Eine Sachverständige unter Beschuss
Am Anfang der heutigen Verhandlung, am 25. Prozesstag bekommen alle Verfahrensbeteiligte zunächst sieben DVDs der Telefonüberwachung (TKÜ = Telefonkommunikationsüberwachung).
Aus für die Sachverständige Dr. Bettina G.
Danach stellt der Staatsanwalt gemäß Strafprozessordnung den Antrag auf Ablehnung der Sachverständigen Dr. Bettina G. wegen Befangenheit. Er führt ihre inkompetente, nicht-neutrale Einschätzung im Glaubwürdigkeitsgutachten zum Opfer Stefan T. an.
Der schriftliche Antrag der Staatsanwaltschaft wird kopiert und an alle Verfahrensbeteiligten – auch an Dr. Bettina G., die draußen auf den Wartestühlen Platz genommen hat – ausgeteilt. Nach einer kurzen Pause wird sie hineingebeten und kann zu diesem Antrag Stellung nehmen. Als sie den Saal betritt, wird sie vonseiten der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägervertreter teilweise mitleidig angeschaut. Die Verteidigung hingegen sucht keinen Augenkontakt.
Sie nimmt dahingehend Stellung, dass sie den Auftrag hatte, zum Sachverhalt der möglichen Entführung von Stefan T. neue Ermittlungsansätze zu erörtern. Es sei auch kein Gutachten gewesen, sondern eine Einschätzung.
Hiernach zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Nach einer Pause gibt das Gericht bekannt, dass dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattgegeben wird. Insbesondere sei ihr Gutachten ehrverletzend gewesen und überschreitet deutlich ihre Fachkompetenz. Zusätzlich hat sie keine Kenntnis im Bereich der Körpersprache und maßt sich weitere Kompetenz im medizinischen Bereich an. Ihre Erkenntnisse hätten jedoch keine fundierten wissenschaftlichen Hintergründe gehabt. Auch ihre Quellen (Internet & die TV-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“) seien nicht standesgemäß. Sie sei voreingenommen und nicht neutral gegenüber dem Opfer Stefan T. gewesen.
Kopfschütteln und Stirnrunzeln
Es folgt eine zehnminütige Pause. Danach wird die Sachverständige Dr. Bettina G. – nun als Zeugin – vernommen, die in Magdeburg als Kriminologin und Soziologin angestellt ist. Jetzt ist es im Interesse aller Parteien, herauszufinden, wie sie zu diesem Auftrag kam, wie genau er gelautet hat und wie sie ihn erfüllt hat. Des Weiteren wird gefragt, mit wem sie dazu telefoniert hat. Auf all diese Fragen antwortet die Zeugin entsprechend.
Insbesondere geht es um einen Kontakt zum Sachverständigen K. vom LKA Eberswalde, der sie zu ihrer Einschätzung / ihrem Gutachten telefonisch befragt hat. Hierzu teilt sie mit, dass er ihr gesagt habe, ihre Einschätzung könne eine Gefährdung der Verurteilung bedeuten.
Viele ihrer Antworten erzeugen Kopfschütteln und Stirnrunzeln seitens der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger. Teilweise sind ihre Aussagen sehr schwankend und das Erinnerungsvermögen lückenhaft.
Der nächste Zeuge ist der nämliche Sachverständige, Jan-Gerrit K., Psychologe und Fallanalytiker beim LKA Eberswalde. Er hatte den Auftrag, ein zweites Gutachten anlässlich des ersten Gutachtens der Dr. Bettina G. zu erstellen. Da dieses erste Gutachten nun nicht mehr bei Gericht eingeführt wird, ist auch die Einschätzung des Zeugen K. für diesen Teil nicht mehr notwendig.
Daher wird er fortan nicht mehr als Sachverständiger, sondern vielmehr als Zeuge vernommen. Für alle Parteien ist es wichtig zu erfahren, wie er zu seinem Auftrag kam und wie er das Gutachten erstellt hat. Dies wird souverän durch den Zeugen beantwortet. Nun geht es im Weiteren darum, in welcher Art und Weise er mit der vorherigen Zeugin Dr. Bettina G. gesprochen hat. K. bestätigt, dass er Frau G. in einem Anruf auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen hat, die für sie persönlich, aber auch für die Arbeit der Polizei und des Gerichts aus ihrer vorliegenden Einschätzung erwachsen können.
K. selbst akzeptiert ihr Gutachten nicht als solches, da ein Glaubwürdigkeitsgutachten gemäß Gerichtsurteil nur durch einen gelernten Psychologen erstellt werden darf. Da Frau Dr. Bettina G. keine Psychologin ist, ist dieses Gutachten als nichtig anzusehen. Der Zeuge K. hat die Zeugin Dr. Bettina G. beim Bundesverband für Psychologen angezeigt mit der Begründung, dass er ihre vorgelegten Arbeiten unter ethischen Gesichtspunkten nicht gutheißen kann.
Bildquelle: Rainer Sturm / pixelio.de
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