Neunter Verhandlungstag | Erklärung der Täteranwälte

Am heutigen neunten Verhandlungstag, dem 8. August 2016, sind 15 Zuschauer anwesend sowie ein TV-Team, zwei Fotografen und zehn Journalisten.

Die Überschrift des Tages verdient nur einen Titel: „Menschenverachtende Erklärung der Täter Anwälte!“

Zuerst gibt der Rechtsanwalt Rolf F. aus Dresden eine Verteidigererklärung für seinen Mandanten Markus B. ab. Er bezieht sich auf das Gutachten des Rechtsmediziners des letzten Verhandlungstages zum Obduktionsbericht der entführten und getöteten Anneli R.

Da der Rechtsmediziner den genauen Todeszeitpunkt nicht auf die genaue Stunde und Minute festlegen konnte und auch die Todesursache (Tod durch Ersticken) nicht zu 100 Prozent feststellen konnte, hinterfragt der Anwalt die Allein-Täterschaft oder überhaupt die Täterschaft seines Mandanten Markus B. Dahingegen stellt er zur Ermordung der Annelie R. er die These auf, dass auch der Mitangeklagte Norbert K. der alleinige Täter sein könnte.

Danach gibt auch der Verteidiger vom Mittäter Norbert K., Rechtsanwalt Andrej K. aus Dresden, eine Erklärung ab. Darin bezieht auch er sich auf die Gutachtenerstattung des Rechtsmediziners zur Todesursache der Anneli R. Erst spricht er über Erstickung oder Erdrosselung als Todesursache aus und erklärt noch einmal den Vorgang der Komprimierung des Halses von Anneli R. Ihr Hals hatte bei normalem Zustand einen Umfang von 31 Zentimetern. Durch das Anlegen von Kabelbindern und das gewalttätige Zuziehen derselben wurde der Hals auf brutalste Weise auf einen Umfang von 26 cm komprimiert. Letztlich stellt der Verteidiger die Täterschaft seines Mandanten Norbert K. in Abrede.

Auch diese Erklärungen der Verteidiger sind äußerst grenzwertig und menschenverachtend einzustufen. Die Eltern und die Schwester der getöteten Anneli sitzen mit im Saal und müssen sich diese ungeheuren Erklärungen mit anhören. Dabei haben diese nur einen einzigen Sinn: Sie sollen bei Gericht Zweifel streuen. Ich empfinde sie als äußerst unanständig und unmoralisch und es hat meiner Meinung nach auch nichts mit einer korrekten Mandantenverteidigung zu tun.

Des Weiteren ist bemerkenswert, dass der Anwalt von Markus B. in seiner Erklärung einen anderen, den als Mittäter angeklagten Norbert K., der Tat beschuldigt. Dies ist ihm nur erlaubt, wenn er durch seinen Mandanten nicht erfahren hat, wer der wirklich Schuldige ist. Denn wenn ein Verteidiger weiß, wer der Schuldige ist, darf er keinen anderen beschuldigen. Dass Verteidiger Rolf F. von seinem Mandanten nicht erfahren haben soll, wer der tatsächliche Mörder ist, kann ich, nach allem was ich in den bisherigen Verhandlungstagen gesehen und erlebt habe, nicht glauben.

Zudem muss man berücksichtigen, dass Mittäter Norbert K. zum Tatgeschehen des Mordes bereits eine Aussage getätigt hat und diese lässt nur die Täterschaft in Person des Angeklagten Markus B. zu. Markus B. hatte zudem jederzeit die Möglichkeit, sich zum Tatgeschehen zu äußern, was er jedoch nicht getan hat. Das ist zwar sicherlich sein Recht. Doch wäre er unschuldig, hätte er dies jederzeit tun können – und sollte es auch!

Nach den Verteidigererklärungen werden heute noch weitere Zeugen gehört. Unter anderem ein Handelsvertreter, der mit dem Angeklagten Markus B. zwei Bauprojekte realisieren wollte. Des Weiteren eine Maklerin, die für Markus B. einen Hauskauf realisiert hat, sowie ein Landschaftsgärtner, der zu diesem Haus die Außenanlagen gestaltet hat. Außerdem wird ein Handwerker befragt, der in dieses Haus eine Küche eingebaut hat. Ebenso wird ein Hausverkäufer als Zeuge vernommen, der dem Angeklagten Markus B. ein Haus im Wert von 350.000 Euro verkauft hat. Die genannten Zeugen beklagen eine Gesamtschadenssumme von über 530.000 Euro. Sie alle haben dem Angeklagten vorbehaltlos vertraut, da Markus B. ihnen schön klingende Geschichten, jedoch vermutlich auch gefälschte Dokumente aufgetischt hat. Insbesondere beeindruckte Markus B. wohl hinsichtlich seiner beruflichen Herkunft als Caterer, da er mit einer Jacke des Formel 1-Teams von Red Bull aufgetreten ist: Da diese im freien Handel nicht zu kaufen ist, schien er wohl Beziehungen zur Formel 1 zu haben, so die ungeprüften Vermutungen der Zeugen.

Hier fühlt man sich an die Geschichte des Soldaten Schweijk erinnert.

Auch ein Freund der Familie von Markus B., Mike W., ein Techniker aus Klipphausen, wurde als Zeuge vernommen. Durch den gemeinsamen Schulbesuch der Söhne der beiden Familien baute sich eine engere Bindung zum Angeklagten Markus B. auf. Man grillte zusammen, besuchte das Freibad gemeinsam und traf sich beim Fußball.

Die Spanngurte, mit denen Anneli R. getötet worden ist, kamen von Mike W. Von all den Umständen und Taten zum Nachteil der Familie R. habe der Zeuge angeblich nichts gewusst. Auch folgende Bemerkung von Markus B., die dieser beim Vorbeifahren am abgesicherten Haus eines reichen Unternehmers aus Grumbach äußerte, kam Mike W. nicht verdächtig vor: „Man müsste den mal entführen.“

Die Staatsanwältin konfrontiert Mike W. nach der Befragung damit, dass er doch näheren Kontakt zu Markus B. und damit Kenntnis seiner Lebenssituation gehabt haben müsse. Dazu weißt der Zeuge jedoch erhebliche Erinnerungslücken auf. Im Nachhinein habe er die große Befürchtung gehabt, dass er irgendwie mit in diese Tat hineingezogen werden könnte.

Nun stellt der Verteidiger von Norbert K. den Antrag, die Zeugenaussage des Polizeidirektors Detlef L., der als verantwortlicher Polizeiführer in den Nachtschichten vom 13. bis zum 16. August 2015 eingesetzt war, inhaltlich überprüfen zu lassen. Der Zeuge, so der Anwalt, habe sich mit anderen Zeugen vor ihm ausgetauscht und auf diese Weise informiert. Insbesondere zweifelt der Verteidiger immer noch die rechtmäßige Festnahme seines Mandanten an, da nicht nachweisbar sei, dass tatsächlich „Gefahr im Verzug“ war. Dies insbesondere deshalb, weil ein dringender Tatverdacht gegen Norbert K. seiner Meinung nach nicht vorlag.

Die Art und die Dauer der Nachfragen von Andrej K., dem Anwalt von Norbert K., nerven den Zeugen offenbar. Das wird deutlich, weil dessen Antworten vehementer und lauter ausfallen. An dieser Stelle wäre ein professionelleres Verhalten des Zeugen, der immerhin Polizeidirektor ist, angezeigt.

Als letzter Zeuge des heutigen Verhandlungstages erscheint der Erste Polizeihauptkommissar (EPHK) Jens N. von der Bereitschaftspolizei des Landes Sachsen. Er ist Einheitsführer einer taktischen Einheit und hatte den Auftrag, den Dreiseitenhof des Hauptangeklagten Markus B. zu durchsuchen. Zwischen der Durchsuchung im Inneren und auf dem Außengelände begab er sich in den Außenbereich, um dort für seine Mannschaft einzelne Suchbereiche einzuteilen. Hier fiel ihm ein frischer Erdhaufen an einer Mauer zwischen zwei Seiten des Hofes auf. Er schob circa zehn Zentimeter Erdreich weg und entdeckte dort die Leiche von Anneli.

Mit dieser Aussage endet der heutige Verhandlungstag um 15:01 Uhr. Die Verhandlung wird am 18. August 2016 fortgesetzt.

Bildquelle: Michael Grabscheit / pixelio.de

Comments are Disabled