In der nun folgenden schriftlichen Erklärung wird die Situation im Bus beim Anschlag geschildert. Es herrschte Todesangst Panik und Geschrei. Die Spieler warfen sich auf den Fußboden.

Seit dem Anschlag habe Marc Bartra Schlafprobleme und Konzentrations-schwierigkeiten. Erst habe er vier Wochen nicht trainiert und sei für sieben bis acht Spiele ausgefallen. Der Tag des Anschlages sei der schlimmste Tag in seinem Leben, er leide noch heute und habe Albträume – der Anschlag habe sein Leben verändert, denn bleibende Schäden sind bis jetzt noch vorhanden. So kann er den rechten Arm nicht ganz strecken.

Während der Verlesung sitzt der Angeklagte ruhig auf seinem Stuhl, hat allerdings die Augen ständig geschlossen.

Nun übernimmt die Staatsanwaltschaft und erkundigt sich, ob der Anschlag immer noch Gespräch in der Mannschaft sei, was der Zeuge bejaht.

Die Mannschaft habe etliche Monate gebraucht, um das Geschehene zu verkraften.

Späterhin fragt der Verteidiger Marc Bartra, ob er denn wüsste, aus welchem Glas die Fensterscheiben im Bus seien. Dieser sagt, er sei Fußballer und müsse nicht wissen, welches Glas im Bus verbaut sei.

Hiernach greift der Angeklagte zum Mikrofon und entschuldigt sich persönlich bei Marc Bartra, während dieser in die entgegengesetzte Richtung und die Entschuldigung nicht hören will. Damit endet seine Vernehmung nach einer halben Stunde.

Befragung des Unfallchirurgen

Der Spieler Pierre-Emerick Aubameyang fehlt heute, entschuldigt durch ein ärztliches Attest.

Als nächster Zeuge wird Unfallchirurg Dr. Ralf S. gehört, der Marc Bartra operiert hat. Er bestätigt, dass die Wunde durch einen Gegenstand verursacht worden ist.

Wohingegen die Verteidigung wissen möchte, ob der Handbruch nicht auch durch den Sturz auf den Bus-Fußboden hätte verursacht werden können – und das wird durch den Unfallarzt klar verneint – erkundigt sich die Staatsanwaltschaft, ob die Verletzung auch hätte tödlich sein können, wenn ein Metallstift beispielsweise den Kopf getroffen hätte. Dies wird klar bejaht.

Nach einer Verhandlungspause gibt der Verteidiger Carl H. eine Erklärung gemäß Paragraf 275 Strafprozessordnung ab, und beschuldigt darin den Zeugen und BKA-Beamten Timo S., eine Falschaussage getätigt zu haben. Er habe seinen Kontakt zur Staatsanwaltschaft nicht vollständig angegeben.

Abschließend wird ein weiterer BKA-Beamter befragt, Ronald S. Inhaltlich geht es um die Beschaffung und Zusammensetzung der Sprengvorrichtungen. Es wird genau beschrieben, an welchen Tagen welche Teile zu welchen Preisen – zum Beispiel Antennenschaltstufen, Basisempfangsmodule, Schimmelentferner und Metallgliederketten – gekauft worden sind.


Bildmotiv: Stellplatz des BVB-Bus und Tatort | Urheber des Bildes: Stefan Bisanz

BVB-Attentat: Vierter Verhandlungstag

Der vierte Verhandlungstag am 25. Januar beginnt 10:15 Uhr in Anwesenheit von zwei Journalisten und vier Zuschauern.

Der Rechtsanwalt von Sergej W. gibt zunächst bekannt, dass sein Mandant sich erst nach der Karnevalswoche zum Sachverhalt äußern wird. Des Weiteren verzichtet er auf eine Beweiserhebung im Zusammenhang mit der Urheberschaft und der Beschaffung der Dinge, die in der Nähe des Hotels verbrannt worden sind, was die weiteren Ermittlungen erleichtert.

Dann kommt wieder BKA-Ermittler Timo S. zur Vernehmung und wird vom Verteidiger des Angeklagten zu seinem Abschlussbericht als Verfahrensführer befragt, wobei sich der Anwalt bald in Detailfragen verliert.

Der Angeklagte sitzt nahezu unbeweglich auf seinem Stuhl und starrt gelangweilt auf die Tischplatte vor sich. Dies scheint ansteckend zu sein: einer der Justizbeamten nickt immer wieder ein.

BVB-Attentat: Vierter Verhandlungstag

Der Verteidiger hält dem BKA-Beamten unter anderem vor, dass es zu Indiskretionen durch das BKA gekommen sei und Informationen aus den Akten an die Presse gegeben worden seien. Anschließend geht er den Abschlussbericht Wort für Wort durch, mitunter unter Verdrehung des Sachverhalts, wenig zielführender Fragestellung und irreführenden Fragen. Der Oberstaatsanwalt versucht das immer wieder – teils auch harsch –, zu unterbinden, mahnt und auch der Richter muss einhaken.

Auch wenn der Richter spricht, unterbricht ihn der Rechtsanwalt des Angeklagten immer wieder. Dieser hingegen lässt das alles völlig stoisch über sich ergehen.

Später in der Verhandlung – in der der Verteidiger seine Befragung auf die bekannt hinderliche Weise fortführt – moniert er unter anderem, dass eine laut den Akten vorgesehene Versuchssprengung, die der Explosion des Attentats gleichen sollte, nicht durchgeführt worden ist.

Dann wird thematisiert, dass der Täter auch das Trainingszentrum und die Strecke dorthin als möglichen Anschlagsort in Betracht gezogen hat. Eine Überprüfung dieser Überlegung durch die Polizei erbrachte die Feststellung, dass es dort keine geeigneten Plätze für einen Anschlag geben würde.

Eine Einschätzung, die lächerlich zu nennen ist, weil das Trainingsgelänge ein sehr großes und zu dem Zeitpunkt ungeschütztes Areal ist. Auch der Weg vom Trainingscenter zum Stadion ist sehr weit. Zudem ist zu bezweifeln, dass die Beamten, die zu diesem Ergebnis gekommen sind, ausgebildete und erfahrende Personenschutzaufklärer sind. Das Polizeipräsidium Dortmund verfügt nicht über solche Einsatzkräfte.

Des Weiteren bespricht die Verteidigung nun den Fakt, dass nur zwei Stifte aus der Sprengladung den Bus getroffen haben,  circa 63 weitere Stifte hätten ihr Ziel also verfehlt.

Wieder einmal wird nach der Logik der Tat gefragt, wenn der Verteidiger die Tat seines Mandanten in Teilen als unlogisch darstellt:„Warum sollte mein Mandant die Internet-Anschrift des Spielerhotels nutzen? Das ist doch unlogisch!“

Verbrechen sind immer unlogisch!

Danach fragt der Verteidiger, warum die mittlere Sprengvorrichtung den Bus nicht getroffen hat. Damit möchte er darauf aufmerksam machen, dass der Täter die Sprengvorrichtungen extra so aufgestellt habe, dass es zu keinen größeren Schaden kommen kann.

Interessant wird es nochmals hinsichtlich des Vortatverhaltens des Angeklagten und wie er sich im Vorfeld über sein Anschlagsziel informiert hat: Per Google habe er nach Angaben zum Mannschaftsbus des BVB gesucht und eine große Menge an Informationen gefunden. Beispielsweise die Buslänge, die  Sitzplatzordnung der Spieler und auch Berichte, wie durch Steine und Flaschen Schäden in den Scheiben des Busses verursacht haben.


Bildmotiv: Angeklagter Sergej W. / Urheber: Stefan Bisanz

BVB-Attentat: Dritter Verhandlungstag | Verteidiger gerät in Rage

Am dritten Verhandlungstag am 22. Januar 2018 sind, anders als zuletzt, nur noch zwei Zuschauer und zehn Journalisten im Raum.

Befragung des BKA-Ermittlers Timo S. durch die Staatsanwaltschaft

Von der Staatsanwältin nach dem Ermittlungsaufwand befragt, antwortet der Zeuge, dass anfangs circa 150 BKA-Beamte plus Beamte der Landespolizeiämter im Einsatz waren, später dann immer weniger. Derzeit seien es etwa zehn Beamte.

Die ersten Einkäufe zum Sprengsatz wurden am 16. November 2016 bei Elektro Conrad beschafft hierbei ging es um eine Schaltstufe eine Antenne.

BVB-Attentat: Dritter Verhandlungstag | Verteidiger gerät in Rage

Eines der Tatmotive sei der Kauf eines Autor und eines Hauses für seine Eltern, seine Freundin und sich.

Der BKA-Ermittler Timo S. habe nur einmal mit dem Angeklagten, in Anwesenheit seiner Eltern und seiner Schwester, gesprochen, in der JVA Stammheim. Ein Geständnis habe es damals nicht gegeben,  weitere Täter konnten auch nicht ermittelt werden.

Nun stellt der Verteidiger Carl Heydenreich Fragen an den Zeugen und will unter anderem erfahren, ob dieser vor Prozessbeginn mit dem Oberstaatsanwaltschaft gesprochen habe. Das bestätigt Timo S. dahingehend, dass man sich ein neues gutes Jahr gewünscht und über die Gerichtstermine gesprochen hätte. Das glaubt der Verteidiger nicht.

Befragung des BKA-Ermittlers Timo S. durch die Verteidigung

Danach berichtet der Rechtsanwalt über seinen Mandanten und dessen psychische Probleme. Er fühle sich minderwertig und habe einen Selbstmordversuch mit einem Gleitschirm unternommen. Er habe kaum Freunde sein Gehalt betrug netto zwischen 2.700 und 3.500 Euro. Davon habe er auch die Kosten seiner Eltern übernommen, zum Beispiel die Miete. Grundsätzlich ist er ein Perfektionist.

Der Rechtsanwalt echauffiert sich

Danach beginnt eine lange Diskussion über das Auffinden und die Flugbahn der Metallbolzen, die wohl nicht in der Kopfstütze des verletzten Spielers Marc Bartra gefunden worden ist, sondern in der am Platz links daneben. Der BKA-Zeuge hatte dies so behauptet, worüber sich Carl Heydenreich sehr aufregt. Er führt mehrere kleine Detailfragen auf, die aber alle nur Stimmung machen und nicht verfahrensrelevant sind.

Hinsichtlich der Anklage des verletzten Motorrad-Polizisten, der als Nebenkläger auftritt, fragt Rechtsanwalt Carl Heydenreich, warum dieser auf Mordversuch klage, denn es habe nicht festgestellt werden können, wo der Polizist zum Spreng-Zeitpunkt war und ob er entsprechend derartig gefährdet gewesen sein können. Daher hält der Verteidiger diese Anklage für nicht gerechtfertigt.

Der Verteidiger findet sodann weitere Ungereimtheiten und fängt an, dem Zeugen zuzusetzen. Und obgleich es tatsächlich Mängel im Bericht des BKA-Beamten gibt und der Zeuge Formulierungsfehler eingesteht,  wird der Verteidiger an anderen Stellen von der beisitzenden Richterin hinsichtlich seiner Äußerungen in Teilen widerlegt und zur Raison gerufen, als er unsachlich wird.

Die Fragetaktik des Verteidigers ist, wie in anderen Prozessen auch,  immer die gleiche: Dem Zeugen werden Fragen gestellt, die er nicht beantworten kann, wodurch er sich nach und nach verunsichern lässt.

Nach weiteren Fragen durch den Oberstaatsanwalt und neuerlichen Aufregern des Verteidigers Carls Heydenreich endet der dritte Verhandlungstag am Nachmittag.


Bildmotiv: Mannschaftshotel des BVB / Bildquelle: Stefan Bisanz

BVB-Attentat: Zweiter Verhandlungstag | Angeklagter entschuldigt sich

Der zweite Verhandlungstag am 8. Januar versammelt 20 Journalisten und zwölf Zuschauer im Verhandlungsraum. Sergej W. wird sich heute zur Tat äußern.

Entschuldigung des Täters

Der Täter persönlich beginnt mit seinem Geständnis und entschuldigt sich. Sein Plan sei gewesen, dass das Champions-League-Spiel durch seinen Anschlag nicht stattfinden kann und dadurch der Kurs der BVB-Aktie sinken sollte. An den zu erwartenden Kursverlusten wollte er partizipieren. Er wollte niemanden verletzen und hat die Bombe auch so gebaut, dass niemand hätte zu Schaden kommen sollen. Die weitere Erklärung zur Anklage wird durch den Rechtsanwalt Carl Heydenreich gegeben.

BVB-Attentat: Zweiter Verhandlungstag | Angeklagter entschuldigt sich

Er erklärt, dass Sergei W., der durch Kredite in Höhe von 40.000 Euro verschuldet sei, keinen Sinn mehr in seinem Leben gesehen habe, auch weil sich kurze Zeit vorher seine Freundin von ihm getrennt habe. Er habe sich außerdem immer um seine Eltern gekümmert.

Vor der Tat hat sein Mandant zweimal im Spielerhotel genächtigt hat, um so die Örtlichkeiten zu erkunden. Außerdem hat er versucht, die Tat dem IS anzulasten.

Die Bombe, die Sergej W. dann verwendete, wurde unter anderem mit einem Gemisch aus Dünger + Nitron in einem in Harz verschlossenen Gefäße gebaut. Auch der Zünder wurde selbst hergestellt. Des Weiteren gab es ein Wasserstoffperoxid-Gemisch. Alle Teile wurden zur besseren Tarnung grün eingefärbt. Die Bomben links und die rechts wurden jeweils im Abschusswinkel von 35 Grad  aufgestellt, die mittlere in einem Abschusswinkel von 70 Grad und in einem Meter Höhe. Der Angeklagte habe vermutet, dass der Bus Sicherheitsglas hat.

Anschließend beklagt sich der Rechtsanwalt darüber, dass immer noch nicht alle Verfahrensakten vorlägen und das Gericht die Staatsanwaltschaft auffordern solle, alles nachzureichen. Der Oberstaatsanwalt erwidert und verwehrt sich gegen die erneuten Vorwürfe der Verteidigung.

Aussage des übergeordneten BKA-Ermittlers

Nach einer kurzen Pause wird der erste Zeuge gehört, Ermittler Timo S. vom BKA aus Berlin. Er ist der übergeordnete Koordinator dieses Falls. Das BKA wurde aufgrund des Verdachtes, dass der IS den Anschlag durchgeführt haben könnte, durch die Generalstaatsanwaltschaft beauftragt.

Der BKA-Beamte teilt mit, dass der Bus zur Anschlagszeit circa 24 km/h gefahren ist, die Buslänge betrug 13,70 Meter. Die Sprengsätze waren auf einer Länge von zehn Metern angebracht. Die beiden äußeren lagen auf dem Boden, der mittlere wurde in einem Meter Höhe befestigt.

Mit der Explosion schlugen etwa zehn Bolzen im Bus ein, weitere in parkenden Autos und im Haus gegenüber. Am weitesten flog ein Bolzen, der in circa 250 Meter Entfernung gefunden wurde. Die Sprengkraft war also enorm und betrug circa 135 Joule. Ab 65 Joule  ist eine Sprengwirkung tödlich.

Am Tatort selbst lagen drei vermeintliche Selbstbezichtigungsschreiben des IS-Kalifen, auf DIN A4-Papier mit Schreibmaschine geschrieben. Ein viertes Schreiben muss auf einer der Bombe gewesen sein, weil Papierfetzen dazu gefunden worden sind.

Weiterhin teilt  der BKA-Beamte mit, dass am angrenzenden Wald eine Brandstelle von einer Größe circa 15 Quadratmetern entdeckt worden ist, wo unter anderem ein Fernglas mit Stativ, Konservendosen, ein Kippschalter, ein Nachtsichtgerät, Drähte für Antennen mit einer Frequenz von 433,92  Hertz weiteres verbrannt worden sind. Hier wurden durch die Beamten außerdem viele Zecken entdeckt. Spuren und DNA wurden an den verbrannten Sachen nicht festgestellt. Mantrailer-Hunde nahmen die Spur von Sergej W. vom Hotel zur Brandstelle auf.

Am Finanzmarkt wurde festgestellt, dass unter anderem 96 Optionsscheine gekauft worden sind. Diese versprachen Gewinne, wenn der Kurs des BVB fällt.

Zum konkreten Tatablauf berichtet er Zeuge zunächst, dass alle Daten zum Tagesablauf der Mannschaft des BVB waren öffentlich bekannt bzw. im Internet einsehbar, zum Beispiel, das Spielerhotel, der Mannschaftsbus und die Wegstrecke vom Hotel zum Spielort.

Der Sergej W. war für die Tage der möglichen Champions-League-Begegnungen Dortmund gegen Monaco im März 2017 im Hotel eingecheckt und hatte diese Buchung im Januar vorausbezahlt. Er äußerte den Wunsch nach einem Zimmer, das nach vorne rausgeht. Bei seiner Arbeitsstelle meldete er sich krank wegen einer Handverletzung, was nötig war, weil zu dieser Zeit eigentlich Urlaubssperre herrschte.

Nach dem Anschlag begab sich Sergej W. ins Hotelrestaurant und hielt sich dort auf. Eine Kellnerin erinnerte sich an „das Jüngelchen“. Alle waren aufgeregt, nur er wollte als einziger darüber sprechen.

Am 12. April, also am Tag nach dem Attentat, hatte eine Sergej W. als einziger im Hotel eine Massage, alle anderen Gästen hatten ihre Massagen abgesagt. Die Masseurin hatte in seinem Oberschenkel eine Zecke festgestellt, ihm das jedoch nicht mitgeteilt und die Zecke im Oberschenkel belassen. Eine weitere Zecke hatte Sergej W. selbst entdeckt und im Spa-Bereich nach einer Pinzette gefragt, um sich die Zecke aus der Schulter zu ziehen. Diese legte er auf ein Tuch und sagte der Angestellten, dass diese verbrannt werden müsste, damit sie auch wirklich tot ist.

Die Festnahme von Sergej W. erfolgte am 15. April als er an seinem Arbeitsplatz aus seinem Auto ausstieg. Man durchsuchte den Wagen, den Arbeitsplatz und die Wohnung. In der Wohnung wurden belastende Unterlagen gefunden, so beispielsweise, welche Möglichkeiten es gibt, Frequenzen zu stören oder Reichweiten festzustellen. Es wurden auch Ausspähungsunterlagen festgestellt und eine Planung befasste sich mit dem Trainingsgelände und dem Trainingszentrum des BVB. Aufgrund der Fundsachen wird angenommen, dass die Durchführung des Anschlags auch durch eine Zündauslösung mittels einer Casio- Uhr durchgeführt werden sollte. Sprengstoff haben Spürhunde im Hotel nicht festgestellt, aber in der Wohnung und im Spind auf der Arbeitsstelle. Auf dem PC des Angeklagten wurden Google-Anfragen zu möglichen Attentatszielen gefunden, auch eine Suche nach einer Seilbahn und dem Eurotunnel wurde festgestellt. Es kamen auch Einkaufslisten zutage, unter anderem über Teile für den Bau eines Auslösers. Der Angeklagte hat ebenfalls 50 Stück 12 Millimeter-Kugeln bei Conrad gekauft und außerdem eine weitere Bestellung über 190 Kugeln aufgegeben. Das fiel deswegen auf, weil das mehr als der gesamte Jahresumsatz für diesen Artikel bei Conrad ist.

Der Zeuge beschließt seine Aussage um 14:45 Uhr, wenig später endet auch der Verhandlungstag.

Bildmotiv: Anklagebank / Bildquelle: Stefan Bisanz

BVB-Attentat: Erster Verhandlungstag | Verlesung der Anklage und Scharmützel der Verteidigung

Der erste Verhandlungstag am 21. Dezember 2017 beginnt um 12:00 Uhr in Anwesenheit von 30 Pressevertretern und 20 Zuschauern.

Der Angeklagte Sergej W. (28) stammt aus Russland, lebt derzeit aber in Deutschland und wird im Prozess von zwei Rechtsanwälten vertreten, eine Dolmetscherin übersetzt für ihn.

Die Staatsanwaltschaft ist durch einen Oberstaatsanwalt und zwei Staatsanwältinnen vertreten, ebenfalls anwesend sind drei Verteidiger der zwei Nebenkläger, zum einen Borussia Dortmund, zum anderen der Motorradpolizist, der bei diesem Attentat durch ein Knalltrauma verletzt worden ist.

BVB-Attentat: Erster Verhandlungstag

Befangenheitsantrag der Verteidigung

Bevor die Verhandlung eröffnet werden kann, wird bereits ein Befangenheitsantrag von Carl Heydenreich, einem der Rechtsanwälte des Angeklagten, gestellt. Er moniert, dass es einen extremen Druck auf die Beteiligten des Prozesses gäbe, da der Prozess in Dortmund stattfindet und alle Einwohner von Dortmund BVB-Fans wären. Außerdem hätten die Medien eine Hetzjagd auf seinen Mandanten durchgeführt. Es habe erhebliche Indiskretionen von den Verfahrensbeteiligten gegeben. Weiterhin hält er den Oberstaatsanwalt für befangen, da dieser bereits in einem Interview eine lebenslängliche Strafe gefordert hat. Weiterhin kritisiert er, dass die Verteidigung keine komplette Akteneinsicht gehabt hätte und auch nur einseitige Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt worden seien. Außerdem argumentiert er, dass die Sprengvorrichtungen nicht zum Töten gedacht gewesen sein sollte. Sein Antrag an das Gericht lautet Ablösung des Oberstaatsanwalts.

Um über den Befangenheitsantrag zu entscheiden, nimmt sich das Gericht eine Besprechungspause. Danach erfolgt die Stellungnahme des Oberstaatsanwalts, in der er im Wesentlichen angibt, dass alle Akten übergeben worden sind und die Zuständigkeit der Weitergabe nicht bei ihm, sondern beim Landgericht läge. Außerdem sei bekannt, dass ein Antrag auf Vollständigkeit der Aktenübergabe in der Strafprozessordnung nicht normiert ist. Entlastendes für den Angeklagten konnte er als Oberstaatsanwalt nicht ermitteln, da nichts vorläge. Abseits dessen sei dies auch Aufgabe des Angeklagten und seiner Verteidigung. Und seine Forderung einer lebenslänglichen Haftstrafe  sei nur eine Wiedergabe des Gesetzestextes.

Die Verteidigung darauf erwidert unter anderem, das die Prüfung von Alternativhypothesen versäumt worden, worauf der Oberstaatsanwalt antwortet, dass man gleich nach dem Attentat von einem Anschlag des IS ausgegangen sei.

Dann verkündet das Gericht seine Entscheidung, dass der Befangenheitsantrag der Verteidigung abgelehnt wird, insbesondere deshalb, weil die beiden Schöffen bestätigt haben, nur die örtliche Presse gelesen, aber keine überregionalen Medien oder Quellen im Internet rezipiert zu haben. Das Gericht wird damit das Verfahren ordnungsgemäß durchführen.

Anklageverlesung

Nun liest der Oberstaatsanwalt die Anklage vor und führt darin aus, dass der Anschlag des mutmaßlichen Täters Sergei W.  am 11. April 2017 um 19:16 Uhr als heimtückisch einzustufen und aus Habgier durchgeführt worden sei. Er habe dazu drei Sprengsätze auf einer Länge von zwölf Metern auf dem Fahrtweg des BVB-Busses vom Hotel zur Straße angebracht. Darin befanden sich 65 Metallbolzen, die eine Größe von 74 x 6 Millimeter und ein Gewicht von 16 Gramm aufwiesen. Die Sprengsätze wurden elektrisch gezündet. Der Bus sollte vorne und hinten getroffen werden sowie in der Mitte. Die Bolzen flogen bei der Explosion bis zu 250 Meter weit. Durch die Explosion wurde der Spieler Marc Bartra von einem Bolzen schwer an der Hand verletzt, außerdem drang dieser Bolzen anschließend in seine Kopfstütze ein.

Der Oberstaatsanwalt nennt als Motiv des Angeklagten, dass dieser sich bereichern wollte, da er vorher auf einen fallenden Aktienkurs des BVB nach dem Anschlag gewettet habe. Er habe circa 26.306,43 Euro eingesetztes Kapital besessen, was bei abfallendem Kurs um nur einen Euro auf eine Summe von 506.000 Euro  gestiegen wäre.

Nach dem Verlesen der Anklage erklärt unter anderem der Nebenklägervertreter von Spieler Marc Bartra, dass dieser mindestens ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro verlangt. Hiernach ist der heutige Prozess beendet.


Bildquelle: Michael Grabscheit/pixelio.de

Prozess gegen BVB-Attentäter

Am 11. April 2017 explodierten am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (BVB) drei Sprengsätze, die einen Spieler sowie einen Polizisten zum Teil schwer verletzten. Deponiert hatte die Bomben vermutlich der Deutsch-Russe Sergej W. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Dortmund daher Anklage wegen Mordversuchs in 28 Fällen, Herbeiführen eines Sprengstoffanschlages sowie gefährlicher Körperverletzung erhoben, der durch das Landgericht Dortmund stattgegeben wurde. Am 21. Dezember beginnt nun die Hauptverhandlung, die ich unter folgenden Aspekten verfolgen werde: Wie hätte der Anschlag verhindert werden können (welche Sicherheitsmaßnahmen wurden im Vorfeld ergriffen)? Welchem Tätertyp entspricht der mutmaßliche Attentäter und wie sah seine Handlungsplanung und -umsetzung aus?

Am 11. April 2017 explodierten am Mannschaftsbus von Borussia Dortmund (BVB) drei Sprengsätze, die einen Spieler sowie einen Polizisten zum Teil schwer verletzten. Deponiert hatte die Bomben vermutlich der Deutsch-Russe Sergej W. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft Dortmund daher Anklage wegen Mordversuchs in 28 Fällen, Herbeiführen eines Sprengstoffanschlages sowie gefährlicher Körperverletzung erhoben, der durch das Landgericht Dortmund stattgegeben wurde. Am 21. Dezember beginnt nun die Hauptverhandlung, die ich unter folgenden Aspekten verfolgen werde: Wie hätte der Anschlag verhindert werden können (welche Sicherheitsmaßnahmen wurden im Vorfeld ergriffen)? Welchem Tätertyp entspricht der mutmaßliche Attentäter und wie sah seine Handlungsplanung und -umsetzung aus?

Rückblick

Über dieses Verbrechen ist ausführlich berichtet worden, daher sollen im Folgenden nur die für meine Fragestellung wichtigsten Fakten benannt werden, die der Berichterstattung bis heute zu entnehmen sind.

Die Sprengkörper hatte der mutmaßliche Täter in einer Hecke versteckt, neben der der Mannschaftsbus stand. Sergej W., ausgebildeter Elektrotechniker, hat sich zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich am Fenster des gegenüberliegenden Hotels aufgehalten und die Bomben per Fernsteuerung gezündet.

Wie Zeit Online auf Basis von Erkenntnissen des Rechercheverbundes von NDR, WDR und SZ berichtet, soll Sergej W. in der Vorbereitung Notizen angefertigt haben, in denen er Überlegungen zu Funkfrequenzen für die Fernzündung von Sprengsätzen und zur Frage, wie sich der spätere Tatort auskundschaften lasse, angestellt habe. Außerdem soll er an der Börse auf einen Kursrutsch der BVB-Aktie nach dem Anschlag spekuliert haben, wobei er im Falle des Gelingens etwa vier Millionen Euro hätte bekommen können.

Dass sein mutmaßlicher Plan nicht aufging, war verursacht durch einen Fehler: Der Täter hatte die mittlere Bombe zu weit oben angebracht, sodass der größte Teil der Metallbolzen über den Bus hinwegflogen. Nur die wenigsten gerieten in den Businnenraum, richteten dort aber dennoch erheblichen Sach- und Personenschaden an

Abseits des banalen Tatbeweggrundes, sich am geplanten Tod von 28 Menschen finanziell bereichern zu wollen, spricht auch die Kaltschnäuzigkeit für die hohe kriminelle Energie von Sergej W.: Laut einem Bericht von Focus Online aß der mutmaßliche Attentäter in Ruhe Abendbrot und tischte den ihn später festnehmenden Behörden außerdem selbstsicher Lügen bezüglich seines Aufenthalts in Dortmund auf.

Doch gegen ihn sprechen laut Staatsanwaltschaft Dortmund nicht nur seine nachweislich getätigten Börsengeschäfte oder die gefundenen Notizen. In seinem Besitz wurden außerdem Spuren von Wasserstoffperoxid gefunden, das zur Herstellung von Sprengstoff verwendet werden kann. Die Bomben des BVB-Attentates enthielten ebenfalls Wasserstoffperoxid.

Prozessbeginn

Es wird daher nun spannend zu erfahren sein, wie und wie lange der mutmaßliche Täter sein Vorhaben vorbereitet hat, wer eventuell außerdem involviert war, woher er sein Wissen bezog oder, wie er sich Kenntnisse zu den Abläufen bei Borussia Dortmund verschaffen konnte.

Ebenso spannend ist jedoch die Frage, welche Sicherheitsmaßnahmen ein derart in der Öffentlichkeit stehender Verein wie Borussia Dortmund im Vorfeld installiert hat? Immerhin: Seit Jahren schon sind die Gefahren (terroristischer) Anschläge evident und mit dem Team des BVB zerstörte man nicht nur einen extrem hohen finanziellen Wert, sondern richtete vor allem auch einen ungleich höheren ideellen Schaden an. Die unweigerlichen (auch politischen) Folgen wären nicht zu ermessen.

Hat man sich beim BVB auf die Anwesenheit der Polizei verlassen oder hat der eigene Sicherheitsdienst versagt? Falls Letzteres: Wo liegen die Fehlerquellen?

Die Entwicklung des Verfahrens wird hier im Blog genau verfolgt und analysiert.

Quelle: azulgrana.futbolowo.pl/ (gefunden: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Borussia_Dortmund_logo.svg#file)

Söldner-Prozess: 4. Verhandlungstag | Die Urteilsverkündungen

Heute sollte der letzte Zeuge gehört werden, der Dolmetscher, der bei den Vertragsverhandlungen zwischen Asgaard und dem somalischen Politiker Galadid Abdinur Ahmad Darman übersetzte. Da dieser jedoch nicht auffindbar ist, konnte keine Ladung erfolgen. Obwohl die Staatsanwältin darauf beharrte, den Dolmetscher als Zeugen zu hören, um nachweisen zu können, dass den Beschuldigten der Vertragsinhalt und der Vertragswille eindeutig klar gewesen sein muss, wird ihr Beweisantrag vom Gericht abgelehnt, weil darin kein Beweis genannt werde, der durch dieses Verfahren hätte beigebracht werden können. Das Gericht ist nicht der Überzeugung, dass der Zeuge die Einlassung der Beschuldigten verändern könnte.

Söldner-Prozess: 4. Verhandlungstag | Die Urteilsverkündungen

Da der Vermittler nicht persönlich gehört werden kann, sind alle Parteien damit einverstanden, dass seine Aussage, die er am 6. Oktober 2011 bei der Polizei getätigt hat, vorgelesen wird. Darin verweist er darauf, dass er nur ein Vermittler zwischen der Firma Asgaard und dem Somalier gewesen sei, ihm allerdings auch eine Provisionszahlung versprochen worden sei.

Hiernach wird die Beweisaufnahme geschlossen. Der Vollständigkeit halber liest die Richterin nun noch die Eintragungen aus dem Bundeszentralregister beider Beschuldigter vor. Wohingegen bei Dirk G. keine Eintragung vorliegt, ist bei Thomas K. neben dem Vorwurf der Veruntreuung (Geldentnahme aus der Kasse des Reservistenverbandes) ein weiteres Vergehen vor kundig. Hierbei handelt sich es sich um Veruntreuung von Arbeitsentgelt in 20 Fällen. Das Urteil lautete damals 90 Tagessätze zu 30 Euro. Diese Strafe wurde von Thomas K. komplett abgegolten, wobei die letzte Einzahlung am 7. Oktober 2017 erfolgte.

Versäumnisse von Firmeninhaber und Gesetzgeber?

Bei Thomas K. zeigt sich deutlich ein kriminelles Muster: Zwei Fälle von Veruntreuung sowie ein Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz. Das wirft die dringliche Frage auf, auf welcher Grundlage und angelehnt an welche Maßstäbe die Gesellschafter der Firma Asgaard Thomas K. als Geschäftsführer ihres Unternehmens ausgewählt haben?

Und müsste der Gesetzgeber nicht auch strenge Zulassungsvoraussetzungen für die Position eines Geschäftsführers einer Sicherheitsfirma aufstellen bzw. bestehende Zulassungsvoraussetzungen verschärfen?

Die Plädoyers

Die Staatsanwältin beginnt mit der unbestreitbaren Feststellung, dass die Beschuldigten am 31. September 2009 in Frankfurt am Main einen Vertrag mit dem angeblichen somalischen Präsidenten Galadid Abdinur Ahmad Darman über Serviceleistungen im Sicherheitsbereich geschlossen haben, obwohl sie Kenntnis über ein bestehendes EU-Embargo hatten. Sie verliest die genauen Inhalte des Vertrages und weist darauf hin, dass die Ausführungsbestimmungen dieses Embargos enthalten, dass allein die Unterschrift unter einen solchen Vertrag eine schuldhafte Tathandlung sei (Paragraf 18 Außenwirtschaftsgesetz). Als strafmildernd führt die Staatsanwältin an, dass die Beschuldigten nicht vorbestraft sind, die Tat schon lange her sei und, dass beide Beschuldigten mit den Behörden kooperiert haben. Als strafverschärfend wertet die Juristin, dass der Vertrag eine Laufzeit von fünf Jahren aufwies und zudem einen Kampfauftrag enthielt. Weiterhin sei eine Gewinnerwartung vorhanden gewesen. Als Strafmaß fordert sie für Thomas K. eine Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung, für Dirk G. eine Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung.

Nun hält die Rechtsvertretung von Thomas K. sein Plädoyer. Der Anwalt zweifelt an, dass das Schriftstück ein Vertrag ist, weil es keinen Vertretungsberechtigten für die Republik Somalia als Vertragspartner gegeben habe. Ein Vertrag ist also niemals zustande gekommen und objektive Tatbestände sind ausgeschlossen. Als Schluss aus diesem Sachverhalt müsse sein Mandant freigesprochen werden.

Der Rechtsanwalt von Dirk G. stellt in seinem Plädoyer die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages und die Einlassung seines Mandanten heraus. Auch er beantragt Freispruch für Dirk G.

Im Rahmen ihrer letzten Worte schließen sich Thomas K. und Dirk G. den Ausführungen ihrer Anwälte an.

Die Urteilsverkündigungen

Die Richterin verurteilt Thomas K. wegen Untreue (Geldentnahme aus der Kasse des Reservistenverbandes) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung (zwei Jahre). Vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz werden beide Angeklagten jedoch freigesprochen.

Das Gericht erläutert in seiner Begründung, dass es letzte Zweifel hat und nicht davon überzeugt sei, dass Thomas K. und Dirk G. dieses Schriftstück schon als Einzelvertrag angesehen haben. Diese Einlassung der Beschuldigten konnte während der Verhandlung nicht widerlegt werden. Als Beweis dafür führt die Richterin an, dass es noch zu keiner leihoperativen Handlung oder zu einer sonstigen anderen Umsetzung aus dem Vertrag gekommen ist. Somit läge keine Schuld der Angeklagten vor, weswegen beide freigesprochen werden müssten.

Eine Zusammenfassung von Verhandlung Urteilsspruch inklusive eines Statements von mir hat die WDR Lokalzeit Münsterland gesendet, hier geht’s zum Beitrag (ab Minute 1:18).


Bildquelle: WDR Lokalzeit Münsterland / Screenshot WDR Lokalzeit Münsterland, Bericht, Stefan Bisanz

Söldner-Prozess: 2. und 3. Verhandlungstag | Tagesschau-Reporter als Zeuge

Zu Beginn des zweiten Verhandlungstages erklärt der Rechtsanwalt des Beschuldigten Dirk G. zunächst, dass er die Veröffentlichungen der Presse stark verurteile, da diese wiederum eine Vorverurteilung seines Mandanten vornimmt.

Danach sagt der Beschuldigte Dirk G. zum Sachverhalt aus. Durch die Richterin befragt, wiederholt er im Großen und Ganzen die Schilderung des Angeklagten Thomas K., die dieser am vorangegangenen Verhandlungstag zu Protokoll gegeben hat. Auch er vertritt dabei die Auffassung, dass kein Vertrag geschlossen worden ist. Dieser wäre erst dann zustande gekommen, wenn eine Sicherheitsanalyse und eine Machbarkeitsstudie durchgeführt worden wäre. Dies wiederum sei an eine Vorabüberweisung in Höhe von circa 150.000 Euro an die Firma Asgaard gebunden gewesen. Sie, die Geschäftsführer von Asgaard, seien bei den Vertragsverhandlungen jedoch mehr oder weniger gedrängelt worden, diesen Vertrag zu unterschreiben, insbesondere durch die beiden Vermittler, die unbedingt eine Provisionszahlung hätten erzielen wollen.

Söldner-Prozess: 2. und 3. Verhandlungstag | Tagesschau-Reporter als Zeuge

Auch ist Dirk G. wichtig, darauf hinzuweisen, dass er und sein Partner natürlich alle Genehmigungen eingeholt hätten, die für diesen Auftrag notwendig gewesen wären. Er habe den Geschäftsführer Thomas K. daher auch angewiesen, alle Behörden entsprechend zu informieren. Was Thomas K. in dieser Hinsicht dann allerdings genau getan habe, könne er nicht sagen. Seine, Dirk G.s, Aufgabe sei es gewesen, für die operative Umsetzung zu sorgen, jedoch nicht, das Kaufmännische zu bearbeiten.

Bezüglich der Pressemitteilungen, die durch Thomas K. herausgegeben worden sind, erwähnt Dirk G. lapidar „klappern gehört zum Geschäft“. Auch, dass diese Erklärung auf der Internetseite der Firma Asgaard stand, sei ihm nicht bewusst gewesen.

Dirk G. stellt sich hier als Soldat und Kamerad dar.

Auf die Frage der Staatsanwälten, warum überhaupt ein Vertrag unterschrieben worden ist, antwortet Dirk G, dass „alle Druck gemacht“ hätten und man daher schwach geworden wäre.

Im Zuschauerraum sitzen drei Herren, sehr elegant gekleidet (wahrscheinlich die neuen Chefs der Firma Asgaard), zu welchen der Angeklagte immer wieder vor Beantwortung der Fragen Augenkontakt aufnimmt. Der in der Mitte sitzende, ältere Mann nickt Dirk G. dann entweder zu oder schüttelt den Kopf, je nach Antwort.

Die Staatsanwältin zweifelt die Aussagen von Dirk G. an, weil der Vertrag mehr enthalte als nur die Erstellung einer Sicherheitsanalyse.

Interview mit der Tagesschau

Am Nachmittag wird der Zeuge Alexander D. aus Hamburg gehört. Er ist Journalist bei der Tagesschau und hat ein Interview mit Thomas K. geführt. Er berichtet von einem Interview, welches er im April 2010 geführt hat. Er teilt dazu eindeutig mit, dass er den Eindruck hatte, Asgaard wolle Vertragsbestandteile erfüllen, zu denen u.a. Personenschutzmaßnahmen gehörten. Man hätte schon an der Rekrutierung von entsprechendem Personal gearbeitet, deutsche Ex-Soldaten mit mindestens vier Jahren Erfahrung und einem Alter zwischen 25-45 Jahren. Thomas K. sagte ihm, Alexander D., auch, dass diese Kräfte in der Hoffnung eingesetzt würden, auch militärische Aktionen durchführen zu können. Der Vertrag hätte eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren aufgewiesen und einen Wert von mehreren Millionen Euro umfasst. Die Zahl der Einsatzkräfte hätte eine deutlich dreistellige Zahl sein sollen. Thomas K. sagte dem Journalisten wörtlich, „die Kräfte säßen auf gepackten Koffern“. Für Thomas K. war sein Vertragspartner Galadid Abdinur Ahmad Darman der legitime Präsident.

Auf der Anklagebank herrschte betretenes Schweigen bei Thomas K. und Dirk G.

Der Zeuge Alexander D. stellt nochmals fest, dass er den Eindruck hatte, dass Thomas K. die Legitimierung Galadid Abdinur Ahmad Darmans als Präsident Somalias abwarten würde.

Die Staatsanwältin will nun erfahren, ob in dem Interview eine Sicherheitsanalyse oder eine Machbarkeitsstudie besprochen wurde, was der Zeuge verneint.

Der Anwalt von Dirk G. moniert, dass im Zuge des Interviews des NDR nicht richtig recherchiert worden sei, dieses sei nur ein PR-Gag gewesen. Thomas K. ergänzt, dass er Unterlagen seiner Firma an unterschiedliche Ministerien und auch an den Bundesnachrichtendienst gefaxt habe. Den Vertrag allerdings habe er nicht gefaxt, woraufhin die Staatsanwältin und die Richterin nachfragen, was der Grund für diese Unterlassung gewesen sei. Thomas K. antwortet lediglich „Warum sollte ich?“ und erntet dafür Unverständnis.

Dritter Verhandlungstag

Am dritten Verhandlungstag werden zwei Beamte vom Zoll gehört. Sie können keine wesentlichen Neuheiten zum Sachverhalt beitragen. Insbesondere bleibt die Frage ungeklärt, wie konkret die Planungen der Beschuldigten zur Durchführung ihrer Vertragsinhalte waren. Für die Anwälte der Beschuldigten ist damit der Sachverhalt hinreichend geklärt und sie teilen mit, dass sie keine neuen Beweisanträge stellen werden, auch weitere Zeugen müssten nicht gehört werden. Die Staatsanwältin sieht das naturgemäß anders und möchte den Vermittler des Vertrages als Zeugen hören sowie den Dolmetscher, der die Vertragsverhandlungen zwischen Galadid Abdinur Ahmad Darman und den Beschuldigten übersetzt hat. Dieser soll bezeugen, ob der Vertrag wirklich zustande kommen sollte. Da dieser Zeuge jedoch bisher nur über seine Ehefrau erreicht werden konnte, wird der Verhandlungstag schon früh beendet und auf den 10. Oktober vertagt.


Bildquelle: I-vista / pixelio.de

Söldner-Prozess: 1. Verhandlungstag | Ein nervöser Angeklagter

Am 21. September 2017 um 11:00 Uhr eröffnet die Richterin Kampelmann am Amtsgericht Münster den Prozess gegen Thomas K., geboren 1969 in Münster, und Dirk G., geboren 1970 in Herne. Ihnen als verantwortliche Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma Asgaard Security Group 2009 wird vorgeworfen, dem somalischen Oppositionspolitiker Galadid Abdinur Ahmad Darman die Bereitstellung von 150 Sicherheitskämpfern angeboten zu haben, um, wie es heißt, „Sicherheit und Frieden“ in das Land zu bringen. Thomas K. wird weiterhin vorgeworfen, dass er gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verstoßen hat, weil er in seiner Funktion als Kreisvorstand der Reservistenkameradschaft in seinem Keller 4.000 Schuss Munition (Übungsmunition) und zwei Leuchtkörper Boden (Pyrotechnik) gelagert hat.

Die Staatsanwältin verliest die Anklage sowie einige Auszüge aus dem Vertrag mit dem somalischen Politiker. Im Vertrag wurde in Paragraf 1 eine Vertragsdauer von fünf Jahren festgelegt. In Paragraf 2 wurden die Aufgaben beschrieben, die unter anderem Dienstleistungen im Bereich der Piraterie, Schutz und Küstenschutz, aber auch Beratung und Strategiearbeiten sowie Schulungen der heimischen Sicherheitsbehörden beinhalteten. In Paragraf 4 wurde geregelt, dass für alle 150 Kämpfer Arbeitsgenehmigungen oder Visa bzw. eventuell Aufenthaltsbescheinigung vorbereitet werden. Weiterhin wurde durch den Vertrag zugesagt, dass öffentliche Waffenscheine ausgestellt würden sowie Ein- und Ausfuhrgenehmigungen von Waffen vorhanden sein sollten. In Paragraf 6 ging es um Zahlungen.

Söldner-Prozess: 1. Verhandlungstag | Ein nervöser Angeklagter

Für das Team sollten insgesamt vier Millionen Euro überwiesen werden, 100.000 Euro unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrags. Als Vertragsbeginn wurde der 31.10.2009 festgelegt. Eine Genehmigung vom Wirtschaftsministerium wurde jedoch nicht eingeholt.

Thomas K. gegenüber wurde noch ein weiterer Vorwurf eingebracht: Er war Kassierer in einem Reservistenverband und hat in dieser Funktion vom 27.6.2013 bis zum 6.7.2014 über 8.000 Euro veruntreut. Dieses Geld brauchte er, nach eigener Einlassung, um seinen Handwerksbetrieb finanzieren können, da einige Kunden nicht bezahlt hätten. Zusätzlich wurden die Angeklagten durch das Gericht aufgeklärt, dass der Paragraf 34 AWG seit 2017 neu geregelt ist und nun das Strafmaß abmildert geworden ist.

Die Verteidiger beklagen zwischendrin, dass sich die Verfahrensdauer so lange hingezogen hat, die Ermittlungen liefen bereits seit 2010, daher sollte das Verfahren eingestellt werden.

Zum Vorwurf des Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz erklärt Thomas K., dass es sich nur um Platzpatronen gehandelt habe, die er bei einer dienstlichen Veranstaltung der Bundeswehr nicht verschossen hat und somit mit nach Hause nehmen und in seinem Keller lagern musste. Die Untreue als Kassierer räumte Thomas K. ein, teilt aber zugleich mit, dass es einen Vergleich gibt, wonach er 50 Monate lang jeweils 50 Euro abbezahlt.

Schon nach einer Stunde Verfahrenszeit wird deutlich, dass der Angeklagte Thomas K. die Schuld immer bei den anderen verortet. Die Munition hatte er wohl nur deshalb, weil die Bundeswehr sich darum nicht gekümmert hat. Auch hinsichtlich der Untreue – dem Griff in die Kasse – haben andere Personen Schuld, weil keiner eine ordentliche Kontrolle durchgeführt habe. Auch seine Kunden, die seine Dienstleistung als Maler in Anspruch genommen haben, trügen Schuld, weil sie nicht bezahlt hätten. Die Staatsanwältin hält dem fragend entgegen, warum er erst jetzt, unmittelbar nach Bekanntwerden seiner Untreue, mit der Rückzahlung beginnt. Daraufhin teilt der Angeklagte lapidar mit, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, wohin er hätte überweisen sollen. – Wieder einmal sind die anderen schuld.

Befragung des ersten Zeugen

Dann kommt der erste Zeuge, Oberstleutnant Thomas E., der sich mit Munition bei der Bundeswehr auskennt. Er teilt eindeutig mit, dass auch diese Manöver- und Übungsmunition als echte Munition einzustufen ist, da sie vier Gramm Pulver enthält. Ebenso sind die Leuchtkörper Boden als Munition anzunehmen und sie dürfen auf gar keinen Fall zu Hause gelagert werden. Die Einlassung des Angeklagten, dass die Bundeswehr ihm dieses erlaubt hätte, kann der Zeuge definitiv nicht bestätigen.

Die Richterin befragt den Angeklagten nun immer intensiver nach den Vertragsinhalten mit dem somalischen Oppositionellen. Der Angeklagte weist mehrfach darauf hin, dass das Einverständnis des Vertrages nicht zustande gekommen ist, da der Politiker nie als Präsident von Somalia bestätigt worden ist. Der Angeklagte ist der Ansicht, dass erst nach dieser Bestätigung die Paragrafen Wirkung erlangen.

Thomas K. ist sehr nervös. Er antwortet ausweichend und spielt mit dem Kugelschreiber auf dem Tisch. Wiederholt fragte die Richterin, was denn die Absicht des Vertrages gewesen sei.  Hierauf antwortet Thomas K. nur, dass alles hätte möglich sein können. Was er vor Ort allerdings exakt machen sollte, wusste er nicht. Dazu hätte es zuerst einer Sicherheits- und Gefährdungsanalyse sowie eine Machbarkeitsstudie bedurft, die er durchführen wollte. Erst danach hätte sich die Firma Asgaard entschieden, was zu tun ist. Was eklatant auffällig ist: Der Angeklagte verwechselt immer wieder die Bedeutung von Gefährdungsanalyse, Sicherheitskonzeption und Machbarkeitsanalyse. Dies liegt vielleicht daran, dass er in keinster Art und Weise eine Art von Sicherheitsausbildung oder -studium vorweisen kann.

Schlagabtausch zwischen Richterin und Angeklagtem

Selbst als die Vorsitzende Richterin dem Angeklagten eine Presseerklärung der Firma Asgaard aus dem Dezember 2009 vorliest, in der eindeutige Absichten der Firma genannt werden, redet sich Thomas K. raus und gibt an, dass er mit einer Referentin des damaligen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla gesprochen hat. Sie wäre vollumfänglich eingewiesen gewesen und hätte ihm mitgeteilt, dass er alles korrekt durchgeführt hat. Auch dem Wirtschaftsminister sowie dem Verteidigungsminister habe er entsprechende Briefe und Faxe geschrieben, weswegen diese für ihn offiziell informiert gewesen seien. Beim damaligen Verteidigungsminister Jung wollte er einen persönlichen Termin erwirken,  um diesem sein Unternehmen als Dienstleister im Ausland für Deutschland vorstellen zu können. Auch, dass er einen Provisionsvertrag mit zwei Vermittlern unterschrieben hat, der beinhaltete, das diese bei Vertragsunterzeichnung eine Provision von 400.000 Euro erhalten würden, ist für den Angeklagten Thomas K. kein Indiz gewesen dafür, dass er tatsächlich einen Vertrag unterschrieben habe.

Die Richterin wirft ihm weiter vor, dass Thomas K. auch Vertragsentwürfe für Mitarbeiter gefertigt und auch schon entsprechende Bewerbungsgespräche mit konkreten Lohnzahlung durchgeführt hat. Auch dies tut Thomas K. nur als Vorbereitung für den Einsatz ab.  Dann wird dem Angeklagten ein Schreiben des damaligen somalischen Oppositionspolitikers vom 21. Januar 2010 vorgehalten, in dem dieser die beiden Angeklagten Thomas K. und Dirk G. als seine Security benannt hatte. Diesen Umstand kann sich Thomas K. nicht erklären.

Auf die nun folgende Frage der Richterin, ob er denn seinen Aufgabenbereich als Geschäftsführer detaillierter erklären könnte, führt er aus, dass er nur die Firma präsentieren musste, Verträge abgeschlossen hat und den Kontakt zu Behörden halten sollte. In diesem Zusammenhang hat er sich über Somalia und ein entsprechendes Embargo aus den Tageszeitungen informiert.

Von der Staatsanwältin wird Thomas K. nun gefragt, wer denn den Vertrag mit dem somalischen Oppositionspolitiker formuliert hätte. Daraufhin entgegnete der Angeklagte, dass er zwar den Laptop mitgebracht hätte, allerdings alle vier Beteiligten den Vertrag formuliert hätten.

Das Gericht argumentiert daraufhin, dass das durchaus eine Vorleistung ist, die zu entsprechenden Dienstleistungen in Somalia hätte führen können.

Die Anwälte drängen nun darauf, das Verfahren einzustellen oder aber mindestens in ein Ordnungswidrigkeitsverfahren umzuwandeln.

Der nächste Verhandlungstag findet am 28. September 2017 statt.


Bild: Amtsgericht Münster | Bildquelle: Stefan Bisanz

Besuch der IAA: Sonderschutzfahrzeuge der neuesten Generation

Derzeit findet vom 14. September bis 24. September die Internationale Automobil-Ausstellung, abgekürzt IAA, in Frankfurt am Main statt, eine der größten und international bedeutendsten Automobilfachmessen der Welt.

Mir ist es eine große Freude, am 20. September auf Einladung mehrerer großer Automobilhersteller deren neueste Sonderschutzfahrzeuge persönlich und en détail kennenlernen zu dürfen und einen Einblick zu erhalten, welche Weiterentwicklungen aktuell umgesetzt werden konnten.

Besuch der IAA: Sonderschutzfahrzeuge der neuesten Generation

Aus der täglichen Praxis sowie durch permanente Weiterbildung ergeben sich immer neue Anforderungen an Schutzfahrzeuge, die mit immer unterschiedlichen Ansprüchen und sich stetig veränderten Bedrohungsszenarien zunehmend komplexer werden. Einher gehen bei der Konzeption und Produktion natürlich auch die Berücksichtigung eines gewissen Komfortbedürfnisses der exponierten Schutzperson sowie die Möglichkeit, auch im Auto effektiv arbeiten zu können.

Wie die Hersteller von Sonderschutzfahrzeugen diese Herausforderungen aktuell meistern, werde ich mir unter anderem bei BMW, Mercedes und Trasco anschauen.

So verspricht beispielsweise BMW beim Modell X5 Security Plus, dass die Fenster Rüstungsklasse VR6 erreicht haben und das Auto Feuerwaffen oder auch Granaten standhalten kann. Mercedes – führend mit seinen Schutzfahrzeugen – verwendet für die Karosserien mehrere Zentimeter dicke Stahlplatten, wodurch die Fahrgastzelle quasi undurchdringbar ist. Der S 600 Pullman Guard vermag, nach Firmenangaben, Schutzpersonen vor Granaten, Minen und Bomben zu bewahren.

Sollten interessierte Blog-Leser ebenfalls morgen die IAA besuchen, trifft man sich vielleicht an den Ständen der genannten Unternehmen, über ein persönliches Kennenlernen und einen Austausch würde ich mich freuen.

Deutsche Söldner vor Gericht

Am 21. September beginnt im Amtsgericht Münster um 11:00 Uhr der Hauptverhandlungstermin im Strafbefehlsverfahren gegen zwei Männer, die sich – zusammengefasst – dem Vorwurf ausgesetzt sehen, Profit mit deutschen Söldnern auf ausländischem Boden gemacht haben zu wollen.

Worum geht es in erster Linie?

2010 wurde bekannt, dass das private militärische Dienstleistungsunternehmen Asgaard German Security Group – damals ansässig in Telgte – rund 100 Personen für einen Einsatz in Somalia anwerbe, darunter ehemalige Bundeswehrsoldaten, um dort den somalischen Politiker Galadid Abdinur Ahmad Darman militärisch zu unterstützen. Dieser wiederum wähnte sich als rechtmäßiger Präsident – ohne von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt gewesen zu sein – und plante die tatsächliche Erringung der Macht in dem ohnehin sehr strapazierten Land.

Söldner-Prozess

Damit hätte Asgaard – wo man durchaus eine Legitimation von Darman als Präsident gesehen hat – gegen den Paragrafen 109h des Strafgesetzbuches verstoßen, wonach deutschen Staatsbürgern der Wehrdienst bei einer ausländischen Macht verboten ist. Erste Beweise konnten bei einer Razzia im Unternehmen im Jahr 2010 gefunden werden, so unter anderem der Vertrag zwischen Asgaard und Darman, sowie umfangreiche Mengen Munition.

Was den Fall damals wie heute weiterhin brisant macht ist die Frage, ob sich das Unternehmen, resp. der nun angeklagte ehemalige Firmenchef und sein Geschäftskollege strafbar gemacht haben, da sie, so die Staatsanwaltschaft, unter anderem gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben. Danach hätten sie „gemeinschaftlich und vorsätzlich einem im Bundesanzeiger veröffentlichten, unmittelbar geltenden Verkaufsverbot eines Rechtsakts der europäischen Gemeinschaften zuwider gehandelt […], indem sie mit einem Vertreter des Präsidenten der Republik Somalia einen Vertrag über Sicherheitsdienstleistungen [ge]schlossen [haben]“, teilt eine Pressemitteilung des Amtsgerichts Münster mit. Kurz: Das Embargo der Vereinten Nationen gegen Somalia könnte verletzt worden sein.

Die dahinterstehende Frage: Sicherheitspartner oder Söldner?

Die Tagespresse sah nach dem Bekanntwerden des Asgaard-Deals die Grenze zwischen einem Sicherheitsdienstleister und modernem Söldnertum – wieder mal – überschritten. Die Genfer Konvention, Artikel 47 Absatz 2 I. Zusatzprotokoll definiert den Söldner völkerrechtlich. Als Söldner gilt,

  • wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen,
  • wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt,
  • wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat,
  • wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist,
  • wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und
  • wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.

Im Fall Asgaard dürfte nur das Kriterium der Anwerbung zum Kampf strittig sein, denn alle weiteren Kriterien treffen zu. Darunter auch eine Teilnahme an Feindseligkeiten, die sich auch bei Personen- und Konvoischutz nicht hätte verhindern lassen.

Krieger gegen Bezahlung, die aus Deutschland kommen, sind nicht selten in den Krisenregionen weltweit; z.B. auf dem Balkan oder in Afghanistan. Mehrere Tausend Deutsche „arbeiten“ inzwischen als Angestellte deutscher oder internationaler Sicherheitsfirmen. Meist handelt es sich um ehemalige Polizisten und GSG9-Beamte oder aus dem Dienst geschiedene Bundeswehrsoldaten. Als „Objektschützer“ oder „Military Contractor“ für private Firmen ist ihr Aufgabenspektrum häufig dubios und undurchsichtig, aber hervorragend bezahlt, wie Lisa Caspari in ihrem Text „Gekaufte Krieger“ beschreibt, der auf www.zeit.de erschienen ist.

Was im Gerichtsverfahren nun zu klären sein wird, ist die Frage, ob Asgaard sich tatsächlich strafbar gemacht hat oder das Handeln „nur“ moralisch verwerflich ist.

Gerade angesichts derartiger Fragestellungen gilt es, sauber zu differenzieren: Private Sicherheits- und Militärfirmen können nicht per se als Söldner bezeichnet werden, denn nur ein kleiner Teil führt militärische Kampfhandlungen aus. Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen fungiert als Sicherheitspartner und beschränkt ihr Angebot auf Logistik, Beratung und Ausbildung, wie auch Robert Seidl in seinem Überblick „Private Sicherheits- und Militärfirmen als Instrumente staatlichen Handelns“ festhält, der in Nummer 51 der „Aktuelle Analysen“ der Hanns-Seidel-Stiftung erschienen ist. Die Branche habe insgesamt eine moderne Unternehmensstruktur und rekrutiere ihre Angestellten professionell. Die Kunden reichen von staatlichen Regierungen über die Vereinten Nationen bis hin zu Nichtregierungs-Organisationen oder Privatunternehmen.

Ob nun das Handeln von Asgaard als strafbar einzustufen ist, werden die kommenden drei Verhandlungstage offenbaren, wobei vielleicht schon am 5.10. mit einem Urteil zu rechnen sein wird.

Die Entwicklung des Verfahrens wird hier im Blog genau verfolgt und analysiert werden.


Bildquelle: © Tim Reckmann / pixelio.de

„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

„Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil Sie in der Provinz rumgeballert haben und Sie Sheriff spielen wollten.”

Alle Parteien betreten pünktlich den Verhandlungssaal. Es sind circa zehn Zuschauer anwesend.

Der Angeklagte Uwe K., der gemeinsam mit seinem Anwalt kommt, macht einen sehr angespannten Eindruck. Er wird begleitet durch zwei ältere Herren, die ebenfalls aus dem Sicherheitsbereich kommen und früher im behördlichen Bereich einer Bundespolizei tätig waren.

Nach der Begrüßung durch den Richter möchte dieser die Beweisaufnahme mit dem Vorlesen eines Gutachtens abschließen. Dieses Gutachten setzt sich mit der Schussverletzung des Opfers auseinander. Es erklärt medizinisch, an welcher Stelle das Opfer verletzt worden ist.

„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

Bevor der erste Zeuge in den Gerichtssaal eintritt, möchte der Rechtsanwalt des Angeklagten mitteilen, dass sein Mandant Uwe K. einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt. Hierzu ist er bereit, 10.000 Euro unmittelbar an das Opfer Mirnes A. zu bezahlen. Der Nebenkläger des Opfers teilt mit, dass das Opfer hieran kein Interesse hat, da sich der Angeklagte nicht wirklich reuevoll verhält und er annimmt, dass er sich mit dieser Zahlung lediglich aus der Verantwortung kaufen möchte.

Hiernach kommt Kriminalkommissar Michael W. von der Polizei Augsburg in den Zeugenstand. Er war damit beauftragt, Spuren an der Waffe zu sichern. Er teilt mit, dass er die Waffe, eine Clock 19, am Tatort entgegengenommen und festgestellt hat, dass eine Patrone (9 x 19 Millimeter) verschossen worden ist und sich zudem eine weitere im Lauf sowie zwölf weitere im Magazin befunden haben.

Das Magazin hätte 15 Patronen aufnehmen können. Warum Uwe K. sein Magazin nicht voll munitioniert hatte, bleibt unklar.

Hiernach ist die Beweisaufnahme abgeschlossen und die Parteien halten nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung ihre Plädoyers. Die Staatsanwältin beginnt.

Plädoyers der Staatsanwaltschaft

Sie führt aus, dass der Angeklagte mit seinem Schutzauftrag am 26. Juni 2016 begonnen hat. Hintergrund waren Schüsse auf die Haustür seiner Schutzperson sowie ein körperlicher Angriff auf diese, die die Auftragserteilung aus Sicht des Auftraggebers notwendig gemacht haben. Es habe ein sogenanntes „abstraktes Bedrohungsszenario“ vorgelegen.

Am Tattag selbst habe Uwe K.s Schutzperson Erwin S. sehr provozierend auf dessen Gesprächspartner eingewirkt, so dass dieser ihn mit der flachen Hand eine Ohrfeige auf die linke Wange versetzt habe. Weiter sei nichts geschehen. Es habe weder einen weiteren gegenwärtigen Angriff auf die Schutzperson oder den Angeklagten selbst gegeben, sondern nur Gedränge und Geschiebe innerhalb der Gruppe. In dieser Situation habe der Angeklagte seine Waffe gezogen und auf das spätere Opfer geschossen. Die Verletzung hätte Lebensgefährlich sein können, das Opfer hat seitdem aber erhebliche psychische Folgen zu erleiden. Ein Geständnis des Täters liegt vor.

Die Zeugin Sandra W. hat ausgesagt, dass der Täter nur eineinhalb Meter Abstand zum Opfer hatte. Das Opfer hatte Todesangst. Aus diesem Sachverhalt ist laut Staatsanwältin klar festzustellen, dass sich der Angeklagte gemäß Paragraf 224 Abs. 1 StGB der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Es habe keine Notwehrsituation vorgelegen, da kein gegenwärtiger Angriff geschehen sei. Es steht nun ein Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zur Disposition. Ebenso läge kein minderschwerer Fall vor, somit ist eine Strafrahmenverschiebung nicht relevant. Auch eine mögliche Strafrahmenverschiebung gemäß Paragraf 46 a StGB Täter-Opfer-Ausgleich trifft in diesem Fall nicht zu, da zwischen Täter und Opfer keine Kommunikation zustande kam. Strafmildernd kann man anführen, dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen und er ein Geständnis abgegeben hat. Strafverschärfend wirken die Tatfolgen, insbesondere die psychischen Leiden des Opfers und der unberechtigte Waffeneinsatz.

Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und auf drei Jahre Bewährungszeit angesetzt. Zusätzlich fordert sie 10.000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer. Bewährung fordern Sie deshalb, da zu dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose abgegeben werden kann. Des Weiteren wertet sie das abstrakte Bedrohungsszenario als besonderen Umstand. Sie fasst zusammen, dass der Personenschützer Uwe K. den Anforderungen seines Berufes nicht gerecht worden sei.

Plädoyer des Opferanwalts

Der Nebenkläger des Schussopfers stellt in seinem Plädoyer klar, dass eine Strafe über zwei Jahre der Tat und der Schuld angemessen wäre. Immerhin lag hier ein Schusswaffengebrauch in der Öffentlichkeit vor und das ohne eine Notwehrlage. Der Angeklagte ist ausgebildeter Personenschützer und hätte die Situation besser einschätzen müssen. Weiterhin führt er an, dass es seit zehn Monaten keine Entschuldigung gegenüber seinem Mandanten gegeben hat. Erst als der Angeklagte während des Prozesses gemerkt hat, dass die Notfallsituation zu kippen drohte, gab es eine Entschuldigung.

Plädoyer des Verteidigers

Der Verteidiger geht in seinem Plädoyer zuerst auf die Persönlichkeit seines Mandanten ein. Er stellt außerdem fest, dass Uwe K. einen Irrtum begangen hat. Des Weiteren beschreibt er die Situation kurz vor der Schussabgabe.

Seine Schutzperson Erwin S. habe demnach viele Feinde. Er sei an diesem Abend angespannt und gegenüber seinen Gesprächspartnern sehr provozierend gewesen.

Die Personen, darunter das Opfer, die sich am Tatabend mit Erwin S. in der Auseinandersetzung befanden, sähen aus wie Inkasso-Eintreiber, so der Verteidiger. Sie wirkten sehr bedrohlich: Das Opfer selbst ist knapp zwei Meter groß und wiegt weit über 100 Kilo, auch sein ebenfalls anwesender Bekannter, Dominik K., ist 1,94 Meter groß und wiegt 135 Kilo. Beide haben eine starke Statur.

Uwe K. selbst war fokussiert auf Erwin S., wollte ihn schützen. Das spätere Opfer Mirnes A. wiederum habe verhindern wollen, dass Uwe K. Adis A. nach dessen Ohrfeige für Erwin S. zur Hilfe kommen kann.

Es sei richtig, so der Verteidiger, dass die Einsicht von Uwe K., dass es keine Notwehrlage gewesen sei, erst während der Hauptverhandlung geäußert wurde. Doch das Gericht möge bitte berücksichtigen, dass er nur Sekundenbruchteile für seine Entscheidung gehabt hatte. Er arbeite seit 20 Jahren als Bodyguard, ohne dass jemals eine Schussabgabe im Einsatz notwendig geworden sei. Außerdem sei richtig, dass Uwe K. sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Sein Mandant zeige aber Reue und Einsicht.

Der Verteidiger hält ein Strafmaß im unteren Bereich, also ein Jahr auf Bewährung, für angemessen. Eine Ausgleichssumme von 5000 Euro, zahlbar in drei Monaten, hält er ebenfalls für angebracht. Insbesondere weil das derzeitige Einkommen von Uwe K. nur 1500 Euro beträgt. Aus der Sicht des Anwalts erfordern die Umstände der Tat eine Beurteilung als geringe Schuld.

Die letzten Worte des Angeklagten werden unter Tränen erstickt und kommen nur stockend. Er teilt mit, dass er die Tat bedauert und möchte sich nochmals entschuldigen. Weitere Worte kann Uwe K. nicht mehr sprechen. Vor der Urteilsverkündung gibt es eine Unterbrechung.

Die Urteilsverkündung

Der Angeklagte Uwe K. wird wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung bestraft. So teilt es der Richter mit. Weiterhin spricht er den Verurteilten Uwe K. direkt an: „Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil sie in der Provinz rumgeballert haben und sie Sheriff spielen wollten.” Zu diesem Einsatz waren 17 Polizeistreifen der Polizei Augsburg im Einsatz. Bis zum Eintreffen der Polizei hat Uwe K. alle in Schach gehalten, weil er glaubte, das zu dürfen, so der Vorsitzende Richter.

Die Tat der gefährlichen Körperverletzung rechtfertigt unbedingt eine Gefängnisstrafe. Nur die Beurteilung der Person Uwe K. hat letztendlich das Gericht dazu veranlasst, eine Strafe im Bewährungsrahmen auszusprechen. Das Gericht ist der Meinung, dass ein Mensch wie Uwe K. nicht in den Knast gehört. Allerdings wäre es für diese Beurteilung durchaus besser gewesen, wenn sich Uwe K. schon am ersten Verhandlungstag persönlich beim Opfer Mirnes A. entschuldigt hätte.

Der Beschluss des Gerichts lautet demnach Freiheitsstrafe über zwei Jahre auf Bewährung, Bewährungszeit drei Jahre und zusätzlich die Zahlung von 10.000 Euro an das Opfer innerhalb von zwei Monaten.

Die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft akzeptieren das Urteil sofort. Der Nebenklägervertreter ist dazu noch nicht in der Lage, da er sich zuerst mit seinen Mandanten besprechen muss.


Angeklagter / Bildquelle: Stefan Bisanz

„Bodyguard schießt“-Prozess startet in Augsburg

Vor dem Landgericht Augsburg wird gegen den Personenschützer Uwe K. aus Dormagen verhandelt, der am Donnerstag, 30. Juni 2016 dem Gesprächspartner seiner Schutzperson Erwin S. in einer Konfliktsituation ins Bein geschossen hat. Erwin S. hatte die Dienste von Uwe K. in Anspruch genommen, nachdem er zuvor zusammengeschlagen und außerdem auf seine Haustür geschossen worden ist.

Am Abend der Tat wiederum waren Uwe K. und sein Klient Erwin S. zusammen mit dessen Lebensgefährtin gegen 19 Uhr Gäste der Augsburger Gastronomie L’Osteria. Kurze Zeit später und eher zufällig trafen dort Mirnes A. und sein Bruder Adis A. sowie deren Bekannter Dominik K. ein. Adis A. forderte Erwin S. zu einer Aussprache vor dem Lokal auf, die sich um zivilrechtliche Forderungen (€ 70.000,00) aus der Vergangenheit drehen sollte. Erwin S. ließ sich darauf ein.

„Bodyguard schießt“-Prozess

Im darauffolgenden Gespräch lehnte Erwin S. jede persönliche Haftung ab und verwies Adis A. auf den Insolvenzverwalter. Adis A. geriet in Rage, woraufhin Erwin S. ihn auslachte. Adis A. versetzte Erwin S. nun mit der flachen Hand eine Ohrfeige auf die linke Wange.

In diesem Moment wollte der Personenschützer Uwe K. in das Geschehen eingreifen, wurde jedoch von den beiden Begleitern von Adis A. abgeschirmt. Ohne, dass es einen weiteren Angriff auf seine Schutzperson oder ihn selbst gegeben hätte, zog Uwe K. seine Schusswaffe (Clock 19), lud sie durch und schoss gezielt auf den Unterkörper des circa eineinhalb Meter von ihm entfernt stehenden Mirdes A.

Die Kugel durchschlug das rechte Bein des Geschädigten mittig im oberen Teil des Oberschenkels, circa zehn Zentimeter von der Leiste entfernt. Mirdes A. erlitt heftigste Schmerzen im gesamten rechten Bein. Er musste operativ versorgt werden und eine Woche stationär im Klinikum Augsburg behandelt werden. Der Schuss war insbesondere wegen der der Nähe der Wunde zur Oberschenkelarterie und zum Oberschenkelnerv geeignet, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen. Eine konkrete Lebensgefahr ist jedoch nicht eingetreten.

Die Anklage

Uwe K. wird beschuldigt, durch seine Handlung eine andere Person körperlich misshandelt und gesundheitlich geschädigt zu haben. Diese Körperverletzung ist mittels einer Waffe durch eine, das Leben gefährdende Tat, zugefügt worden. Des Weiteren wird Uwe K. beschuldigt, entgegen des Paragrafen 28 des Waffengesetzes, eine Schusswaffe geführt zu haben. Es muss nun gerichtlich festgestellt werden, ob die Tat als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubten Führens einer Waffe zu werten und somit strafbar ist.

Fazit:

Es gilt nun, mehrere Fragenkomplexe zu beurteilen:

  1. Der Angeschuldigte ist Personenschützer und auch berechtigt, eine halbautomatische Pistole des Herstellers Clock, Kaliber 9 mm, zu führen. Jedoch besaß der Angeschuldigte keine erforderliche schriftliche Genehmigung der Waffenbehörde für diesen Personenschutz-Auftrag. Warum wurde keine Waffentrageberechtigung für diesen Auftrag eingeholt?
  2. Lag eine Notwehr- oder Nothilfe-Situation vor? Immerhin hat es keine weiteren Angriffshandlungen gegeben.
  3. Wie ist die Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Abwehr aus? Hätte hier nicht körperliche Gewalt gereicht? Uwe K. ist angeblich ein versierter Kampfsportler.
  4. Gilt der Grundsatz: „Einer, ist keiner“?
  5. Wie sah die Weiterbildung des Bodyguards aus?

 

Gericht Augsburg / Bildquelle: Stefan Bisanz

Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Bodyguard-Prozess: Auswahlkriterien für einen Personenschützer

An welchen Auswahlkriterien hätten Verona Pooth und andere Auftraggeber erkennen können, dass der nunmehr verurteilte Totschläger Jens H. als Personenschützer ungeeignet ist?

Um dieser Fragestellung nachzugehen, habe ich an allen acht Verhandlungstagen im Landgericht Düsseldorf am Totschlagsprozess gegen Jens H. als Prozessbeobachter teilgenommen. Nur im Gerichtssaal war es mir möglich, die Kriterien zu eruieren, anhand derer man hätte erkennen können, dass Jens H. nicht geeignet ist, Personenschutzaufgaben professionell wahrzunehmen.

Seine V.I.P.-Schutzperson Verona Pooth hat in Interviews nach Bekanntwerden der Tat einige Aussagen zu Jens H. getätigt: „Er war stets ein sehr freundlicher und zuvorkommender Fahrer und Bodyguard.“ In einem RTL-Interview gestand sie: „Wenn ich ihn heute sehen würde, hätte ich Angst vor ihm. Er kannte mein Leben natürlich sehr gut, aber ich seines weniger. Ich wusste nur, dass er in zweiter Ehe verheiratet ist und zwei Kinder hat, und dass er immer, wenn er im Auto war, ein echter Rheinländer war, mit Humor; das war das Bild, das ich von ihm hatte.“ Diese Aussagen zeigen schon, wie fahrlässig Schutzpersonen in der Auswahl ihrer Personenschützer oder, wie in diesem Falle, ihres Bodyguards sind.

Auswahlkriterien für einen Personenschützer

Folgende Kriterien und deutlichen Warnzeichen habe ich festgestellt:

1. Jens H. kam aus der Türsteherszene und war dort entsprechend bekannt.
2. Er war Bodybuilder mit überproportional dicken Oberarmen, die durch die Einnahme von Anabolika aufgepumpt waren.
3. Seit seinem 18. Lebensjahr war er alkohol- und drogenabhängig.
4. Seit 2012 ist er depressiv und nimmt ständig Medikamente ein.
5. Er war nicht Geschäftsführer seiner eigenen Firma.
6. Er hat mehrere Insolvenzen verursacht.

Folgende Lösungsansätze gibt es:

1. Ein psychologisches Gutachten über den Personenschützer erstellen lassen.
2. Einen Sachverständigen für Personenschutz mit einem Tätigkeits- und Background-Check beauftragen.
3. Nur Personenschützer beauftragen, die auch ein soziales Kontrollumfeld haben, zum Beispiel ein Netzwerk oder Arbeitskollegen in einer Personenschutzfirma. Dies ist bei vielen sogenannten Freelancern oder Einzelunternehmern, wie Jens H. einer war, nicht gegeben.

Im Geschäftsleben kennen wir den Begriff „Auswahlverschulden“. Man spricht vom Auswahlverschulden, wenn ein Auftraggeber einen Auftragnehmer auswählt, der nicht den geforderten Qualifikationen und den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Das Tötungsdelikt von Jens H. war natürlich zu keinem Zeitpunkt vorherzusehen. Dennoch zeigen die oben genannten Punkte, dass Jens H. zumindest sehr labil war und somit nicht wirklich professionell hat handeln können, wenngleich er gegenüber seiner Kundschaft offenbar ein guter Blender war. Man möchte sich nicht vorstellen, wie er gegebenenfalls in Stresssituationen während eines Kundenauftrags reagiert hätte, zu welchem Fehlverhalten es hätte kommen können. Um das zu vermeiden, können die vorgeschlagenen Lösungsmaßnahmen vor der Wahl eines Personenschützers konkret helfen und verlässliche Entscheidungsgrundlagen sein.

Folgende Quintessenz fasst es gut zusammen: Niemals einen Bodyguard engagieren, sondern immer einen professionellen Personenschützer beauftragen.

„Bodyguard schießt“-Prozess: 1. & 2. Verhandlungstag | Anklageverlesung & Ausgleichsangebot

Am ersten Verhandlungstag wird zunächst die Anklageschrift verlesen. Der Staatsanwalt wertet den von Bodyguard Uwe K. abgegebenen Schuss eindeutig als gefährliche Körperverletzung. Zudem wird ihm vorgeworfen, für den Schutzauftrag bei Klient Erwin S. nicht die erforderliche Erlaubnis besessen zu haben, eine Waffe mit sich führen zu dürfen.

Der Bodyguard jedoch hat der Polizei gegenüber eine andere Aussage getätigt: Er sieht sich im Recht der Nothilfe, denn der Angriff auf seine Schutzperson sei deutlich massiver gewesen, als man ihm nun vorwerfe. Daher sei der Schuss als Notwehr zu beurteilen. Dies bestätigte auch sein Augsburger Verteidiger Stefan Mittelbach.

„Bodyguard schießt“-Prozess: 1. & 2. Verhandlungstag | Anklageverlesung & Ausgleichsangebot

Die Schutzperson Erwin S. betrieb zum Zeitpunkt der Tat in Augsburg eine Firma zur Finanzierung von Luxusautos, die zu erstaunlich günstigen Konditionen angeboten wurden. Im Internet wurde vor dieser Firma gewarnt. Geleitet wurde das Unternehmen von seiner 28-jährigen Lebenspartnerin. Der 58-jährigen Geschäftsmann, gilt in der Branche wohl als nicht ganz unumstritten. Zwischenzeitlich sitzt die Firma nicht mehr in Augsburg, als Geschäftsführer fungiert mittlerweile eine andere Person.

Über die umstrittenen Geschäftsgebaren seiner Schutzperson hätte sich Uwe K. sehr leicht über eine einfache Internetrecherche informieren können. Hat hier die Aussicht auf eigenen wirtschaftlichen Erfolg die übergeordnete Rolle gespielt und einer gründlichen Vorbereitung entgegengewirkt?

Am zweiten Verhandlungstag gibt der Verteidiger von Uwe K. eine Erklärung ab, worin er mitteilt, dass der Bodyguard zwischenzeitlich erkannt hätte, dass er sich in keiner Notwehr-Situation befunden habe. Damit räumt der Angeklagte ein, dass er sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat.

Ein geschickter Schachzug, da er durch sein Geständnis nun mit einer Bewährungsstrafe rechnen kann.

Genau das stellt der Vorsitzende Richter in Aussicht und konkretisiert, dass die Bewährungsstrafe im Bereich zwischen einem und zwei Jahren liegen könnte.

Dann wird Erwin S. um seine Aussage gebeten. Er berichtet zunächst über seine Firmen und seine Geschäftsideen im Bereich der Autofinanzierung, dann geht es um den Abend der Schussabgabe. Erwin S. wollte mit seiner Freundin in dem italienischen Lokal zu Abend essen. Er habe außerdem circa 40.000 Euro in einer Aktentasche bei sich gehabt. Zufällig wurde er von Gläubigern in dem Restaurant angesprochen und man begab sich zur Aussprache vor die Tür. Dort kam es zum Streit und kurz darauf zur Abgabe des Schusses.

Nach der Aussage der Schutzperson Erwin S. stellt das Gericht die Frage, ob der Bodyguard, der ein erfahrener Kampfsportler ist, sich in der Situation nicht auch anders hätte verhalten können. Hier sei die Frage der Verhältnismäßigkeit, außerordentlich zu prüfen.

Zwischenzeitlich konnte ich in Erfahrung bringen, dass der Bodyguard dem Opfer Mirnis A. nun ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro bezahlen möchte. Der Verteidiger des Bodyguards möchte mit dem Anwalt des Opfers bis zum nächsten Prozesstag einen Täter-Opfer-Ausgleich vereinbaren. Damit könnte am nächsten Verhandlungstag auch bereits ein Urteil fallen. Der Angeklagte muss mindestens mit einer Haftstrafe auf Bewährung rechnen.


Angeklagter / Quelle Bildfoto: Stefan Bisanz

Zwölfter Verhandlungstag | Urteilsverkündung

Der zwölfte und letzte Verhandlungstag am 6. Februar 2017 beginnt um 9:22 Uhr. Heute wird das Urteil gesprochen. Es sind drei Fernsehteams , drei Hörfunksender, fünf Bildfotografen und zehn Pressevertreter anwesend. Insgesamt sind circa 15 Zuschauer im Saal.

Vor der Urteilsverkündung stellt der Vorsitzende Richter die Vollständigkeit der Parteien fest, dann erheben sich alle im Saal, weil das Urteil bekannt gegeben wird.

Piotr. M. muss für sechs Jahre und vier Monate ins Gefängnis wegen erpresserischen Menschenraubes, gefährlicher Körperverletzung, Raub, und Urkundenfälschung. Thomas B. erhält zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub. Jan I. bekommt zwei Jahre auf Bewährung und 1.200 Euro Geldstrafe wegen versuchter räuberischer Erpressung. Magdalena K. erhält zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe von 3.000 Euro wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub.

Zwölfter Verhandlungstag | Urteilsverkündung

Der Vorsitzende Richter erläutert noch einmal das gesamte Tatgeschehen. Zu den Hauptfehlern der Tätergruppe zählt er insbesondere die Anweisung, das Lösegeld als Überweisung auf das Konto von Magdalena K. zu avisieren. Des Weiteren hatte das polnische Mietfahrzeug der polnischen Täter einen GPS-Peilsender, der durch die Polizei sehr gut ausgewertet werden konnte. Auch das Verhalten von Magdalena K. und ihrem Sohn Michael K. am Telefon war entlarvend, da deren Anschluss bereits nach dem ersten Täterkontakt der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) unterlag.

Hiernach erläutert der Vorsitzende Richter die Täter Beteiligung im Einzelnen.

Er beginnt mit Piotr M., der an der Planung und an der Ausspähung teilgenommen hat, Kontaktmann zu Michael K. war und an der Freilassung beteiligt war. Ihm wird Vorsatz zum erpresserischen Menschenraub unterstellt. Das Strafmaß dafür wären fünf bis 15 Jahre. Strafmildernd ist zu bewerten, dass er auf seinen Anteil des Lösegelds verzichtet hat. Damit gibt es eine Strafrahmenverschiebung auf zwei Jahre bis elf Jahre und drei Monate. Negativ ist auszuführen, dass er sieben Vorstrafen – alles Vermögensdelikte – hat und somit als Berufskrimineller zu bezeichnen ist. Positiv bewertet das Gericht sein spätes Geständnis, dass er frei gesprochen und Reue gezeigt hat und er zusätzlich Nachfragen zugelassen hat. Somit wurde das Strafmaß auf fünf Jahre und neun Monate für die Entführung festgelegt und ein Jahr und drei Monate für die Urkundenfälschung. Daraus ergibt sich eine Gesamtstrafe von sechs Jahren und vier Monaten.

Der Täter Thomas B. war an der Vorplanung beteiligt und kannte die Umstände. Da er jedoch keine eigenen Tatbeiträge zu verzeichnen hat, sondern nur in der Helferrolle für Michael K. agierte, ist der lediglich zur Beihilfe verurteilt worden. Positiv ist ihm anzurechnen, dass er sofort ein Geständnis abgegeben hat und sich umfangreich eingelassen hat. Die Beihilfe ist im Strafmaß ebenfalls mit fünf bis 15 Jahren angesiedelt. Da Thomas B. jedoch einer Kronzeugenregelung unterliegt, gab es eine Strafrahmenverschiebung auf zwei Jahre und sechs Monate.

Bei Jan I. wurde positiv bewertet, dass er nicht direkt an der Entführung beteiligt war und er außerdem mittlerweile auf einen Rollstuhl richtiggehend angewiesen ist. Negativ wird ihm angerechnet, dass es von ihm keine Einlassung zur Tat gab und er vor Gericht auch gelogen hat. Er ist voll schuldfähig und außerdem vorbestraft (12 Verurteilungen). Aufgrund der mildernden Umstände verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro.

Zuletzt kommt der Vorsitzende Richter zu der Täterin Magdalena K. Vorab stellt er fest, dass sie, wie sie selbst ausgeführt hat, kein Monster ist – so wie auch alle anderen in diesem Gerichtssaal keine Monster sind. Negativ sei jedoch, dass sie vor Gericht gelogen hat und auch kein Geständnis abgegeben hat. Sie kannte die Situation ihres Sohnes Michael K. ganz genau, auch ist ihr eine Tatbeteiligung hinsichtlich der Bereitstellung ihres Kontos anzurechnen und sie wusste durchaus von der Entführung. Und so trifft auf sie ein minder schwerer Fall zu, wobei aufgrund ihres Alters und der geringen Tatbeteiligung ein Strafmaß von einem Jahr bis 15 Jahren möglich ist. Letztlich wird sie zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt.

Als Fazit erklärt das Gericht, dass dieser Fall aufgeklärt worden ist und dazu insbesondere die gute Mitarbeit des Kollegen des Opfers, Geschäftsführer Manfred M. beigetragen hat, aber auch die aufmerksamen Nachbarn der Ferienwohnung.

Fazit des Tages: Das Opfer erhält lebenslänglich. Drei weitere Täter sind nahezu frei. Nur einer verbleibt im Vollzug. Gegen den Haupttäter kann nicht verhandelt werden. Zwei Täter sind noch auf der Flucht. Ein Täter ist in polnischer Auslieferungshaft.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

Zehnter & Elfter Verhandlungstag | Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger

Im Prozess um die Entführung des Geschäftsmannes Heiko L. aus Leer wird gegen vier Angeklagte verhandelt, drei weitere Verdächtige sind flüchtig und der Haupttäter ist aufgrund einer Leukämieerkrankung nicht verhandlungsfähig. Dessen 91-jährige Mutter ist ebenso angeklagt und soll wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt werden, so die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer. Auch die Verteidiger der Angeklagten halten ihre Plädoyers.

Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft für die alte Frau aus dem nordrhein-westfälischen Iserlohn. Sie ist die Mutter des 67 Jahre alten, mutmaßlichen Drahtziehers der Entführung und die Lösegeldzahlungen sollen über ihr Konto gelaufen sein. Die 91jährige soll von Beginn an nicht nur in die Planung des Verbrechens eingeweiht, sondern selbst motiviert gewesen sein. Da ihr Sohn pleite war und von ihrem Geld lebte, hatte die Mutter ein großes Interesse, dass ihr Sohn an das Lösegeld kommt und sie nicht mehr für dessen Lebensunterhalt aufkommen muss, schlussfolgert die Staatsanwaltschaft.

Zehnter & Elfter Verhandlungstag | Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger

Für die drei polnischen Mitangeklagten, fordert die Staatsanwaltschaft wegen versuchter Erpressung, erpresserischen Menschenraubs und Urkundenfälschung Freiheitsstrafen von drei Jahren und zehn Monaten, vier Jahre und sechs Monate und acht Jahre. Die Strafen fallen unterschiedlich hoch aus, da die jeweilige Tatbeteiligung unterschiedlich war.

Einer der Angeklagten – Thomas B. – war von Anfang an geständig und hat bei der Aufklärung des Verbrechens erheblich mitgeholfen. Dieser Aspekt führt dazu, dass er die geringste Strafe erhalten soll. Ein weiterer Angeklagter – Piotr M. – hat aktiv an der Entführung teilgenommen: beim Vortat-Verhalten d.h. bei der Ausspähung des Opfers, während der Entführung als einer der Wächter in der Gefangenschaft. Daher die Forderung von acht Jahren Freiheitsentzug.

Plädoyers der Verteidigung

Danach ist der Verteidiger der 91-jährigen Angeklagten Magdalena K. am Zug, der einen Freispruch und die Aufhebung des derzeit nur außer Vollzug gesetzten Haftbefehls. Der Verteidiger führt dazu weiter aus, dass die Entführung im ersten Teil sehr professionell vorbereitet worden ist. Die heftigsten Fehler seien dann bei der Übergabe des Geldes gemacht worden. Ihre Mittäterschaft sieht er allein darin, dass der Sohn seiner Mandantin deren Kontonummer als Lösegeld-Empfängerkonto angegeben habe. Seine Mandantin hätte außerdem keine Entführung gewollt, sondern sei von einem Inkassovorgang ausgegangen. Nur weil ihr Sohn von der Tätergruppe bedroht worden sei, ließ er die Entführung, die er nicht mehr umsetzen wollte, doch noch zu. Doch davon habe die Mutter nichts gewusst. Erst als sie bemerkte, dass ihr Konto involviert war, hätte sie etwas geahnt. Wie bereits erwähnt ging sie nicht von einer Entführung aus, sondern von einer Inkassomaßnahme. Der Verteidiger der Seniorin betont, sie sei bisher völlig straffrei. Es gäbe auch keinerlei Erklärung dafür, dass sie ein solches Verbrechen hätte unterstützen sollen. Da der Sachverhalt der Magdalena K. nicht bekannt gewesen sei, könne auch von Beihilfe keine Rede sein. Es gäbe keinerlei Beweise, dass sie etwas von der Tat gewusst hätte. Auch der zweite Verteidiger der Magdalena K. stellt in seinem Plädoyer heraus, dass sie nichts von der Tat gewusst haben kann und unter dem Verfahren sehr gelitten habe. Sie sei von einer berechtigten Forderung ihres Sohnes an das Opfer ausgegangen und stellte deshalb ihr Konto zur Verfügung. Auch dieser Anwalt beantragt einen Freispruch für seine 91-jährige Mandantin.

Die Verteidigerin des Angeklagten Jan I. moniert in ihrem Plädoyer, dass das psychologische Gutachten ergeben hat, dass ihr Mandant schuldfähig und nicht nur eingeschränkt schuldfähig sei. Daher hält sie das Gutachten für bedenklich und stellt ihn vielmehr als „armes Opfer“ dar. Aufgrund eines Hirnschadens, der von einem Kfz-Unfall herrührt, sei er geistig nämlich nicht in der Lage, eine solche Tat mit durchzuführen, geschweige denn, dem Prozess hier folgen zu können – eine Feststellung, die das Gutachten nicht hinreichend bestätigt.

Jan I. hat während des Prozesses immer wieder bewiesen, dass er folgen kann. Er hat sehr klar und eindeutig auf die Aussagen der beiden polnischen Mitangeklagten reagiert. An diesen Stellen war auch sein Blick immer wach. Ansonsten spielt er tatsächlich die Rolle des armen, schwachen Behinderten.

Nach Ansicht der Verteidigerin sei ihr Mandant gefährdet, auf chronisch krank zu sein und wäre wohl lebenslang auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie beantragt eine Bewährungsstrafe für ihn und die Aufhebung des Haftbefehls.

Zur rechtlichen Würdigung der Tatbeteiligung des Angeklagten Piotr M. sagt sein Verteidiger, dass hier ein klassischer Entführungsfall vorliege. Die Professionalität zeige sich durch die hinzugerufenen Polen, die immer noch auf der Flucht sind. Die Übergabe und die Geldbeschaffung allerdings seien nicht sehr professionell gewesen, da hier ein großes Entdeckungsrisiko bestanden hätte. Ebenfalls wäre zu beachten, dass die Absicht zur Erpressung infrage gestellt werden sollte. Die Täter waren der Meinung, dass die Forderung ihres Auftraggebers Michael K. berechtigt gewesen seien.

Der Verteidiger beantragt als Strafe für seinen Mandanten – Piotr M. – eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und die Aufhebung des Haftbefehls. Er sieht keine deutlichen Erkenntnisse für eine Erpressung, sondern nur für eine Entführung.

Außerdem sei Piotr M. reuig gewesen, was aber nicht anerkannt worden sei. Er habe an der Freilassung des Opfers erheblich mitgewirkt und auf seinen Teil des Lösegelds verzichtet.

Wo und wie der Verzicht auf das Geld zu erkennen sein soll, ist fraglich, da das Opfer freigelassen wurde, nachdem die Täter eine MMS mit einem Foto der Überweisung erhalten haben. Also mussten alle Täter davon ausgehen, dass das Geld bereits in ihrem Besitz ist.

Letzte Worte

Nach allen Plädoyers der Verteidiger zieht sich das Gericht zu einer kurzen Beratung zurück und gibt danach allen Angeklagten die Möglichkeit, noch ein paar letzte Worte zu sagen. Die 91-jährige Magdalena K. schließt sich den Aussagen ihrer Verteidiger an und teilt ihre Enttäuschung über den Staatsanwalt mit. Dieser habe an ihr keine positiven Aspekte gefunden. Außerdem wäre sie nicht so dumm, ihr Konto für das Lösegeld einer Entführung zur Verfügung zu stellen.

Danach entschuldigt sich Piotr M. nochmals bei allen betroffenen Menschen, insbesondere beim Opfer Heiko L. Er weiß, dass er schuldig ist und es tut ihm leid. Er habe die Tat nicht freiwillig getan, sondern befand sich damals in einer verzweifelten Situation mit vielen Problemen. Hinzu kam, dass nach der Entführung und der missglückten Lösegeldübergabe die anderen Mittäter von ihm 5.000 Euro forderten.

Er trägt seine Sätze sehr mitleidig vor und führt in seinen Worten sehr intensiv aus, dass es ihm persönlich sehr schlecht gehe, weil er seine Kinder nicht sehen kann.

Des Weiteren wird bekannt, dass Piotr M. auch noch eine offene Haftstrafe von dreieinhalb Jahren in Polen abzusitzen hat, die jederzeit auf fünf Jahre verlängert werden kann, da die neue Gesetzgebung den Schlaf von täglich acht Stunden im Gefängnis nicht als abgegoltene Strafe anrechnet. Daher teilt er dem Gericht mit, dass er seine Haftstrafe in einem deutschen Gefängnis absitzen möchte und nicht nach Polen ausgeliefert werden will. In Polen würde er außerdem keine Entzugstherapie wie in Deutschland machen können und auch keine leichteren Haftbedingungen bekommen. Im Gefängnis selbst werde er als Verräter angesehen und dementsprechend behandelt. Da er außerdem gegen einen der zehn gefährlichsten Mafiabosse Polens ausgesagt habe, fordert er Zeugenschutz für seine Familie. Er habe alles verloren und bittet nun um Berücksichtigung dieser Umstände.

Der Angeklagte Thomas B. teilte in seinen letzten Worten lediglich mit, ihm täte die Tat leid.

Danach ist der Verhandlungstag beendet. Die Urteilsverkündung wird für den 6. Februar 2017 erwartet.