Siebter Verhandlungstag

Dieser Verhandlungstag am 18. Juli 2016 beginnt um 9:42 Uhr, nachdem wieder alle bekannten Parteien eingetroffen sind. Auch die Medien sind erneut vertreten, diesmal mit einem Kamerateam, vier Fotografen und circa 20 Journalisten. Des Weiteren sind über 30 Zuschauer im Saal.

Allerdings beginnt die Verhandlung heute später, da es zu Überschneidungen mit einem anderen Prozess und Terminverschiebungen gekommen ist. Hinzu kam die Krankmeldung einer Zeugin, sodass der erste Zeuge, Kriminalhauptkommissar M., schließlich gegen 11:30 Uhr gehört werden kann.

Die bis dahin verfügbare Zeit wird durch das Gericht zunächst dafür verwendet, mitzuteilen, dass sich der Stiefbruder des Täters Markus B. bei der Polizei gemeldet hat. Er habe von Markus B. ständig SMS aus der JVA erhalten. Die Polizei hat daraufhin sofort veranlasst, eine Durchsuchung der Zelle durchzuführen, wobei das entsprechende Handy gefunden wurde. Zudem hat der Stiefbruder mitgeteilt, dass es eine Silke B. gebe, die zu den Zuständen der Familie Markus B. aussagen könne. Er selbst könne über die Familie jedoch nur berichten, dass diese untereinander zerstritten sei. Der Stiefbruder wird in den kommenden Verhandlungstagen als Zeuge gehört werden.

Darüber hinaus, so das Gericht, werde auch eine Sandra K. als Zeugin in den Gerichtssaal kommen, denn sie habe am 14. August 2015 per E-Mail oder SMS mit dem Angeklagten Markus B. in Kontakt gestanden, dies jedoch zu diesem Zeitpunkt zum letzten Mal.

Als der Angeklagte Markus B. seinen Aktenordner hochhebt, kann man seine Hände sehen. An beiden Händen sind die Fingerkuppen mit Heftpflastern umklebt.

Antrag auf Erweiterung der Anklage gegen Norbert K.

Bevor das Gericht nun in die Pause bis zum nächsten Zeugen gehen kann, stellt der Nebenkläger-Anwalt von Uwe und Ramona R. noch einen Antrag und fordert, dem Angeklagten Norbert K. einen rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO zu erteilen. Diese soll sich auf die Erweiterung der Anklage beziehen, da Norbert K. auch des Mordes durch Unterlassen angeklagt werden kann. Das habe die bisherige Beweisaufnahme ergeben. Norbert K. habe die Mordtat mit angesehen sei nicht eingeschritten, sondern habe die Scheune verlassen. Seine Aussage habe Inhalte von Täterwissen gezeigt. Dieses habe Norbert K. nur durch mindestens teilweise Teilnahme erlangen können.

Nun wird in Anwesenheit der Familie R. die Tötungshandlung erneut detailliert beschrieben. Der Verteidiger von Norbert K. ist nicht begeistert und verzieht sorgenvoll sein Gesicht, er verschränkt die Arme, die Augen schärfen sich und die Lippen werden schmal. Tiefe Sorgenfurchen durchziehen seine Stirn. Der Angeklagte Norbert K. hingegen schüttelt hin und wieder den Kopf. Es gibt die starke Befürchtung, dass der Verteidiger von Norbert K. auf diesen Antrag ebenfalls mit einem Antrag reagieren wird. Das wäre das bisher bekannte typische Reaktionsverhalten.

Der Nebenkläger-Anwalt führt weiter aus, dass der Angeklagte Norbert K. versucht habe, seine Tatbeteiligung zu verdecken und Spuren zu vermeiden. Des Weiteren habe er Markus B. den entscheidenden Hinweis gegeben, dass das Opfer ihn möglicherweise identifizieren könne, da Markus B. bei der Tatausführung seine Maske vergessen hatte. Diese Umstände sprechen deutlich für eine hohe kriminelle Energie von Norbert K.

3-D-Präsentation des Tat- und Auffindeorts

Zwischenzeitlich ist es 11:36 Uhr und an der Zeit, Kriminalhauptkommissar Peter M. (57) vom LKA Sachsen als Zeugen zu hören. Er hatte am 17. August 2015 Bereitschaftsdienst und wurde um 17:21 Uhr angerufen. Er begab sich zum Auffindeort der Leiche; vor Ort waren weitere Kollegen der Polizeidirektion Dresden. Man hat den Fundort mit einem Laserscanner aufgenommen, sodass dem Gericht und den Parteien nun eine 3-D-Simulation von Tatort und Auffindeort gezeigt werden kann.

Die Eltern verlassen den Saal, die Schwester bleibt trotz Ansprache durch die Vorsitzende Richterin im Raum. Man merkt ihr an, wie sie zu kämpfen hat. Der Angeklagte Markus B. betrachtet die Bilder sehr interessiert. Der Angeklagte Norbert K. schaut inhaltslos geradeaus, sieht sich die Bilder nicht einmal flüchtig an.

Der Fundort befand sich auf einem Dreiseitenhof zwischen Stall und Scheune. Beide Gebäude sind mit einer kurzen Mauer verbunden, hinter der die Leiche von Anneli R., außerhalb des Dreiseitenhofs, vergraben wurde.

Zu all dem wird nun unter anderem auch ein Bild der Leiche gezeigt – ein Moment, der auch für die Zuschauer nur schwer zu ertragen ist. Detailliertere Bilder werden jedoch am Richtertisch in Augenschein genommen und somit der Öffentlichkeit vorenthalten. Es sind nur noch die mündlichen Erklärungen des Zeugen zu den einzelnen Bildern zu hören. Norbert K. verharrt in seiner Körperhaltung. Marcus B. bespricht sich angeregt mit seinen Anwälten und schaut sich die Bilder auf dem Laptop seines Anwalts an.

Auf den Bildern, die in der Scheune erstellt worden sind, sieht man einen grünen Kunststoffstuhl auf dem Anneli R. gefesselt worden war, des Weiteren sind Kabelbinder, Spanngurte und graues Klebeband zu sehen. Im Außenbereich befinden sich sowohl eine Feuerstelle als auch eine Metalltonne (Ölfass). Hier wie da finden sich Brandrückstände, unter anderem von Kabelbindern und einem BH-Bügel. Um 12:55 Uhr wird der Zeuge entlassen.

Nach der Mittagspause wird eine weitere Zeugin, die Kriminalhauptkommissarin Katrin S. von der Polizeidirektion Dresden, gehört. Sie war in dem Fall von Anfang an dabei und im Führungsstab tätig. Unter anderem wurde sie bei der Leichenbergung eingesetzt. Ihre Zeugenaussage beinhaltet den gesamten Verlauf des Auffindens, der Freilegung, der Bergung und des Abtransports der Leiche von Anneli R. durch ein Bestattungsunternehmen. Man merkt der Beamtin an, dass ihr das Sprechen sehr schwer fällt. Sie teilt mit, dass die Leiche durch einen aufmerksamen Polizeibeamten der Bereitschaftspolizei bei der Gesamtdurchsuchung des Dreiseitenhofs und der weiteren Umgebung gefunden worden sei. Den genauen Fundort hatte der Angeklagte Norbert K. allerdings parallel in seiner Aussage mitgeteilt.

Gegenantrag von Norbert K.

Nach der Kriminalhauptkommissarin kommt das Unausweichliche und Erwartete: Der Verteidiger von Norbert K. meldet sich bei Gericht zur Abgabe eines Antrages. Auch verlangt er, seinem Mandanten einen rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO zu erteilen, nachdem ihm ausschließlich mitgeteilt wird, dass er nur zur Beihilfe eines erpresserischen Menschenraubes angeklagt werden könne. Eine Beteiligung von Norbert K. an der Entführung und Ermordung von Anneli R. sei nicht gegeben. Er habe ausschließlich und nachweisbar nur am Transport von Anneli R. vom Entführungsort bis zum Verwahrort mitgewirkt. Alles andere sei das Werk von Markus B. gewesen. Norbert K. habe weder töten noch entführen wollen. Ebenso habe er kein Lösegeld gewollt.

Dieser Antrag war vorherzusehen. Natürlich ist dem Anwalt von Norbert K. nicht entgangen, wie hoch der Anteil von Norbert K. an der Tatbeteiligung ist. Das lässt er in seinem Antrag natürlich außen vor. Ein nachvollziehbares Verhalten, denn seine Aufgabe ist es, seinen Mandanten bestmöglich zu vertreten. Daher kann er eine Nebelbombe nach der anderen werfen. Sein Hauptinteresse wird sein, beim Gericht Zweifel an der Schuld seines Mandanten zu säen.

Nach dem Antrag endet der Verhandlungstag um 14:23 Uhr.

Bildquelle: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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