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Reker-Prozess: Zwölfter Verhandlungstag | Das Urteil: 14 Jahre Haft

Der zwölfte und letzte Verhandlungstag findet am 1. Juli 2016 statt. Beginn ist um 14:00 Uhr. Heute wird ausschließlich das Urteil bekannt gegeben, daher sind fünf TV-Teams, zehn Fotografen und über fünfzig Journalisten bei Gericht.

Am Anfang gibt die Vorsitzende bekannt, dass der Beschuldigte Frank S. zu 14 Jahren Haftstrafe wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wird. Danach erklärt sie außerdem, dass es bei diesem Prozess keinerlei Versuche politischer Einflussnahme gegeben hat. Hintergrund der Erklärung: Der Prozess wurde beim Staatsschutzsenat verhandelt, weil der Täter eine politische Motivation angegeben hat und durch sein Attentat auf eine politische Mandatsträgerin eine politische Willensbeeinflussung herbeiführen wollte. Aufgrund dessen musste eine Gefährdung der Inneren Sicherheit in Betracht gezogen werden.

Wie ich bereits nach dem sechsten Verhandlungstag feststellte, macht diese Tatmotivation deutlich, dass Frank S. dem Täter-Typ „Terrorist“ entspricht.

Die Vorsitzende Richterin schildet nun, die vorgenommene rechtliche Beurteilung habe zum einen ergeben, dass mit der Haupttat von Frank S. ein Mordversuch vorlag. Zum anderen war zu prüfen, ob die Gesamtheit seiner Taten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe führen müsse.

Reker-Prozess: Zwölfter Verhandlungstag | Das Urteil: 14 Jahre Haft

Der Täter und sein Vortat-Verhalten

Danach werden nochmals die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten detailliert geschildert. Es wird auf seine Kindheit, seinen beruflichen Werdegang, seine Zeit bei der Bundeswehr sowie seine Wohnsituation und sein Freizeitverhalten eingegangen. Zum Thema Persönlichkeitsstörung wird erneut festgestellt, dass diese als schwerwiegend einzuschätzen sei. Es liege eine paranoide und narzisstische Störungen vor. Frank S. sei immer angespannt, misstrauisch und rechthaberisch.

Bezüglich des Vortat-Verhaltens und der Tatausführung erklärt die Vorsitzende Richterin, Frank S. habe über die lange Zeit von zwei Jahren vor der Tat im Internet viel über das Thema Flüchtlinge gelesen. Dies habe Frank S. auf die Idee gebracht, auf Henriette Reker, als politische Symbolfigur im Wahlkampf, ein Attentat zu verüben. Der konkrete Entschluss zur Durchführung sei spätestens am Vortag der Tat entstanden. Frank S. habe Henriette Reker töten wollen und hierfür gezielt den 17. Oktober 2015, den Tag vor der Wahl, ausgesucht. Am 16. Oktober habe sich der Täter im Internet nochmals über die Wahlkampftermine der Bürgermeisterkandidatin informiert.

Er habe keinen Fluchtplan gehabt und gewusst, dass er nicht in seine Wohnung zurückkehren würde. Deshalb habe er seinem Vermieter den Zweitschlüssel zur Wohnung auf den Tisch gelegt, die Festplatte seines Computers entsorgt und zur Renovierung der Wohnung einen großen Eimer Farbe bereitgestellt.

Die Tatwaffe war ein sogenanntes Bowie- oder Rambomesser mit einer Gesamtlänge von 46 Zentimetern. Die Messerklinge war 30 Zentimeter lang bei einer Breite von 6 Zentimetern. Er habe getestet, wie er das Messer in einer Lederscheide am rechten Bein befestigen könnte und außerdem das schnelle Ziehen des Messers trainiert.

Am Morgen des 17. Oktober habe er noch drei Bier à 0,5 Liter getrunken, um seine Hemmungen loszuwerden. Er habe einen Overall angezogen und darüber ein schwarzes Kapuzenshirt. Danach habe er sich mit der Bahn zum Tatort begeben, Aachener Straße Nummer 456.

Der Tötungsvorsatz sei alleine durch die Wahl des großen Rambomessers belegt. Er sei auch dadurch deutlich geworden, dass er einen gezielten Stich in den Hals von Henriette Reker ausführte. Dieser Stich durchstach die Luftröhre vorn und hinten und traf mit der Spitze des Messers auf den zweiten Brustwirbelkörper. Der Stich war so heftig, dass an diesem Wirbelkörper kleine Knochenteile abgesprengt wurden.

Es wurden außerdem noch zwei weitere Wahlkampfhelfer mit dem Rambomesser verletzt. In diesen Fällen habe der Senat jedoch keine Tötungsabsicht feststellen können. Zwei andere Wahlkampfhelfer wurden von Frank S. durch sein zweites mitgebrachtes Messer, ein Butterflymesser, ebenfalls schwer verletzt.

Sein Ziel, dass Henriette Reker nicht Oberbürgermeisterin der Stadt Köln wird, hat er durch die Tat nicht erreicht. Teilweise hat Frank S. zum objektiven Tatgeschehen ein Geständnis abgegeben.

Frank S. schüttelt zwischendurch immer wieder mal den Kopf, insbesondere bei dem Vorhalt, das Bowiemesser auch bei anderen Menschen benutzt zu haben, und auch bezüglich seiner Einlassung zur Tötungsabsicht gegenüber der Polizei.

Bewertung der Taten

Eine verminderte Schuldfähigkeit könne Frank S. keinesfalls zuerkannt werden. Er habe zwar eine Persönlichkeitsstörung, diese beeinträchtige jedoch nicht seine Fähigkeit zur Einsicht von Unrecht.

Die Tat werde rechtlich als versuchter Mord gemäß § 211 StGB eingestuft. Sie sei heimtückisch gewesen, aber es lägen keine niedrigen Beweggründe vor, insbesondere deshalb, weil Frank S. nicht aus egoistischen Gründen wie Mordlust oder Habgier gehandelt habe. Betreffend des Opfers Henriette Reker sei das Motiv dadurch entstanden, dass sie die Repräsentantin der Flüchtlingspolitik in Köln war und, weil sie seiner Meinung nach vorgetäuscht hat, parteilos zu sein. Beeinflusst worden seien seine Gedanken durch seine Internetrecherchen und die nicht vorhandenen Sozialkontakte. Einen Rücktritt vom Versuch könne Frank S. ebenfalls nicht nachweisen, insofern habe er rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

Bei den Taten zum Nachteil der anderen Verletzten liege eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB vor. Bei der Strafzumessung bezüglich des versuchten Mordes werde die Gefährlichkeit des Vorgehens (Einsatz des großen Rambomessers), die hohe kriminelle Energie (Planung und Vortat-Verhalten) sowie die Nähe der Vollendung (Lebensgefährlichkeit der Verletzung) in die Bewertung einbezogen.

Daraus ergebe sich folgende kumulierte Haftstrafe: für den versuchten Mord an Henriette Reker zwölf Jahre, für die gefährliche Körperverletzung an der Gruppe von Wahlkampfhelfern fünf Jahre und für die gefährliche Körperverletzung bei der Wahlkampfhelferin B. drei Jahre. Schlussendlich erhält Frank S. die Gesamtstrafe von 14 Jahren Haft.

Hiernach teilt das Gericht noch den Beschluss mit, dass die U-Haft zunächst fortdauert. Der verurteilte Frank S. wird des Weiteren zum Thema Revision belehrt, woraufhin er sofort bekanntgibt, dass er auf jeden Fall in das Revisionsverfahren einsteigen wird, dann jedoch mit einem „richtigen“ Anwalt.

Der letzte Prozesstag wird um 15:26 Uhr geschlossen.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

Reker-Prozess: Elfter Verhandlungstag | Die letzten Worte von Frank S.

Heute wird das Plädoyer der Verteidigung erwartet und der Angeklagte Frank S. hat das sogenannte „letzte Wort“, daher sind auch wieder Kamerateams und circa 15-20 Journalisten vor Ort.

Nach der Begrüßung fordert die Vorsitzende Richterin den Verteidiger Jasper M. zu seinem Plädoyer auf. Der Verteidiger sagt, dass er in seiner fast 20-jährigen Berufszeit noch niemals durch seinen Mandanten derartig beleidigt oder derart behandelt worden sei. Weiterhin berichtet er von einem Gespräch am gestrigen Abend, in dem die Einlassung zur Beweislage von ihm und dem Angeklagten unterschiedlich beurteilt worden seien. Frank S. habe ihm daher untersagt, sich zur Beweislage zu äußern. Nun würde er sich einzig zur Straftatbemessung äußern.

Er führt dahingehend an, dass der Angeklagte eine sehr schlechte Kindheit gehabt habe und es einen nur grausen könne, wenn man die ersten Lebensjahre von Frank S. betrachtet. Folglich beantrage er auch eine Strafmaßverschiebung aufgrund einer psychischen Erkrankung. Als Strafmaß fordert Jasper M. eine zeitlich begrenzte Haftstrafe, die 15 Jahre Haft nicht überschreiten dürfe. Damit ist sein Plädoyer beendet.

Reker-Prozess: Elfter Verhandlungstag | Die letzten Worte von Frank S.

Danach beginnt, auf Aufforderung der Vorsitzenden Richterin, Frank S. mit seinem letzten Wort. In der bereits bekannten Art und Weise fällt sein Vortrag thematisch sehr sprunghaft aus. Zuerst beklagt er sich über seine beiden Anwälte, die nach seiner Sicht stümperhaft und ein Totalausfall seien. Anschließend geht er auf Fotos vom Tatort ein, die er aus der Akte erhalten habe, und zeigt diese in die Kameras. Darauf kann man sehen, dass ein Teil der Messerscheide mit einem Edding schwarz übermalt wurde. Es gebe auch andere Fotos, auf denen diese Schwarzfärbung nicht zu sehen sei, sondern Blutspuren auf dem Messer. Daher ist Frank S. überzeugt, dass das Blut nachträglich aufgetragen wurde, um so das DNA-Gutachten zu manipulieren.

Weiterhin ist ihm wichtig, dass er nicht als psychisch krank angesehen werde, sondern, dass er bei gesundem Menschenverstand sei. Er unterstellt den Polizisten massive Manipulationen ihrer Aussagen sowie alle möglichen Straftaten. Er besteht auch darauf, dass er Henriette Reker nicht töten, sondern sie nur verletzen wollte. Auch alle anderen Personen habe er nicht verletzen wollen. Politische Motive hätten ihn angetrieben. „Die Herrschaftskaste sollte wieder den Volkssturm fürchten.“ Er habe sich seinem Gewissen gegenüber verpflichtet gesehen, „ein Zeichen zu setzen“, ein Zeichen gegen Die Grünen und gegen „die Kriegstreiber“ in Bezug auf Russland. Es würde ein millionenfacher Rechtsbruch geschehen. Und er habe Henriette Reker als Oberbürgermeisterin verhindern wollen, da sie nicht parteilos sei, sondern von den Grünen gesteuert werde.

Insgesamt wird in seinem letzten Wort sehr viel wiederholt und es werden auch keine neuen Aspekte aufgezeigt. Er zitiert aus vielen Zeitungsartikeln und Gesetzestexten, um so ein Meinungsbild herauszuarbeiten.

Das Gericht hört sich den Vortrag von Frank S. geduldig an, nur an der Gesichtsmimik lässt sich die jeweilige persönliche Stimmungslage ablesen.

Frank S. führt weiter aus, dass er einen Tag vor Prozessbeginn ein Entschuldigungsschreiben an Henriette Reker geschrieben habe. Dieses Schreiben habe er seinem Anwalt Dr. Christoph M. mitgegeben, damit er dies an Henriette Reker übergeben könne. Dies habe er nicht getan und er habe ihm dieses Schreiben auch nicht wieder zurückgegeben. Er beklagt sich weiter über das Verhalten seines Anwalts, da dieser den Klarnamen seiner Bekannten an die Medien weiter gegeben habe. Auch Informationen, die sonst keiner wisse, zum Beispiel, dass seine Bekannte halb Schwedin und halb Französin sei.

Frank S. glaubt, dass Henriette Reker gegen ihn einen Rachefeldzug führe. Er hofft auf ein Urteil, welches auf Fakten und Beweisen basiere.

Da sich Frank S. zwischendurch auch ungebührlich benimmt und seinen Anwalt beleidigt, wird er von der Vorsitzenden Richterin zur Ordnung gerufen. Auch unter Androhung eines Ordnungsgeldes oder von Ordnungshaft.

Frank S. führt nochmals aus, dass er keine Tötungsabsicht gehabt habe. Unter anderem will er das dadurch beweisen, dass er das Attentat einem Ort durchgeführt habe, wo mehrere Leute in unmittelbarer Nähe haben helfen können und auch entsprechende Rettungskräfte schnell hätten kommen können. Immer wieder pocht er darauf, dass er die Wahrheit sage.

Zum Schluss entschuldigt sich Frank S. pauschal bei allen Opfern und teilt nochmals mit, er habe ein Zeichen setzen und Henriette Reker nicht töten wollen. Er sehe ein, dass er einen großen Fehler gemacht habe. Er habe wie mit Tunnelblick gehandelt und „mit etwas Schlimmen etwas Schlimmeres verhindern“ wollen, so die letzten Worte des Angeklagten Frank S.

Der heutige Verhandlungstag endet bereits um 10:35 Uhr. Am 01. Juli 2016, um 14:00 Uhr wird das Urteil gesprochen.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Reker-Prozess: Zehnter Verhandlungstag | Die Plädoyers der Anklage

Am heutigen 10. Verhandlungstag werden die Generalbundesanwaltschaft und die Nebenklagevertreter ihre Plädoyers verlesen. Anwesend sind 15 Pressevertreter, zwei Fotografen und zwei Besucher. Nach Beginn der Verhandlung um 09:34 Uhr verliest die Richterin zunächst drei Beschlüsse der Kammer.

Anträge des Angeklagten: das Gericht beschließt

Zunächst wird der Antrag des Angeklagten, ein weiteres rechtmedizinisches Gutachten einzuholen, abgelehnt. Der Angeklagte unterstellt der Gutachterin, dass sie ihm gegenüber befangen sei, weil sie aus Köln kommt. Doch die Kammer zweifelt nicht am Sachverstand der Gutachterin, auch ihre Kölner Herkunft ändert daran nichts.

Der zweite Beschluss bezieht sich auf den Antrag des Angeklagten, Sara S. als Zeugin zu vernehmen. Sara S. hat in ihrer polizeilichen Vernehmung ausgesagt, sie hätte Henriette Reker röcheln gehört. Der Angeklagte wollte festgestellt wissen, dass er dies dann auch gehört habe, und daraufhin seine Tat nicht weiter ausgeführte, womit feststehen würde, dass er Henriette Reker nicht töten wollte. Das Gericht lehnt jedoch auch diesen Antrag ab, weil es sich durch die Vernehmung der Zeugin keinerlei neue Erkenntnisse erwartet, zumal der Angeklagte sich selbst darauf eingelassen hat, dass er sich direkt nach der Tat einem Mob gegenüber sah, dem er sich erwehren musste.

Reker-Prozess: Zehnter Verhandlungstag | Die Plädoyers der Anklage

Der dritte Beschluss bezieht sich auf den Antrag des Angeklagten, die Zeugen Roland S. und Mathias K. erneut zu befragen. Auch diesen Antrag lehnte das Gericht ab, da die relevante Fragestellung bereits am fünften Verhandlungstag ausreichend erörtert worden sei und der Angeklagte selbst Fragen hätte stellen können. Die Einlassung des Angeklagten, er habe nicht gewusst, dass er Fragen stellen kann, wies das Gericht mit dem Hinweis ab, er habe vor dem fünften Verhandlungstag schon rege von diesem Recht Gebrauch gemacht.

Einlassung des Angeklagten

Nun meldete sich der Verteidiger zu Wort, um zu verkünden, dass der Angeklagte sich zum Gutachten vom neunten Verhandlungstag sowie zu eben genannten Beschlüssen erklären wolle. Die Richterin fordert daraufhin, dass sich der Angeklagte sofort zum Gutachten erklärt, er hätte ja bis heute Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Der Angeklagte erwidert, dass er nach der gestrigen Verhandlung gestresst gewesen sei und Kopfschmerzen gehabt habe, somit habe er sich nicht vorbereiten können. Es folgt eine halbstündige Unterbrechung.

Mit der Fortsetzung der Verhandlung lässt der Angeklagte abermals zwischen sich und seinem Verteidiger einen Platz frei. Der Anklagte begründet das auf Nachfrage der Richterin damit, dass der Anwalt nicht seine Interessen vertrete. Wörtlich bezeichnet er seinen Anwalt als „linksradikalen Speichellecker und Kriminellen“ und ergänzt: „das Ganze hier ist eh alles eine Volksverdummung“. Er möchte mit diesem „Typen“ nichts zu tun haben. Die Richterin ermahnt den Angeklagten daraufhin und fordert ihn auf, die gesprochenen Worte so nicht mehr in diesem Saal zu wiederholen. Anschließend gewährt sie dem Angeklagten Raum für seine gewünschte Einlassung.

Nun nimmt der Angeklagte nervös und mit schneller Sprache – und offensichtlich Stichpunkte vom Zettel ablesend – Stellung zu diversen Themen. Dabei springt er thematisch hin und her.

Zunächst bezeichnet er das Gutachten vom neunten Verhandlungstag als Gefälligkeitsgutachten, welches auf Falschaussagen beruhe. Die Zeugenbefragungen betreffend räumt er ein, er habe sich darauf nicht vorbereitet, weil er annahm, seine Anwälte würden das tun. Er habe nicht wissen können, dass diese „ein Totalausfall“ seien. Abschließend gab er zu verstehen, dass er von einer Revision ausgehe und in diesem Fall auf gute Anwälte hoffe, die die Wahrheit herausfinden werden. Da das Gericht, so Frank S., alle seine Anträge ablehne, stünde das Urteil ohnehin schon fest. Das Gutachten sei ein Fake, alle wüssten das. Es solle ein Exempel an ihm statuiert werden.

Auf Nachfrage der Richterin, was er am Ende des Prozesses erwarte, etwa eine Belobigung, antwortet Frank S., er habe eine Strafe verdient, weil er eine Straftat begangen hat. Aber alles, was hier passiere, sei schlimmer als in der DDR oder in Nordkorea. Von der Verhaftung bis heute hätten alle gelogen, Gutachten und Zeugenaussagen seien falsch, das ganze System sei total korrupt.

Die Richterin bittet den Angeklagten, mit seiner Einlassung fortzufahren die derselbe jedoch abbricht, mit der Begründung, „es bringt ja eh nichts“. Danach schließt die Richterin die Beweisaufnahme.

Plädoyer der Generalbundesanwaltschaft

In dem nun folgendem Plädoyer stellt die Generalbundesanwaltschaft zunächst in direkter Ansprache an den Angeklagten fest, dass nicht er das Opfer sei, sondern die Geschädigten, vor allem Henriette Reker. Anschließend gibt es einen kurzen Exkurs zum Thema „freie Meinungsäußerung“, um dann in die reine Sachverhaltsfeststellung einzutreten.

Wichtig wird nun, ob die Generalbundesanwaltschaft auf versuchten Mord plädiert oder nur auf gefährliche Körperverletzung.

Die Generalbundesanwaltschaft stellt im Ergebnis der Beweisaufnahme Folgendes fest:

Erstens: Der Entschluss zur Tat habe spätestens am Vorabend festgestanden. Der Beschuldigte habe sich nach den Wahlkampfterminen von Henriette Reker erkundigt und Testläufe mit dem verdeckten Tragen und schnellen Ziehen des Bowiemessers gemacht.

Zweitens: Am Tattag habe der Beschuldigte vor der Tatbegehung drei halbe Liter Bier getrunken, um – wie er selbst eingelassen hat – seine Hemmschwelle zu senken.

Drittens: Vor der direkten Tatausführung habe er Henriette Reker um eine Rose gebeten, um seine eigentliche Tatabsicht zu verdecken.

Anschließend werden die bereits bekannten Tatabläufe wiederholt, wobei laut Generalbundesanwaltschaft klar ist, dass bei den Taten gegen Henriette Reker und drei weitere Opfer das Bowiemesser zum Einsatz kam, und bei der Tat zum Nachteil eines weiteren Opfers das Butterflymesser.

Bei der Tat gegen Henriette Reker habe der Angeklagte schon durch die Nutzung des Bowiemessers – und unabhängig von den gemachten Aussagen – in Tötungsabsicht gehandelt. Somit sei das Tatbestandmerksmal für Mord erfüllt. Da Tötungsabsicht unterstellt wird, spricht man juristisch hier von Mord ersten Grades. Da die Tötung glücklicherweise nicht vollendet wurde, wird dem Angeklagten der versuchte Mord zur Last gelegt. Bei der Straftat gegen Henriette Frau Reker kommt außerdem gefährliche Körperverletzung in Tateinheit hinzu. Auch die Mordmerkmale Heimtücke sowie niedere Beweggründe (politische Motive) sind nach Ansicht der Staatsanwälte erfüllt.

Da die Angriffe mit dem Bowiemesser auf weitere Personen unmittelbar im Anschluss an die Tat gegen Henriette Reker stattgefunden haben und mit dem gleichen Tatwerkzeug durchgeführt wurden, sieht die Generalbundesanwaltschaft hier eine Tateinheit. Allerdings unterstellt man hier keine Tötungsabsicht.

Da der Angeklagte nach dieser Tatkette das Bowiemesser abgelegt und den Angriff auf das letzte Opfer mit dem Butterflymesser und in keinem direkten zeitlichen Zusammenhang ausgeführt habe, sei diese gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit zu sehen.

Um das Strafmaß festzulegen, stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass der zugrundeliegende § 211 des Strafgesetzbuchs (Mord) eine lebenslange Haft fordere. Eine Milderung, etwa durch einen strafbefreienden Rücktritt, liege entgegen der Wahrnehmung des Angeklagten nicht vor.

Zugute hält die Generalbundesanwaltschaft dem Angeklagten das Ablegen des Teilgeständnisses, seine Lebensgeschichte, seine dissoziale Persönlichkeitsstörung, seine schwierige Lebenssituation zum Tatzeitpunkt und, dass er juristisch nicht vorbestraft ist.

Der letztgenannte Punkt bedeutet, dass seine vorherigen Straftaten nicht mehr in den Akten stehen.

Gegen den Angeklagten spricht laut Generalbundesanwaltschaft die Anzahl der Taten (ein versuchter Mord und fünf gefährliche Körperverletzungen), die Folgen für die Opfer und die Gefährlichkeit der Tat. Es sei nur ein glücklicher Zufall, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Die kriminelle Energie bei der Tatausübung war extrem hoch, was sowohl die Planung als auch die Auswahl des Tatwerkzeugs beweisen.

Die benannten Punkte lassen laut Generalbundesanwaltschaft keine Milderung des Strafmaßes zu. Ergo beantragt die Staatsanwaltschaft, wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit vier gefährlichen Körperverletzungen und in Tatmehrheit mit einer gefährlichen Körperverletzung, eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen sowie die Fortsetzung der U-Haft.

Damit verlassen schlagartig alle anwesenden Journalisten den Saal.

Anträge der Nebenklagevertreter

Das Wort hat nun der Rechtsbeistand von Henriette Reker. Der Nebenklagevertreter unterstreicht den Kern des Plädoyers der Generalbundesanwaltschaft, allerdings in deutlich schärferem Ton. Darüber hinaus verlangt er neben der bereits geforderten lebenslangen Freiheitsstrafe die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und begründet dies vor allem mit dem Nachtatverhalten. So zeige der Angeklagte bis heute keinerlei glaubhafte Reue oder Einsehen. Er sei nach wie vor nicht bereit, seine Verschwörungstheroien in Frage zu stellen. Er nutze den Prozess, um sich als politischer Täter darzustellen und habe laut dem Gutachten seine dissoziale Persönlichkeit betreffend keine positive Prognose.

Die Nebenklagevertreterin eines der weiteren Opfer des Bowiemesser-Angriffs ist in ihrem Plädoyer der Ansicht, dass es sich bei der Tat gegen ihre Mandantin sehr wohl um einen versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung handele. Auch sie will die besondere Schwere der Schuld festgestellt wissen.

Die letzte Nebenklagevertreterin konstatiert, dass es sich entgegen der Ansicht der Generalbundesanwaltschaft auch bei den Taten gegen die weiteren Bowiemesser-Opfer um neue Taten handele. Somit sei eine Tatmehrheit gegeben. Darüber hinaus fordert sie, den Angeklagten neben dem versuchten Mord an Henriette Reker auch hinsichtlich der anderen Taten wegen versuchten Totschlags zu verurteilen. Auch sie möchte die besondere Schwere der Schuld festgestellt wissen.

Alle drei Nebenklagevertreter stellten entsprechende Anträge.

Nach Abschluss der Plädoyers beendet die Richterin den Verhandlungstag, der Prozess wird am Mittwoch, 22.06.2016 fortgesetzt.

Bildquelle: Tim Reckmann / pixelio.de

Reker-Prozess: Neunter Verhandlungstag | Angeklagter ist voll schuldfähig

Am heutigen 15. Juni 2016 sind zwei Fotografen und sieben Medienvertreter anwesend.

Direkt zu Beginn fällt auf, dass fünf Justizbeamte einen engen, taktisch gut besetzen Ring um den Angeklagten Frank S. bilden. Das hat sicherlich mit der Hörung des psychologischen Sachverständigen zu tun und der Annahme, dass der Angeklagte bei diesem Vortrag eventuell überreagieren könnte.

Der Angeklagte wird weiterhin nur durch einen Anwalt vertreten. Ein weiterer, sogenannter TV-Anwalt hat sich zwar ein Besuchsrecht einräumen lassen, dieses jedoch nicht wahrgenommen.

Das Gericht teilt anfangs mit, dass die Urteilsverkündung wahrscheinlich am Freitag, den 1. Juli 2016 erfolgen wird. Anschließend möchte Frank S. weitere Anträge stellen. Unter anderem beantragt er, die heutige Beweisaufnahme mit den Zeugen zu verschieben, damit er Zeit hat, sich einen neuen zweiten Anwalt zu suchen und dieser sich entsprechend einarbeiten kann. Hierzu wird ein Gerichtsbeschluss gefasst und der Antrag abgelehnt. Des Weiteren stellt Frank S. Anträge, um neue Zeugen zu laden sowie, um ein weiteres rechtsmedizinisches Gutachten durch einen Gutachter außerhalb Kölns erstellen zu lassen.

Reker-Prozess: Neunter Verhandlungstag | Angeklagter ist voll schuldfähig

Zeugenanhörung

Als erste Zeugin wird heute die Rentnerin Gisela K. (74) aus Köln gehört. Sie war ebenfalls auf dem Braunsfelder Markt und hat einen Teil des Tatgeschehens mitbekommen. Sie hat gesehen, wie der Angeklagte auf einen jungen Mann (Pascal S.) eingestochen hat, kann allerdings auch nach der Betrachtung des kleinen Butterflymessers und des großen Jagdmessers nicht genau sagen, welches verwendet wurde. Auf Nachfragen der Verteidigung tendiert sie dann jedoch zum Butterflymesser. Auch beantwortet sie die Frage, ob Frank S. das Messer freiwillig weggeworfen habe, mit einem Ja.

Nun möchte sich das Gericht von dem Schätzvermögen der Zeugin ein Bild machen. Bei einem Test mit Angaben in Metern verschätzt sich die Zeugin jedoch um mehr als das Doppelte. Hierzu stellt Frank S. daher fest, dass es widersprüchliche Aussagen zwischen Pascal S. und der eben gehörten Zeugin gebe.

Als nächste Zeugin wird Maria-Elisabeth B. (70) gehört. Die ehemalige Lehrerin kommt aus Köln und war Wahlhelferin für die CDU auf dem Braunsfelder Markt. Sie ist ebenfalls verletzt worden. Das Tatgeschehen hat zunächst hinter ihrem Rücken stattgefunden. Doch als sie sich umdrehte und Frank S. noch bei Henriette Reker stehen sah, habe sie geglaubt, er würde weiter angreifen und habe ihn deshalb angeschrien. Daraufhin habe Frank S. aus der linken Hosentasche ein Butterflymesser gezogen und ihr damit in die linke Bauchseite gestochen. Danach habe sie unter Schock gestanden und sei lief ziellos umhergelaufen. Die Zeugin berichtet, dass die Verletzungen der anderen Opfer diesen vor der ihren zugefügt worden seien, dass also alle Verletzungen davor mit dem großen Jagdmesser herbeigeführt worden seien, alle danach mit dem kleineren Butterflymesser. Folgen der Verletzung seien der Zeugin nicht zurückgeblieben.

Der Verteidiger von Frank S. zeigt sich verwundert über den zeitlichen Ablauf der Tat, respektive über die einzelnen Verletzungen: Erst soll Frank S. noch bei Henriette Reker gestanden und danach Maria-Elisabeth B. verletzt haben – dazwischen allerdings sollen ja auch noch zwei weitere Personen verletzt worden sein.

In seiner Stellungnahme zu dieser Zeugin teilt Frank S. mit, dass das DNA-Gutachten zu den Blutspuren an den jeweiligen Messern manipuliert worden sein müsse. Dann verlautbart Frank S., dass er gern alle Gründe für die Entpflichtung seines Anwalts Dr. Christoph M. öffentlich werden lassen möchte. Das rechtsmedizinische Gutachten bezeichnet er des Weiteren als „Gesinnungsgutachten“, denn er habe nicht von oben nach unten zugestochen, sondern geradeaus, wie auch die zwei Zeugen, unter anderem Henriette Reker, ausgesagt haben. Auch, dass das medizinische Gutachten als Grundlage für das Textilgutachten dient, findet Frank S. merkwürdig. Er stellt nun außerdem nochmals fest, dass er Henriette Reker nicht habe töten wollen.

Der Generalbundesanwalt gibt seinerseits eine Stellungnahme ab, in der er ein weiteres rechtsmedizinisches Gutachten ablehnt, auch weitere Zeugen würden keine neue Beweiskraft ergeben. Die Verteidigung widerspricht dem. Weiterhin sieht der Generalbundesanwalt keinen Anlass für einen rechtlichen Hinweis bezüglich des Vorwurfs der mehrheitlichen Tötung an Frank S. Das sei nicht nachweisbar, auch wenn eine gefährliche Körperverletzung hätte tödlich sein können. Die Verteidigung schließt sich dieser Aussage an. Das Gericht verkündet daraufhin einen rechtlichen Hinweis nach § 265 der Strafprozessordnung zur mehrheitlichen Tateinheit. Bei einer Verletzten sieht das Gericht keine gefährliche, sondern nur eine einfache Körperverletzung, weitere Verletzungen zweier anderer Personen hätten keinen Tatzusammenhang. Ebenso sei die Verletzung eines vierten Opfers eine eigenständige Tat gewesen. Insofern ergeben sich drei Taten: Die an Henriette Reker und einem weiteren Opfer, eine zweite an zwei Personen und eine dritte an einer Person.

Psychologisches Gutachten zu Frank S.: Voll schuldfähig

Im zweiten Teil des Verhandlungstages erstattet der psychologische Sachverständige, Prof. Dr. Leygraf, sein Gutachten. Er teilt mit, dass er den Angeklagten Frank S. am 22. Februar 2016 und am 03. März 2016 in der Justizvollzugsanstalt Köln aufgesucht habe. Frank S. habe in den Gesprächen einen hohen Erklärungsbedarf gezeigt und sich regelrecht hineingesteigert. Der Angeklagte habe die Furcht geäußert, aufgrund seiner Kindheit in ein typisches Schema gepresst zu werden, wonach Menschen mit ähnlichen Erlebnissen automatisch als rechtsradikal betrachtet würden. Der Gutachter berichtet, Frank S. stehe sehr gerne im Mittelpunkt, verhalte sich aber auch kooperativ. Er wirke oft wie ein vorlautes Kind, welches belohnt werden möchte. Zwar seien nicht alle Angaben seitens Frank S. realitätsbasierend, doch überwiegend stimmig.

Die ersten vier bis fünf Lebensjahre sind auch für einen Sachverständigen eine Blackbox, weil es hierzu einfach keine Angaben gibt. Für Frank S. sei es jedoch sehr kränkend gewesen, dass seine leiblichen Eltern ihn verlassen haben. Dieses Verlassenwordensein sei für ihn nach wie vor prägend. Er habe die Tendenz zum Schwarz-Weiß-Denken, über viele Dinge sage er, sei er sich 100- oder 1000-prozentig sicher. Stets habe Frank S. jedoch das Gefühl, zu kurz zu kommen, Geld sei ihm besonders wichtig. Schon als Kleinkind habe er die Welt als feindselig erlebt, so sei er ein typischer Einzelkämpfer geworden. Seine Pflegefamilie sei sehr konflikt- und gewaltträchtig gewesen. Weitere Stationen in seinem Leben seien Schule, Bundeswehr, Malerlehre und Haft gewesen.

Frank S. hört interessiert zu, schüttelt den Kopf und schreibt mit.

Der Sachverständige erklärt weiter, dass Frank S. ein aggressives und dissoziales Verhalten habe, er sei ein Meister des Ausweichens. Es gebe zudem mehrere Körperverletzungsverfahren, darunter zwei, nach denen er die aktuellen Freunde seiner Ex-Partnerin verprügelt habe. Frank S. vermeide es, sich von Externen steuern zu lassen. Er habe einen eigensinnigen und halsstarrigen Charakter, Beharrlichkeit zeichne ihn aus.

Nach dem ersten Gefängnisaufenthalt habe Frank S. eigenverantwortlich seinen Umzug von Bonn nach Köln durchgeführt und sei daraufhin 15 Jahre ohne Straftat gewesen. Sein beruflicher Werdegang sei lückenhaft, insgesamt sei er jedoch vier Jahre arbeitslos gewesen – von November 2012 durchgängig bis zur Begehung des Attentats auf die damals künftige Oberbürgermeisterin. Ein depressiver Zusammenhang sei jedoch nicht erkennbar.

Die letzten drei Jahre habe Frank S. fast ohne sozialen Außenkontakt gelebt, in seiner Wohnung haben die Polizisten ausschließlich Fingerabdrücke von Frank S. feststellen können. Einige Mieter in dem Haus, in dem Frank S. wohnte, hätten nicht einmal gewusst, ob in der Wohnung ein Mann oder eine Frau wohnte. Durch diese Einsamkeit habe sich Frank S. auf seine eigenen Gedanken fokussiert und keinerlei Austausch mit anderen gehabt. Seine Gedanken hätten ihm daher als die einzig richtigen geschienen. Sein Hauptthema seien Ausländer gewesen.

Insgesamt habe Frank S. bis zuletzt ein trostloses Leben geführt und sei dabei immer der Überzeugung gewesen, stets zu kurz gekommen zu sein. Die Gründe dafür lägen in der Welt draußen, insbesondere die Politik habe Schuld.

Die Diagnose des Gutachters besagt, dass keine psychiatrische Krankheit vorliegt, ebenso keine schizophrene oder manisch-depressive Krankheit. Auch sein kognitives Handlungsvermögen sei nicht gestört. Ebenso sei er nicht wahnhaft, glaube also beispielsweise nicht, dass er Auserwählter sei. Auch seine immer wieder vorgetragenen Verschwörungstheorien seien nicht einzigartig, sondern würden von vielen anderen Menschen geteilt. Der Psychologe konnte überhaupt nichts Krankhaftes an Frank S. feststellen und hält ihn damit voll schuldfähig.

Eine tief greifende Bewusstseinsstörung sei nicht vorhanden, eine paranoide Persönlichkeitsstörung in einer notwendigen Schwere ebenfalls nicht, ebenso wenig wie eine seelische Abartigkeit. Auch die Unrechtseinsichtsfähigkeit ist nicht herabgesetzt, denn eine Hemmschwelle bei der Tatvorbereitung sei durchaus vorhanden gewesen.

Frank S. habe eine festgefahrene Lebenssituation durchlebt und diese mit einer heroischen Tat verändern wollen. Warum er auch gegen andere vorgegangen ist, sei nicht erklärlich. Mit seinen bei Gericht vorgetragenen Darstellungen der Tat schütze er sich gegen die objektive Spurenlage (z. B. DNA-Spuren am großen Jagdmesser).

Eine verminderte oder ausgesetzte Schuldfähigkeit gibt es aus psychologischer Sicht laut Gutachter nicht.

Nun fragt die Vorsitzende Richterin den Sachverständigen, ob eine Therapie dem Angeklagten helfen könne. Dieser erklärt dazu, dass Frank S. hierzu eine Bereitschaft zur Mithilfe aufbringen müsse. Dies hält er aber für nicht wahrscheinlich, da Frank S. sein ausgeprägter Narzissmus im Wege stehe.

Alle anderen Parteien, auch die Verteidigung und der Angeklagte selbst, haben keinerlei Fragen an den psychologischen Sachverständigen. Das finde ich extrem erstaunlich!

Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de

Reker-Prozess: Achter Verhandlungstag | Frank S. widerspricht und leugnet

Am 10. Juni 2016 sind 14 Journalisten anwesend, ebenso alle Parteien bis auf den psychologischen Gutachter.

Als erste Zeugin wird Dr. Sibylle B., Rechtsmedizinerin der Uniklinik Köln, gehört. Sie war beauftragt, die Verletzungen der Verwundeten des Attentats zu beurteilen. Insbesondere galt es, festzustellen, bei welchem Verletzten welches Messer eingesetzt worden ist.

Frank S. hat von Anfang an behauptet, dass er das große Jagdmesser nur gegen Henriette Reker gerichtet hat. Einige DNA-Spuren am selbigen Messer stammten jedoch von zwei weiteren Verletzten. Bei einer Verletzten ist höchstwahrscheinlich das große Messer eingesetzt worden und nicht das kleine Butterfly-Messer, was insbesondere an der 5 Zentimeter großen Einstichwunde festzustellen war. Lebensgefahr bestand für diese Verletzte nicht. Bei einer weiteren verletzten Frau ließ sich nicht genau feststellen, welches Messer zum Einsatz gekommen ist. Auch hier bestand keine Lebensgefahr, aber sie hatte sehr großes Gück, dass ihr Darm nicht verletzt wurde. Auch im Fall einer dritten verletzten Frau gab es keine lebensgefährlichen Verletzungen, wobei hier ebenfalls jedes der beiden Messer Tatwerkzeug hätte sein können. Der verletzte Pascal S. wurde am rechten Ober- und Unterarm erheblich verletzt, hier ist es sehr wahrscheinlich, dass das große Messer zum Einsatz kam. Er war potentiell lebensbedrohlich verletzt.

Achter Verhandlungstag | Frank S. widerspricht und leugnet

Ebenso ist es auch angesichts ihrer Verletzungen unstrittig, dass Henriette Reker durch das große Messer verletzt worden ist, bei ihr bestand akute Lebensgefahr, da der Stich die Halsschlagader nur um wenige Millimeter verfehlte. Auch hätte jederzeit die Speiseröhre ganz abreißen können, da sie beidseitig durchstoßen wurde. Die Klinge war bis zu zehn Zentimeter tief in ihren Hals gestochen worden, der Stichkanal führte von oben nach unten. Der Stich wurde so wuchtig ausgeführt, dass die Klinge an einem Brustwirbel Wirbelstücke abgesprengt hat.

Dass sein Hieb gegen Henriette Reker von oben nach unten geführt haben muss, wie Dr. Sibylle B. erläutert, bestreitet Frank S. in seiner Stellungnahme. Er beantragt daher, dass ein zweiter Sachverständiger, der nicht aus Köln kommen bzw. dort tätig sein soll, zur Analyse der Verletzungen beauftragt werden soll.

Der Nebenkläger-Vertreter von Henriette Reker wiederum beantragt in Bezug auf die Verletzungen weiterer Personen, die Anklage auf mehrheitliche Tötungsabsicht zu erweitern; ein Ersuchen, das der Generalbundesanwalt ablehnt mit der Erläuterung, dass das Gutachten Bestätigung in den Aussagen der Verletzten und in den DNA-Spuren am großen Messer findet.

Frank S. weist nun nochmals darauf hin, dass es ja auch zwei Zeugen geben soll, die seine Aussage, dass er das Messer unmittelbar nach dem Stich auf Henriette Reker sofort weggeworfen hat, bestätigen können.

Der nächste Zeuge des heutigen Verhandlungstages ist ein Sachverständiger vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen für Werkzeugspuren. Er hatte seitens des Gerichts den Auftrag, anhand der Kleidung festzustellen, welches Messer jeweils benutzt worden ist. Er beschreibt nochmals das große Jagdmesser, das 56 Millimeter breit ist und 460 Millimeter lang, wovon 300 Millimeter auf die Klingel entfallen. Das Butterfly-Messer wiederum hatte eine Gesamtlänge von 225 Millimetern und eine Klingenlänge von 85 Millimeter bei einer Breite von 16 Millimetern. Die Ergebnisse des Experten ergeben, dass eine der Verletzten durch das Jagdmesser verletzt worden ist, Pascal S. wiederum durch das Butterfly-Messer zu Schaden gekommen sein könnte, aber auch das große Jagdmesser nicht auszuschließen sei. Er führt weiter aus, dass das Butterfly-Messer weniger scharf ist als das Jagdmesser.

In seiner Stellungnahme zu diesem Thema gibt Frank S. zu bedenken, dass das große Jagdmesser nur ein Deko-Messer sei und völlig stumpf ist.

Als nächste Zeugin wird Stella G. aus Köln gehört, die bei einem Beschäftigungsträger der Stadt Köln als Vermittlerin angestellt ist. Ihre Aufgabe war die Betreuung von Frank S. während seiner Arbeitslosigkeit. Sie musste die Akte Frank S. übernehmen, da Ihre Kollegen Probleme mit ihm hatten. In dieser Phase lehnte Frank S. eine Stelle in einem DRK-Flüchtlingsheim als Hausmeistergehilfe mit dem Verweis auf seine rechtsradikalen Einstellungen ab. Frank S. hatte zudem keine Lust auf weitere Qualifikationen und benahm sich unverschämt. Hierzu gab es ernste Gespräche, die nicht selten mit Aggressivität endeten. Nach einer Drohung („wir sehen uns bestimmt noch mal“) seitens Frank S. hat Stella G. ihn aber nicht mehr wiedergesehen.

Wiederum streitet Frank S. die gesamte Aussage der Zeugin ab.

Nun kommen drei Zeugen, die schon mal gehört worden sind, aber jetzt nochmals aussagen müssen, da der nunmehr alleinige Anwalt von Frank S., Jasper M. bei der ersten Vernehmung dieser drei Zeugen nicht anwesend war. Der Inhalt der Aussagen ist nahezu identisch mit dem ihrer ersten Vernehmung bei Gericht.

Schließlich verliest das Gericht noch die Angaben zum Haftbefehl gegen Frank S., der durch das Amtsgericht Köln ausgestellt wurde. Darin wurden für seine Tat niedrige Beweggründe und Heimtücke festgestellt. Ebenso sei Frank S. dringend tatverdächtig gewesen, Fluchtgefahr habe ebenfalls bestanden.

Bildquelle: Gerhard Frassa / pixelio.de

Sonderbeitrag zum Reker-Prozess | Täter-Typ: Terrorist

Nach dem 6. Verhandlungstag steht meine Einschätzung zum Täter-Typ nun endgültig fest. Wohingegen viele Beobachter Frank S. einfach für verrückt oder schwachsinnig halten, trifft aus meiner Sicht die in Sicherheitskreisen übliche Definition „Terrorist“ voll und ganz zu.

Danach ist ein Terrorist jemand, der durch Gewaltaktionen (MESSER-ATTENTAT) gegen eine politische Ordnung (SOZIALDEZERNENTIN und potentielle OBERBÜRGERMEISTERIN HENRIETTE REKER) vorgeht. Er will unter anderem Unterstützungsbereitschaft erzeugen und das Denken besetzen, um dadurch Veränderungsprozesse (WÄHLT NICHT HENRIETTE REKER UND IHRE POLITIK) zu erzwingen. Ein weiteres typisches Merkmal ist die Inkaufnahme des eigenen Tods (MIT DEM FRANK S. LAUT AUSSAGE RECHNETE).

Sonderbeitrag zum Reker-Prozess | Täter-Typ: Terrorist

Das Geschehen um Henriette Reker zeigt, dass nicht nur eine Gefahr von IS-Terrorzellen ausgeht. Vielmehr sind wir in Deutschland auch von deutschen Terroristen bedroht, egal welcher politischen oder religiösen Weltsicht.

Gravierend in diesem Zusammenhang ist, dass die Sicherheitsbehörden, dies weder auf dem Schirm haben, noch etwas dafür tun, dass seitens dieser Gefährder keine Gewalt ausgeübt werden kann. Daher ist es von größter Bedeutung für die Sicherheit der Bevölkerung, dass durch die Sicherheitsbehörden von Stadt, Land und Bund eine effektive Prävention eingerichtet wird. Speziell im Fall Henriette Reker hätte die besondere Konstellation Sozialdezernentin / Flüchtlingspolitik / Oberbürgermeister-Kandidatin vom Staatsschutz der Polizei Köln im Vorfeld analysiert und hinsichtlich der Schutzmaßnahmen besser vorbereitet werden müssen.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Reker-Prozess: Siebter Verhandlungstag | Paukenschlag: Anwalt entpflichtet!

Am siebten Verhandlungstag am 6. Juni 2016 sind lediglich zehn Journalisten anwesend – und das, obwohl Herausragendes geschieht: Einer der zwei Rechtsanwälte des Angeklagten Frank S., Dr. Christof M. wird von seinem Mandant entpflichtet. Dies ist ein außergewöhnlicher Vorfall.

Als der Angeklagte den Gerichtssaal betritt, ist nur sein Anwalt Jasper M. vor Ort. Der Stuhl auf dem sonst sein zweiter Anwalt saß, ist frei geblieben und nun von Frank S. besetzt. Nachdem die Vorsitzende Richterin Barbara H. das mitbekommen hat, fordert sie ihn auf, sich einen anderen Platz zu nehmen.

In der heutigen Verhandlung wird sodann im Zusammenhang mit der Entpflichtung berichtet, dass eine Bekannte, von Frank S., die er vor etwa zehn Jahren kennengelernt und die nun wieder Kontakt mit ihm aufgenommen hat, auch in regem E-Mail-Kontakt mit seinem zweiten Anwalt Dr. Christof M. stand. Die Bekannte hat diesen E-Mail-Verkehr dem Gericht offengelegt, dessen Inhalt den Angeklagten aufregt und den er „schweinisch“ nennt.

Reker-Prozess: Siebter Verhandlungstag | Paukenschlag: Anwalt entpflichtet!

Frank S. erweiterte seinen Antrag auf Entpflichtung des Anwalts und möchte zusätzlich auch seinen zweiten Anwalt Jasper M. entpflichten lassen, weil dieser von den „Machenschaften“ von Dr. Christof M. wusste und Frank S. für „verblödet“ hält. Zusätzlich wirft der Angeklagte seinem Ex-Anwalt Dr. Christof M. Alkoholmissbrauch während der Gerichtspausen vor. Sein zweiter Anwalt Jasper M. wiederum hätte keine Ideale.

Hierzu nimmt auf Aufforderung des Gerichts auch der Generalbundesanwalt Stellung. Eine Entpflichtung von Jasper M. hält dieser für nicht relevant. Einer Entpflichtung von Christof M. in Bezug auf die E-Mails mit der Bekannten von Frank S. stimmt er jedoch zu. Daraufhin gibt es eine Beratungspause für das Gericht.

Nach dieser Pause liest das Gericht einen Antrag des Rechtsanwalts Dr Christof M. vor, indem er selbst um Entpflichtung von seinem Mandanten Frank S. bittet, da sowohl das Vertrauensverhältnis gestört sei, als auch die Kommunikation nicht mehr stattfindet. Danach teilt das Gericht seinen Beschluss mit: Dr. Christof M. wird entpflichtet, Rechtsanwalt Jasper M. jedoch nicht, da hierfür keine Gründe vorliegen. Des Weiteren wird durch das Gericht festgestellt, dass nun einige Zeugen nochmals gehört werden müssen, da der verbleibende Anwalt Jasper M. teilweise nicht am Prozess teilgenommen habe und somit einige Zeugen nicht persönlich erlebt hat.

Nun wird die erste Zeugin des heutigen Tages vernommen, Dr. Konstanze J. (60), Psychiaterin aus Köln. Sie hatte den ersten ärztlichen Kontakt zum Beschuldigten nach dem Attentat. Hierzu wurden sie von der Polizei angerufen und beauftragt. Es galt, die Frage zu klären, ob der Beschuldigte in einen normalen Strafvollzug und gebracht werden kann, oder ob er in eine entsprechende Anstalt eingeliefert werden muss. Zur Aufsicht war eine Polizeibeamtin beim Gespräch anwesend.

Dr. Konstanze J. teilt mit, dass Frank S. kooperativ war und alles verstanden hat. Er sagte ihr, dass er ein politisch motivierter Straftäter sei, aber nicht geistesgestört. Seine politische Richtung sei rechts. Er mache sich Sorgen wegen der Flüchtlingskrise. Die Flüchtlinge seien die neuen „Sklavenkräfte“. An Henriette Reker hat ihn die „extreme Verlogenheit“ gestört. Auch sei er „arbeitslos aus Überzeugung“.

Während dieser Aussage schüttelt Frank S. immer wieder den Kopf.

Zum Befund äußerte Dr. Konstanze J., dass eine wahnhafte Störung nicht zu erkennen sei. Im Gespräch war Frank S. bewusstseinsklar. Sein Denken war etwas ausufernd und eingeengt. Er war nicht paranoid. Es gab keinen pathologischen Befund und auch Suizidgefahr bestand nicht. Seine Stimmungslage während des Gesprächs war zuerst zurückhaltend, danach geriet er in gute Stimmung. Er war weder betroffen noch nachdenklich, eher etwas stolz.

Nun stellt Frank S. selbst auch eine Frage und möchte wissen, ob die Zeugin unabhängig sei, was wiederum bejaht wird. In seiner nachfolgenden Stellungnahme streitet Frank S. die gesamte Aussage der Zeugin ab.

Hiernach wird als Zeugin die Kriminaloberkommissarin gehört, die beim Gespräch mit der Psychologin anwesend war. Sie teilt mit, dass Frank S. schockiert war, als er gehört hat, dass es mehrere Verletzte gab. Sie fand diese Aussage allerdings nicht glaubhaft, sie wirkte sehr aufgesetzt. Weiterhin teilte Frank S. im Gespräch mit Dr. Konstanze J. mit, dass er Henriette Reker nicht töten, sondern nur verletzen wollte. Er habe diese Tat für die Zukunft unserer Kinder und für Deutschland getan. Er hätte im Vorfeld länger über das Attentat nachgedacht und festgestellt, dass diese Handlung notwendig sei. Frank S. hat der Kriminaloberkommissarin gegenüber einen klaren Eindruck hinterlassen und war sehr redselig.

In seiner anschließenden Stellungnahme äußert Frank S. seine Verwunderung darüber, dass er im Streifenwagen etwas anderes gesagt haben soll als nur zwei Stunden später bei seiner Vernehmung. Denn im Streifenwagen, so sei ihm unterstellt worden, habe er noch ausgesagt, dass er Henriette Reker hat töten wollen.

Im weiteren Verlauf des Verhandlungstages fordert Frank S. sein zweiten Anwalt Jasper M. dazu auf, sich wie sein Rechtsanwaltskollege Dr. Christof M. entpflichten zu lassen und sein Mandant Mandat abzulegen. Jasper M. erklärt, dass er das nicht machen wird, woraufhin Frank S. einen erneuten Antrag zur Entflichtung seines Anwalts stellt. Das Gericht wiederum gibt als Beschluss bekannt, diesem Antrag nicht statt zu geben. Auch wird keine Beiordnung eines weiteren Anwalts angewiesen.

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Reker-Prozess: Sechster Verhandlungstag | Attentäter verliert die Nerven

Heute haben sich die rabiaten Tendenzen in der Persönlichkeit des Angeklagten, die über die Dauer des bisherigen Prozessverlaufs immer wieder durchschimmerten, klar bestätigt.

Im Zeugenstand sind heute die Polizeibeamten, die Frank S. unmittelbar nach seiner Festnahme im Streifenwagen zum ersten Verhör ins Polizeipräsidium Köln gefahren haben.

Doch noch bevor die Zeugen aussagen können, versucht der Angeklagte über eine geschlagene Stunde lang dem Gericht zu erklären, warum er seine Anwälte Dr. Christoph M. und Jasper M. nicht mehr an seiner Seite haben möchte. Er wirft ihnen Lügen, mangelnden Einsatz, Alkoholprobleme sowie Verletzung der Schweigepflicht vor. Dieses in seiner altbekannten beleidigenden Art. Die Vorsitzende Richterin Barbara H. belehrt ihn immer wieder und bittet ihn, nicht so viel Unsinn zu reden. Auch der Bundesanwalt Dr. Lars O. wird deutlich und kontert gegenüber Frank S., dass hier nicht alle nach seiner Pfeife tanzen. Eine Entpflichtung der Anwälte hat an diesem Verhandlungstag im Übrigen nicht stattgefunden.

Reker-Prozess: Sechster Verhandlungstag | Attentäter verliert die Nerven

Alle drei Zeugen sagen danach gleichermaßen aus, der Beschuldigte habe freimütig, locker und entspannt gesprochen. Er habe herausgestellt und deutlich gesagt –das wird auch auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin nochmals durch die Zeugen bestätigt – dass er gerne die Bundeskanzlerin Angela Merkel getötet hätte. Es sei ihm aber zu schwierig gewesen, an sie heran zu kommen. Daraufhin habe er sich als Ziel die damalige Kölner Sozialdezernenten Henriette Reker ausgesucht, da sie ein leichteres Ziel zu sein schien. Er habe durch die Tötung Henriette Rekers ein Zeichen setzen wollen. Auch diese Aussage bestätigen alle drei Zeugen nochmals.

Weitere Äußerungen des Täters seien gewesen: „Ich habe sie gezielt in den Hals gestochen. Einmal. Ich war der Meinung, dass das gereicht hat.“ Und weiter: „Ich hoffe, dass sie stirbt.“

Diese Aussagen sind für den Angeklagten besonders prekär. Bisher hatte er immer angegeben, dass er sie nicht habe umbringen wollen. Doch mit diesen Zeugenaussagen ist diese Behauptung nun widerlegt. Er wird deshalb nun sicherlich wegen versuchten Mordes verurteilt, bei Urteilsbestätigung droht ihm lebenslange Haft.

Auf diese Aussagen hin beschimpft der ohnehin schon recht aufgebrachte Frank S. die Polizisten als „verlogene Schweinehunde“.

Dieser verbale Ausfall bleibt auch über das Ende des heutigen Prozesstages in Erinnerung.

Bildquelle: NicoLeHe / pixelio.de

Reker-Prozess: Fünfter Verhandlungstag

Am heutigen 17. Mai 2016 sitzen neben vier Justizbeamten auch acht Journalisten und zwei Zuschauer im Gerichtssaal.

Zu Beginn der Verhandlung betritt der Angeklagte Frank S. den Gerichtssaal und setzt sich erneut demonstrativ drei Plätze von seinen Verteidigern weg – dabei schaut er seine Anwälte regelrecht angewidert an. Als die Vorsitzende Richterin den Saal betritt und diese Situation bemerkt, fordert sie Frank S. auf, sich neben seine Verteidiger zu setzen, worauf er antwortet: „Das sind nicht meine Verteidiger.“ Doch die Richterin setzt sich nach Ermahnung des Beschuldigten durch.

Zeuge Nummer eins

Als erster Zeuge wird heute der Landwirt Matthias Peter K. (38) aus Wesseling gehört. Er betrieb auf dem Markt einen Verkaufsstand, der sich in Blickrichtung auf die Wahlkampfstände der Parteien befand.

Als er lautes Geschrei hörte, habe er sich zu den Wahlkampfständen umgedreht und Henriette Reker am Boden liegen und zwei Männer miteinander ringen sehen. Es seien der Attentäter mit einem Messer in der Hand und TaxiunternehmerMartin B. mit einer flexiblen Kunststoffstange gewesen. Dann habe Frank S. das Messer weggeworfen und nur noch still dagestanden. Anschließend habe Matthias Peter K. gehört, wie der Angeklagte vor sich hin sprach, er hätte das „für die Kinder gemacht“ und „ihr habt keine Ahnung, worauf ihr euch da eingelassen habt“. Den Gesichtsausdruck des Attentäters beschrieb der Zeuge als „Mission erfüllt“. Außerdem ist dem Zeugen während der Rangelei eine Besonderheit aufgefallen: Beim Attentäter hat er ein kleines Messer gesehen.

Reker-Prozess: Fünfter Verhandlungstag

Zeuge Nummer zwei

Als nächster Zeuge wird nun der ehemalige Polizeibeamte und jetzige Vertriebsmitarbeiter Florian K. (29) gehört. Er hat damals in Marktnähe gewohnt und wollte dort einkaufen.

Das Attentat habe er aus der Entfernung wahrgenommen. Als er den Markt erreicht und sich einen Überblick über die Situation verschafft hatte, habe er den Angeklagten Frank S. vorläufig festgenommen und ihn belehrt. Auch zu ihm habe Frank S. gesagt: „Das habe ich für euch alle getan. Das sind doch alles keine Politiker.“ Als die Polizei eingetroffen war, habe Florian K. den Attentäter an die Beamten übergeben.

Frank S. habe auf ihn ruhig, abgeklärt, berechnend und gefasst gewirkt. Der Täter schien zu wissen, was er tat. Sein Blick sei klar gewesen und habe nicht verrückt gewirkt. Des Weiteren teilt Florian K. eine Aussage vom Hörensagen mit, wonach Frank S. zu einem Polizeikollegen gesagt habe: “Heute Morgen bin ich als freier Mann aufgestanden, heute Abend bin ich als Mörder im Gefängnis.”

Der Generalbundesanwalt fragt noch einmal nach den Sätzen, die Frank S. vor Ort gesagt haben soll, unter anderem die Formulierung „das sind keine Politiker“. Dies wird durch den Zeugen bestätigt.

Die Verteidiger von Frank S. erkundigen sich anschließend nur danach, wo das große Messer gelegen hat.

Zeuge Nummer drei

Als dritter Zeuge des heutigen Tages wird Roland S. (57) aus Köln gehört. Er war für Die Grünen als Wahlkampfhelfer vor Ort. Vom Geschehen selbst hat er nichts gesehen, sondern nur die Unruhe mitbekommen.

Zunächst sei Frank S. mit einem großen Messer in seinem Blickfeld aufgetaucht, da dachte Roland S. noch an einen Scherz. Erst kurz darauf habe er die verletzte Henriette Reker gesehen. Er habe mitbekommen, dass Frank S. das große Messer wegwarf und ein kleines Messer aus der Hosentasche zog.

Aktenlektüre

Nach dieser Zeugenanhörung liest das Gericht einige Akteninhalte vor. Unter anderem die Asservatenliste und Angaben zum Auffindeort der Tatwaffe. Des Weiteren werden etliche Spuren an Spurenträgern, wie zum Beispiel dem Tatmesser, benannt, mit dem Ergebnis, dass dem Bowiemesser sowohl Blut von Henriette Reker als auch von Pascal S. und von Anette v. W. anhaftet. Weiter wird der Durchsuchungsbeschluss zur Privatwohnung von Frank S. und aus einigen Akten aus dem Job-Center vorgelesen.

Da der Angeklagte sich zwischendurch immer wieder ungefragt mündlich meldet, wird er lauthals und deutlich durch die Richterin ermahnt.

Zeugin Nummer vier

Als letzte Zeugin des heutigen Tages wird die Polizeioberkommissarin Katja K. (44) aus Köln vernommen. Sie war mit ihren Kollegen die erste Einsatzkraft vor Ort.

Der Zeuge Matthias B. habe ihr Zeichen gegeben, zum Attentäter Frank S. zu kommen. Dieser sei völlig ruhig gewesen und habe seine Hände in den Taschen gehabt. Er sei gefesselt, zum Streifenwagen geführt und dort belehrt worden. Hier habe er zu ihr gesagt: „Ich habe das für euch und eure Kinder getan. Und mehr sage ich nicht dazu.” Danach sei von ihm die als Frage formulierte Aufforderung gekommen: “Können wir dann jetzt fahren?!” Der Tonfall sei fordernd gewesen.

Fragen an den Angeklagten

Nach der Mittagspause gibt es noch ein paar Fragen der Vorsitzenden Richterin an den Angeklagten. Als Erstes geht es um eine Bestellung im Internet, bei der Aufkleber mit dem Abdruck „Dritter Weg“ bestellt worden sind. Frank S. erläutert dazu, dass er diese Aufkleber im Internet bestellt habe, um Antifa-Wahlplakate zu überkleben.

Weiterhin führt er aus, dass er etwa mit 16 Jahren schleichend in die rechte Szene hineingerutscht sei. Die Gruppenbezeichnung „Berserker“ sei erst aufgekommen, als er circa 20 Jahre alt war. Die Hauptaktion dieser Gruppe sei die Stellung einer Bürgerwehr gegen ausländische Gruppen gewesen, wodurch deutsche Bürger vermeintlich geschützt werden sollten.

Zur Tatmotivation sagt er nochmals, dass er Henriette Reker habe verletzen wollen, um ein Signal zu setzen. Der Stich in den Hals sei nicht explizit beabsichtigt gewesen, ebenso wenig ihr Tod. Auch sei er davon ausgegangen, dass Henriette Reker Leibwächter bei sich haben würde und er hätte erschossen werden können. Warum Blutspuren von mehreren Menschen an seinem Bowiemesser sind, obwohl er nur Henriette Reker attackiert habe, sei ihm nicht erklärlich.

Der Generalbundesanwalt konfrontiert Frank S. nun damit, dass es ja dessen Ziel gewesen sei zu verhindern, dass Henriette Reker Oberbürgermeisterin von Köln wird. Das Ziel habe er allerdings nicht erreicht, denn das wäre nur möglich gewesen, wenn er sie getötet hätte. Hierauf erhält er vom Attentäter allerdings keine entsprechende Antwort.

Der psychologische Sachverständige befragt den Angeklagten zu seiner Gewaltbereitschaft. Dieser sagt deutlich aus, dass er nicht gewalttätig sei, da er ja die letzten 25 Jahre gewaltfrei gelebt habe. Bei dem Anschlag auf Henriette Reker sei das etwas anderes gewesen, da er hier die Anwendung von Gewalt als letztes Mittel gesehen habe. Jetzt wisse er jedoch, dass es das falsche Mittel war. Das Gericht wiederum fragt den Beschuldigten an dieser Stelle, ob es denn auch Alternativen gegeben hätte. Dies verneint Frank S. klar mit „keine“.

Somit endet der fünfte Verhandlungstag gegen Attentäter Frank S. um 15:05 Uhr.

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de

Reker-Prozess: Vierter Verhandlungstag | Zeugen und Ersthelfer über das Attentat auf Henriette Reker

Der vierte Verhandlungstag, dem 14 Medienvertreter beiwohnen, beginnt mit einem kleinen Eklat auf Seiten des Angeklagten: Frank S. setzt sich demonstrativ weg von seinem Anwalt und lässt drei Plätze zwischen sich und seiner Rechtsvertretung. Er hält einen Zettel in die Kamera, auf den er die Stellenbeschreibung für einen neuen Pflichtverteidiger geschrieben hat. Dieses Verhalten wird später durch die Vorsitzende Richterin gerügt.

Zeugenvernehmung: Der Hauptwahlkampfleiter

Der erste Zeuge ist der 32-jährige Hauptwahlkampfleiter Pascal S. Er richtet nur einen ganz kurzen Blick auf Frank S. Auf Aufforderung der Vorsitzenden Richterin beschreibt der Zeuge den Ablauf des Tages. Er berichtet sehr klar und deutlich.

Pascal S., der beim Attentat ebenfalls verletzt worden ist, erzählt, dass er sich zunächst am Stand der Partei Die Grünen aufgehalten habe. Dies hörend schließt der Angeklagte Frank S. die Augen und nickt zustimmend.

Diese Geste von Frank S. könnte gut dahingehend interpretiert werden, dass er sich in seiner Annahme, Henriette Reker sei nicht parteilos, durch die Aussage von Pascal S. bestätigt sieht.

Reker-Prozess: Vierter Verhandlungstag | Zeugen und Ersthelfer über das Attentat auf Henriette Reker

Von der Gesamtsituation habe Pascal S. nichts mitbekommen. Erst im Krankenwagen und später über die Medienberichte habe er realisiert, was geschehen war. Auch zur eigentlichen Tat könne Pascal S. nichts aussagen, da er mit dem Rücken zum Haupttatgeschehen stand. Er sei erst durch einen Schrei aufmerksam geworden und habe sich sofort umgedreht. Pascal S. beschreibt den Blick des Angeklagten bei der Tat, den er seitdem nicht mehr gesehen hat, als wahnsinnig, dominant und unberechenbar.

Mit dem großen Bowiemesser wurde Pascal S. dann verwundet. Er hat dadurch je eine Verletzung an seiner Schulter und am rechten Arm erlitten. Im rechten Arm hat er seitdem in einem Teil der oberen Handfläche immer noch einen tauben Bereich, Temperaturschwankungen zwischen warm und kalt empfindet er außerdem als extrem. Berührungen sind ebenfalls stark unangenehm, ansonsten hat er keine Einschränkung.

Da Pascal S. angibt, mit dem großen Messer verletzt worden zu sein, kann die Aussage des Angeklagten Frank S., wonach er sofort nach dem einmaligen Zustechen auf Henriette Reker das Messer weggeworfen hat, nicht korrekt sein.

Im Krankenhaus nahm der Hauptwahlkampfleiter zunächst den psychologischen Dienst in Anspruch. Nach dem Attentat sind jedoch keine Ängste oder Ähnliches zurückgeblieben, stattdessen hat er Positives aus dem Erlebten gezogen und an Entschlossenheit gewonnen.

Auf die Frage, ob die Tatwaffe ein großes oder ein kleines Messer gewesen sei, antwortet der Zeuge, es sei ein großes Messer gewesen, und er habe kein kleines Messer gesehen.

Posse um Pflichtverteidiger des Attentäters

Nachdem der Zeuge den Gerichtssaal verlassen hat, meldet sich der Angeklagte Frank S. zu Wort und teilt dem Gericht mit, dass er sich bei Pascal S. entschuldigen wolle, da er ja nur Henriette Reker verletzen wollte. Des Weiteren streitet er ab, ihn mit dem großen Messer verletzt zu haben, da er dieses ja unmittelbar nach dem Angriff auf Henriette Reker weggeworfen habe. Zudem entzieht er seinen Anwälten das Vertrauen, da diese mit der Presse gesprochen hätten, obwohl er ihnen dies untersagt habe.

Der Anwalt klärt daraufhin den Sachverhalt auf: Frank S. sei mit einem Artikel, der in der Zeitschrift Stern erschienen ist, nicht einverstanden. Das Gericht belehrt den Angeklagten und teilt ihm außerdem mit, dass das Gericht hier zunächst keinen Grund erkennen könne, den Advokaten zu wechseln. Da der Angeklagte immer wieder dazwischenspricht, wird es laut zwischen beiden Parteien. Am Ende gebietet die Vorsitzende Richterin Frank S. laut: „Sie halten jetzt den Mund!“

Danach folgt eine Beratungspause von circa 25 Minuten, nach der das Gericht den Antrag des Beschuldigten mit einem klaren Nein beantwortet, da keine erkennbaren Gründe vorliegen, seinen anwaltlichen Beistand zu wechseln.

Der Angeklagte beantragt nun außerdem, dass ein Sachverständigen-Gutachten erstellt werden soll hinsichtlich der Frage, ob nun ein großes oder ein kleines Messer für die Verletzungen verwendet wurde. Dabei legt Frank S. Wert darauf, dass es kein Fachmann aus Köln sein darf, der das Gutachten erstellt, da er mit der Justiz aus Köln schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Zeugenaussagen: Wahlkämpfer und Ersthelfer berichten

Auch der Kommunikationstrainer Franz B., 55 Jahre, war Wahlkampfhelfer von Henriette Reker. Er beschreibt sein Erleben des Tatablaufs identisch zu dem von Wahlkampfleiter Pascal S. Auch er habe mit dem Rücken zum Tatgeschehen gestanden, sodass er den Ablauf nicht mitbekommen habe. Er habe Panik gehabt, als er Henriette Reker am Boden liegen sah und sei zuerst in Deckung gegangen. Den Täter habe er mit einem großen Messer wie eingefroren dastehen sehen. Franz B. selbst sei schockiert gewesen. Erst als der Täter das Messer in Richtung CDU-Stand warf, sei er zur verletzten Henriette Rieker gegangen, viele andere Personen ebenfalls. Henriette Reker habe ihn gebeten, ihren Mann zu informieren. Das sei ihm jedoch nicht möglich gewesen, da er dafür ihr Handy benötigt hätte, welches in einer Tasche in ihrem Auto gelegen habe.

Warum hat ein so wichtiger Wahlkampfhelfer nicht die Handynummer des Ehemanns der Oberbürgermeisterkandidatin in seinem eigenen Handy gespeichert?

Franz B. berichtet, dass Henriette Reker inzwischen von etwa vier Helfern umringt gewesen sei.

Wenn dem tatsächlich so war, hätte Frank S. nicht, wie von ihm behauptet, ein weiteres Mal zustechen können. Hier ist der genaue Zeitablauf sicherlich noch konkreter zu rekonstruieren.

Der Zeuge führt nun weiter aus, dass Frank S. zum Opfer gesagt habe: „Sie zerstören dieses Land.“ Das Messer habe er dabei zunächst noch in der Hand gehalten und es erst danach weggeworfen. Den Gesichtsausdruck des Täters beschreibt Franz B. als ausdruckslos und leer. Dann merkt er an, dass ihm noch viele Bilder in der Erinnerung fehlen würden.

Als weiterer Zeuge wird anschließend Martin B. (56), Taxi-Fahrer aus Köln, gehört. Er war als Wahlkampfhelfer für die Grünen vor Ort und berichtet nun auch vom Tathergang.

Frank S. guckt ihn sehr grimmig an. Das liegt vielleicht daran, dass der Zeuge Martin B. in den Medien unmittelbar nach dem Anschlag als Held gefeiert wurde, da er den Täter in Schach gehalten haben soll. Dies allerdings hat Frank S. an einem vorherigen Verhandlungstag schon abgestritten.

Auch Martin B. hat das Tatgeschehen nicht direkt gesehen, sondern ist ein sogenannter Knallzeuge. Nachdem er Schreie gehört hatte und Henriette Reker am Boden liegen sah, sei er auf den Täter zugegangen und habe ihn weggestoßen. Er habe ihm zugerufen, er solle das Messer wegwerfen, was Frank S. dann auch getan habe, um allerdings sofort ein Klappmesser aus der Tasche zu ziehen. Der Zeuge habe den Täter gefragt, warum er Henriette Reker töten wolle, woraufhin dieser geantwortet habe: „Weil sie mein Land verraten hat.“ Später habe er auch noch gesagt: „Ich ergebe mich.“

Kurze Zeit später sei die Polizei gekommen und habe sich um den Täter gekümmert. Martin B. sei wiederum nun zu Henriette Reker gegangen, habe seine Jacke auf sie gelegt und ihr Mut zugesprochen. Er habe nicht gesehen, in welcher Art und Weise sie verletzt worden war. Er sei ganz auf den Täter fixiert gewesen. Wenn er den Täter nicht vom zweiten Stich abgehalten hätte, sei Henriette Reker nun tot.

Der Generalbundesanwalt möchte daraufhin wissen, ob er Frank S. immer im Blick gehabt habe, was der Zeuge bejaht. Er habe allerdings nicht gesehen, wie der Täter andere mit dem Klappmesser verletzt hat.

Die Richterin weißt auf den Widerspruch hin, woraufhin der Zeuge antwortet, dass er sich kurz umgedreht habe, um eine Fahnenstange zu holen. Weiterhin gibt er an, mit einer dünnen Kunststoffstange auf die Schulter von Frank S. geschlagen zu haben, sodass dieser das Messer hat fallen lassen.

Der Beschuldigte hält dies offenbar für lächerlich.

Bildquelle: Michael Grabscheit/pixelio.de

Reker-Prozess: Dritter Verhandlungstag | Henriette Reker sagt aus

Der heutige Tag ist natürlich vom Zeugenauftritt des Hauptopfers, Oberbürgermeisterin Henriette Reker, geprägt. Sie stellte sich vor dem eigentlichen Prozessbeginn der Presse, die heute sehr stark vertreten ist, und gab circa ein bis zwei Statements ab, in denen sie erklärte, kein Problem hinsichtlich der Gegenüberstellung mit dem Täter im Gerichtssaal zu haben. Ihre Arbeit werde durch den Prozess nicht beeinträchtigt und sie freue sich, nach ihrer Aussage wieder an ihren Schreibtisch in Köln gehen zu können. Des Weiteren bedankte sie sich auch für die Unterstützung der Medien.

Heute sind etwa 70 Medienvertreter im Zuschauersaal zugegen. Neben den üblichen acht Justizangestellten ist zu Beginn des Verhandlungstages kurzzeitig auch noch ein uniformierter Polizist im Gerichtssaal.

Der Angeklagte Frank S. wird hineingeführt, er trägt schwarze Halbschuhe, eine schwarze Jacke, darunter ein blaues Oberhemd und eine olivfarbene Cargohose. Danach betritt Henriette Reker den Gerichtssaal. Sie wirkt sehr konzentriert und bewegt sich direkt zu ihrem Stuhl in der Mitte des Saals, gegenüber der Vorsitzenden Richterin. Sie trägt einen blauen Hosenanzug und wird durch das Gericht formal belehrt.

Reker-Prozess: Dritter Verhandlungstag | Henriette Reker sagt aus

Ein Augenkontakt zum Täter findet nicht statt.

Die Richterin möchte, dass Henriette Reker vom Tattag erzählt. Sie beginnt damit, dass sie um 6:30 Uhr aufgestanden sei und gefrühstückt habe. Um 8:45 Uhr sei sie abgeholt und zum Braunsfelder Markt gefahren worden. Dort habe sie die anwesenden Menschen begrüßt.

Der Angeklagte Frank S. sei dann auf sie zugekommen und habe sie freundlich nach einer Rose gefragt. In der gleichen Sekunde habe er mit einem großen Messer zugestochen. Sie sei sehr schnell zu Boden gegangen und habe sich selbst in eine stabile Seitenlage gebracht. Geistesgegenwärtig habe sie ein einen Finger in die klaffende Stichwunde am Hals gesteckt. Sie habe gemerkt, dass sie aus Nase und Mund blutete.

Der Angeklagte hört interessiert zu und schaut Henriette Reker ständig an.

Eine weitere Wahlkämpferin, so Henriette Reker weiter, habe sich um sie gekümmert und auf sie eingesprochen. Als sie im Krankenwagen abtransportiert werden sollte, habe sie noch gesehen, dass ihr Wahlkampfkoordinator Pascal S. ebenfalls in ärztlicher Behandlung war. Sie sei froh gewesen, ihn lebend gesehen zu haben. Ihr Bewusstsein habe sie erst im Krankenhaus verloren.

Den Ärzten habe sie aber vorher noch ihren Wunsch mitgeteilt, am nächsten Tag auf jeden Fall wählen gehen zu wollen. Sie habe Angst gehabt, aufgrund der Verletzung mit einer Lähmung rechnen zu müssen.

Henriette Rieker berichtet flüssig und klar.

Vor dem Moment der Tat habe sie sich mit Wahlkämpferinnen der anderen Parteien unterhalten. Den ihr unbekannten Angeklagten habe sie im Augenwinkel gesehen und wahrgenommen, wie er sich auf sie zubewegte. Es sei bei all ihren öffentlichen Auftritten auch ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen, einen entsprechenden Bürgerkontakt wahrzunehmen – so auch in diesem Falle. Und der Gesichtsausdruck von Frank S. sei freundlich und ihr zugewandt gewesen. Für sie habe es keine Misstrauensanzeichen gegeben.

Dann habe sie kurz das Messer gesehen und wahrgenommen, dass Frank S. ihr durch den Hals gestochen hatte. Der Messerstich sei von oben herab und schnell durchgeführt worden und sehr, sehr schmerzhaft gewesen. Anschließend sei sie nach hinten gefallen. Den Täter habe sie danach nicht mehr wahrgenommen. Die Ärzte haben ihr im Nachhinein nur mitgeteilt, dass es einen glatten sauberen Schnitt gegeben hat, und daher das Messer sehr scharf gewesen sein muss.

Der Angeklagte hat an einem vorherigen Verhandlungstag ausgesagt, dass das Messer keine Mordwaffe sei, ja es sei nicht mal scharf genug, um Tomaten zu schneiden!

Im Krankenhaus war sie froh, so Henriette Reker, dass sie zwei der behandelnden Ärzte kannte, was sie beruhigte. Ihr Mann sei sehr schnell ins Krankenhaus geeilt. Nach der OP sei sie bis zum folgenden Mittwoch im künstlichen Koma gehalten worden. Zu ihren Verletzungen haben ihr die Ärzte gesagt, dass sie sehr großes Glück gehabt hätte.

Dass sie währenddessen die Kölner Bürgermeisterwahl gewonnen hatte, habe ihr wiederum ihr Mann mitgeteilt. Über einen Rücktritt habe sie nie nachgedacht.

Ihre Wirbelverletzung war nach zwei Monaten einigermaßen verheilt, ihre Luftröhre etwa 16 Tage nach dem Durchschnitt. Insgesamt war Henriette Reker zehn Tage im Krankenhaus. Danach musste sie wieder zu Kräften kommen, denn am 21. November wartete ihr offizieller Amtsantritt. Körperliche Folgeschäden wird es keine geben. Die psychologischen Belastungen hingegen waren da und sind immer noch ein wenig vorhanden. Insbesondere machen Henriette Reker schlimme Albträume zu schaffen. Sie sei aber nicht misstrauischer geworden und habe auch keine Angst vor Menschenmengen.

Die Richterin stellt ihre Fragen sehr rücksichtsvoll. Henriette Reker hingegen hat die Beine überkreuzt, der rechte Fuß wackelt.

Während der Wahlkampfzeit war sie noch die Sozialdezernentin der Stadt Köln und damit auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Das war auch in der Öffentlichkeit bekannt. Sie hat ihren Standpunkt zu Flüchtlingsunterbringungen bei öffentlichen Veranstaltungen und in Medieninterviews stets bekannt gemacht. Für diese Haltung ist sie auch schon mal beschimpft worden. Persönlich hat sie sich jedoch nie bedroht gefühlt.

Der Angeklagte oder sein Umfeld sind bisher nie an sie herangetreten, um sich zu entschuldigen.

Die Verteidiger von Frank S. fragen Henriette Reker, ob der Angeklagte Worte der Entschuldigung an sie richten dürfe. Dies lehnt sie mit der Bemerkung ab, dass dies noch nicht der richtige Zeitpunkt sei.

Henriette Reker würdigt den Täter keines Blickes. Insgesamt ein sehr starker Auftritt der Kölner Oberbürgermeisterin. Nach der Pause im Anschluss an die Aussage von Henriette Reker sind nun nur noch 20 Medienvertreter im Saal.

Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin möchte Frank S. nichts sagen, auch eine Entschuldigung kommt von ihm nicht.

Hiernach werden Lichtbilder in Augenschein genommen. Sowohl von Tatort und Täter, als auch von der Tatwaffe, mit dreißig Zentimeter Klingenlänge und fünfzehn Zentimeter Grifflänge, und dem Butterflymesser, mit neun Zentimeter Klingenlänge. Darüber hinaus kommen Bilder der weiteren Verletzten zur Ansicht. Auch die Täterbekleidung wird nochmals ausführlich besprochen. Hiernach wird auf einem großen Foto der handgeschriebene Zettel des Angeklagten mit den Wahlkampfterminen gezeigt. Darauf stehen sechs Termine. Vor dem ersten Termin steht die Ziffer 1, vor dem dritten Termin eine 2. Es gibt auch Anmerkungen bezüglich der Reisemöglichkeiten zu den möglichen Tatorten. Der Täter wollte den Ort der besten Tatausführungsgelegenheit auskundschaften.

Frank S. wird gefragt, wann ihm das erste Mal der Gedanke kam, dass Henriette Reker Symbolfigur seiner Tat, sein Opfer werden sollte. Hierzu sagt Frank S., dass die Idee aufgekommen sei, als er die ersten Wahlplakate für die Bürgermeisterwahl gesehen hatte. In seinen Augen ist die deutsche Flüchtlingspolitik falsch, und Henriette Reker war für ihn die deutschlandweite Symbolfigur dafür. Er wollte ein Zeichen setzen. Auch habe ihn die Parteilosigkeit von Henriette Reker wütend gemacht, da es sich hierbei nur um einen Beitrag der Grünen handeln könne. Deshalb hat er gezielt Henriette Reker angegriffen, denn die grüne Bundespolitik störte ihn sehr.

Zuerst habe er auch an ein friedliches Zeichen gedacht, die Gewalt sei für ihn dann nur das letzte Mittel gewesen. Hier fragt die Vorsitzende Richterin nach. Anfangs, so der Angeklagte daraufhin, habe er Antifa-Plakate abgerissen oder mit im Internet bestellten Aufklebern beklebt. Er habe jedoch nicht demonstrieren wollen, weil es für ihn keine Meinungsfreiheit in Deutschland gebe. In diesem Punkt widerspricht ihm die Richterin und hält ihm vor, dass er seine Meinung nie öffentlich geäußert habe. Friedliche Mittel hätten ihm nichts genutzt, also habe er direkt zur Gewalt gegriffen. Die Richterin fragt weiter nach seinen sozialen Kontakten. Hierzu möchte sich der Angeklagte nicht äußern, weil er niemanden mit hineinziehen möchte. Zu diesem Themenkomplex verweigert Frank S. nun die weitere Aussage, da es ihn nerve. Er habe mit dem Attentat einen Politikwechsel herbeiführen und Aufmerksamkeit erzeugen wollen.

Nach der Mittagspause sagt ein weiteres Opfer aus, die Wahlkampfhelferin Katrin H. aus Köln.

Ihr Mann, der ebenfalls Politiker ist, sitzt im Zuschauerraum. Die Zeugin wirkt etwas nervös und unsicher, Augenkontakt zum Täter nimmt sie ebenfalls nicht auf.

Sie wird formal belehrt und durch die Vorsitzende Richterin aufgefordert, vom Tattag zu erzählen. Sie beginnt damit, dass sie mit einer Bürgerin gesprochen habe und dabei von Henriette Reker begrüßt worden sei. Sie berichtet, dass jemand von links auf sie zugekommen sei und von Henriette Reker eine Rose wollte. Er habe dann die Rose mit der linken Hand angenommen, unvermittelt ein Messer gezogen und sofort mit Wucht zugestochen. Als der Angeklagte das Messer zurückzog, habe er die Zeugin an der Wange verletzt. Da sie kurz zuvor mit einer Ärztin gesprochen und gewusst habe, dass diese auf dem Markt einkaufen war, sei sie zum Markt gelaufen und habe nach der ihr bekannten Ärztin gefragt. Hierauf sei Henriette Reker erstversorgt worden. Die Zeugin sei bei ihr geblieben. Ihre körperliche Verletzung sei gering gewesen, erzählt die Zeugin. An der Wange ist kaum noch eine Narbe zu sehen.

Der Angeklagte habe nach seiner Tat etwas abseits gestanden und die Hände hochgehoben. Er habe gesagt: „Ich ergebe mich, ich ergebe mich.“ Die Zeugin wurde später ebenfalls zur Versorgung ihrer Wunde ins Krankenhaus gefahren.

Zum Gesichtsausdruck des Täters kann die Zeugin nichts sagen, da sie ihn nicht direkt angeschaut hat. Das Messerziehen und -stechen war für sie ein einzelner Vorgang.

Der Angeklagte hört interessiert zu und schaut die Zeugin von der Seite aus an.

Psychologisch muss die Zeugin das Tatgeschehen verarbeiten und hat hierzu professionelle Gespräche mit einer Psychologin geführt. Heute sei das nicht mehr notwendig, aber es gebe immer wieder Belastungsmomente. Wenn sie Menschen in ihrer Nähe hat, die ihre Hände in den Taschen verstecken, erzeuge das bei ihr Angst. Es gebe auch Momente, in denen sie plötzlich Angst habe, insbesondere bei Situation in ihrem Leben, die mit dem Attentat in Zusammenhang stehen. Auch unter Schlafstörungen leide sie.

Die Verteidiger befragen sie nochmals zur Messerführung. Sie bestätigt, dass das Messer gerade und mit voller Wucht geführt worden sei.

Beim Hinausgehen aus dem Gerichtssaal sucht sie mit ihren Augen ihren Mann und lächelt ihm zu. Sie ist offenbar sehr erleichtert, dass Sie diese Aussagesituation gemeistert hat.

Dann kommt ein weiteres Opfer als Zeugin, Annette V. W. aus Köln. Sie war ebenfalls im Wahlkampf aktiv. Sie erzählt, dass sie den Wahlstand für ihre Partei aufgebaut und die interessierten Menschen begrüßt habe. Sie habe in der Nähe von Henriette Reker gestanden und den Täter auf die Gruppe zukommen, unter seine Jacke greifen und unmittelbar zustechen sehen. Sie selbst wurde auch verletzt.

Beim Erzählen bemerkt man, dass sie immer noch sehr beeindruckt ist von dem, was geschehen ist. Ihre Stimme ist zwar kräftig, allerdings eher bewusst und sie zittert.

Sie erzählt, sie habe nach dem Attentat telefonieren wollen, sei aber nicht in der Lage gewesen, das Handy zu bedienen. Daraufhin habe sie sich in eine naheliegende Buchhandlung begeben, da sie auch befürchtet habe, dass ihr Kreislauf zusammenbricht.

Alle drei heute gehörten Zeugen sagen aus, dass der Täter das Messer aus dem Inneren der Jacke geholt hat, und nicht wie der Beklagte aussagte, von der rechten Beinseite her.

Die Zeugin erzählt weiter, dass sie das warme Blut am Körper gespürt und dann sehr starke Schmerzen gehabt habe. Das Bewusstsein habe sie nicht verloren. Verletzt worden sei bei ihr die Arterie und ein Muskel in Höhe des Rippenbogens. Sie sei ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert worden. Heute habe sie noch Ohrenschmerzen und Schmerzen an den Armen. Sie sei auch immer noch in psychologischer Behandlung, habe Albträume, Ängste und Schlafstörungen, sie sei kaum ausgegangen und misstrauischer und ängstlicher geworden. Der Aufenthalt in Menschenmengen sei für sie immer noch schlimm. Manchmal sei sie panisch und schreckhaft und nicht mehr so unbedarft wie früher.

Nach dieser Zeugenaussage verliest das Gericht die Festnahmeanzeigen. Des Weiteren wird ein Wert von 0,21 Promille Alkohol um 9:20 Uhr bekannt gegeben, eine weitere Blutprobe um 15:00 Uhr ergibt keine nachweisbaren Alkoholspuren. Zum Zeitpunkt der Tat war der Täter 93 Kilo schwer, 184 Zentimeter groß, hatte eine mittlere Körperstatur und war an Neurodermitis erkrankt. Seine Urinprobe ergab keine Auffälligkeiten bis auf nachweisbare Spuren von Cannabis. Diese Spuren waren allerdings so gering, dass sie auf die Tat keinen Einfluss hatten. Auf Befragen sagt der Beschuldigte aus, dass er zuletzt circa ein bis zwei Wochen vor der Tat Cannabis konsumiert habe.

Der Prozess endet um 15:38 Uhr.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Reker-Prozess: Zweiter Verhandlungstag

Heute sind circa 30 Journalisten, ein Kamerateam und drei Fotografen als Zuschauer anwesend. Sechs Justizbeamte begleiten den Beschuldigten Frank S. in den Saal. Zwei weitere sitzen bei den Zuschauern. Frank S. zeigt sein Gesicht der Presse, aber diese darf es trotzdem nicht so abdrucken. Er trägt drei Ohrringe am linken Ohr, weiterhin eine Bluejeans, ein langärmliges schwarzes Hemd und Turnschuhe. Auf seinem mitgebrachten DIN A4-Ordner ist ein Abdruck des Grundgesetzartikels § 5 zu erkennen. Die Verteidiger geben bekannt, dass nicht die Verteidigung eine Erklärung abgeben wird, sondern Frank S. das selbst machen will.

Auch an dieser Stelle wird wieder deutlich, wie der Beschuldigte charakterlich aufgestellt ist. Man hatte schon am ersten Verhandlungstag deutlich erkannt, dass er derjenige sein will, der das „Heft in die Hand“ nimmt. Auch dem Gericht macht er hin und wieder Vorschläge, wie das Verfahren geführt werden soll.

Reker-Prozess: Zweiter Verhandlungstag

Die Vorsitzende Richterin beginnt ihre erneute Befragung mit ungeklärten Auffälligkeiten aus dem ersten Verhandlungstag. Insbesondere möchte Sie noch Fragen zur großflächigen Tätowierung auf dem Rücken von Frank S. geklärt wissen, dass den Schriftzug BERSERKER zeigt. Frank S. erklärt, er habe dieses Tattoo in Bezug auf eine gleichnamige Hardrock-Band aus seiner Jugend ausgewählt. Des Weiteren habe er eine E-Mail-Anschrift gehabt, die ebenfalls Berserker hieß, doch zusätzlich die Zahlen 1488 enthielt. 1488 bedeutet „Auf Deutschland Heil Hitler“. Die jeweilige Zahl steht für den Anfangsbuchstaben. Die Richterin möchte von Frank S. wissen, warum er genau diese Kombination gewählt hat. Der Beschuldigte weicht dieser Fragestellung aus.

Überwiegend gibt der Beschuldigte klare Antworten. Wenn er so wie oben beschrieben ausweicht, zeigt das, dass ihm diese Fragen unangenehm sind, er lügt oder aber weiß, dass er speziell in diesem Fall in die rechte Ecke gestellt werden könnte. Es zeigt aber auch deutlich, dass der Beschuldigte nicht krank oder verrückt ist, sondern auf gewisse Fragen auch entsprechende Antworten hat.

Zu seinem Lebenslauf verweigert er danach jede weitere Aussage.

Nun befragt der psychologische Sachverständige, Prof. Dr. med. Norbert L., den Beschuldigten zu seinem Leben. Prof. Norbert L. interessieren unter anderem dessen Internetaktivitäten. Der Beschuldigte bestätigt, sich in Chats bewegt zu haben. Bei entsprechenden Kommunikationsdiensten wie Facebook oder ähnlichen war er nicht angemeldet, da dort seine Daten über zehn Jahre gespeichert werden. Weiterhin wollte der Sachverständige wissen, warum Frank S. von Bonn nach Köln gezogen ist. Dieses beantwortet Frank S. damit, dass er ein neues Leben beginnen wollte. Ob eine Suizidgefährdung vorlag, beantwortet Frank S. mit Nein.

Hiernach übernimmt das Gericht wieder die Befragung des Beschuldigten. Heute geht es um die eigentliche Tat. Frank S. erklärt, dass er sich nach wie vor noch nicht zur Motivation seiner Tat äußern wird. Er wird sich nur zum eigentlichen Tatgeschehen vom morgendlichen Aufstehen bis zur Festnahme und Verbringen auf die Polizeiwache äußern.

Diese Begrenzung wird über den ganzen Tag immer wieder Thema zwischen dem Gericht und dem Angeklagten sein, da die Fragen des Gerichts zu Tatgeschehen und Motivation nicht klar zu unterscheiden sind.

So erzählt der Beschuldigte, dass er sich am Abend vor der Tat, also am 16. Oktober 2015, die Wahlkampftermine von Henriette Reker im Internet angeschaut und sich diese auf einem Zettel notiert habe. Alle Termine habe er in Betracht gezogen und wollte erst prüfen, wie die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort sind. Er war sich nicht sicher, ob Polizisten oder Personenschutz für Henriette Reker vor Ort im Einsatz sein würden. Trotzdem war ihm klar, dass er, wenn er morgens die Wohnung verlässt, diese so schnell nicht wieder betreten würde. Auch hat er einkalkuliert, von der Polizei erschossen oder angeschossen zu werden.

Zunächst hatte Frank S. nur sein Butterflymesser als Tatwaffe in Erwägung gezogen, dann entschied er sich jedoch für sein Bowiemesser, mit einer circa 30 cm langen Klinge (auch bekannt aus den Rambo-Filmen). Er habe einen theatralischen Auftritt gewollt und fand, dass das Rambo-Messer martialischer wirke. Dieses Messer habe er vor einigen Jahren im Internet bestellt.

Frank S. meint, das Bowiemesser sei total stumpf und somit kein Mordwerkzeug. Daraufhin hält die Richterin das Tatmesser für alle sichtbar hoch und fragt den Beschuldigten nochmals, ob er dieses Messer meint. Dies wird von ihm bejaht.

Er teilt weiter mit, er habe ein Zeichen setzen, aber niemanden ernsthaft verletzen oder sogar töten wollen. Er habe die Nacht vor dem Tattag schlecht geschlafen, da er vorher ja noch niemals solch eine Tat begangen hatte. Er wusste außerdem noch nicht, ob er tatsächlich seine Hemmungen, insbesondere eine Frau zu verletzen, überwinden könne.

Am Tattag stand er zwischen 5:30 Uhr und 6:00 Uhr auf. Er zog sich extra eine weite Latzhose an, um darunter am rechten Bein das große Messer verdeckt tragen zu können. Die Lederscheide für das Messer befestigte er an seinem Bein. Das Butterflymesser steckte er in eine Hosentasche. Darüber zog er sich einen Pulli und eine Jeansjacke. Um seine Hemmungen etwas abzubauen, hat er zuhause noch ein Bier getrunken.

Am Tattag war der Angeklagte 1,85 m groß und 93 Kilo schwer.

Circa gegen 7:20 Uhr erreichte Frank S. die Tankstelle, die von seiner Wohnung fünf Minuten entfernt war, und kaufte dort zwei weitere Biere. Er begab sich zur Straßenbahn und fuhr zum Rudolfplatz. Während der Fahrt trank er ein Bier. In einem Einzelhandelsladen am Rudolfplatz hat er noch Geld gewechselt. Seinen Tatort, den Wahlkampfort in Köln-Braunsfeld, hat Frank S. dann doch noch etwas suchen müssen. Erst nach längerer Zeit fand er den Wochenmarkt mit den jeweiligen Ständen der CDU, der FDP und der Partei Die Grünen. Hier leerte er auch sein drittes Bier.

Frank S. verurteilt Frau Reker unter anderem dafür, dass sie ihren Wahlkampf nur in Nobelvierteln bei der „Schickeria“ durchgeführt hat, in Problemvierteln quasi nie. Da der Beschuldigte immer „die Reker“ sagt, wird er durch das Gericht belehrt, dass er dies unterlassen und Henriette Reker „Frau Reker“ nennen solle.

Frank S. hat die Szenerie an den Wahlkampfständen zunächst ein wenig beobachtet. Zuerst hat er Henriette Reker nicht gesehen, sie dann aber doch aus einer Entfernung von etwa 50 Metern erkannt. Er wusste, dass er seine Hemmschwelle überwinden musste, aber der Entschluss war klar gefasst. Die Motive hatte er im Kopf. Frank S. betont nochmals, dass alles, was er sagt, die Wahrheit ist.

Er steht nun auf und stellt die Tat nach. Es ist zu sehen, wie er an sein rechtes Bein greift, seinen Arm hochzieht und mit einer kurzen heftigen Bewegung nach vorne schnellt. Danach sieht es so aus, als ob er etwas nach rechts wegwirft. Er erzählt, dass er die Knöpfe an der rechten Beinseite schon kurz vorher geöffnet habe, um dann bei Henriette Reker nach einer Rose zu fragen. In diesem Moment hat er sein Messer gegriffen und ihr in den Hals gestochen (10 Zentimeter). Das Messer hat er danach sofort weggeworfen. Er war sich nicht bewusst darüber, dass er in den Hals gestochen hatte, er wollte nur ein Zeichen setzen, weil er das Motiv im Kopf hatte. Er erklärt weiter, dass er sich spontan für das große Rambomesser und nicht für das kleine Butterflymesser entschieden habe.

Diese Aussage ist aufgrund seiner umfangreichen Überlegungen zum Vortatverhalten unglaubwürdig.

Die Vorsitzende Richterin hält ihm vor, dass DNA-Spuren von zwei weiteren Verletzten am Messer gefunden worden sind. Dieses könne ja nicht sein, wenn er das Messer sofort weggeworfen hat. Der Angeklagte bestreitet dies vehement und vermutet eine Manipulation der Sicherheitsbehörden. Nach dem Messerangriff ist Henriette Reker sofort zu Boden gegangen und nach hinten umgefallen. Er fühlte sich durch die Menschenmenge, die auf ihn zukam, bedroht und wollte sich nicht lynchen lassen, deshalb habe er sich mit dem Butterflymesser gewehrt. Er habe aber nicht vorgehabt, andere Menschen damit zu verletzen.

Nach einer kurzen Pause möchte das Gericht von dem Beschuldigten wissen, was er sich als Ergebnis seiner Tat vorgestellt hat. Frank S. antwortet, er habe einen Menschen verletzen, aber nicht töten wollen. Diesen Gedanken habe er nicht gehabt. Wenn er hätte töten wollen, so sagt er, hätte er es ja jederzeit machen können. Henriette Reker war ja wehrlos.

Das Ziel seiner Tat war im Übrigen, dass alle erfahren sollten, dass Henriette Reker ein U-Boot der Grünen sei. Ihre Kandidatur sei ein Wahlbetrug gewesen. Er habe sich genau über sie informiert, sie sei eine Marionette, dieser Partei. Dies klarzumachen sei sein Ziel gewesen.

Die Verletzung der anderen Menschen sei nicht beabsichtigt gewesen, er habe sich nur gegen den Mob wehren wollen. Am liebsten sei ihm auch ein ehrenhafter Kampf „Mann gegen Mann“ wie im Mittelalter gewesen. Nach der Tat wurde er durch einen Zivilpolizisten festgenommen und von diesem zum zwischenzeitlich eingetroffenen Polizeiwagen geführt.

Der Generalbundesanwalt möchte von dem Beschuldigten wissen, ob er mitbekommen hat, dass er Henriette Reker am Hals getroffen hatte, und inwieweit er sich vorher dazu Gedanken gemacht hatte, wohin er stechen wollte. Dies beantwortet der Angeklagte nur ausweichend. Er habe allerdings vor der Tat zuhause mehrfach probiert, wie er das Bowiemesser am besten aus der Lederscheide bekommt.

Hier ergibt sich ein großer Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage, dass er sich spontan für das Bowiemesser entschieden hätte und nicht für das wesentlich kleinere Butterflymesser. Diesen Widerspruch arbeitet der Generalbundesanwalt nochmal heraus und der Beschuldigte bestätigt ihn.

Ob er sich mit uniformierten Polizisten am Tatort noch unterhalten hat, weiß Frank S. nicht mehr.

Nun führt der psychologische Sachverständige Prof. Norbert L. die Vernehmung weiter. Er fragt nochmals nach der Motivation der Tat. Dieses möchte Frank S. in einem zukünftigen Verhandlungstag deutlich erläutern. Er lässt sich nur insoweit ein, als dass er ein Zeichen habe setzen wollen, um Schlimmeres zu verhindern. Für ihn sei es eine Notwehrsituation gewesen. Henriette Reker habe in seinen Augen Schuld auf sich geladen, wie er durch das Lesen und Studieren aller Reker-Interviews meinte, festgestellt zu haben. Henriette Reker war für ihn der Inbegriff einer „linksradikalen Schickeria-Ideologin“. Sie habe nicht nur fünf, sondern gleich zehn Jahre Bürgermeisterin sein wollen. Des Weiteren sei sie als Sozialdezernentin für die in seinem Verständnis verfehlte Flüchtlingspolitik verantwortlich gewesen. Sie sei nur für Die Grünen. Die Grünen wiederum unterstützen die Antifa. Henriette Reker sei eine verlogene Parteilose. Sie sei die Symbolfigur für falsche Flüchtlingspolitik und die herrschenden Politiksysteme. Frank S. glaubte, ein Signal setzen zu können, um das Volk wachzurütteln.

Interessant für den Generalbundesanwalt ist es auch, zu erfahren, warum der Beschuldigte Frank S. genau diesen Tag ausgesucht hat. Frank S. teilt dazu mit, die Bevölkerung habe unmittelbar vor dem Wahltag erfahren sollen, wer hier zur Wahl steht und, dass Henriette Reker die falsche Wahl sei.

Nach einer längeren Mittagspause berichtet der Beschuldigte von seinem Abtransport vom Tatort. Drei Polizeibeamte haben ihn zum Polizeipräsidium in einem Streifenwagen transportiert. Dort musste er sich komplett ausziehen und alle seine Sachen abgeben. Über diesen Transport haben die Polizeibeamten einen Vermerk erstellt. Den Inhalt dieses Vermerks streitet Frank S. komplett ab.

Danach wurde er der Gutachterin Dr. Constanze J. vorgestellt. Sie ist Psychiaterin und Neurologin und sollte beurteilen, ob Frank S. hafttauglich ist oder in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden muss. Frank S. beklagt, dass die Gutachterin ihm hundertprozentige Vertraulichkeit zugesagt hätte, und diese danach nicht gewahrt habe. Die Richterin erklärt ihm daraufhin, dass Sinn und Zweck des Gesprächs mit der Gutachterin die Beurteilung seines geistigen Zustands gewesen sei, und dass Inhalt und Ergebnis natürlich dem Haftrichter bekannt gegeben werden müssen.

Frank S. wechselt immer wieder zwischen Aussagen, die zu 100 Prozent stimmen und Aussagen, die zu 1000 Prozent nicht stimmen, wie etwa seine Einlassung. Man merkt deutlich, dass es für ihn keine Regeln gibt. Er bestimmt ausschließlich, und das nicht nur über sein Leben. Er möchte auch über das Leben aller anderen Menschen bestimmen.

Frank S. unterstellt der Gutachterin, dass sie ihr Gutachten absichtlich verfälscht habe, da ihre Arbeit- und Auftraggeber die Stadt Köln und die Universität Köln seien. Er hat ihr zu ihrem Gutachten einen Brief geschrieben, aus dem er nun vorliest. Hierin beklagt er in beleidigender Form ihr vermeintliches Falschverhalten.

Später habe er sich von zwei Verteidigern einen aussuchen können. Er entschied sich für den Rechtsanwalt B., da er den Nachnamen als bodenständiger empfand (der zweite Verteidiger hatte einen französisch klingenden Namen). Sein Anwalt habe ihm zwei Tage später eine schriftliche Erklärung zur Unterzeichnung vorgelegt, in der der Anwalt B. von seinem Mandanten verlangt habe, dass dieser vor Gericht ausschließlich schweigen solle. Zusätzlich wollte der Rechtsanwalt, dass er von Frank S. von seiner Schweigepflicht, auch gegenüber der Presse, entbunden werde. Frank S. habe nicht zugestimmt. Auf seinen jetzigen Anwalt sei er schließlich über einen Express-Artikel gestoßen.

Das Gericht arbeitet noch einen weiteren Widerspruch heraus: Einerseits wollte der Beschuldigte mit seinem Attentat eine Botschaft setzen. Andererseits hat er fest damit gerechnet, dass er auch erschossen werden könnte. Wenn dem so gewesen wäre, hält ihm das Gericht nun vor, hätte er seine Botschaft ja nicht so wie jetzt in einem öffentlichen Gerichtsverfahren transportieren können, da er vor der Tat kein Manifest oder Selbstbezichtigungsschreiben erstellt hat. Hierauf hat der Beschuldigte keine plausible Erklärung. Er führt nochmals aus, dass Henriette Reker für ihn die Symbolfigur für eine verfehlte Politik gewesen sei. Er habe darauf aufmerksam machen wollen, dass alles manipuliert werde und die Medien die Schlimmsten seien.

Der psychologische Sachverständige fragt Frank S. nochmals nach seiner Botschaft und warum er der Meinung sei, dass er seine Botschaft nur mit dieser Tat zur Sprache hat bringen können. Frank S. antwortet, dass er zum Zeitpunkt der Tat davon überzeugt gewesen sei.

Um 16.01 Uhr ist der heutige Verhandlungstag beendet.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Reker-Prozess: Erster Verhandlungstag | Aufsehen erregender Auftakt

Ich werde den Prozess, der von großem öffentlichen Interesse begleitet wird, beobachten, wobei mich besonders die Motivation und die Vita des Täters interessiert.

Worum geht es? Frank S. wird vorgeworfen, anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung am 17. Oktober 2015 die damalige Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt Frau Henriette Reker heimtückisch, aus niedrigen Beweggründen und mit Mordabsicht mit einem Messer angegriffen zu haben. Frau Reker wurde durch den Angriff des Angeklagten lebensgefährlich verletzt. Die Anklage lautet daher auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Zusätzlich wurden weitere Beteiligte des Wahlkampfteams durch den Angeklagten durch Messerstiche verletzt.

Reker-Prozess: Erster Verhandlungstag | Aufsehen erregender Auftakt

Der Prozess in Düsseldorf – 1. Verhandlungstag

Ort: Das Gerichtsgebäude des Oberlandesgerichts in Düsseldorf – ein innen wie außen einfach gehaltener, grauer Betonbau, der speziell für Prozesse aus dem Bereich der Schwerstkriminalität oder des Terrorismus gebaut wurde .
Das Interesse der Medien vor Ort ist groß: Etwa 10 Fernsehteams und weitere 40 Journalisten sind anwesend.

Zivile Zuschauer kann ich hingegen nicht identifizieren. Mich interessiert neben der Tätermotivation und dessen Vita natürlich auch, wer die Sicherheitsmaßnahmen für die jetzige Oberbürgermeisterin Frau Henriette Reker geplant hat, und wie diese verantwortlich entschieden worden sind. Beide Aspekte sind wichtig für den Bereich des Personenschutzes.

Der Prozess wird durch den 6. Strafsenat, der für Staatsschutzverfahren zuständig ist, geführt. Neben der Vorsitzenden Richterin Frau H. nehmen vier weitere Richter als Beisitzer teil. Die Bundesanwaltschaft wird durch zwei Ankläger vertreten. Der Angeklagte wird ebenfalls durch zwei Rechtsanwälte, Dr. Christof M. aus Köln und Herrn M. aus Krefeld, vertreten. Des Weiteren sind drei Anwälte für die Nebenklage anwesend. Unter anderem Rechtsanwalt M. aus Köln für Frau Henriette Reker.

Der Angeklagte Frank S. betritt in Begleitung von vier Justizbeamten den Saal. Er ist weder an den Händen noch an den Füßen gefesselt.  Er trägt eine Bluejeans sowie ein langärmliges, blauweiß-kariertes Hemd und dazu Sportschuhe. Der Angeklagte, mit Glatze und einem Kinnbart, macht einen überwältigten und überforderten Eindruck. Er hört sehr aufmerksam zu, hat hektische Augenbewegungen und vermittelt den Eindruck, dass er glaubt, jederzeit angegriffen zu werden.

Nach der allgemeinen Begrüßung und grundsätzlichen Belehrung wird die Generalbundesanwaltschaft (GBA) zur Klageverlesung aufgefordert. Es wird kurz die heimtückische und niederträchtige Tat des Angeklagten erläutert. Für die GBA steht eindeutig fest, dass hier ein Mensch getötet werden sollte. Die Motive des Angeklagten lagen offenbar in der Einschätzung einer verfehlten Flüchtlingspolitik in Deutschland. Nach Recherchen im Internet hatte er sich Frau Henriette Reker ausgesucht, da diese zum Zeitpunkt der Tat Sozialdezernentin der Stadt Köln war – und somit zuständig für die Flüchtlinge. Er brachte ein 30 cm langes Buschmesser und ein 19 cm langes Butterflymesser zur Tat mit, die er verborgen bei sich trug. Als er Frau Reker nach einer Blume fragte und diese abgelenkt war, stach er ihr in den Hals. Die Klinge drang 10 cm in den Hals ein und die Luftröhre war verletzt: Frau Reker konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Zusätzlich wurden weitere Beteiligte durch Messerstiche verletzt.

Nun wird der Angeklagte Frank S. nochmals zu seinem Zeugnisverweigerungsrecht belehrt. Er spricht mit klarer und fester Stimme und will sich zur Tat äußern. Meine Einschätzung  nach dem bisherigem Auftritt: Frank S. ist eine Person, die sich ausdrückt. Er sitzt nicht still im Saal und lässt alles um sich herum geschehen.

Bevor die Beweisaufnahme beginnt, möchte sein Anwalt, Dr. M., eine kurze Erklärung abgeben. Er erklärt, dass dieser Fall eine sehr starke Pressepräsenz gehabt habe und dass eine objektive Aufklärung damit kaum gegeben gewesen sei. Zudem zweifelt er die Befragung durch die Polizei an, da es einige Gespräche ohne Anwesenheit der Verteidigung gegeben hat. Auch den Tötungsvorsatz seines Mandanten sieht er nicht. Er führt aus, dass der Täter ja durchaus ein zweites Mal hätte zustechen können und somit der Tod des Opfers sicher eingetreten wäre. Da er dieses aber nicht getan hat, sieht Anwalt Dr. M.  auch keine Tötungsabsicht, sondern nur den Tatbestand einer gefährlichen Körperverletzung. Hierzu führt er einige Beispiele entsprechender Urteile an. Des Weiteren behauptet er, dass es sich hier um einen politischen Prozess handele. Wäre das Opfer ein nicht in der Öffentlichkeit stehender Mensch gewesen, wäre sein Mandant auch nur der gefährlichen Körperverletzung angeklagt worden. Hierzu erklärt die Vorsitzende Richterin, dass es sich keinesfalls um einen politischen Prozess handele, sondern der 6. Senat sich um Staatsschutzverfahren kümmere. Hiernach findet eine 20-minütige Pause statt.

Um 11:30 Uhr beginnt die Vernehmung von Frank S. Die Vorsitzende Richterin H. fordert ihn auf, zu erzählen. Frank S. bittet jedoch darum, dass er jeweils einzeln gefragt wird. Er macht einen nervösen Eindruck, beantwortet die Fragen allerdings normal. Zuerst kommt die Aufarbeitung seiner Vita. Frank S. ist im Juni 1971 in Düsseldorf geboren. Seine letzte Anschrift (vor der JVA)  war die Hohlbeinstraße 32 in Köln. Er ist nicht in einem Kindergarten gewesen und kam mit circa fünf Jahren in eine Pflegefamilie. Kontakt zu seinen leiblichen Eltern oder Geschwistern hatte er danach nicht mehr. In der Pflegefamilie waren sechs Pflegekinder und vier leibliche Kinder. Frank S. bringt die hohe Anzahl der Pflegekinder mit den entsprechenden Zahlungen der Behörden in Zusammenhang. Mit sechs Jahren wurde er in Bonn eingeschult und erreichte nach Abschluss der zehnten Klasse an der Gesamtschule in Bonn-Beuel seinen Hauptschulabschluss.

Seine schulischen Leistungen bezeichnet er selbst als normal. Als er sein 18. Lebensjahr erreicht hatte,  wurde er nach eigener Aussage durch seine Pflegeeltern aus dem Haus geworfen. Daher musste er mit Aushilfsjobs über die Runden kommen. In dieser Zeit war er auch zwölf Monate als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr, als Funker. Im Rückblick empfindet er diese Zeit als „nicht schlecht“, wollte sich aber auch nicht als Zeitsoldat verpflichten. Danach  durchlief er eine Ausbildung zum Maler und Lackierer. Die Abschlussprüfung konnte er nicht durchführen, da er zu dieser Zeit wegen mehrerer Delikte (körperliche Gewalt) eine 30-monatige Gefängnisstrafe in der JVA Rheinbach absaß. Hier arbeitete er in der Wäscherei, sortierte Müll oder lud Lkw ab. Kontakt zu seinen leiblichen Eltern oder Geschwistern hatte er nie. Seine Pflegeeltern seien schwierig gewesen und die Erziehungsmethoden aus dem Mittelalter, es gab viele Schläge. Nach der Zeit im Gefängnis wollte er mit seinem rechtsradikalen Umfeld in Bonn nichts mehr zu tun haben und zog deshalb nach Köln. Dort suchte und bekam er Arbeit als Maler und Lackierer und wurde auch von den unterschiedlichen Arbeitgebern als Geselle eingestellt.

Hinweis: der zweite Anwalt von Frank S., Herr M. aus Krefeld, scheint etwas müde zu sein. Er streckt sich, legt den Kopf weit zurück und schließt einige Zeit die Augen.

Die Vorsitzende Richterin möchte noch etwas zu dem Privatleben von Frank S. hören, insbesondere in welcher Art und Weise er liiert war. Frank S. berichtet, dass er zwischen 1988 und 1993 eine fünfjährige Beziehung hatte. Danach dauerten seine Beziehungen nicht mehr so lange, etwa ein bis zwei Jahre, und immer wieder habe er einige Affären gehabt. Da er ein sehr freiheitsliebender Mensch sei, wurden ihm die Beziehungen oftmals zu eng, so dass er sie gar nicht erst eingehen wollte oder beendete.

Weiterhin möchte die Richterin wissen, warum er eine Gefängnisstraße erhalten hatte. Frank S. begründet dies mit einigen Schlägereien, in der er der Gejagte war und sich immer wieder wehren musste. Er sei  immer sehr politisch interessiert gewesen, habe viel gelesen und sich auch in der rechten Szene aufgehalten. Deshalb habe er sehr viel Ärger mit der Antifa gehabt,  die ihm immer wieder auflauerten. Einer rechten Gruppierung gehörte er nicht an. Er war Mitglied einer Clique, die sich „Berserker“ nannte. Er selbst hat eine sehr große Tätowierung mit diesem Namen auf dem Rücken. Damit war er der einzige in dieser Gruppe. Er hat eine eigene Vorstellung zum rechten Gedankengut. Er hat einen Freiheitsgedanken für alle Menschen auf dieser Welt und bezeichnet sich selbst als „wertkonservativen Rebell“. Er sagt aus, dass er sich nichts vorschreiben lässt, sondern selbst entscheidet, was er macht. Er denke sehr logisch und informiere sich im rechten und linken Lager sowie im Mainstream. Danach entscheide er, was ihn am meisten überzeugt und handelt danach eigenständig und eigenverantwortlich.

Die Vorsitzende Richterin fragt sehr gut und auch viel nach. Der Angeklagte vermutet hinter jeder Frage eine Falle.

Nach der Mittagspause, die von 13:08 Uhr bis 14:15 Uhr  angesetzt war, kann die Verhandlung erst um 14:37 Uhr neu beginnen, da die Verteidiger des Angeklagten unentschuldigt zu spät kommen. Der Verteidiger M. aus Krefeld scheint sehr belustigt darüber zu sein. Beide erhalten eine deutliche Ermahnung des Gerichts. Nur noch etwa die Hälfte der zum Prozessauftakt anwesenden Journalisten kommt nach der Mittagspause zurück in den Saal. Der Angeklagte wird weiter durch die Vorsitzende Richterin befragt. Er selbst erzählt über sich, dass er ein sehr lebensfroher Mensch sei, er habe viel Zeit am PC verbracht und viel gelesen. Er sei gerne alleine und seine letzte feste Freundin habe er zwei Jahre vor der Tat gehabt. Er bilde sich immer eine eigene Meinung und ließe sich nicht vorschreiben, was er zu denken habe. Zu seiner Tatmotivation will er noch ausführlich aussagen. Dieses wolle er selber machen und nicht durch seine Verteidiger, von denen er sagt, dass sie „nix damit zu tun haben wollen“. Er gibt an, dass seine Motivation die verfehlte Politik und der nach eigener Einschätzung millionenfache Rechtsbruch gewesen sei. Hiernach ist zunächst die Befragung des Gerichts beendet.

Die GBA möchte nun noch etwas zu seiner nicht durchgeführten Gesellenprüfung wissen und, warum er sich nicht darum gekümmert habe. Dies beantwortet der Angeklagte damit, dass er sich nicht beschweren wollte und sehr frustriert war. Die Frage nach möglichen Krankheiten führt zu der Antwort, dass er keinerlei Krankheiten habe und gesund sei. Mögliche Fragen der Nebenkläger und des Gutachters werden heute nicht durch die Verteidigung beantwortet.

Um 16:09 Uhr ist der erste Verhandlungstag zu Ende.

Bildquelle: Stefan Bisanz

Anklageerhebung im Fall des Attentats auf Henriette Reker

Die Bundesanwaltschaft hat jetzt gegen den 44-jährigen Attentäter Frank S. Anklage wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung erhoben.

Am Morgen des 17. Oktober 2015 hatte der Beschuldigte auf einem Wochenmarkt in Köln-Braunsfeld versucht, die damalige Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten. Mit der Tötung von Henriette Reker wollte der Angeschuldigte ein Zeichen setzen und ihre Wahl zur Oberbürgermeisterin verhindern. Bei der Tat verletzte er vier weitere Menschen zum Teil schwer.

Der Fall ging bundesweit durch die Medien und erzeugte ebenso im Ausland ein großes Echo. Auch aufgrund der politischen Brisanz der Tat bzw. wegen ihres „spezifischen staatsgefährdenden Charakters“ ging die Ermittlungsarbeit von der Staatsanwaltschaft Köln auf die Bundesanwaltschaft über, die nun auch die Anklage erhoben hat.

Anklageerhebung im Fall des Attentats auf Henriette Reker

In meiner Funktion als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Personenschutz werde ich auch diesem Prozess als Beobachter beiwohnen und darüber hier im Blog berichten, sobald das Verfahren offiziell eröffnet wird. Insbesondere gilt es, die spezielle Tätermotivation, das Vortatverhalten des Täters, Opferauswahl und auch ein mögliches Versäumnis der Staatsschutzbehörden durch Verzicht auf Schutzmaßnahmen zu beleuchten.