Ein Täter im Profil
Als erster Zeuge am heutigen 24. Prozesstag wird Prof. Dr. Heubrock von der Universität in Bremen gehört, der dort beim Institut für Rechtspsychologie tätig ist. Der Leiter der SOKO Imker, Polizeihauptkommissar K. hatte ihn mit der Persönlichkeitseinschätzung bzgl. einer tatverdächtigen Person beauftragt. Zudem sollte eine Vernehmungstaktik ausgearbeitet werden. Es wurde eine Täteranalyse sowie ein Coaching der für die Vernehmung in Frage kommenden Polizisten durchgeführt.
ie Tatgeschehen in der Analyse
Prof. Dr. Heubrock hat bei seinen Analysen einige Besonderheiten festgestellt: Bei den Angriffen auf Petra P. und Louisa P. ist der Täter sehr zügig, entschlossen und gewalttätig vorgegangen. Bei allen drei Tatgeschehen kam es jeweils zu einem unerwarteten Tatabbruch. Auch die Schussabgabe im Fall Louisa P. war nicht unbeabsichtigt, sondern ein reiner Kontrollgewinn, ebenso beim Tatgeschehen um Stefan T. Zudem unterstellt Prof. Dr. Heubrock neben einer Bereicherungsabsicht, die eher als Zweitmotiv zu sehen ist, auch die Abarbeitung eines bestimmten Traumas beim Täter.
Zusätzlich zum Kontrollgewinn durch die Schussabgabe im Tatgeschehen um Stefan T., sind während der Entführung des Opfers eindeutig Elemente der Demütigung festzustellen. Dazu zählen insbesondere das Hinterherziehen des Opfers im See, das Fesseln und Einwickeln in Folie, das Schreiben der Briefe und das Trinken des Seewassers. Weiterhin ist bei allen drei Taten des mutmaßlichen „Maskenmannes“ eine lange Vorbereitungszeit des Täters festzustellen.
Bei allen Tatkomplexen wurden hochpotente Tatmittel mit erheblicher Bedrohung eingesetzt. Zugleich ist bei aller Gewalttätigkeit bei den Überfällen und der Entführung auch eine mangelnde Durchführung zu ersehen.
Bezüglich der Auswahl der Opfer gab es bei allen einen erkennbaren Wohlstand und eine regionale Nähe zu den Tatorten.
Auch, dass das Opfer Stefan T. die Briefe zu seiner Lösegeldforderung selber schreiben musste, zeigt, dass nicht nur das Materielle eine Rolle spielt. Es gibt hier auch einen ideologischen Hintergrund, der den Täter zu diesem Verhalten veranlasst. In der Regel sind die Briefe bei Lösegeldforderungen schon sehr exakt vorbereitet.
Der Täter im Profil
Auch zum Täterprofil gibt es einige stichwortartige Bemerkungen von Prof. Dr. Heubrock:
- hohes Dominanzstreben
- die Vorläuferdelikte hatten ebenfalls eine Affinität zu Waffen
- die Verletzbarkeit des Eigentums und der Körperlichkeit von Menschen spielten bei seinen früheren Taten absolut keine Rolle
- das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn beruhte auf Hass
Hass ist eine der stärksten Emotionen, die wir empfinden können. Der Täter hatte ein ständiges und tiefes Misstrauen gegen staatliche Institutionen, war ein Querulant und Eigenbrötler. Sein Antwortverhalten ist vorsichtig und abwägend gewesen. Der Täter hält sich für einen besonderen Menschen. Es gibt keine Selbstreflektion, er hat nur Anforderungen an andere Menschen.
Darüber hinaus ist er etwas zwanghaft veranlagt. Das zeigt sich bei seiner präzisen und paranoiden, überpünktlichen Art. Er ist narzisstisch und entwickelte durch ein Mangelerleben von Liebe und Vertrauen Allmachtsfantasien. Diese Besonderheit des eigenen Erlebens hat er durch seine Taten in andere Familien getragen, nach dem Motto: „Was ich nicht hatte, sollen auch andere nicht haben.“
Weiterhin entwickelte Prof. Dr. Heubrock Vernehmungsstrategien, die dazu führen sollten, dass Polizeibeamte nach der Festnahme überhaupt eine tragbare Kommunikation mit dem Täter führen konnten.
Die genannten Einschätzungsmerkmale hat der Zeuge Prof. Dr. Heubrock vor Festnahme des Täters getätigt, zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte noch Tatverdächtiger. Es gibt allerdings eine große Deckungsgleichheit zwischen dem, was Prof. Dr. Heubrock vor der Festnahme des Beschuldigten Mario K. herausgefunden hat, und dem jetzt tatsächlich Erlebten.
Insbesondere die Einschätzung, der Täter würde gerne hören, dass er ein besonderer Mensch ist und die Taten genial geplant und durchgeführt wurden, stimmen mit der Aussage des ersten Vernehmungspolizisten, unmittelbar nach der Festnahme des Beschuldigten Mario K., zu 100 Prozent überein.
Auch die Verteidigung, der Rechtsanwalt Axel W., hat noch einige Fragen an den Zeugen. Da die Aussage sehr fundiert und kompetent vorgetragen wurde, beschränkt sich der Verteidiger jedoch auf die Fragen zur Qualifikation von Prof. Dr. Heubrock. Des Weiteren interessiert ihn die formelle Aufbereitung des Gutachtens. Seine Versuche, die gleichen Fragen in anderer Formulierung zu stellen, beeindrucken Prof. Dr. Heubrock nicht.
Als Resümee kann man feststellen, dass der Täter sein Familientrauma durch die Zerstörung der Opferfamilien inszeniert hat.
Des Täters letzte Freundin im Verhör
Gegen Mittag kommt die Zeugin Susan-Antje H. in den Zeugenstand. Sie war vor der Festnahme die Freundin des mutmaßlichen Täters.
Jetzt sieht man den Beschuldigten Mario K. das erste Mal lächeln.
Sie wird begleitet durch ihren Ehemann Andreas K. Dieser kann der Verhandlung inhaltlich nicht immer folgen, wird während der Vernehmung zweimal durch den Richter belehrt und verlässt später auch den Zuhörerraum.
Susan-Antje H. erzählt von der Kennenlernphase mit dem Beschuldigten: Man hat sich zufällig auf dem Fahrrad kennengelernt und am nächsten Tag ein Bier getrunken. Danach ist man gemeinsam ausgegangen. Nachdem sie zwei Wochenenden zusammen verbracht haben, folgte der Entschluss, dass Mario K. doch bei ihr einziehen könnte. Da sie noch ein Zimmer frei hatte, in dem vorher ihr Ehemann gewohnt hat, war dies möglich. Der Zeitraum der Gemeinsamkeit erstreckte sich nur auf die sechs Wochen vor der Festnahme.
Der Vorsitzende Richter wollte auch etwas über die Wesenszüge des Beschuldigten oder etwaige Gesprächsinhalte wissen. Darauf konnte Susan-Antje H. allerdings nicht antworten und meinte, man habe mehr Körperkontakt gehabt, als dass man Gespräche geführt hätte. Auf sie wirkte er sensibel und weichherzig, aber auch misstrauisch und geizig. Er hat seine Wut durch cholerische Anfälle ausgedrückt. Das Schlimmste für ihn war seine frühere Beinoperation und der damit verbundene körperliche Schmerz.
Die Durchsuchung ihrer Wohnung durch die Polizei nach der erfolgten Festnahme des Beschuldigten war für sie ein traumatisches Erlebnis. Er hätte ihr zwar erzählt, dass er ein Verbrecher sei, aber über die begangenen Taten habe er nicht gesprochen.
Die Nebenklägervertreter möchten anschließend von der Zeugin wissen, in welcher Art und Weise sie vor ihrer Vernehmung bei Gericht Kontakt zu den Verteidigeranwälten hatte. Ist in einem Termin mit der Verteidigung über die Protokolle ihrer Vernehmung und ihr Verhalten bei Gericht gesprochen worden? Sie berichtet daraufhin, dass die Verteidiger ihr ihre Aussage bei der Polizei in Teilen vorgelesen hätten. Zu einigen Punkten sei sie gefragt worden, wie sie das genau gemeint habe. Sie gibt dann bekannt, dass Mario K. der Mann ist, den sie liebt und dem sie inzwischen auch vertraut, obwohl er sie in der sechswöchigen Beziehung eigentlich täglich belogen hat.
Der Rechtsanwalt des Beschuldigten, Axel W., konstatiert in seiner Befragung der Zeugin, dass es der Wunsch der Zeugin war, einen Termin in seiner Kanzlei durchzuführen. Ursprüngliches Thema war eine mögliche Wohnraumabhörung. Erst danach ging es um die mögliche Vernehmungssituation bei Gericht.
Bildquelle: twinlili / pixelio
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