„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

„Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil Sie in der Provinz rumgeballert haben und Sie Sheriff spielen wollten.”

Alle Parteien betreten pünktlich den Verhandlungssaal. Es sind circa zehn Zuschauer anwesend.

Der Angeklagte Uwe K., der gemeinsam mit seinem Anwalt kommt, macht einen sehr angespannten Eindruck. Er wird begleitet durch zwei ältere Herren, die ebenfalls aus dem Sicherheitsbereich kommen und früher im behördlichen Bereich einer Bundespolizei tätig waren.

Nach der Begrüßung durch den Richter möchte dieser die Beweisaufnahme mit dem Vorlesen eines Gutachtens abschließen. Dieses Gutachten setzt sich mit der Schussverletzung des Opfers auseinander. Es erklärt medizinisch, an welcher Stelle das Opfer verletzt worden ist.

„Bodyguard schießt“-Prozess: Urteilsverkündung

Bevor der erste Zeuge in den Gerichtssaal eintritt, möchte der Rechtsanwalt des Angeklagten mitteilen, dass sein Mandant Uwe K. einen Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt. Hierzu ist er bereit, 10.000 Euro unmittelbar an das Opfer Mirnes A. zu bezahlen. Der Nebenkläger des Opfers teilt mit, dass das Opfer hieran kein Interesse hat, da sich der Angeklagte nicht wirklich reuevoll verhält und er annimmt, dass er sich mit dieser Zahlung lediglich aus der Verantwortung kaufen möchte.

Hiernach kommt Kriminalkommissar Michael W. von der Polizei Augsburg in den Zeugenstand. Er war damit beauftragt, Spuren an der Waffe zu sichern. Er teilt mit, dass er die Waffe, eine Clock 19, am Tatort entgegengenommen und festgestellt hat, dass eine Patrone (9 x 19 Millimeter) verschossen worden ist und sich zudem eine weitere im Lauf sowie zwölf weitere im Magazin befunden haben.

Das Magazin hätte 15 Patronen aufnehmen können. Warum Uwe K. sein Magazin nicht voll munitioniert hatte, bleibt unklar.

Hiernach ist die Beweisaufnahme abgeschlossen und die Parteien halten nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung ihre Plädoyers. Die Staatsanwältin beginnt.

Plädoyers der Staatsanwaltschaft

Sie führt aus, dass der Angeklagte mit seinem Schutzauftrag am 26. Juni 2016 begonnen hat. Hintergrund waren Schüsse auf die Haustür seiner Schutzperson sowie ein körperlicher Angriff auf diese, die die Auftragserteilung aus Sicht des Auftraggebers notwendig gemacht haben. Es habe ein sogenanntes „abstraktes Bedrohungsszenario“ vorgelegen.

Am Tattag selbst habe Uwe K.s Schutzperson Erwin S. sehr provozierend auf dessen Gesprächspartner eingewirkt, so dass dieser ihn mit der flachen Hand eine Ohrfeige auf die linke Wange versetzt habe. Weiter sei nichts geschehen. Es habe weder einen weiteren gegenwärtigen Angriff auf die Schutzperson oder den Angeklagten selbst gegeben, sondern nur Gedränge und Geschiebe innerhalb der Gruppe. In dieser Situation habe der Angeklagte seine Waffe gezogen und auf das spätere Opfer geschossen. Die Verletzung hätte Lebensgefährlich sein können, das Opfer hat seitdem aber erhebliche psychische Folgen zu erleiden. Ein Geständnis des Täters liegt vor.

Die Zeugin Sandra W. hat ausgesagt, dass der Täter nur eineinhalb Meter Abstand zum Opfer hatte. Das Opfer hatte Todesangst. Aus diesem Sachverhalt ist laut Staatsanwältin klar festzustellen, dass sich der Angeklagte gemäß Paragraf 224 Abs. 1 StGB der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Es habe keine Notwehrsituation vorgelegen, da kein gegenwärtiger Angriff geschehen sei. Es steht nun ein Strafmaß von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zur Disposition. Ebenso läge kein minderschwerer Fall vor, somit ist eine Strafrahmenverschiebung nicht relevant. Auch eine mögliche Strafrahmenverschiebung gemäß Paragraf 46 a StGB Täter-Opfer-Ausgleich trifft in diesem Fall nicht zu, da zwischen Täter und Opfer keine Kommunikation zustande kam. Strafmildernd kann man anführen, dass der Angeklagte keinerlei Vorstrafen und er ein Geständnis abgegeben hat. Strafverschärfend wirken die Tatfolgen, insbesondere die psychischen Leiden des Opfers und der unberechtigte Waffeneinsatz.

Die Staatsanwältin fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und auf drei Jahre Bewährungszeit angesetzt. Zusätzlich fordert sie 10.000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer. Bewährung fordern Sie deshalb, da zu dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose abgegeben werden kann. Des Weiteren wertet sie das abstrakte Bedrohungsszenario als besonderen Umstand. Sie fasst zusammen, dass der Personenschützer Uwe K. den Anforderungen seines Berufes nicht gerecht worden sei.

Plädoyer des Opferanwalts

Der Nebenkläger des Schussopfers stellt in seinem Plädoyer klar, dass eine Strafe über zwei Jahre der Tat und der Schuld angemessen wäre. Immerhin lag hier ein Schusswaffengebrauch in der Öffentlichkeit vor und das ohne eine Notwehrlage. Der Angeklagte ist ausgebildeter Personenschützer und hätte die Situation besser einschätzen müssen. Weiterhin führt er an, dass es seit zehn Monaten keine Entschuldigung gegenüber seinem Mandanten gegeben hat. Erst als der Angeklagte während des Prozesses gemerkt hat, dass die Notfallsituation zu kippen drohte, gab es eine Entschuldigung.

Plädoyer des Verteidigers

Der Verteidiger geht in seinem Plädoyer zuerst auf die Persönlichkeit seines Mandanten ein. Er stellt außerdem fest, dass Uwe K. einen Irrtum begangen hat. Des Weiteren beschreibt er die Situation kurz vor der Schussabgabe.

Seine Schutzperson Erwin S. habe demnach viele Feinde. Er sei an diesem Abend angespannt und gegenüber seinen Gesprächspartnern sehr provozierend gewesen.

Die Personen, darunter das Opfer, die sich am Tatabend mit Erwin S. in der Auseinandersetzung befanden, sähen aus wie Inkasso-Eintreiber, so der Verteidiger. Sie wirkten sehr bedrohlich: Das Opfer selbst ist knapp zwei Meter groß und wiegt weit über 100 Kilo, auch sein ebenfalls anwesender Bekannter, Dominik K., ist 1,94 Meter groß und wiegt 135 Kilo. Beide haben eine starke Statur.

Uwe K. selbst war fokussiert auf Erwin S., wollte ihn schützen. Das spätere Opfer Mirnes A. wiederum habe verhindern wollen, dass Uwe K. Adis A. nach dessen Ohrfeige für Erwin S. zur Hilfe kommen kann.

Es sei richtig, so der Verteidiger, dass die Einsicht von Uwe K., dass es keine Notwehrlage gewesen sei, erst während der Hauptverhandlung geäußert wurde. Doch das Gericht möge bitte berücksichtigen, dass er nur Sekundenbruchteile für seine Entscheidung gehabt hatte. Er arbeite seit 20 Jahren als Bodyguard, ohne dass jemals eine Schussabgabe im Einsatz notwendig geworden sei. Außerdem sei richtig, dass Uwe K. sich einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht hat. Sein Mandant zeige aber Reue und Einsicht.

Der Verteidiger hält ein Strafmaß im unteren Bereich, also ein Jahr auf Bewährung, für angemessen. Eine Ausgleichssumme von 5000 Euro, zahlbar in drei Monaten, hält er ebenfalls für angebracht. Insbesondere weil das derzeitige Einkommen von Uwe K. nur 1500 Euro beträgt. Aus der Sicht des Anwalts erfordern die Umstände der Tat eine Beurteilung als geringe Schuld.

Die letzten Worte des Angeklagten werden unter Tränen erstickt und kommen nur stockend. Er teilt mit, dass er die Tat bedauert und möchte sich nochmals entschuldigen. Weitere Worte kann Uwe K. nicht mehr sprechen. Vor der Urteilsverkündung gibt es eine Unterbrechung.

Die Urteilsverkündung

Der Angeklagte Uwe K. wird wegen gefährlicher Körperverletzung mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung bestraft. So teilt es der Richter mit. Weiterhin spricht er den Verurteilten Uwe K. direkt an: „Herr K., es ist etwas Schreckliches passiert, weil sie in der Provinz rumgeballert haben und sie Sheriff spielen wollten.” Zu diesem Einsatz waren 17 Polizeistreifen der Polizei Augsburg im Einsatz. Bis zum Eintreffen der Polizei hat Uwe K. alle in Schach gehalten, weil er glaubte, das zu dürfen, so der Vorsitzende Richter.

Die Tat der gefährlichen Körperverletzung rechtfertigt unbedingt eine Gefängnisstrafe. Nur die Beurteilung der Person Uwe K. hat letztendlich das Gericht dazu veranlasst, eine Strafe im Bewährungsrahmen auszusprechen. Das Gericht ist der Meinung, dass ein Mensch wie Uwe K. nicht in den Knast gehört. Allerdings wäre es für diese Beurteilung durchaus besser gewesen, wenn sich Uwe K. schon am ersten Verhandlungstag persönlich beim Opfer Mirnes A. entschuldigt hätte.

Der Beschluss des Gerichts lautet demnach Freiheitsstrafe über zwei Jahre auf Bewährung, Bewährungszeit drei Jahre und zusätzlich die Zahlung von 10.000 Euro an das Opfer innerhalb von zwei Monaten.

Die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft akzeptieren das Urteil sofort. Der Nebenklägervertreter ist dazu noch nicht in der Lage, da er sich zuerst mit seinen Mandanten besprechen muss.


Angeklagter / Bildquelle: Stefan Bisanz

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