Die Opfer erheben ihre Stimme und wehren sich

Der heutige Tag ist geprägt durch die Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägervertreter zum Beweisantrag der Verteidigung vom 29. Verhandlungstag.

Nächster Akt in der Schmierenkomödie

Nachdem die Verteidigung an jenem Verhandlungstag eine fragwürdige Rekonstruktion von einem Teil des Tathergangs zum Nachteil von Stefan T. per DVD vorgeführt hat – und damit wieder einmal Zweifel an dem Straftatenkomplex gegenüber Stefan T. geäußert hat – stellte die Verteidigung in diesem Zusammenhang ein Beweisantrag dahingehend, dass das Gericht einen Ortstermin durchführen soll, in dem der gesamte Tathergang rekonstruiert wird. Diese Vorführung wurde von den Nebenklägervertretern als Schmierenkomödie dargestellt und daher fielen ihre heutigen Stellungnahmen auch entsprechend aus.

Ich fasse im Folgenden die Antworten der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägervertreter, Dr. Jakob D., Dr. Panos P. und Anwältin Evelyn R., zusammen, damit ich mich mehr auf die Antwort der Familie P. konzentrieren kann.

Die Opfer erheben ihre Stimme und wehren sich

Allgemeine Ablehnung des Beweisantrages

Zunächst: Alle oben aufgeführten Personen haben den Beweisantrag eindeutig abgelehnt. Es wurde darauf hingewiesen, dass sowohl andere Beweise und Zeugenaussagen, als auch die Rekonstruktion der Polizei bewiesen haben, dass die Tat so grundsätzlich durchführbar war. Eine exakte Rekonstruktion ist heute auch nicht mehr möglich, da weder das damalige exakte Gewicht des Täters bekannt ist, noch beispielsweise die Auswirkungen des ausgeschütteten Adrenalins beim Opfer Stefan T. nachvollziehbar sind.

Zudem hat der Beweisantrag von Verteidiger Axel W. nicht einmal die geringsten formellen Ansprüche erfüllt. So ist zum Beispiel keine konkrete Beweistatsache genannt worden, sondern nur eine pauschale Behauptung über einen vermuteten Ablauf.

Die Familie des Opfers wehrt sich

Besonders bemerkenswert ist am heutigen Verhandlungstag, dass die Familie P. über ihren Verteidiger Dr. Jakob D. eine Erklärung zu dem Beweisantrag abgibt.

Während der Vorführung der DVD konnte ich schon bemerken, dass Petra P. und Louisa .P die Rekonstruktion nur missbilligend wahrgenommen haben.

In ihrer Stellungnahme beklagt Familie P., dass die Verteidigung immer wieder Zweifel an den Aussagen und Schilderungen des Opfers Stefan T. äußert und diese auch pressewirksam verbreitet. Insbesondere stütze die Verteidigung ihre Zweifel auf die Fallanalyse der mittlerweile wegen Befangenheit und Inkompetenz abgelehnten Sachverständigen G. aus Magdeburg.

Diese Sachverständige hatte verbotenerweise (sie hat nicht die gesetzlich vorgeschriebene Qualifizierung dazu) ein Glaubwürdigkeitsgutachten über Stefan T. erstellt. Darin bezweifelte sie die Aussage von Stefan T. Inzwischen ist sie für die Erstellung dieses „Gutachtens“ von einem professionellen Kollegen des LKA Brandenburg angezeigt worden.

Zu behaupten, dass Stefan T. seine Entführung nur vorgetäuscht hat, findet Familie P. perfide und geschmacklos, insbesondere wenn man diesen Denkansatz bis zum Ende verfolgt: Denn die Kriminaltechnische Untersuchung (KTU) betreffend der Munition bei der Tat gegen Louisa P. und Thorsten H. sowie gegen Stefan T. hat ergeben, dass jeweils dieselbe Waffe verwendet wurde. Das lässt natürlich den Schluss zu, dass auch derselbe Täter gehandelt haben muss, was wiederum impliziert, dass Stefan T. in die Tat an Louisa P. und Thorsten H. verwickelt sein könnte.

Familie P. glaubt nicht, dass die Verteidigung diese Behauptung ernsthaft verfolgen will. Das stete Wiederholen der Zweifel führt stattdessen nur dazu, dass alle Opfer bei diesem Prozess erneut viktimisiert („zum Opfer gemacht“) werden. Auch die Begründung der Verteidigung, alles für ihren Mandanten tun zu müssen, bedeutet keine Rechtfertigung für die erhebliche Effekthascherei der letzten Wochen.

Letztlich hat es die Verteidigung leider nie geschafft, ihre Behauptungen, das Verbrechen sei vorgetäuscht worden und die Behörden hätten nur einseitig ermittelt, mit einer stichhaltigen Begründung oder gar mit einem Beweis zu belegen.

Das zeigt insbesondere auch die am 29. Verhandlungstag eingebrachte DVD mit einer Teiltat-Rekonstruktion, die wiederum unter falschen Rahmenbedingungen stattfand.

Es ist gut zu sehen, dass Familie P. die Stärke aufbringt, sich gegen diesen Höhepunkt der Unerträglichkeit zu wehren. Es wäre wünschenswert, wenn die Verteidigung die nötige und angemessene Empathie gegenüber allen Geschädigten aufbringen könnte.

Die Ernüchterung folgt prompt

Auf die Antwort von Verteidiger Axel W. zu den diversen Stellungnahmen muss nicht lange gewartet werden. Er empfindet diese als polemisch und zweifelt auch an, dass bei Benutzung der jeweils selben Tatwaffe auch der jeweils selbe Täter das Verbrechen begangen haben muss. Er möchte wiederum seinerseits am nächsten Verhandlungstag eine Stellungnahme zu den gehörten Stellungnahmen abgeben.

Damit wird mein Wunsch nach Empathie auf Seiten der Verteidigung wohl nicht erfüllt. Vielleicht gelingt es der Verteidigung, bei ihrer Stellungnahme einige einfühlsame Worte an die Opfer zu richten. Eine umfangreichere und bessere Art der Opferbehandlung habe ich schon mehrmals in meinem Blog beschrieben und bereits am sechsten Verhandlungstag angesprochen.

Einsatz des Selbstleseverfahrens

Des Weiteren hatte das Gericht einen Ordner mit Observationsberichten des Beschuldigten Mario K. zum Selbstleseverfahren an die Parteien verteilt und so in den Prozess eingebracht.

Das Selbstleseverfahren ist gesetzlich in § 249 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Hierbei werden Schriftstücke zur Beweiserhebung nicht wie üblich durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführt, sondern die Parteien erhalten durch die Übergabe der Schriftstücke Kenntnis darüber.

Axel W. erhebt Einspruch gegen das Selbstleseverfahren. Nach kurzer Beratung des Gerichts gibt der Vorsitzende Richter Dr. F. bekannt, dass das Selbstleseverfahren gemäß § 249 StPO dennoch angeordnet wird. Danach liest der Richter alle Vorgänge vor, die in diesem Verfahren enthalten sind.

Damit ist der heutige Verhandlungstag beendet, und ich bin gespannt auf die Stellungnahme der Verteidigung zu den Stellungnahmen der Nebenkläger wie oben beschrieben.

Bildquelle: Michael Grabscheit / pixelio.de

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