Lübcke-Prozess: 11. Verhandlungstag

13.08.2020, Beginn 10:08 Uhr

Heute wird die Befragung des Angeklagten Stephan Ernst durch die Generalbundesanwaltschaft fortgesetzt. Wer heute fragt oder fragen darf, wird sich noch zeigen.

Anmerkung: Die Klimaanlage im Gerichtssaal funktioniert nicht; es ist stickig und heiß.

Der 5. Strafsenat beginnt mit einem Beschluss. Der Ablehnungsantrag vom 05.08.2020 von Dr. Clemens (Verteidiger von Markus H.) gegen den Vorsitzenden Richter Thomas Sagebiel wird abgelehnt. Dr. Clemens hatte angemahnt, dass Ausschnitte der Video-Vernehmung von Stephan Ernst öffentlich gemacht werden sollten.

Danach wird nochmals der Sohn, Jan-Henrik Lübcke, als Zeuge gehört. Er soll sich zur Beleuchtungssituation am Haus in der Tatnacht äußern. Hierzu werden Bilder des Hauses gezeigt. Zwischendurch wird Stephan Ernst gefragt, ob er Links- oder Rechtshänder ist. Stephan Ernst ist Rechtshänder. Die Laufwege der Täter am Haus werden besprochen, da die genommenen Wege gemäß der Aussage von Stephan Ernst. durch einen Lichtkegel und über eine kleine Mauer verliefen. Der Generalbundesanwalt möchte wissen warum nicht andere Laufwege genommen worden sind. Stephan Ernst begründet es damit, dass Markus H. es so geplant hatte, damit er aus seiner Position gucken konnte „ob die Luft rein ist“. Über das Tragen von Handschuhen haben beide nicht gesprochen. Es wundert den Oberstaatsanwalt Dieter Killmer sehr, warum auf Handschuhe verzichtet wurde. Ein Teil des Planes war ja, Dr. Lübcke zu schlagen. Dabei wären wahrscheinlich DNA-Spuren zurückgeblieben.

Seine These, dass sie nicht maskiert waren, ist, das von Anfang an klar war, dass Stephan Ernst Dr. Lübcke erschießen würde. Es wird ein Foto der Terrassensituation mit einer grün eingezeichneten menschlichen Figur, stellvertretend für Dr. Lübcke, in seinem Stuhl sitzend, gezeigt. Stephan Ernst sagt aus, dass er Dr. Lübcke in den Stuhl gedrückt hat, da dieser sich erheben wollte. Danach ist er 2-3 Schritte (circa 1,5 m) rückwärts gegangen und hat geschossen. Gemäß einer zweiten Zeichnung, in der der Schütze als rote menschliche Figur (stellvertretend für Stephan Ernst) eingezeichnet ist, hätte er, um diese Schussposition erreichen zu können, um einen Tisch und einen weiteren Stuhl gehen müssen. Stephan Ernst gibt an, dass er sich an Tisch und Stuhl nicht erinnern könne.

Anmerkung: Diese Schussposition, die sicher noch durch einen Gutachter näher erläutert wird, ist ein wichtiges Indiz. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Stephan Ernst rückwärts um Stuhl und Tisch gegangen ist, zumal er ausgesagt hat, dass er sich nicht umgedreht hat. Also spricht nach dieser Erkenntnis alles für die Annahme, dass Stephan Ernst Einzeltäter war und sich im Dunkeln an Dr. Lübcke herangeschlichen und ohne vorherige Kommunikation geschossen hat. Ein gezielter Kopfschuss. Die DNA-Spuren an der rechten Schulter von Dr. Lübcke sind durch die linke Hand von Stephan Ernst entstanden, als dieser nach dem Schuss Dr. Lübcke berührt hat, um zu prüfen, ob er auch wirklich tot ist. Trotzdem bleibt die Frage, insbesondere bei dieser Annahme des Tatgeschehens, wieso Stephan Ernst den Mitangeklagten Markus H. in die Tat mit hineinzieht.

Hiernach gibt es eine Pause, nach der Oberstaatsanwalt Dieter Killmer die Befragung fortsetzt. Er möchte von Stephan Ernst wissen, warum zwischen dem Entschluss zur Tat und der Ausführung so lange gewartet wurde. Der Aufhänger für die Tat war die Rede von Dr. Lübcke 2015 bei einer Bürgerversammlung zum Thema Flüchtlingspolitik in Lohfelden. Die Tat selbst war 2019. Stephan Ernst sagt aus, dass keine konkrete Planung vorlag, die unverzüglich hätte umgesetzt werden sollen. Das Thema, gegen Dr. Lübcke vorzugehen, kam immer wieder über aktuelle politische Themen auf und so schaukelte man sich hoch. Weiter möchte der Oberstaatsanwalt Dieter Killmer einige Angaben zur Wärmebildkamera wissen. Die hatte Stephan Ernst gekauft, um sein Grundstück zu schützen, da vom Grundstück Wanderschuhe und ein Akku-Bohrschrauber gestohlen worden waren. Der Oberstaatsanwalt hält es für unlogisch, dass man eine Wärmebildkamera für 528€ kauft, wenn der Wert der gestohlenen Gegenstände lediglich 150€ beträgt. Dies würde nicht im Verhältnis stehen.

Anmerkung: Das nennt sich Prävention! Hier schließt der Oberstaatsanwalt von sich auf andere.

Auf der Wärmebildkamera wurde ein Foto gefunden, welches am 01.06.2019 um 01:05 Uhr gemacht worden ist. Also ca. 22 Stunden vor der Tat.

Anmerkung: Die Systemzeit auf der Wärmebildkamera war falsch, daher musste ein Sachverständiger die Zeit zurückrechnen. Ich hatte auf diesen Umstand bereits in einem vorherigen Blogeintrag hingewiesen.

Anmerkung: Markus H. schreibt wieder sehr konzentriert seitenweise mit.

Es folgt eine Pause von 12:35 Uhr bis 14:00 Uhr.

Anmerkung: Nach der Pause steht Familie Lübke hinter ihren Stühlen und wartet auf das Gericht. Sie wirken wie eine geschlossene, schweigende Wand. Ich empfinde großen Respekt für die Familie. Immer wieder treten Sie dem Täter oder den Tätern gegenüber.

Oberstaatsanwalt Kilmer hatte nach der Pause noch eine Frage zu durchgeführten Schießübungen mit Markus H. in Tschechien. Danach hat er alle seine Fragen gestellt.

Ab 14:20 Uhr beginnt die Verteidigung von Markus Hartmann zu fragen. Hierzu hatte der Verteidiger von Stephan Ernst, Mustafa Kaplan, schon mehrmals betont, dass sie Fragen der Verteidigung von Makus H. nicht beantworten. Die Verteidigerin Nicole Schneiders besteht auf ihr Recht, Fragen stellen zu dürfen. Das führt sie auch durch, aber nach neun unbeantworteten Fragen gibt sie dann doch auf.

Anmerkung: Mustafa Kaplan stellt nochmals klar, dass Stephan Ernst keine Fragen der beiden Verteidiger von Markus H beantworten wird. Stephan Ernst selbst zeigt während der Befragung keinerlei Regung und stiert vor sich hin.

Auch Dr. Clemens möchte seine Fragen stellen. Er gibt nicht auf und stellt alle seine 25 Fragen. Diese werden ebenfalls nicht beantwortet.

Ende der Verhandlung 15:15 Uhr

Bildquelle: Frank Röth / F.A.Z./ Pool; Bericht: Stefan Bisanz

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