Reker-Prozess: Zwölfter Verhandlungstag | Das Urteil: 14 Jahre Haft

Der zwölfte und letzte Verhandlungstag findet am 1. Juli 2016 statt. Beginn ist um 14:00 Uhr. Heute wird ausschließlich das Urteil bekannt gegeben, daher sind fünf TV-Teams, zehn Fotografen und über fünfzig Journalisten bei Gericht.

Am Anfang gibt die Vorsitzende bekannt, dass der Beschuldigte Frank S. zu 14 Jahren Haftstrafe wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wird. Danach erklärt sie außerdem, dass es bei diesem Prozess keinerlei Versuche politischer Einflussnahme gegeben hat. Hintergrund der Erklärung: Der Prozess wurde beim Staatsschutzsenat verhandelt, weil der Täter eine politische Motivation angegeben hat und durch sein Attentat auf eine politische Mandatsträgerin eine politische Willensbeeinflussung herbeiführen wollte. Aufgrund dessen musste eine Gefährdung der Inneren Sicherheit in Betracht gezogen werden.

Wie ich bereits nach dem sechsten Verhandlungstag feststellte, macht diese Tatmotivation deutlich, dass Frank S. dem Täter-Typ „Terrorist“ entspricht.

Die Vorsitzende Richterin schildet nun, die vorgenommene rechtliche Beurteilung habe zum einen ergeben, dass mit der Haupttat von Frank S. ein Mordversuch vorlag. Zum anderen war zu prüfen, ob die Gesamtheit seiner Taten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe führen müsse.

Reker-Prozess: Zwölfter Verhandlungstag | Das Urteil: 14 Jahre Haft

Der Täter und sein Vortat-Verhalten

Danach werden nochmals die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten detailliert geschildert. Es wird auf seine Kindheit, seinen beruflichen Werdegang, seine Zeit bei der Bundeswehr sowie seine Wohnsituation und sein Freizeitverhalten eingegangen. Zum Thema Persönlichkeitsstörung wird erneut festgestellt, dass diese als schwerwiegend einzuschätzen sei. Es liege eine paranoide und narzisstische Störungen vor. Frank S. sei immer angespannt, misstrauisch und rechthaberisch.

Bezüglich des Vortat-Verhaltens und der Tatausführung erklärt die Vorsitzende Richterin, Frank S. habe über die lange Zeit von zwei Jahren vor der Tat im Internet viel über das Thema Flüchtlinge gelesen. Dies habe Frank S. auf die Idee gebracht, auf Henriette Reker, als politische Symbolfigur im Wahlkampf, ein Attentat zu verüben. Der konkrete Entschluss zur Durchführung sei spätestens am Vortag der Tat entstanden. Frank S. habe Henriette Reker töten wollen und hierfür gezielt den 17. Oktober 2015, den Tag vor der Wahl, ausgesucht. Am 16. Oktober habe sich der Täter im Internet nochmals über die Wahlkampftermine der Bürgermeisterkandidatin informiert.

Er habe keinen Fluchtplan gehabt und gewusst, dass er nicht in seine Wohnung zurückkehren würde. Deshalb habe er seinem Vermieter den Zweitschlüssel zur Wohnung auf den Tisch gelegt, die Festplatte seines Computers entsorgt und zur Renovierung der Wohnung einen großen Eimer Farbe bereitgestellt.

Die Tatwaffe war ein sogenanntes Bowie- oder Rambomesser mit einer Gesamtlänge von 46 Zentimetern. Die Messerklinge war 30 Zentimeter lang bei einer Breite von 6 Zentimetern. Er habe getestet, wie er das Messer in einer Lederscheide am rechten Bein befestigen könnte und außerdem das schnelle Ziehen des Messers trainiert.

Am Morgen des 17. Oktober habe er noch drei Bier à 0,5 Liter getrunken, um seine Hemmungen loszuwerden. Er habe einen Overall angezogen und darüber ein schwarzes Kapuzenshirt. Danach habe er sich mit der Bahn zum Tatort begeben, Aachener Straße Nummer 456.

Der Tötungsvorsatz sei alleine durch die Wahl des großen Rambomessers belegt. Er sei auch dadurch deutlich geworden, dass er einen gezielten Stich in den Hals von Henriette Reker ausführte. Dieser Stich durchstach die Luftröhre vorn und hinten und traf mit der Spitze des Messers auf den zweiten Brustwirbelkörper. Der Stich war so heftig, dass an diesem Wirbelkörper kleine Knochenteile abgesprengt wurden.

Es wurden außerdem noch zwei weitere Wahlkampfhelfer mit dem Rambomesser verletzt. In diesen Fällen habe der Senat jedoch keine Tötungsabsicht feststellen können. Zwei andere Wahlkampfhelfer wurden von Frank S. durch sein zweites mitgebrachtes Messer, ein Butterflymesser, ebenfalls schwer verletzt.

Sein Ziel, dass Henriette Reker nicht Oberbürgermeisterin der Stadt Köln wird, hat er durch die Tat nicht erreicht. Teilweise hat Frank S. zum objektiven Tatgeschehen ein Geständnis abgegeben.

Frank S. schüttelt zwischendurch immer wieder mal den Kopf, insbesondere bei dem Vorhalt, das Bowiemesser auch bei anderen Menschen benutzt zu haben, und auch bezüglich seiner Einlassung zur Tötungsabsicht gegenüber der Polizei.

Bewertung der Taten

Eine verminderte Schuldfähigkeit könne Frank S. keinesfalls zuerkannt werden. Er habe zwar eine Persönlichkeitsstörung, diese beeinträchtige jedoch nicht seine Fähigkeit zur Einsicht von Unrecht.

Die Tat werde rechtlich als versuchter Mord gemäß § 211 StGB eingestuft. Sie sei heimtückisch gewesen, aber es lägen keine niedrigen Beweggründe vor, insbesondere deshalb, weil Frank S. nicht aus egoistischen Gründen wie Mordlust oder Habgier gehandelt habe. Betreffend des Opfers Henriette Reker sei das Motiv dadurch entstanden, dass sie die Repräsentantin der Flüchtlingspolitik in Köln war und, weil sie seiner Meinung nach vorgetäuscht hat, parteilos zu sein. Beeinflusst worden seien seine Gedanken durch seine Internetrecherchen und die nicht vorhandenen Sozialkontakte. Einen Rücktritt vom Versuch könne Frank S. ebenfalls nicht nachweisen, insofern habe er rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

Bei den Taten zum Nachteil der anderen Verletzten liege eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 StGB vor. Bei der Strafzumessung bezüglich des versuchten Mordes werde die Gefährlichkeit des Vorgehens (Einsatz des großen Rambomessers), die hohe kriminelle Energie (Planung und Vortat-Verhalten) sowie die Nähe der Vollendung (Lebensgefährlichkeit der Verletzung) in die Bewertung einbezogen.

Daraus ergebe sich folgende kumulierte Haftstrafe: für den versuchten Mord an Henriette Reker zwölf Jahre, für die gefährliche Körperverletzung an der Gruppe von Wahlkampfhelfern fünf Jahre und für die gefährliche Körperverletzung bei der Wahlkampfhelferin B. drei Jahre. Schlussendlich erhält Frank S. die Gesamtstrafe von 14 Jahren Haft.

Hiernach teilt das Gericht noch den Beschluss mit, dass die U-Haft zunächst fortdauert. Der verurteilte Frank S. wird des Weiteren zum Thema Revision belehrt, woraufhin er sofort bekanntgibt, dass er auf jeden Fall in das Revisionsverfahren einsteigen wird, dann jedoch mit einem „richtigen“ Anwalt.

Der letzte Prozesstag wird um 15:26 Uhr geschlossen.

Bildquelle: Thorben Wengert / pixelio.de

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