Gutachter: “Maskenmann” ist gefährlich und potentiell rückfällig

Der heutige Prozesstag beginnt zunächst mit zwei Hinweisen des Vorsitzenden Richters. Zum einen informierte er die Prozessbeteiligten, dass Rainer O. den heutigen Termin der Zeugenvorladung „verschwitzt“ habe und auf einer Auslandsgeschäftsreise sei. Zum anderen teilte der Richter mit, dass die Ergebnisse vom Leiter der Mordkommission, Herrn K., noch ausstehen. Hierbei handelt es sich um die Prüfung einer weiblichen DNA-Spur sowie die polizeiliche Überprüfung eines eventuell Tatbeteiligten.

Stellungnahme der Nebenklägervertretung zum Stimmerkennungsversuch

Anschließend hat Rechtsanwalt Dr. P. das Wort. Er nahm Stellung zu dem durch Verteidiger Christian L. eingebrachten, bedingten Beweisantrag bezüglich des Gutachtens der LKA-Experten zur Stimmenerkennung. In seiner Erwiderung zeigt Dr. P. dezidiert auf, warum das Gutachten sehr wohl als Indizienbeweis zugelassen werden solle.

Gutachter: “Maskenmann” ist gefährlich und potentiell rückfällig

Interessant hierbei ist vor allem, dass Rechtsanwalt Dr. P. den Verteidiger Christian L. sozusagen mit dessen eigenen Waffen schlagen möchte. Speziell geht es um den wissenschaftlich nachgewiesenen Sachverhalt, dass nicht mehr als sechs Monate zwischen einer Opfer-Täter-Kommunikation und dem Versuch liegen dürfen, bei dem das Opfer die Stimme des Täters wiedererkennen und determinieren kann. Wohingegen Christian L. nun bemängelt, dass im Falle des “Maskenmannes” das Opfer Stefan T. den Stimmerkennungsversuch nach sechs Monaten und fünf Tagen gemacht hat, widerlegt dies Dr. P. mit genau den Veröffentlichungen, die die Verteidigung für die Begründung des bedingten Beweisantrages anführte. Es liegt nun beim Gericht, über das Gutachten und die Beweiskraft zu entscheiden.

Wer war’s? Polizisten offenbaren Widersprüche bei Protokollierung

Der nun gehörte erste Zeuge, ein Polizist, kann nichts Erhellendes zur Tat beitragen und wird auch nach 17 Minuten mit Dank entlassen.

Beim nächsten Zeugen bringt die Befragung durchaus neue Erkenntnisse. Gehört wird der Polizist M., der am Tag der Festnahme des Angeklagten im Polizeipräsidium Eberswalde zugegen war.

Der Angeklagte wurde nach seiner Festnahme in Berlin-Köpenick zunächst nach Eberswalde verbracht.

Nach der Vernehmung am Tag der Festnahme war der Beamte beim Beschuldigten Mario K. und sprach mit ihm. Mario K. sagte, dass die Beweislage sehr dünn sei. Darüber hinaus habe der Beschuldigte sich mit dem Beamten über das Zelten unterhalten. Er mache dies am liebsten an abgelegenen Plätzen, weil er gerne an der frischen Luft sei, wo ihn niemand stört. So hätte Mario K. an die 50 Plätze gefunden, an denen er gerne campiert. Weiterhin gab der mutmaßliche Täter in dem Gespräch an, dass ihm seine derzeitige Freundin sehr wichtig sei.

Auf Nachfrage der Nebenklagevertreter gibt der Polizist im Zeugenstand an, dass der Angeklagte Mario K. besonders heftig reagierte, als der Beamte ihm sagte, dass auch die Wohnung seiner Ex-Freundin durchsucht würde. Der Vertreter der Nebenklage, Dr. P., fragt explizit, ob der Angeklagte sich nur über die dünne Beweislage beschwerte, oder ob er in dem Gespräch auch geäußert habe, er sei es nicht gewesen. Letzteres verneint der Zeuge sehr deutlich.

Anschließend sind nun die Verteidiger an der Reihe. Zunächst äußern sie ihre Verwunderung über den Ablauf am Tag der Festnahme. Denn, wie könne es sein, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme in Berlin nach Eberswalde verbracht wurde, obschon ein Haftbefehl vom Amtsgericht  Frankfurt (Oder) vorgelegen hatte. Hierzu kann der Zeuge keinerlei Angaben machen. Die Verteidigung hält dem Zeugen ein durch ihn unterzeichnetes Protokoll der Beschuldigtenvernehmung vor. Selbst jetzt besteht der Zeuge darauf, dass er diese Vernehmung nicht geführt hat, muss allerdings nach der durch den Richter angeordneten Inaugenscheinnahme einräumen, dass das Protokoll seine Unterschrift trägt. In diesem Protokoll steht eindeutig die Aussage des Angeklagten, dass er mit den ihm vorgeworfenen Taten nichts zu tun habe. Das steht im Widerspruch zu den gegenüber der Nebenklage gemachten Aussagen des Zeugen. Der Zeuge räumt ein, dass die Vernehmung durch den Polizeibeamten R. geführt wurde; dieser hätte ihn dann wohl gebeten, das Protokoll zu schreiben.

Zwei Dinge fallen hier auf. Erstens ist mir völlig unklar, wie ein erfahrener Beamter ein Protokoll erstellen kann, ohne dies von dem eigentlich vernehmenden Beamten abzeichnen zu lassen. Und zweitens stelle ich erneut fest, dass die Beamten nicht auf ihre Aussagen in dem Verfahren vorbereitet sind. Es ist unabdingbar, die Inhalte der Akten zu kennen, um hier eine korrekte Einlassung abgeben zu können.

Im Anschluss wird ein weiterer Zeuge rund um das Thema Kajak gehört. Allerdings gibt es hier keine weiteren Erkenntnisse, so dass der Richter die Beteiligten vorerst in die Mittagspause schickt.

Gutachten zeigt: Der Angeklagte Mario K. birgt hohes Rückfallrisiko

Danach wird der psychologische Sachverständige Dr. H. gehört. Dr. H. hatte von der Staatsanwaltschaft den Auftrag, die Schuldfähigkeit des Angeklagten festzustellen und die Notwendigkeit der Sicherheitsverwahrung gemäß § 66 StGB. Wohlgemerkt geht es in diesem Gutachten nicht darum, ob der Angeklagte die Taten begangen hat.

Schon zu Beginn der Vorstellung seines Gutachtens stellt Dr. H. fest, dass sich dieses lediglich auf die Aktenlage und die Hauptverhandlung bezieht, da der Angeklagte nicht bereit war, mit ihm zu sprechen. Darüber hinaus legte Dr. H. dem Gutachten zugrunde, dass der Angeklagte die ihm hier vorgeworfenen Taten tatsächlich begangen hat. Im Ergebnis des Gutachtens konstatiert der Gutachter, dass der Angeklagte trotz einer dissozialen Persönlichkeitsstörung voll schuldfähig sei. Auch die anschließende Sicherheitsverwahrung nach § 66 StGB befürwortete der Gutachter aufgrund des aus psychologischer Sicht hohen Rückfallrisikos. Der Angeklagte gehört demnach in die Hochrisikogruppe. Dr. H. begründet seine Einschätzung mit der schwankenden Motivation des Angeklagten, Normen einzuhalten, der fehlenden Einsicht nach langen Haftstrafen und der Bereitschaft zu einem rücksichtslosen Verhalten zur Erreichung seiner Ziele. Auch hier betont Dr. H., dass seine Erkenntnisse auf der Grundlage des Nachweises der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten gewonnen wurden.

Auf Nachfragen der Nebenklagevertreter hebt der Sachverständige hervor, dass die hier verhandelten Taten sehr wahrscheinlich von einem Täter mit dissozialer Verhaltensstörung begangen wurden. Hierfür sprächen das hohe Maß der Eigensicherung, die Inkaufnahme der Beschädigung der Gesundheit der Opfer durch das Führen und den Einsatz der Schusswaffe und die umfassende Planungssicherheit.

Auf weitere Fragen der Nebenklage reagiert der Sachverständige sehr deutlich. Die Nebenklage will wissen, ob der Täter weitere Entführungstaten geplant habe. Der Sachverständige gab an, er sei kein Profiler und könne somit keine seriöse Stellung zu der Frage beziehen.

Es folgt der Auftritt der Verteidigung, die zwei bis drei Fragen avisiert – es werden 23.

Neben verschiedenen Einzelheiten scheint mir vor allem bemerkenswert, dass der Verteidiger bei einem Wort ein Störgefühl aufzeigte. Der Sachverständige hatte in seinem Gutachten beschrieben, dass der Angeklagte bei einer seiner Taten “skrupellos” die Schusswaffe einsetzte. Verteidiger W. hält jedoch dagegen, dass es sich ja um Notwehr gehandelt hätte und der Angeklagte in den Boden geschossen habe. Allerdings stellte das Gericht bereits früher fest, dass es sich eben nicht um eine Notwehrsituation handelte.

Sei es drum; die Tatsache, dass der Angeklagte hier widerrechtlich eine scharfe Waffe mit sich führte, scheint der Verteidigung entgangen zu sein. Das Führen einer Schusswaffe und auch das Schießen in den Boden gefährdet immer Menschenleben.

Am Ende dieses Fragenkomplexes wird deutlich, dass aufgrund der fehlenden Kooperation des Angeklagten, die ihm rechtlich gewährt wird, die Erstellung des Gutachtens schwierig gewesen sein muss.

Bildquelle: Paul Georg Meister / pixelio.de

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