Kritische Fragen – klare Antworten
Der 38. Verhandlungstag am heutigen Donnerstag, den 4. Dezember 2014, wird von verschiedenen Parteien und der Öffentlichkeit heiß erwartet. Das zeigt sich auch am regen Interesse der Presse und an der hohen Zuschauerzahl. Grund ist die Vernehmung des Leiters der Ermittlungen und der SOKO Imker, Kriminalhauptkommissar (KHK) Falk K. Zunächst wird er durch den Vorsitzenden Richter nach § 55 StPO belehrt.
Das Gericht fordert den Zeugen auf, allgemeine Dinge des Verfahrens zu erläutern. Doch in diesen Aussagen gibt es kaum Unterschiede zu den bereits gehörten Aussagen vorangegangener Zeugen, insbesondere der Behördenvertreter. Daher erwähne ich im Folgenden insbesondere die Unterschiede.
Falk K. war schon in das Verfahren zur Tat gegen Petra P. eingebunden, ebenso in das Tatgeschehen zum Nachteil von Luisa. P. und Thorsten H. Danach ist er ebenso im Fall Stefan T. eingesetzt worden. Hier hat er dann auch eine sogenannte Besondere Aufbauorganisation (BAO) aufgestellt. In dieser waren zeitweise über 60 Beamte von verschiedenen Dienststellen aus Brandenburg eingesetzt, wobei nicht alle Beamten aus dem Fachressort der Mordkommission kamen. Als Leiter der SOKO Imker hatte Falk K. die Aufgabe, die unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten der einzelnen Beamten entsprechend einzusetzen und effektiv zu führen.
Jetzt, vor Gericht, spricht KHK Falk K. frei und kann den Sachverhalt sehr detailliert darstellen. Das Gericht möchte wissen, warum gerade der Beschuldigte Mario K. ins Visier der Ermittlungen rückte und später auch als Beschuldigter geführt wurde. Hierauf berichtet Falk K., dass insbesondere aus der Bevölkerung Hinweise zu Mario K. eingegangen sind und auch Parallelen zu den vorherigen Straftaten des Beschuldigten sehr auffällig waren. Sie hatten insgesamt über 50 Verdächtige, die dann im Laufe der Ermittlungen, zum Beispiel durch ein Alibi, wieder aus dem Fokus rückten. Es gab keinen anderen Verdächtigen, der sein Leben in dieser Komplexität führte, wie das der potentielle Täter getan hat.
In der Gesamtschau musste man seitens der Polizisten feststellen, dass sich sowohl der Täter als auch der Beschuldigte gut mit Kajaks auskennt oder im Zelt in der Wildnis lebte. Auch, dass kein anderer Verdächtiger je solch eine Brutalität in seinem früheren Leben gezeigt hätte, wie es in all den Tatkomplexen geschehen ist.
Ein weiterer Fragenkomplex des Vorsitzenden Richters handelt von der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen von Stefan T., die Falk K. wiederum bestätigt. Er habe bei verschiedenen Vernehmungen deutliche Realkennzeichen klar wahrgenommen, die Antworten von Stefan T. waren nicht einstudiert und variierten im Vokabular. Auch die Zeugenaussagen von dessen Frau Sabine T. und die seines jüngsten Sohnes Ricardo T. hatten eine entsprechende Übereinstimmung mit seiner Aussage.
Der Beschuldigte Mario K. schaut den Zeugen Falk K. nicht ein einziges Mal an. Ab und zu schreibt er auf seinen Block, ansonsten schaut er abgeneigt und leicht vorgebeugt auf den Tisch vor sich.
Weiter möchte der Richter wissen, ob er als Leiter der Ermittlungen kritische Fragen zu den Zeugenaussagen von Stefan T. untersagt hat. Dieses wird durch Falk K. eindeutig verneint; es sind keine Fragen verboten worden. In der täglichen Frühbesprechung wurden niemals ernsthafte und begründete Zweifel vorgebracht. Von diesen Zweifeln und kritischen Stimmen hat er erst im Februar bzw. März 2013 durch den Oberstaatsanwalt S. erfahren.
Zu dem Gutachten und der wegen Befangenheit abgelehnten Sachverständigen G. aus Magdeburg sagt der Zeuge, dass er, nachdem er dieses Gutachten im November 2012 erhalten hat, mit diesem zum zuständigen Staatsanwalt W. gegangen ist. Nach einer entsprechenden Diskussion über den Umgang und die Bewertung dieses Gutachtens wurde entschieden, dass dies nicht zu berücksichtigen ist, und dass die Ermittlungen entsprechend weiterzuführen sind. Am 15. Januar 2013 wurde das Verfahren gegen Mario K. durch die Staatsanwaltschaft dann eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft möchte nun wissen, ob der Zeuge für diesen Prozess eine besondere Aussagegenehmigung erhalten hat. Falk K. gibt an, dass es diese nicht gibt, sondern es sich um einen normalen Vorgang gemäß einer jahrelang bestehenden Dienstanweisung handelt.
Die Frage nach der besonderen Aussagegenehmigung wurde hier im Prozess schon öfter gestellt. Darüber bin ich etwas verwundert, denn wenn ein Gesetzeshüter nochmals belehrt wird, dass er, wenn er gegen seine Dienstanweisungen verstößt, mit entsprechenden Disziplinarmaßnahmen zu rechnen hat, so ist dies für mich eine Selbstverständlichkeit. Daher wird dieses Thema ausschließlich zur Ablenkung und, um Zweifel zu streuen eingesetzt.
Der Zeuge räumt ein, dass es im Tatgeschehen um Stefan T. versäumt wurde, ein rechtsmedizinisches Gutachten zu erwirken. Allerdings ist dies auch keine Standardmaßnahme. Nach den Ermittlungsmaßnahmen gefragt, zählt der Zeuge die einzelnen Maßnahmen auf, wie zum Beispiel Beobachtung, Auswertung der alten Straftaten, Kontakt zur Bewährungshelferin, Durchsuchungen, Vernehmungen, Zeugenbefragung (zum Beispiel der Ärzte) und auch eine monatelange Observation.
Die Observation wiederum war entsprechend aufwändig, weil der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz hatte sondern in fünf bis sechs Lagern lebte, die in unterschiedlichen Wäldern rund um Berlin angelegt waren.
Bei der Zeugenvernehmung des Beschuldigten verneinte dieser den Besitz eines Handys. Das konnte durch entsprechende Überwachung widerlegt werden. Er hatte zu diesem Zeitpunkt ein Samsung-Handy (bereits früher im Prozess haben wir gehört, dass am Tatort der Tat gegen Petra P. ein entsprechendes Samsung-Handy-Trageband gefunden worden war.). Unmittelbar nach der ersten Vernehmung des damals noch als Zeuge auftretenden Mario K. besorgte sich dieser über seine Schwester eine neue Telefonnummer. Das macht normalerweise kein Unschuldiger unmittelbar nach einer polizeilichen Vernehmung. Auch hatte der Beschuldigte Mario K. über seinen Schießsportverein die Möglichkeit, sich Munition zu besorgen. Diese wiederum entspricht der Munition, die bei beiden Tatgeschehen um die Familie P. und um die Familie T. aufgefunden wurde.
Weiterhin will der Staatsanwalt vom Kriminalhauptkommissar wissen, da dieser selbst mehrfach am Tatort und am Ablageort von Stefan T. war, ob er sich bei den Gängen durch den Sumpf verletzt hätte. Dieses wird durch den Zeugen verneint.
Während dieser Frage schütteln die Verteidiger Axel W. und Christian L. den Kopf. Irgendwie sind sie diese Frage leid, da die Fragesteller immer eine Vergleichbarkeit der Rekonstruktionen mit eigentlichen Tatgeschehnissen annehmen. Jedoch: Die Tat selbst fand in der Dunkelheit statt und teilweise mit verbundenen Augen des Opfers, die jeweiligen Rekonstruktionen durch die Ermittlungsbeamten hingegen ohne verbundene Augen und am Tag.
Die Frage, die sich mir mithin stellt, ist, warum auch die Verteidigung ihre Rekonstruktion am helllichten Tag durchgeführt hat. Wenn sie denn hätte beweisen wollen, dass man sich unbedingt verletzen muss, wenn man in der Nacht und mit verbundenen Augen durch diesen Sumpf geht, wäre doch eine Rekonstruktion ihrerseits zu solchen Bedingungen möglich gewesen. Doch dieses unterblieb.
Nach der Staatsanwaltschaft befragt der Nebenklägervertreter den Zeugen. Hier geht es noch mal um den kritischen Kollegen B. vom letzten Prozesstag. Der heutige Zeuge Falk K. sagt nun nochmals eindeutig aus, dass ihm gegenüber niemals begründete Zweifel angemeldet oder mitgeteilt worden sind.
Die Kollegen der Potsdamer Mordkommission hingegen waren der Meinung, dass die Entführung von Stefan T. möglicherweise vorgetäuscht war. Diesen Umstand erklärte Falk K. damit, dass die Kollegen nicht den gesamten Aktenbestand kannten. Der Tipp, die mittlerweile wegen Befangenheit und Inkompetenz abgelehnte Sachverständige G. aus Magdeburg in den Fall einzubeziehen, kam im Übrigen auch von der Potsdamer Mordkommission.
Die nächste Frage an KHK Falk K. zielt darauf, ob es irgendwelche Hinweise oder Indizien gegen die Schuld des Beschuldigten Mario K. gab. Dieses beantwortete Falk K. mit einem klaren Nein. Es hätte auch keinerlei Alibis gegeben. In Bezug auf ein bestimmtes Alibi hat der Beschuldigte sogar gelogen.
Nach dieser Befragung ist die Verteidigung mit mehreren Fragen dran. Axel W. beginnt. Er möchte zuerst wissen, wie die Namen der Sonderkommission entstanden. Der Name zu dem Tatgeschehen um die Familie P. war „Bugatti“, der spätere Name der SOKO war „Imker“. Weiter wird durch die Verteidigung sehr detailliert nach der Durchführung und Aufgabenverteilung der SOKO gefragt. Nicht zu allen Fragen hat der Zeuge eine entsprechende Antwort oder kann sich an den Sachverhalt erinnern.
Doch er teilt mit, den Kollegen Kriminaloberkommissar Wilmar F. aus dem Fall und der Opferbetreuung von Stefan T. abgezogen zu haben, weil dieser seiner Meinung nach nicht mehr die kritische Distanz zur Familie hatte.
Der Zeuge Falk K. beantwortet die Fragen der Verteidigung sehr genau, entsprechend der gestellten Frage. Die Verteidigung hätte natürlich gerne mehr freie Rede, damit sie in den Antworten Hinweise zu weiteren Fragen findet. Diesen Gefallen tut der Zeuge der Verteidigung nicht.
Die Frage, ob es entsprechende Korrekturen von Fragenkatalogen der Vernehmer an die jeweiligen Zeugen gab, beantwortet Falk K. ohne Zögern mit einem Ja. Auch wären Vernehmungsbeamte auf die Idee gekommen, dem Opfer Stefan T. eine vorgetäuschte Straftat vorzuhalten. Dieses hatte Falk K., in Absprache mit dem ermittelnden Staatsanwalt W., den Vernehmern mit der Argumentation untersagt, dass es keinerlei begründete Zweifel an dem Tatgeschehen gab.
Weiter geht es der Verteidigung ein erneutes Mal um das Gutachten der Sachverständigen G. aus Magdeburg. Gefragt wird, wer es wann zu lesen bekommen hatte und in welchem Schrank es lag (ob offener Büroschrank, Safe oder Stahlschrank).
Da dieses Gutachten auf Anweisung des Gerichts nicht in den Prozess eingeführt werden durfte, stellt sich die Frage, warum es immer wieder Bestandteil der Fragen bei Gericht ist. Hätte der Leiter der Ermittlungen, KHK Falk K., dieses Gutachten maßgeblich in seine Ermittlungen eingebaut, hätte er nun nachträglich durch das Gericht die Bescheinigung erhalten, dass dieses Verhalten falsch gewesen wäre. Insofern zeigt die Nichtberücksichtigung dieses Gutachtens nur den kriminalistischen Instinkt, dass dieses Gutachten für die laufenden Ermittlungen nicht geeignet ist. In diesem Punkt waren sich der Leiter der Ermittlungen und der ermittelnde Staatsanwalt W. einig.
Da der Beschuldigte Mario K. am 17. September 2013 erst um circa 15:30 Uhr festgenommen wurde, konnte er an diesem Tag dem zuständigen Gericht in Frankfurt (Oder) aufgrund des allgemeinen Dienstschlusses nicht mehr vorgeführt werden. Der Verteidiger Axel W. unterstellt dem Zeugen Falk K. in diesem Fall Absicht, damit die Polizeibeamten den Festgenommenen unmittelbar nach der Tat noch vernehmen konnten. Denn § 115 der StPO schreibt vor, dass ein Beschuldigter, der aufgrund eines Haftbefehls ergriffen wird, unverzüglich dem zuständigen Gericht vorzuführen ist.
Axel W. mutmaßt, dass es außer seinem Mandanten noch andere Menschen gibt, die irgendwo in den Wäldern Brandenburgs leben, daher kann es kein Indiz gegen seinen Mandanten sein, dass er in einem Zelt in einem Wald lebte. Weiterhin führt Axel W. die Indizienkette auf, die der Zeuge Falk K. der Staatsanwaltschaft zur Beantragung eines Haftbefehls überreicht hatte:
1. Spracherkennung, 2. Briefmarke zu 0,45 € mit dem Motiv „600 Jahre Universität Leipzig“, 3. Alibi vorgetäuscht: Griechenlandaufenthalt während der Tatzeiten, 4. Mobilität, das heißt körperliche Einschränkung, 5. die Waffe aus dem Schützenverein ist derselbe Waffentyp wie die Tatwaffe.
Zu jedem dieser Punkte führt der Verteidiger Axel W. entsprechende Gegenargumente auf.
Die Liste der Indizien wurde hier wohl nicht vollständig vorgetragen, denn bei Durchsicht und im Verlauf des Prozesses kann man deutlich über 20 Indizien feststellen.
Auch interessiert die Verteidigung, inwieweit noch in andere Verdachtsrichtungen ermittelt wurde. Hierauf entgegnet Falk K., dass es zunächst andere, allgemeine Informationen gab, die aber in nichts Konkretem mündeten.
Axel W. kritisiert des Weiteren, dass, obwohl das Wort „Nauen“ als Bezeichnung auf einen Erpresserbrief geschrieben worden ist, dies doch kein Indiz gegen seinen Mandanten sein könne, auch wenn der Stiefvater von Mario K. in Nauen geboren worden war.
Damit endet der heutige Verhandlungstag wesentlich unspektakulärer als angenommen. Im Vorhinein wurde die Vernehmung des Zeugen Falk K. sehr kontrovers diskutiert. Die hervorgerufene Angespanntheit durch die öffentliche Diskussion konnte man dem Zeugen heute anmerken.
Dass sich in einer Sonderkommission mit über 60 Beamten aus vielen unterschiedlichen Fachkommissariaten des Landes Brandenburg auch einige kritische Stimmen (circa 15 Prozent) befinden, ist sicherlich normal und dient auch der Findung von weiteren Ermittlungsansätzen. Dass jedoch aus dem Sachverhalt, wonach Vernehmungsbeamten verboten wurde, dem Opfer Stefan T. die Vortäuschung einer Straftat vorzuhalten, nun der Vorwurf konstruiert wird, in dem Verfahren wäre einseitig ermittelt worden, ist nicht nachvollziehbar.
Zudem wäre es wohl wesentlich schlimmer gewesen, wenn die SOKO das inkompetente und verbotswidrige Gutachten der Sachverständigen G. aus Magdeburg in ihre Ermittlung einbezogen hätte. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Oberstaatsanwalt S. und der ermittelnde Staatsanwalt W. nach Beurteilung der sogenannten kritischen Stimmen keine Veranlassung sahen, die Ermittlungsrichtungen gegen den Beschuldigten Mario K. zu verändern. Auch aus diesen Gründen kann ich den Vorwurf der einseitigen Ermittlung oder der Ermittlungsverbote weder erkennen noch nachvollziehen.
Bildquelle: Stefan Bisanz
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