Polizeibeamte im Verhör

Heute sind neun Polizeibeamte zur Vernehmung bei Gericht geladen. Tatsächlich können aus Zeitgründen nur vier vernommen werden. Ich möchte kurz erläutern wie es zu diesen Umständen kam. Beispielhaft benenne ich den ersten Zeugen, einen Polizeibeamten aus Potsdam.

Nur um den Lesern mal einen Eindruck dieser Vernehmung mitzugeben, will ich im Folgenden ein paar Fakten nennen: Die Befragung dieses Zeugen beginnt um 9:44 Uhr und endet um 12:08 Uhr, genau 2 Stunden und 24 Minuten. Das Gericht fragt naturgemäß als erstes und benötigt dafür 38 Minuten. Danach sind Staatsanwaltschaft, Nebenkläger und der psychologische Gutachter an der Reihe. Diese Gruppe benötigt 19 Minuten. Die restliche Zeit von 1 Stunde und 27 Minuten wird durch die Verteidiger Axel W. und Christian L. genutzt. In dieser Zeit werden durch die Verteidiger des Beschuldigten 279 Fragen an den Zeugen gestellt.

Polizeibeamte im Verhör

Erstkontakt zum mutmaßlichen „Maskenmann“

Inhaltlich kommen wir nun zu dem besagten ersten Zeugen der Polizei, Maik R. aus Potsdam. Er hatte an einem Sichtungstraining teilgenommen, durchgeführt durch Prof. Dr. Heubrock aus Bremen. Dieser hatte zehn Beamte in Vernehmungstechnik und -taktik gecoacht. Das Coaching fand mehrere Monate vor der eigentlichen Festnahme des mutmaßlichen „Maskenmannes“ statt und hatte den Sinn, unter diesen zehn die besten drei Vernehmungsbeamten herauszufinden. Maik. R. war einer von diesen und hatte am Tag der Festnahme des Beschuldigten, am 17. September 2013, die Aufgabe, der erste Vernehmungsbeamte zu sein.

Er traf fünf Minuten nach der Festnahme durch ein SEK in Berlin-Köpenick auf Mario K. Anschließend fuhr er mit dem Festgenommenen von Berlin nach Eberswalde, wo die weiteren Verfahrensschritte durchgeführt werden sollten. Auf dieser Fahrt, so war sein Auftrag, sollte er eine gute Gesprächsatmosphäre und einen Zugang zu Mario K. finden. Maik R. belehrte ihn ordnungsgemäß und las ihm den Haftbefehl vor. Mario K. war sehr daran interessiert, was ihm denn konkret vorgeworfen werde.

Der Polizist erläuterte ihm, dass es nicht einen einzelnen Punkt gibt, sondern dass ihn das Gesamtbild zum Hauptverdächtigen gemacht hat. Mario K. gab daraufhin an, dass er mit den Tatvorwürfen nichts zu tun hätte. Auf die jeweiligen Vorwürfe reagierte er unterschiedlich. Als Maik R. ihm mitteilte, dass sowohl eine DNA-Spur auf einer Decke am Ablageort des Opfers Stefan T. gefunden wurde, und diese Decke von einem Gelände stammt, welches sich 600 Meter von seinem letzten Wohnort befindet, beunruhigte dies Mario K, sehr. Mario K. war in diesem Gespräch auf der Fahrt zur Polizeistation Eberswalde sehr konzentriert und versuchte, die Vorhaltungen dahingehend auszutarieren, inwieweit sie ihm zum Nachteil gereichen könnten.

Die Nebenklägervertreter fragen den Zeugen, ob er denn glaubt, dass Mario K. der Täter sei. Diese Frage beantwortet er sehr eindeutig und gibt bekannt, dass Mario K. in seiner Aussage bezüglich des Zeltens gelogen hat. Er ist davon überzeugt, dass Mario K. der Schuldige ist.

In Bezug auf das Zelten war es nämlich so, dass Mario K. mehrere Monate vor seiner Festnahme in unterschiedlichen Lagern um Berlin herum gezeltet hatte. Bei seiner Vernehmung gab er aber an, dass es sich nur um ein paar Tage gehandelt habe. Zu dieser Lüge muss es auch ein Motiv geben.

All dies trägt der Zeuge außerordentlich korrekt, ruhig und sachlich vor. Danach sind die Verteidiger des Beschuldigten an der Reihe.

Unter ihren vielen Fragen geht es auch darum, ob denn der festgenommene Mario K. im Auto auch angeschnallt war. Und warum man ihm die Hände auf dem Rücken gefesselt hat und nicht im Schoß. Viele Fragen werden doppelt und dreifach gestellt, das merkt auch der Zeuge – und wiederholt dennoch seine Antworten. Dabei wird er des Öfteren unterbrochen, so dass er den Anwalt auffordert, ihn doch bitte ausreden zu lassen. Ansonsten zielen die meisten Fragen auf das Gespräch im Fahrzeug. Der Verteidiger Christian L. interessiert sich insbesondere für den Werdegang des Polizisten und in welchem Umfang er Vernehmungstrainings absolviert hat.

Als der Zeuge über die genaue Situation der Belehrung und des Vorlesens des Haftbefehls aussagt, reagiert der Beschuldigte, indem er sich zum Zeugen wendet und einen aggressiven Gesichtsausdruck annimmt. Er spricht lautlos einen langen Satz in Richtung des Zeugen. Dieses wird weder durch das Gericht, noch durch seine beiden Anwälte wahrgenommen.

Natürlich hat die Aussage dieses Zeugen aus Sicht des Beschuldigten einen negativen Effekt.

Im Anschluss wird ein weiterer Polizeibeamter befragt. Er war der Fahrer des Fahrzeuges, mit dem Mario K. vom Festnahmeort in Berlin-Köpenick zur Polizeistation nach Eberswalde verbracht wurde. Ihm war aufgefallen, dass der Festgenommene sehr entspannt war, ruhig und besonnen. Das hat ihn sehr gewundert, weil Mario K. fünf Minuten vorher immerhin durch ein SEK überwältigt worden war.

Mario K.: „So lange klebt ihr mir schon am Arsch, …“

Nachdem Mario K. unter anderem eröffnet wurde, dass er schon etliche Monate durch die Polizei observiert worden war, antwortete er: „So lange klebt ihr mir schon am Arsch, das habe ich gar nicht mitbekommen.“ Bei den weiteren vorgetragenen Vorwürfen sagt Mario K. einmal: „Nicht ich, sondern der Täter hat das getan.“ Diese Aussage sollte sicherlich nochmals seine Unschuld bekräftigen.

Die Verteidiger von Mario K. interessieren sich nun für den Umstand der Einsatzvorbereitung und der Verbringung, insbesondere ob die Fahrroute vorgegeben war oder das Navigationsgerät im Fahrzeug entsprechend genutzt wurde.

Weitere Befragung der Polizeibeamten

Im weiteren Verlauf des Nachmittages wird noch eine Polizeibeamtin aus Frankfurt (Oder) vernommen. Sie war in diesem Fall an mehreren Teileinsätzen der Sonderkommission Imker beteiligt. Unter anderem hat sie am Tag nach der Entführung von Stefan T. den Sohn Ricardo T. vernommen. Dieser machte dabei erst einen gefassten Eindruck, weinte zwischendurch aber auch bitterlich. In diesem Zusammenhang fragt der Vorsitzende Richter, ob sie glaube, dass Ricardo T. geschauspielert hat. Dies beantwortet die Zeugin mit einem klaren Nein; da sie auch Mutter sei, wäre ihr das aufgefallen. Sie schildert, dass Ricardo T. große Angst um seinen entführten Vater hatte.

Des Weiteren war sie bei der Hausdurchsuchung der Schwester von Mario K. im Einsatz. Der Nebenklägervertreter Dr. Jakob D. befragt die Zeugin bezüglich einer möglichen spontanen Äußerung zu Beginn der Durchsuchung. Da die Schwester ein umfangreiches Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch genommen hat, aber spontane Äußerungen trotzdem durchaus erlaubt sind, gibt es ein kleines Wortgefecht zwischen den Parteien Verteidigung und Nebenklägervertreter.

Schlussendlich erlaubt ein Gerichtsbeschluss die Antwort nicht, sodass die Äußerung der Schwester nun nicht im Prozess und zur Wahrheitsfindung verwendet werden kann.

Bei der Rekonstruktion des Fluchtweges von Stefan T. war die Polizeibeamtin als Einsatzleiterin vor Ort. Einer der ihr unterstellten Beamten hat das Opfer Stefan T. gespielt und ist den möglichen Weg wie das Opfer vom Ablageort zum Knüppeldamm gegangen. Hierzu möchte das Gericht wissen, ob dieser Beamte sich Verletzungen oder Schrammen zugezogen hat. Dieses wird eindeutig durch die Zeugin verneint.

Der Verteidigung geht es im Folgenden auch um einen Hinweis während der Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“. Hier hat ein Schichtleiter der Firma Pont Security aus Darmstadt per Telefon mitgeteilt, dass er vor circa drei Jahren eine Rundmail in der Firma gelesen hat, in der stand, dass in Berlin zehn Pistolen der Marke Ceska mit passender Munition gefunden worden seien. Darüber hinaus geht es um eine am 31. Oktober 2011 auf dem Handy eingegangene SMS von Christian P. Diese Nachricht wurde von dem allseits bekannten VIP-Bodyguard Ahmad Mohammed an Christian P. gesendet. Er teilt ihm darin mit, dass er seine Leute informiert habe, sie möchten sich umschauen, und bei eingehenden Informationen, werde er Christian P. darüber in Kenntnis setzen. Ein Kontakt zwischen Ahmad Mohammed und der Familie P. besteht dadurch, dass er Mieter im Europacenter ist.

Mit diesen Fragen und Informationen endet der Prozesstag am Nachmittag.

Bildquelle: Stefan Bisanz

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